Musikalische Sünden

Ich gebe es ehrlich zu: Ich bin musikalisch in den 80 ern stehen geblieben. Wenn ich mir anhöre, was es so an neuen Liedern gibt denke ich auch zu recht. Natürlich gilt das nicht für alles, dazu später mehr, aber vieles ist doch heute zum Einheitsbrei geworden. Gesangstalent ist nicht mehr nötig: Die Stimme wird mit Computerhilfe verstärkt, bekommt mehr Volumen oder erreicht Höhen die sie nicht hat. Oder sie wird komplett verfremdet wie bei „Cher“. Musikalisch dominieren Computerrythmen, Techno oder Rap (was auch den Vorteil hat, dass man nicht wirklich singen muss). Und wenn man gar nichts kann, dann covert man einen Titel aus den 80ern. Das jugendliche Publikum kennt ja nicht die Originale. Gibt es eine bessere Hommage an die 80 er?

Okay, damals war auch nicht alles Gold. Es gab damals schon Dieter Bohlen mit „Modern Talking“, „Blue System“ oder „C.C. Catch“. Von England belieferten und Stock, Aitken und Watermann dauernd mit neuer Musik (in immer demselben Stil): Kylie Minogue begann so ihre Karriere. Aber es gab noch Madonna, Genesis, Simply Red, David Bowie und zahlreiche andere die nicht nur Einheitsbrei komponierten. Auch in den vorherigen Jahrzehnten gab es gute Musik. Aber heute scheint irgendwie Einheitsbrei zu dominieren.

Aber ich möchte eigentlich über eine Theorie reden. nämlich, dass der Musikgeschmack eines Menschen meist geprägt wird von dem was er in der Pubertät und kurz danach hört. Ich kenne das von vielen Leuten die irgendwie in der Zeit stehen gebelieben sind. Bei mir gibt es eine schlimme Fehlentgleisung, die diese Theorie bestätigt: Ich mag NDW. NDW, oder „Neue Deutsche Welle“ war der deutsche Ableger der New Wave und schwappte von 1980-1983 über Deutschland. Angefangen hat es durch fetzige Musik mit deutschen Texten, frech, kontrovers, provokativ, wie zum Beispiel. von Spliff, Ideal und Extrabreit. Als die Schallplattenfirmen das Marktpotenzial erkannten wurde alles vermarktet was deutsch und lustig war und es kamen mehr und mehr Nonsens Songs in die Hitparade wie IXIs „Knutschfleck“ oder UKW mit „Verschossen in deine Sommersprossen“. ziemlich bald hatte dann das Publikum genug von diesen Liedern und die Welle schwappte über. Ende 1983 war es schon fast vorbei. Die neue deutsche Welle war der Tod des deutschen Schlagers, denn danach keiner mehr hören wollte weil man erkannte wie platt die texte sind. Ich denke man hat damals die Chance verspielt eine eigene deutsche Musikkultur aufzubauen und dies dem kurzfristigen Reibach geopfert.

Ich bin ein NDW Opfer. Ich höre das gerne. Nicht nur die anspruchsvolleren Stücke, wie Spilff’s „Deja Vu“, sondern auch die Nonsens Sachen wie „Tretboot in Seenot“ oder „Ich will Spaß, ich geb Gas“ – War Markus nicht ein Prophet? 1982 stieg nach einer Ölkrise der Benzinpreis plötzlich auf 1.30 DM/l, dass war für viele schon teuer. Und er drehte das um und dichtete „Und kosts Benzin auch 3 Mark 10, scheiss egal es wird schon gehn“… Ja soviel kostet es nun und es geht….

Ich weis nicht, ich singe einfach gerne mit, fühle mich gut, bei manchen Stücken denke ich an meine Schulzeit oder einige Situationen zurück die ich mit ihnen verbinde. Und ich glaube das ist es was sie besonders für mich macht. Nicht das Lied, es ist die Erinnerung.

Doch ich habe in der letzten Zeit auch viel neues gehört. Ich habe neue deutsche Musik lieb gewonnen: Mit guter Musik, frechen oder ausdrucksvollen Texten. Ich höre gerne Juli, Silbermond, Christina Stürmer, Anette Louisan, 2Raumwohnung, Rosenstolz. Aber auch das eine oder andere internationale wie No Doubt, Shakira, Shania Twain oder Natalie Imbrugella. Und es macht Spaß wieder mal was neues zu hören, wenn es nicht Einheitsbrei ist.

So und für alle die heute Abi haben mein Musiktipp für heute. Einer der klassischen Hits der NDW: Extrabreit: Hurra Hurra die Schule brennt

3 thoughts on “Musikalische Sünden

  1. Hallo Herr Leitenberger,

    erstmal vielen Dank fuer Ihre zahlreichen und wahlweise unterhaltsamen, witzigen oder sachlich fundierten Blog-Artikel.

    Zur elektronischen Musik moechte ich hinzufuegen: Es ist schade, dass in der breiten Gesellschaft eine so pauschalisierende Antipathie dagegen besteht.

    Musik muss nicht nur aus „Gesang mit Begleitung“ bestehen und muss auch nicht immer Texte haben.

    Es gibt wirklich GUTE elektronische Musik (allerdings ist die im Mainstream/in den Charts nicht existent), die ganz anders wirkt als Popmusik bzw. „normale Musik mit Texten“ und ich denke, das ist auch hier wohl eine Frage der „musikalischen Sozialisation in der Spaetpubertaet“, wie Sie schon richtig bemerken.

    Wenn Sie mal viel Zeit und Ruhe haben und gute Kopfhoerer, probieren Sie’s doch einfach mal:

    http://www.youtube.com/watch?v=Et3mKO1lyGw&fmt=18
    http://www.youtube.com/watch?v=-fdhD6wFVCE&fmt=18
    http://www.youtube.com/watch?v=5ZzPGfRx89Y&fmt=18

    😉

    Viele Gruesse

  2. Nun ich weiss nicht wie es in der breiten Masse aussieht. Für mich muss Musik nicht nur mit „Naturinstrumenten“ gespielt sein und sie muss auch nicht immer Texte haben. Die Antipathie die sie ansprechen richtet sich meiner Meinung nach nicht gegen elektronische Musik an sich, sondern gegen einfaltslose Musik wie ein einfacher Takt der immer wieder wiederholt wird. Also spontan fällt mir das Scooter ein („Hyper, Hyper…“).

    Ich habe mal in einen Link reingehört und da scheint das dann nicht zu gelten. Natürlich gibt es aber auch persönliche Vorlieben. Ich mag z.B. sehr gerne die Kombination von klassischen Instrumenten mit Pop. also Musik von ELO, die älteren Stücke der Beatles, gerne auch Pop gespielt von einem klassischen Orchester.

    Aber das ist eben eine persönliche Vorliebe.

  3. Was mich an der Richtung, die ich oben gepostet habe, so fasziniert, ist auch die ungewoehnliche Kombination von sehr melodischen/harmonischen (also fast schon klassischen) Elementen, und dazu die energetischen Dance-Beats – diese Kombination ist eigentlich das, was Melodic / Uplifting Trance so ausmacht.

    Aber vielleicht bin ich „in Ihrem Alter“ dann auch aus dieser Musikrichtung raus 😉

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