Die B-Vitamine (1)

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Heute mal wieder ein Thema aus meinem ersten Beruf, Lebensmittelchemiker. Wenn euch die neue Reihe „Die Glorreichen 10“ gefällt, sagt mir Bescheid, denn da habe ich noch einige Ideen. Wie der Name sagt, geht es um Vitamine, und zwar nicht um Mauscheleien in Unternehmen, wofür zumindest der Ausdruck „Vitamin B“ auch steht, sondern um die essenziellen Nahrungsbestandteile. Auch wenn es sich um ganz verschiedene Substanzen handelt so haben sie doch eine Gemeinsamkeit, auf die ich noch komme.

Der Name

Die Bezeichnung „Vitamin“ ist eine sehr alte Bezeichnung, die entstand lange bevor man weder die chemische Struktur der Substanzen kannte, noch ihre genaue Beteiligung bei den Prozessen im Körper. Man stellte nur fest, dass bei einseitiger Ernährung, in denen sie fehlte bestimmte Mangelkrankheiten auftraten. Die Industrialisierung mit Arbeitern, die von ihrem Lohn kaum leben konnten und auch Kinder für den Verdienst einspannen mussten lieferte da genügend unfreiwillige Versuchskaninchen. Die Bezeichnung leitet sich von „Vita“ = lebensnotwendig und „Amine“ Substanzen die Stickstoff enthalten (eine Elementaranalyse war damals schon möglich, und die einzigen Stickstoffverbindungen, die man in der Nahrung kannte, waren die Aminosäuren die eine Amingruppe (-NH2) enthalten).

Ursprünglich gab es viel mehr Vitamine, als wir heute kennen, bei den B-Vitaminen sieht man dies noch an der Nummerierung, die bis 12 geht. Es sind aber nur sieben davon Vitamine, der Rest sind Substanzen von denen man später erkannte, dass sie nicht essenziell sind. Sie tauchen mit ihren B-Vitaminnummern aber noch gerne in Nahrungsergänzungsmitteln auf, um mehr Vitamine vorzutäuschen als tatsächlich drin sind.

Die Nummerierung der B-Vitamine unterscheidet sich von der bei anderen Vitaminen wie Vitamin D und K darin, das es unterschiedliche Substanzen sind und sie unterschiedlich wirken, während es bei Vitamin D1+2 und K1-3 chemisch sehr ähnliche Substanzen mit gleicher Wirkung handelt. Das liegt daran, dass alle Verbindungen als Coenzyme an Stoffwechselvorgängen beteiligt sind und wenn diese gestört werden, so wirkt sich das auf den ganzen Körper aus. Die Krankheitssymptome sind sehr ähnlich, daher meinte man damals, es wäre ein Vitamin das sie verursacht.

Die Vitamine

  • Thiamin (B1)
  • Riboflavin (B2)
  • Niacin, Nikotinsäure (B3)
  • Pantothensäure (B5)
  • Pyridoxin (B6)
  • Biotin (B7, B8 oder H)
  • Folsäure (B9 oder B11)
  • Coalbumin (B12)

Die weggefallenen Vitamine

Da ihr diesen Substanzen immer wieder begegnen werdet, viele Hersteller mit ihnen werben eine kleine Erklärung der Substanzen die keine Vitamine sind:

  • Cholin (B4)
  • Inosit (B8)
  • p-Aminobenzosesäure (B10)
  • Ubichinone (Vitamn Q)

Es gibt noch einige Nicht-B-Vitamine mehr, deren Vitaminstatus aber relativ kurzlebig waren, und bald ihre Vitaminbezeichnung verloren haben. Bei den drei oberen Substanzen haben sich die B-Nummern aber zumindest etabliert. Aufgrund dessen das die B-Nummern nicht eindeutig sind (zwei Vitamine haben mehrere B-Nummern) und man Biotin auch als Vitamin H bezeichnet, sollte man – auch als Laie – die chemischen Bezeichnungen verwenden. Sie sind bei Experten auch der Normalfall.

Noch was zu den weggefallenen „Vitaminen“. Cholin ist ein Bestandteil zahlreicher körpereigenen Substanzen so ein Bestandteil von Zellmembranen, des Lecithins und des Neurotransmitters Acetylcholin. Es ist ein Alkohol einer quartären Ammoniumverbindung.

Inosit oder Inositol ist der Trivialname von Cyclohexanol. Er ähnelt den Kohlenhydraten, die auch aus sechs Kohlenstoffatomen und sechs Hydroxylgruppen bestehen, es fehlt aber die Ringbindung über ein Sauerstoffatom. Inosit ist Baustein von Inositoltriphosphat, einem sekundären Botenstoff für die Zellkommunikation und Es kann für einen alternativen Glucosetsoffwechselweg genutzt werden.

Die para-Aminobenzoseäure (PABA) hat im menschlichen Körper überhaupt keine Wirkung. Sie ist für Bakterien und Hefen aber ein Wachstumsfaktor. Sie bilden aus ihr Folsäure. Zur Vitamineinstufung kam man weil man deren Synthese durch Sulfonamide stören konnte und man so meinte, wenn es bei Bakterien essenziell ist dann wohl auch für den Menschen. Sie ist bei Nahrungsergänzungsmitteln sehr beleibt weil man sie chemisch sehr leicht herstellen ist und sie industriell in riesigen Mengen für die Herstellung von Azofarbstoffen synthetisiert wird.

Ubichinone sind als Coenzyme Bestandteil der Atmungskette und daher wichtig, aber sie sind nicht essenziell.

Die Gemeinsamkeiten der B-Vitamine

Alle B-Vitamine sind Coenzyme. Coenzyme sind Nicht-Eiweiße die zusammen mit einem Enzym, also einem Protein, einen Biokatalysator bilden. Sie führen so die vielen chemischen Synthesen und Stoffumwandlungen im Körper durch. Alle B-Vitamine haben Aufgaben bei der energetischen Verwertung der Nahrungsbestandteile oder der Biosynthese von körpereigenen Substanzen. Ein Vitaminmangel äußert sich meist zuerst in neurologischen Defiziten oder Schäden bei den Organen, die einen hohen Umsatz haben, so der Haut die dauernd erneuert wird. Das Gehirn ist deswegen zuerst betroffen, weil die Zellen zum einen empfindlicher als andere Körperzellen sind und es auch spezialisiert ist: das Gehirn kann z.B. aus Fett keine Energie gewinnen, es ist auf Glucose als Bestandteil der Kohlenhydrate angewiesen. Steht das nicht zur Verfügung, so bildet der Körper Ketokörper als Ersatz, allerdings mit negativen Nebenwirkungen. Zudem verbraucht unser Gehirn ein Viertel der Energie des Körpers wenn deiser nicht Muskelarbeit erbringen muss.

Als Biokatalysatoren senken Enzyme die Aktivierungsenergie von Reaktionen. Viele nehmen aber auch Atome oder Atomgruppen auf um sie an andere Moleküle zu übertragen. Aber gehen wir die Vitamine mal durch. Wer mal einen Bio-Leistungskurs hatte und dem daher die Begriffe „Glykolyse“, „Zitronensäurezyklus“ und „Beta-Oxidation“ nicht fremd sind, der wird etliche Vitamine wiedererkennen.

Thiamin

Thiamin wird im Körper zu Tiaminpyrophosphat (TPP) umgebaut und dieses reagiert dann mit Essigsäureresten. Ein solcher Rest entsteht beim Übergang von der Glykolyse in den Zitronensäurezyklus. Dabei wird in einem Schritt aus Pyruvat Kohlendioxid abgespalten und der dabei entstehende Essigsäurerest aus das TPP übertragen. Diese gebundene Essigsäure wird dann in den Zitronensäurezyklus eingebracht, wo sukzessive Wasserstoff aus dem Molekül abgezogen wird und dabei wiederum zweimal Kohlendioxid abgespalten wird, bis die Ausgangssubstanz wieder gebildet wird und ein weiteres Essigsäuremolekül übernehmen kann. Wer sich noch an die Schule erinnert dem wird der Begriff „Acetyl-Coenzym A“ was sagen, genau das ist TPP + Essigsäurerest (chemisch: Aceytl).

Die gleiche Bedeutung hat TPP bei der Beta-Oxidation, dem wesentlichen Vorgang beim Abbau von Fettsäuren. Auch hier wird eine Fettsäure zuerst oxidiert (weshalb der Vorgang auch Beat-Oxidation heilt) und der dabei gebildete Essigsäurerest wird dann auf das TPP übertragen wobei dann wiederum das Acetyl-Coenzym A entsteht. Wie bei der Glykolyse wird dieses dann in den Zitronensäurezyklus eingeschleust. Diese Transferfunktion hat es dann auch bei anderen Substanzen, die allesamt alpha-Ketosäuren sind.

TPP ist aber auch bei Aufbauvorgängen beteiligt z.B. bei der Synthese von Aminosäuren mit einer Kohlenwasserstoffkette wie Lysin.

Riboflavin

Riboflavin ist Bestandteile eines weiteren sehr wichtigen Coenzyms, das der eine oder andere noch von seiner Abkürzung kennt: FAD / FADH+H+. FAD Steht für Flavin-Adenin-Dinukleotid. Es ist eine Verbindung aus Riboflavin und Adenosindiphosphat (ADP). ADP ist eines der Moleküle im Körper die Energie speichern, indem sie bei Energieaufnahme weitere Phosphatgruppen verestern (es entsteht aus dem Diphosphat ADP, dann das am bekannteste Molekül der Gruppe, das Triphopshat (ATP). Es ist ein Nukleotid, also eine Verbindung einer Nukleobase, in diesem Falle Adenin und einem Zuckermolekül. Solche Substanzen bilden auch die RNA und DNA, dann aber als Polymere.

Die wichtigste Aufgabe von Riboflavin ist die, dass es Wasserstoff bei einer Oxidation aufnehmen kann, solche gibt es bei allen Abbauvorgängen im Stoffwechsel, so auch bei der zentralen Drehscheibe dem Zitronensäurezyklus. Aus FAD entsteht dann FADH+H+, manchmal auch als FADH2 geschrieben. Die Aufnahme des Wasserstoffs ist wichtig, weil in ihm die Energie steckt, die bei der Oxidation frei wird. Sie steckt in den zwei Elektronen, die mit aufgenommen werden. Mit dem chemisch locker gebunden Wasserstoff kann in den Mitochondrien dann aus zwei Molekülen ADP jeweils ein Molekül ATP gebildet werden. Das ist dann die Atmungskette, wo auch die oben erwähnten Ubichinone eine wichtige Funktion haben.

FAD ist allerdings genauso beim umgekehrten Schritt beteiligt wenn eine oxidierte Verbindung reduziert wird, dann überträgt das FADH2 Wasserstoff auf das Molekül und es entsteht wieder das FAD.

Jenseits der Biochemie noch eine kleine Bemerkung. Riboflavin ist eine leuchtend gelbe Substanz und wird daher auch als Farbstoff verwendet: E102 ist nichts anderes als Riboflavin. Wenn es aber als Farbstoff einem Lebensmittel zugesetzt wird, um es gelb zu färben, darf man es nicht als Vitamin deklarieren, sondern muss es als Farbstoff ausweisen. Das ist aber nicht so häufig, weil es sehr lichtempfindlich ist, was man bei gefärbten Lebensmitteln nicht gerne hat. Wenn man schon färben will, dann nimmt man färbende Extrakte aus Karotten oder roter Beete, denn die kann man als Lebensmittel deklarieren.

Niacin

Niacin oder Nikotinsäure steckt in dem zweiten Molekül, das neben FAD Wasserstoff im Stoffwechsel transportiert dem NAD (Nicotinamidadenindinukleotid). Aus NAD entsteht durch Wasserstoff das NADH2. Wie das FAD ist es ein Nukleotid, nur etwas komplexer aufgebaut. Es besteht aus der dem Adeninnukleotid, das über zwei Phosphatreste mit einem weiteren Nukleotid verbunden ist bei dem das Niacin die Nukleobase ersetzt.

NAD ist bei wesentlich mehr Übertragungen von Wasserstoff/Elektronen im Stoffwechsel beteiligt als FAD. Es unterscheidet sich darin, dass bei der Ablösung des Wasserstoffs in der Atmungskette aus drei ADP drei ATP gebildet werden, während es bei FAD nur zwei sind. Ob ein NAD oder FAD für den Abbau benötigt wird, ist abhängig von der Oxidation. Im Zitronensäurezyklus ist FAD am Schritt Bernsteinsäure -> Fumarsäure beteiligt, bei der eine Doppelbindung gebildet wird. NAD dreimal dagegen bei Oxidationen bei denen jeweils ein Sauerstoffatom eingeführt wird. Das liefert einfach mehr Energie.

Fazit

Damit mache ich mal einen Break. Die weiteren Vitamine kommen dann im nächsten Beitrag an. Wer sich nicht so sehr für die Details interessiert: Thiamin (B1) ist verantwortlich für das Übertragen von bestimmten C2-Gruppen, also einer Kohlenstoffkette aus zwei C-Atomen. Das Riboflavin und das Niacin haben beide dieselbe Aufgabe, sie nehmen den bei einer Oxidation entstehenden Wasserstoff samt seiner Elektronen auf. Sie sind eine Art Zwischenenergiespeicher, die Moleküle kommen dann in die Atmungskette wo der Wasserstoff mit Sauerstoff reagiert, dabei entsteht letztendlich aus dem Wasserstoff Wasser und es wird weitere Energie gewonnen, die der Körper in seiner Energiewährung dem ATP speichert. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Molekülen ist das Riboflavin an Reaktionen beteiligt ist, die zwei ATP liefern, Niacin dagegen an Reaktionen, die drei ATP liefern.

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