Jahresrückblick und -ausblick

Traditionell ist die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr die Zeit für Rückblicke und ausblicke. Man könnte nun viel über das vergangene Jahr schreiben, Ereignisse gab es genug von Gutenberg über Fukoshima bis zur Dauer-Eurokrise. Aber ich will mich auf die Raumfahrt beschränken. Also was gibt es da zu sagen?

Die Space Shuttles wurden nach ziemlich genau 30 Jahren ausgemustert. Obwohl das früher ist als geplant, denke ich hat wohl niemand damit gerechnet, dass sie solange im Dienst bleiben würden. selbst die optimistischen NASA Prognosen vor dem Erststart sahen eine Ausmusterung zum Ende des letzten Jahrtausends vor. Aber obwohl das Ende eigentlich schon 2006 beschlossen wurde und sich sogar von 2009 auf 2011 verzögert hat, hinterlassen sie eine Lücke, denn um Ersatz hat man sich nicht rechtzeitig gekümmert. Seit Jahren dümpelt das CCDev Programm so vor sich her und daran wird auch das nächste Jahr nichts ändern, denn die Mittel wurden auf weniger als die Hälfte der gewünschten gekürzt.

Was funktioniert ist die Versorgung durch die Partner mit dem ATV, HTV und Progress. Johannes Kepler hat die ISS auf eine Rekordhöhe gebracht und so den Treibstoffverbrauch stark gesenkt. „Edi“ so der Spitzname des nächsten ATV, dessen korrekten Name sich keiner merken kann, wird im März wieder etwa über 6 t Versorgungsgüter bringen.

Was auffällig ist, dass in der bemannten Raumfahrt niemand so genau weis wie es weitergehen soll. Die USA haben beschlossen Constellation einzustellen, aber die Orion wird als MPCV weiterentwickelt und eine neue Schwerlastrakete nimmt als SLS Gestalt an. Auf der anderen Seite fehlt noch immer der Entwicklungsauftrag für ein kommerzielles bemanntes Gefährt und die Fördermittel dafür sind klein, im Vergleich zu dem was MPCV und SLS bekommen.

Für Russland sollte das „Gagarin Jahr“, also der fünfzigste Jahrestag des ersten bemannten Raumflug der Beginn einer neuen Ära sein. Viele neue Projekte sollten gestartet werden, das Glonass Netz fertiggestellt werden. Doch es kam ganz anders. Schon Ende letzten Jahres ging eine Proton mit Glonass Satelliten verloren. Dieses Jahr entfielen von den sechs Fehlstarts vier auf russische Träger – eine Proton, eine Rockot und eine Sojus, bei der ein ISS Transporter verloren ging. Das zwang dazu die Stammbesatzung für einige Monate auf 3 zu reduzieren, weil sich dadurch die folgenden Flüge verschoben. Doch das sollte man nicht dramatisieren. Das kann passieren, wenn man nur noch auf ein Transportmittel angewiesen ist. Zu den verlorenen russischen Missionen kommt noch Phobos Grunt. Sie erreichte zwar eine Erdumlaufbahn, aber das wars schon. Und nun kurz vor dem Jahresende versagte eine weitere Sojus mit einem militärischen Satelliten.

P&W WerbungRussland hat sich sicher seinen Neuanfang anders vorgestellt, aber angesichts des Exoduses in der russischen Raumfahrt und vor allem der Mittelknappheit bei allem was kein Geld einbringt ist das nicht verwunderlich. Wenige Tage nach dem Verlust von Phobos Grunt wurde bekannt gegeben, dass Russland in den nächsten 9 Jahren 330 Milliarden Rubel für das Glonass Netz ausgeben wird. Für Phobos Grunt gab es gerade mal 5 Milliarden Rubel, ein 66-stel dieser Summe.

Umgekehrt hat China die USA überrundet: 18 erfolgreiche Starts der Langen Marsch dieses Jahr, die USA schafften (NASA, DoD und NRO zusammen!) nur 17. Ja besser kann man den Niedergang der einstigen Raumfahrt-Supermacht kaum noch umschreiben…

Wer weis, vielleicht zählt Ende nächsten Jahres im ESA Hauptquartier die Sojus von Kourou, Vega und Ariane Starts zusammen und dann wurden die USA von noch einer anderen Raumfahrtagentur überholt…

Was funktioniert ist die unbemannte Raumfahrt, die Forschung, auch wenn Glory beim Start einer Taurus verloren ging. Vielleicht hat auch deswegen OSC nun die Taurus II in Antars umbenannt? Immerhin haben die USA dieses Jahr drei Raumsonden erfolgreich auf den Weg gebracht – nächstes Jahr steht nichts an. Darunter die erste Jupitermission seit 20 Jahren und die bisher größte Marslandesonde. Dawn kam am Ziel an und Messenger auch. An der Öffentlichkeit gingen beide Missionen aber vorbei. Das ist wohl beabsichtigt, damit andere Projekte nicht so hinterfragt werden.

Als Jungfernflüge wäre der erste Start einer Sojus von Kourou aus zu nennen – zumindest für Starsem wieder ein Grund zu freuen, denn die Startanlage hat natürlich größtenteils der europäische Steuerzahler finanziert. Dafür ist die Sojus auch gleich ein gutes Stück teurer geworden. Selbst schuld wenn ihr der Konkurrenz noch Vorteile verschafft…

Europa kann sich auch sonst nicht gerade in Erfolgen wälzen. Kein Start eines Satelliten dieses Jahr, dafür Diskussionen über die Nachfolge der Ariane 5, den Weiterbetrieb der ISS und wie es mit dem ATV weitergeht. Die Ankündigung die Station um 5 Jahre länger zu betreiben kam zu einem schlechten Zeitpunkt. Vor Ende 2012 findet keine Ministerratssitzung statt und damit keine Entscheidung. Und das ATV kann man noch zweimal nachbauen, was nicht für den erweiterten Betrieb reicht. Nun redet man schon von einem neuen Transporter, der natürlich wieder neue entwicklungskosten verursacht. Mein Vorschlag: das letzte ATV ist kein Start der nach den Verträgen notwendig ist, sondern sollte als Bezahlung für einen weiteren Aufenthalt eines Europäers dienen. Sagt das ab, dann habt ihr 3 ATV für die weiteren 5 Jahre, was fast der Verpflichtung (ein Start alle 16 Monate) entspricht.

Über SpaceX machen sich inzwischen auch andere Firmen lustig, denn dieses Jahr hat die Firma viel angekündigt und nichts gestartet. So z.B. P&W auf diesem Plakat. Das trifft es ganz gut. Zwar haben sie viel angekündigt, vergleicht man aber ihr Launchmanifest mit dem vor einem Jahr, (mittels Internetarchiv), dann ist nur ein Start hinzugekommen – der Jungfernflug der Falcon Heavy, also kein Kunde dieses Jahr. Dagegen haben ILS und Arianespace einfach nur Satelliten gestartet. ILS sogar dieses Jahr zweimal mit einer Doppelstartvorrichtung – der erste Einsatz außerhalb der Ariane Familie. Nach dem SpaceX-Schweinezyklus müssten die Ankündigungen nächstes Jahr weniger werden, da die Firma immer in den Jahren viel ankündigt in denen sie nichts startet (bisher in 10 Firmenjahren gerade mal 7 Starts….). Da nun das CCDev Programm nur noch 406 anstatt 850 Millionen Dollar erhält und die NASA ankündigte das Geld auf zwei Unternehmen aufzuteilen wird der erhoffte Geldsehen aus dieser Kanne nun ausbleiben. Wenn SpaceX was neues ankündigt, dann wette ich wird es eine Konkurrenz zur SLS sein, also so eine Art Falcon Super Heavy mit 6 Boostern rund um die Zentralstufe. Wahrscheinlicher ist, dass Elon Musk den Sack zumacht wenn die Firma an die Börse geht, aussteigt und sich dann herausstellt, dass SpaceX von der Hand in den Mund gelebt hat und ohne Dauersubvention den Bach runter geht.

Kommen wir zu 2012. Für mich gibt es in diesem Jahr nur drei wichtige Ereignisse: Der Jungfernflug der Vega und die Ministerratskonferenz, die diesmal sicher sehr interessant sein wird. Dazu kommt natürlich noch die Landung von Curiosity auf dem Mars. Ansonsten stehen keine besonderen unbemannten Missionen an und die ISS? Die interessiert eh keiner mehr. Der Öffentlichkeit entging z.B. auch dass sie am 27.6.2011 vor der Evakuierung stand, als ein Stück Weltraumschrott so spät entdeckt wurde dass man nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnte. Die Mannschaft musste in die Sojus-Rettungsboote. Doch das Trümmerteil verfehlte die Station um 250 m. Schade – dann hätte man ein Problem weniger. So darf die NASA nächstes Jahr sehen wie sie mit 1,2 Milliarden Dollar weniger auskommt als dieses Jahr und dabei sogar neue Ausgaben wie für das MPCV und SLS tätigen muss.

Russland ist schmerzlich bewusst geworden, dass sie erst wieder den Anschluss an das Niveau bekommen müssen, wo sie vor 20 Jahren mal waren. China wird weiter an seinem Prestigeprojekt einer eigenen Raumstation weiterarbeiten. Indien muss ihre GSLV nachbessern, und wird vielleicht nächstes Jahr erneut starten und Japan hat vielleicht eine neue Chance Akatsuki in einen Orbit zu bekommen.

2 thoughts on “Jahresrückblick und -ausblick

  1. Das Plakat von P&W ist absolut genial (wenn auch layouttechnisch verbesserungsfaehig)… die Idee ist grandios 😀

    Dass „halbstaatliche“ US-Firmen sowas „duerfen“ 🙂

  2. In USA ist doch vergleichende Werbung erlaubt. Da juckt es also nicht jeden, wenn man Konkurenten in den eigenen Spots und Plakaten dumm aussehen lässt.

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