Eine Oberstufe für die Vega

Die Vega mag ja einige Nachteile haben, aber sie hat einen Vorteil: sie ist sehr flexibel. Durch die rund 500-600 kg Treibstoff in der VEB kann die Rakete auch höhere Bahnen erreichen, ohne das wie bei anderen Modellen mit Feststoffantrieben die Nutzlast aufgrund dann notwendiger langer Freiflugphasen stark abnimmt. Was sie allerdings nicht leisten kann, ist eine nennenswerte Nutzlast auf Fluchtgeschwindigkeit zu beschleunigen, weil dann die rund 500 kg schwere VEB praktisch die Nutzlast gegen Null gehen lassen würde.

Also als heutige Übung – wir konstruieren eine zusätzliche Oberstufe, welche die Aufgabe hat kleine Raumsonden auf ihren Kurs zu bringen. Fangen wir zuerst mal an nach passenden Exemplaren zu suchen. Es gäbe im US-Arsenal den Star 48 und Star 37 Antrieb mit Startmassen von 1.100 bzw. 2.200 kg, die passen würden. Eine Recherche, was diese Antriebe aber kosten, war ernüchternd. Für den Star 48 habe ich 11 Millionen Dollar gefunden – das würde den Transport deutlich verteuern. Er wäre auch so schwer, dass er noch vor Erreichen der Umlaufbahn gezündet werden müsste, was dann nur noch direkte Einschüsse mit kleinen Startfenstern erlaubt.

Sinnvoller wäre eine Oberstufe, welche zuerst in einen Parkorbit gebracht wird und dann gezündet. Da findet sich leider kein Exemplar, das derzeit geeignet ist. In Europa ist die Auswahl an möglichen Antrieben begrenzt. Es gibt eigentlich nur Satellitenantriebe und das Aestus Triebwerk. Letzteres ist aber schon zu schubstark und schwer. Anstatt nun nach einem Antrieb in Russland umzusehen, habe ich mich für Satellitenapogäumsantriebe entscheiden. Da diese recht schubschwach sind, werden aber mehrere benötigt.

Also werden wir mal langsam konkret. Eingesetzt sollten zwei Triebwerke des Typs EAM-500 sein. Zwei weil der Schub nur 500 N beträgt und man so auf Betriebszeiten von mehreren Stunden kommt. Das macht mehrere Zyklen notwendig, um die Endgeschwindigkeit zu erreichen, ohne allzustarke Gravitationsverluste in Lauf zu nehmen.  Damit es nur zwei bis drei sind habe ich zwei Triebwerke angesetzt.

Bei einem spezifischen Impuls von 325 s (3188 m/s) kann man nun die Treibstoffmenge errechnen. Die Stufe soll ausgelegt sein, Raumsonden zum Mond (v=3.200 m/s relativ zur Parkbahn) bis Mars (v=3.950 m/s relativ zur Parkbahn) zu bringen. Die Maximalnutzlast der Vega in eine 200 km hohe LEO Bahn beträgt 2.500 kg. Um eine kleine Reserve zu haben, soll die Stufe mit Nutzlast maximal 2.400 kg wiegen. Daraus errechnet sich bei der höheren Zielgeschwindigkeit von 3.950 m/s eine maximale Treibstoffzuladung von 1705 kg. Sie wird bei kleineren Geschwindigkeiten kleiner.

Bei der Mischung für das Triebwerk von 1,65 sind das bis zu 644 kg Hydrazin und 1061 kg Stickstofftetroxid. Bei den gegebenen Dichten der Treibstoffe von 0,88 (MMH) und 1,34 (NTO) sind das 731 bzw. 723 l. Also schauen wir mal an, welche Tanks es dafür gibt. Ich habe mich für vier Tanks entschlossen, also muss jeder Tank maximal 366 l aufnehmen. Passend dazu ist der Tank OST 01/X. Er fasst ind er gewählten Konfiguration bis zu 420 l wiegt 29 kg und hat einen maximalen Durchmesser von 875 mm bei 420 l Volumen.

Nun braucht man noch Heliumdruckgas für den Tankdruck. Dieser beträgt 17,5 bar. Das Helium steht unter einem Druck von 400 bar. Das bedeutet, dass man für die 4 x 420 l einen Druckgastank von 74 l Volumen benötigt um das Helium aufzunehmen. Ein 80 l Tank wiegt 17,7 kg. Dazu kommt noch das Helium mit 5,7 kg Gewicht. Ich habe zwei dieser Tanks vorgesehen.

Nun benötigen wir noch die Triebwerke: Neben zwei Haupttriebwerken (je 5 kg) kommen noch 8 Triebwerke in zwei Gruppen zu je vier Triebwerken mit 10 N Schub zur Lageregelung (je 700 g). Dazu benötigen wir noch Tankleitungen mit Ventilen (2 x 11 kg ). Das macht dann folgende Leermasse die benennbar ist:

  • 8 Steuertriebwerke: 5,6 kg
  • 2 Haupttriebwerke: 10 kg
  • Vier Treibstofftanks: 116 kg
  • Zwei Druckgastanke: 46,6 kg
  • Tankleitungen: 22 kg

Zusammen: 202,2 kg.

Nun wird noch eine Verbindung der ganzen Tanks untereinander benötigt. Dies soll die Trockenmasse auf 210 kg erhöhen. Die Nutzlast liegt dann bei 669 kg bei Mondmissionen und 485 kg bei Marsmissionen. Eine Steuerung habe ich nicht vorgesehen, dies muss die Nutzlast erledigen, die ja über einen eigenen Computer und Navigationsmöglichkeiten verfügt. Im Idealfall reicht es vor der Zündung die Stufe auszurichten und dann die Haupttriebwerke zu zünden. Da mehrere Brennperioden nötig sind, wird nur bei der letzten eine genaue Ausrichtung nötig sein. Die gesamte Brenndauer beträgt 4850 s bei Mondmissionen und 5435 s bei Marsmissionen.

Zur Optimierung habe ich allerdings je zwei Treibstoff-, Oxidator und Druckgastanks vorgesehen, obwohl auch je ein Tank reichen würde. Das erlaubt es erst ein System zu nutzen, dann pyrotechnisch abzutrennen und dann das zweite. Auch die Breeze-M Oberstufe nutzt so etwas. Das abzutrennende System ist dann das untere. Die Triebwerke sollten in der Mitte sich befinden umringt von den Treibstofftanks um eine Kollision zu vermeiden. Berücksichtigt man diese Option, so steigt die Nutzlast an auf 538 kg bei Marsmissionen und 713 kg bei Mondmissionen, da 86,6 kg Masse nach dem Erreichen einer Geschwindigkeit von 9200 m/s abgetrennt werden.

Noch idealer wäre eine Integration mit dem Eigenantrieb des Satelliten, da bei den drei wichtigsten Zielen – Mond, Venus und Mars ja auch noch in eine Umlaufbahn einschwenken muss und so einen eigenen Antrieb braucht. Das Antriebsmodul wäre dann nur noch ein Ring aus je einem MMH-, NTO- und Druckgastank, der die Triebwerke in der Mitte umgibt, verbunden mit dem Leitungssystem des Satelliten, der die eigenen Triebwerke zur Lageregelung und für den Antrieb einsetzt. Zwei dieser Ringe werden dann nacheinander abgetrennt. Neben Kosteneinsparungen reduziert das auch das Gewicht um mindestens 16 kg (für die Triebwerke).

Es gibt, um das Thema abzuschließen, schon ein Antriebssystem für die Vega. Die Mission LISA Pathfinder zu einem der Lagrangepunkte wird ein integriertes Antriebsmodul einsetzen. Von diesem ist es nur ein weiterer Schritt zu einem universellen Antriebsmodul. Die Nutzlast der Vega ist nicht riesig, doch sollte man bedenken, dass auch einige Raumsonden der letzten Zeit nicht so schwer waren. Mars Odyssey wog beim Start nur 725 kg bei einer Masse von 348 kg ohne Treibstoff. Bei Near sind von 805 kg Startmasse auch das meiste Treibstoff. Ohne diesen wiegt die Sonde nur 384 kg. Eine Raumsonde die 1.200 m/s an Geschwindigkeit abbauen muss (ausreichend für Mond, Mars unv Venusmissionen, würde bei 600 kg Startgewicht auch nur noch 411 kg im Orbit wiegen. Das bedeutet dass die Vega mit dieser Oberstufe also durchaus Missionen der Discovery Klasse auf den weg bringen könnte.


6 thoughts on “Eine Oberstufe für die Vega

  1. Die offensichtlich beste Variante fehlt noch … der Start aus einem hohen Orbit heraus mit einem Ionenantrieb, das es dort großes Potential gibt hat ja schon Smart-1 bewiesen die vom GTO aus zum Mond geflogen ist. Bei den jahrzehntelangen Planungs- und Bauphasen sollte ein zusätzliches Jahr Flugzeit kein Problem sein.

  2. Mit Ionenantrieb kann man natürlich die kostensparende Startmethode von Smart-1 wählen, also „huckepack“ als Ballast bei einem eh stattfindenden Ariane-V-Flug mitfliegen, und sich dann langsam auf den Weg machen. Zum Mond hat man dabei 1 Jahr extra Flugzeit, zum Mars oder zur Venus eher zwei. Und es bleibt das Problem, dass man trotzdem einen chemischen Antrieb braucht, um am Ziel schnell genug ins Orbit einbremsen zu können. Und der Satellit lange im Van-Allen-Strahlungsgürtel leidet. Smart-1 hatte ja ganz bewusst nicht so wahnsinnig viele Instrumente dabei …

    Wenn die Vega also wirklich unter 20 Mio. Euro kostet, ein günstiger kleiner Mond-, Venus- oder Mars-Satellit aber 200 Mio. Euro, dann ist es wahrscheinlich wirklich die beste Lösung, dem Satelliten die von Bernd genannten zwei „Tankringe“ mitzugeben und direkt und chemisch zu fliegen.

  3. Nach den Worten von Wladimir Rautschuk, Generaldirektor und Generalkonstrukteur von KBHA, arbeitet sein Unternehmen aktiv mit der italienischen Firma „Avio“ an der Entwicklung eines Methantriebwerks für die Vega. Der spezifische Impuls = 385s.

  4. Na ja, die LOX/LNG Oberstufe Mira mit dem Lyra Triebwerk wird seit einigen Jahren geplant. Derzeit hat Italien aber keine Mittel für den Bau. Wenn sie sich bei der Ariane 6 beteilligen dürfte das Projekt gestorben sein.

  5. Kann sagen, das die Italiener regelmässig in Moskau sind. In den letzten Tagen wurde eine erfolgreiche Serie von Brennversuchen durchgeführt, darunter Mehrfachzündungen als auch eine in einer Anlage die die Bedingungen des Vakuums simuliert. Auf dem neuesten Bild des Triebwerks steht die Bezeichnung LM10-MIRA.00-00.000 Nr. 1.

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