Die Hüh-Hott Politik bei der ISS

Nun das Thema könnte man recht lange bei der ISS in die Vergangenheit zurückführen, eigentlich bis zur Entstehung 1984. Doch ich will mich auf die letzten sechs Jahre beziehen und daran mal meine Kritik an der ISS Politik genauer ausführen. Es war klar, dass nach dem Verlust der Columbia eine Zäsur stattfindet, aber wie dies 2004 verlief ist doch die denkbar schlechteste Lösung gewesen.

Im Januar 2004 wurde beschlossen das Constellation Programm durchzuführen. Finanziert sollte es vor allem durch Einsparungen werden – durch die Einstellung der Space Shuttle Flüge 2009/10, die Aufgabe der ISS 2016 und Kürzungen im allgemeinen Budget (also unbemannten Missionen, Aeronautics etc.). Schon damals dachte ich mir, dass so ein Mondprogramm nicht finanziert werden kann, dass während der sechziger Jahre mehr als Zwei Drittel des NASA Budgets ausmachte und dieses stieg in diesen Jahren rapide an.

Schon damals hätte man an einigen Punkten von Constellation Kritik üben können – wenn 2016 die ISS aufgegeben werden soll – warum dann die Ares I entwickeln und die Orion für ISS Missionen vorsehen? Für die zwei Jahre lohnt es sich kaum (geplanter bemannter Jungfernflug damals noch 2014). Vor allem war ab 2004 bekannt dass es von 2009/10 bis frühestens 2014 keinen bemannten US Zugang ins All geben würde und natürlich auch die Versorgungskapazität wegfällt. Sinnvoll wäre daher zweierlei gewesen: zuerst die Ares I und Orion schnell zu entwickeln, dass sie frühzeitig zur Verfügung steht – in sieben Jahren bis 2011 hätte das möglich sein können, wenn die NASA nicht nur einen Auftrag sondern auch die Mittel erhalten hätte. Dann wäre die Lücke vermieden worden und in einem zweiten Schritt könnten dann Ares V und Altair angegangen werden können.

Vor allem sollte man sich um die Versorgung kümmern und zwar rechtzeitig. Die NASA vergab aber die Entwicklungsaufträge im Rahmen des COTS Programms erst 2006/7 und die Transportaufträge erst 2008. Es ist unwahrscheinlich das Cygnus und Dragon vor 2012 zur Verfügung stehen und wenn dann transportieren sie zusammen nur einen Bruchteil der benötigten Fracht. Vor allem aber wurde die Versorgung der ISS ja nicht umsonst auf internationale Stützen gestellt. Sicher können ATV und HTV sie alleine auch nicht gewährleisten, aber sie können einen größeren Beitrag als bisher geplant leisten. Das ATV sollte mal alle neun Monate fliegen anstatt alle 15 Monate. Das wären immerhin 5 t mehr Fracht pro Jahr. Da nun mehr Sojus Raumschiffe benötigt werden (und damit weniger Progress gestartet werden können, die aus einer Produktionslinie kommen) wäre es sinnvoll gewesen die internationalen Partner zu beauftragen soweit möglich mehr zu leisten, auch wenn das die NASA Geld kostet – aber wenn es um die Aufrechterhaltung des Betriebs der ISS geht sollten doch nicht nationale Interessen den Ausschlag geben.

Allerdings ging es unter Griffin nicht um die ISS. Ich denke man hat sie schon vor 2016 abgeschrieben – warum sonst blieb ausgerechnet das Zentrifugen Forschungsmodul und die Wohnquartiere für die Astronauten auf dem Boden, es reicht aber noch für Versorgungsflüge die ein MPLM zur Station bringen oder Russland einen Zenitstart für sein Rasswetmodul erspart. Das ist auch daran zu erkennen, dass das Forschungsbudget bei der NASA praktisch eingefroren wurde „stalled“ wie es die Augustine Kommission ausdrückte. Als Konsequenz betreibt derzeit auf der ISS die ESA genauso viele Racks wie die NASA – diese nutzt nicht mal alle Racks im Destiny Labor, geschweige denn dass sie die ihr zustehenden Racks in Kino und Columbus nutzen kann.

Nun kommt Obama und alles ist neu: Die ISS soll weiter betrieben werden, mehr Geld bekommen – nur gleichzeitig wird Constellation komplett eingestellt – nicht nur Ares V und Altair. Sicher nun sollen kommerzielle Services alles besser machen – doch auch die müssen erst mal entwickelt werden. Realistischerweise wird auch eine private Firma nicht vor 2016 ein neues Raumschiff verfügbar haben. Zumal es nach NASA Sicherheitsstandards gebaut sein muss (ansonsten wird die NASA wohl keine Flüge buchen).

Auf der anderen Sete geht es ja nicht um Forschung und die ISS. Es geht um Jobs. So verwundert es nicht, dass nun plötzlich die Senatoren und Vertreter im Kongress von den Staaten in denen Bestandteile des Space Shuttles gebaut werden fordern dieses länger im Dienst zu lassen. „Ja das geht“ sagt dann der neue NASA Administrator Bolden. Das kostet eben nur 200 Millionen Dollar pro Monat an Fixkosten und weil die Produktion schon 2008 eingestellt wurde wird es mindestens 2 Jahre dauern wird sie neu anzukurbeln. Sicher das ist nur ein Nebenschauplatz. Er zeigt aber warum es in Wirklichkeit geht: um Geld in der Aerospace Industrie. Es geht nicht um die ISS, es geht auch nicht um die Forschung. Dies kann jeder nachprüfen der sich die Mühe macht wie viele Racks in den jeweiligen Labors nun tatsächlich belegt sind und wie viele Astronauten derzeit auf der ISS sich befinden, nachdem ja Mitte 2009 angekündigt wurde, nun wäre eine sechs Personen Besatzung möglich. Für alle die nicht nachschlagen wollen: (22 von 33 Racks, davon 6 mit unbekannter Bestückung oder ohne Experimente, nur eine drei Mannbesatzung von der nur ein Besatzungsmitglied halbtags forschen kann). An der ISs kann man recht wenig verdienen, denn für die wird nichts mehr gebaut.

Kein Wunder, dass nun die Weltraumagenturen den Betrieb gleich bis 2028 festschreiben wollen – nach den letzten sechs Jahren benötigt man vor allem Planungssicherheit. Es wird sie aber nicht geben. Wenn der nächste Präsident wieder anders entscheidet, kann es um die ISS geschehen sein. Das ist das neue in der bemannten Weltraumpolitik: Sicher wurde das eine oder andere Projekt schon vorher im Frühstadium gestrichen. MOL in den USA, Hermes in Europa. Aber dass eine funktionierende Raumstation einfach aufgegeben wird, bevor sie fertiggestellt wird und ihr Versorgungssystem noch dazu – das ist einmalig. Wenige Jahre später folgt dann das Ersatzversorgungssystem. Was wird die Zukunft bringen?

2 thoughts on “Die Hüh-Hott Politik bei der ISS

  1. Ich glaube nicht das da noch was nachkommt. Die russische (zivile) Raumfahrt besteht eigentlich nur noch aus den Zubringerflügen zur ISS, die nun ja auch recht lukrativ werden – doppelt so viele Sitze und der Preis pro Sitz hat sich auch erhöht. Diese vier Flüge Pro Jahr finanzieren schon 40 % des Budgets. Selbst der zweite lukrative Sektor – Trägerraketenentwicklung und neues Kosmodrom schlummert seit Jahren vor sich hin, obwohl damit Zahlungen an Kasachstan entfallen würden und noch mehr Geld zu verdienen wäre. Aber dazu müsste erst mal Geld in die Entwicklung rein gesteckt werden. Daher glaube ich kaum dass es neue Module für die ISS oder gar eine eigene Raumstation geben wird. Russland ist so klamm, das KURS aus den Progresstransportern nach dem Ankoppeln ausgebaut und zur erde zurückgebracht wird…. Das sagt eigentlich alles.

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