Die B-Vitamine (2)
So, nun geht es weiter mit den B-Vitaminen. Es sind ja noch einige übrig geblieben: Die Folsäure, die Pantothensäure, das Pyridoxin, das Cobalamin und das Biotin, das gängigerweise aber Vitamin H ist, aber von der biochemischen Aufgabe eigentlich auch zur B-Gruppe gehört. Der Artikel schließt sich an den ersten Teil über Thiamin, Niacin und Riboflavin an.
Die Folsäure
Die Folsäure ist als Coenzym beteiligt bei zahlreichen Reaktionen bei denen Methyl, (-CH3), Methylen (-CH2) und vor allem Formylgruppen (-CHO) zwischen Molekülen ausgetauscht werden. So ist die Folsäure beim Aufbau der DNA beteiligt, aber auch bei der Synthese von bestimmten Aminosäuren wie Serin, Methionin oder Histidin. Sie ist aber auch beim Abbau von Purinen, Basisringen aus denen die RNA und DNA-Basen bestehen und beim Unschädlichmachen von biogenen Aminen beteiligt. Zusammen mit dem Cobalamin ist die Folsäure notwendig, um verschiedenste körpereigene Substanzen der verschiedensten Art (vor allem Aminosäure, aber eben auch RNA, DNA Cholin etc…) auf- und abzubauen, indem diese beiden Coenzyme eine Kohlenstoffgruppe (bestehend aus einem Kohlenstoffatom, Wasserstoff und teilweise auch Sauerstoff) kurzzeitig aufnehmen und dann auf ein anderes Molekül transferieren.
Die Folsäure ist essenziell für die Zellteilung und Zellreifung, entsprechend ist das bekannteste Mangelsymtom eine perniziöse Anämie, da rote Blutkörperchen relativ kurzlebig sind. Eine besondere Funktion hat die Folsäure bei der Umwandlung von Homocystein zur Aminosäure Methionin. Fehlt Folsäure, so reichtet sich das Homocystein an. Ihm werden zahlreiche negative Wirkungen zugeschrieben. Relativ gesichert ist, dass es negativen Einfluss auf die Bildung von Arteriosklerose hat. Parktinsonpatienten haben oft einen hohen Homocysteinspiegel. Andere negative Wirkungen, die aber durch die Studienlage noch nicht so stark abgesichert sind, sind Erhöhung des Darmkrebsrisiko, kognitive Beeinträchtigungen (Alzheimer) und Depressionen. Im Frühstadium der Schwangerschaft kann ein niedriger Folsäurespiegel zum Neutralrohrdefekt bei den Neugeborenen führen, weshalb Frauen bei Kinderwunsch präventiv Folsäurepräparate zu sich nehmen sollte.
Die Pantothensäure
Die Pantothensäure ist Bestandteil des Coenzyms-A. Dieses ist beim Abbau von Fettsäuren absolut notwendig. Im letzten Schritt der Beta-Oxidation wird ein Essigsäurerest als Acetyl-Coenzym abgespaltet. In dieser Form mit gebundenem Essigsäurerest ist das Coenzym A auch beim Eiweiß- und Kohlehydratstoffwechsel beteiligt, indem es Essigsäureeinheiten in den Zitratzyklus einschleust.
Der letzte Schritt der Glykolyse ist übrigens, der einzige an dem drei Vitamine beteiligt sind: Die Kohlendioxidabspaltung aus dem Pyruvat wird durch Thiamin als Coenzym katalysiert, die dabei entstehende Essigsäure wird auf das Coenzym A übertragen und der Wasserstoff durch die Oxidation der Ketogruppe zu Kohlendioxid wird auf NAD übertragen, in dem wiederum Niacin steckt. Da die Pantothensäure in fast allen Nahrungsmitteln vorhanden ist – sie wird ja für den Stoffwechsel der drei energieliefernden Bestandteile der Nahrung benötigt, ist ein Mangel durch die Ernährung fast ausgeschlossen. Das sieht man schon im Namen: Pantos bedeute „überall“
Pyridoxin
Pyridoxin besteht aus drei Substanzen, dem Pyridoxamin, dem Pyrodoxol und dem chemisch wirksamen Pyridoxal. Der Körper wandelt alle Formen in das Pyridoxal um und ich denke, dass passiert auch in den Lebensmitteln, denn eine Aufgabe einer komplexen Studienarbeit (als Ersatz für die Diplomarbeit, die es bei Lebensmittelchemikern aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen nicht gibt) war es eine Bestimmungsmethode für dieses Vitamin zu finden, was mir auch gelang, ich entdeckte aber auch, dass in Proben von Lebensmitteln der Pyridoxingehalt konstant war, aber die Mengenverhältnisse der drei Einzelsubstanzen variierten.
Pyridoxal ist Bestandteil von etwa 60 Enzymen des Eiweißstoffwechsels, vor allem Transaminasen und Carboxylasen. Die Aldehydgruppe des Pyridoxals reagiert mit der Aminogruppe des Eiweißes. Der Ring mit drei Doppelbindungen führt zur Schwächung der Bindung des Proteins, es bindet zusätzlich an der Alkoholgruppe, die direkt neben der Aldehydrgruppe sitzt. Dadurch kann dann das Enzym, das Pyridoxin als Coenzym enthält je nach Substrat eine Aminogruppe abspalten oder eine Carboxylgruppe abspalten oder sogar eine Aminogruppe auf eine andere Substanz übertragen und so aus anderen Substanzen Aminosäuren bilden.
Das bedeutet Pyridoxin ist essenziell bei Aufbau und Abbau von Eiweiß, und das passiert im Körper permanent.
Cobalamin
Das Vitamin B12 ist das komplexeste Vitamin das wir benötigt. Es besteht aus einem Corrinringgerüst. Diese Gerüste findet man auch im Chlorophyll und dem Blutfarbstoff Hämoglobin. Cobalamin ist dadurch auch gefärbt, es leuchtet purpur, das merkt man aber bei den Mengen die in Lebensmitteln stecken nicht, denn man benötigt nur wenige Mikrogramm des Vitamins. Zum Vergleich: die anderen B-Vitamine benötigt man (außer Biotin) in Milligrammmengen.
Als Coenzym von Enzymen kann dieses komplexe Ringssystem mit einem Cobaltatom als Zentralatom Methylgruppen (-CH3) von einem Molekül zum anderen übertragen.
Das Vitamin B12 ist in vielen Aspekten etwas anderes als die anderen Vitamine. So können weder Pflanzen noch Tiere es synthetisieren. Das können nur Mikroorganismen. So gelangt es indirekt zu uns über tierische Nahrungsmittel, vor allem mikrobiell gereifte Nahrungsmittel. Veganer, also reine Vegetarier haben daher ein Versorgungsproblem. Das zeigt sich aber nicht sofort, denn während der körpereigene Speicher bei den anderen B-Vitaminen für einige Tage bis Wochen ausreicht können wir Vitamin B12 in der Leber so gut speichern, das der Vorrat über Monate bis Jahre reicht. Da eine wichtige Aufgabe des Vitamin B12 die Methylgruppenübertragung bei der Folsäuresynthese ist, kann eine reichliche Folsäurezufuhr (die vor allem in Pflanzen vorkommt) den Mangel bei Veganern oft verschleiern. Typisches Mangelsymptom ist wie bei der Folsäure eine besondere Art der Anämie, da es genauso wie die Folsäure für die Zellreifung notwendig ist.
Zudem können wir das Cobalamin nicht wie andere Vitamine direkt aufnehmen, wir brauchen dazu ein Protein, das im Magen ausgeschüttet wird und an das Vitamin bindet. Wer eine Magenentfernung bekommen hat, bekommt deswegen auch regelmäßig Vitamin B12 Injektionen. Da ist der Körpervorrat dann doch recht praktisch. Ebenso seltsam ist, dass es beim Vitamin B12 es sie größten Unterschiede zwischen den nationalen Empfehlungen für den Bedarf gibt. Das liegt daran, dass der Bedarf nur im Bereich einiger Mikrogramm pro Tag liegt und er so schwer erfassbar ist. Die Sicherheitsspannen die daraufgelegt werden, variieren dann je nach Nation.
Biotin
Biotin ist eigentlich Vitamin H, aber von der Funktionalität gehört es in die B-Gruppe. Wie die Folsäure und das Cobalamin hat es eine Aufgabe beim Transfer von Kohlenstoffgruppen, diesmal der höchsten Oxidationsstufe, der Carboxygruppe. Es ist Bestandteil einer Enzymgruppe: den Carboxylasen.
Biotin wird so für den Aufbau von bestimmten körpereigenen Substanzen wie Purine, Kohlenhydrate, Asparaginsäure, Olsäure und andere Fettsäuren) wie auch beim Abbau von Serin und Tryptophan nötig. Daneben ist es ein wichtiger Faktor beim Wachstum und der Entwicklung von Zellen.
Biotin ist an nicht so vielen Reaktionen beteiligt, der Bedarf ist daher klein und liegt bei etwa 40 bis 50 µg /Tag. Eiklar enthält ein Eiweiß das Biotin aus der Nahrung (nicht nur das im Ei, sondern auch der restlichen Nahrung bindet). Das Eiweiß kann deaktiviert werden, aber die dafür notwendigen Temperaturen erreicht man beim normalen Kochen nicht.
Bedarf
Die einzelnen Vitamine werden in unterschiedlichen Mengen benötigt. Die Referenzwerte schwanken über die Jahre leicht, meist aber eher bei den Vitaminen die nur einen geringen Bedarf haben wie Vitamin B12, bei dem man vor einigen Jahren noch von 3 µg/Tag ausging, heute werden 5 µg/Tag empfohlen. Das liegt schlicht und einfach an der geringen Wissensbasis, man kann ja nicht Menschen ohne Vitamine ernähren und unterschiedlichen Sicherheitsaufschlägen. Auf der anderen Seite der Skala liegt das Niacin, bei dem je nach Geschlecht der Bedarf bei 12 bis 15 mg/Tag liegt also rund 3.000-mal höher. Ich führe hier keine Tabelle mit dem Bedarf auf. Zum einen kann die sich ändern wie oben beschrieben, daneben werden wohl nicht mal Ernährungswissenschaftler durchrechnen, wie viele Vitamine man pro Tag zu sich nimmt und vor allem kann man im Web bei Nahrungsmitteln, die einen interessieren oder die man regelmäßig konsumiert, nachlesen wie viel Vitamine sie enthalten und zwar nicht nur absolut, sondern auch prozentual zum Tagesbedarf.
Aber ein letztes Wort dazu: solche Angaben auf den Tagesbedarf beziehen sich auf eine Referenz und das ist eine 60 kg schwere Frau, die eine Tätigkeit mit wenig Bewegung hat, also der typische Bürojob. Das relevante ist der Tagesenergiebedarf von rund 8.400 KJ oder für alle die nach 37 Jahren (so lange sind Kilojoule gesetzliche Einheit) noch in Kalorien rechnen 2.000 kcal. (Da das eine runde Zahl ist, nenne ich mal keinen Zufall). Alle B-Vitamine sind Coenzyme im Stoffwechsel und ihr Bedarf ist daher immer proportional zum Stoffwechsel. Er ist also auch proportional zum Energiebedarf. Der steigt, wenn man mehr wiegt (Männer, Übergewichtige) und wenn man sich mehr körperlich betätigt, also entweder eine anstrengendere berufliche Tätigkeit hat oder Sport macht. Wer z.B. einen Energieumsatz von 10.500 kJ (z.B. ein 75 g schwere Person mit Bürotätigkeit oder eine 60 kg schwere Frau mit einer Tätigkeit mit viel Bewegung oder dieselbe Frau, die 1 Stunde Ausdauersport pro Tag macht) hat einen 25 Prozent höheren Energiebedarf und braucht damit auch 25 Prozent von jedem Vitamin mehr. Also beim Niacin z.B. anstatt 12 mg dann 15 mg am Tag.
Wer nicht sicher ist, ob er gut versorgt ist, dem rate ich zu Vitaminpräparaten. Ich weiß, dass Ernährungswissenschaftler denen sehr skeptisch bis negativ gegenüberstehen. Ihre, nachvollziehbare und auch völlig logische Begründung ist, das man sich „gesund“ ernähren soll, dann würde man alle Vitamine zu sich nehmen. Bei vielen die tagsüber arbeiten, ist das einfach nicht möglich und oft hat man dann am Abend nicht die Lust oder Zeit noch was „gesundes“ zu kochen.
Meine persönliche Meinung ist, das man Vitaminpräparate vielleicht nicht braucht und ich glaube auch nicht, das jemand bewusst „ungesund“ lebt und das mit Vitaminpräparaten ausgleicht. Aber wenn man sich nicht sicher ist, sind sie so eine Art Rückversicherung. Man weiß dann, dass zumindest die Versorgung mit Vitaminen gesichert ist. Alleine dies, nämlich die physiologische Komponente, dass man sich etwas „gutes tut“ ist sicher wirksamer als das Präparat selbst. Stichwort: Placebo-Effekt.