Ein Interview

Es ist selten, dass man von führenden Chefs von Industrieunternehmen im Bereich Raumfahrt vernünftige Interviews  bekommt. Also welche bei denen man konkret was neues erfährt. Bei den meisten gibt es Allgemeinphrasen, bei manchen wird einem auch was vom Mond (oder besser dem Mars) erzählt. Ich lese immer aufmerksam durch, wenn LeGall was zu sagen hat, denn er hebt sich wenigstens ein bisschen von diesem Klischee ab.

So lass ich auch dieses Interview. Es ist recht interessant. Es zeigt für mich auch, dass wir in Europa unabhängig bleiben müssen. So nennt LeGall einen Anstieg der Proton-Startpreise von 65 auf 110 Millionen Dollar, entsprechendes sieht man ja auch bei der Sojus und den neuen russischen Trägern, weshalb sich ja nun auch das DLR mehr für die Vega interessiert. Interessant ist auch, das Arianespace nicht mehr als 3-4 Sojus Starts jährlich vom CSG aus durchführen kann. Dafür diese enormen Investitionen die fast die für das Ariane 5 Groundsegment erreichen?

Er geht auch auf SpaceX, Angara und andere neue Konkurrenten ein. Interessant ist die Einlassung zur Situation der Ariane 5 und 6. Demnach stagnieren nun die Massen der Satelliten bei 6 t. Der Grund ist, dass die Kunden verständlicherweise sich die Option frei halten wollen, zu wechseln. Was passiert, wenn Arianespace nicht starten kann? Wenn es aus irgendwelchen Gründen Verzögerungen gibt? Derzeit ist die leistungsstärkste Konkurrenz die Proton mit 6,2 t Maximalnutzlast. Die Zenit liegt bei 3,6 t, die Falcon je nach Version bei 3 bis 4,5 t. So kann man derzeit auch noch gut „paaren“ einen 6 t Satelliten mit einem 3 t Satelliten.

Die Ariane 6 soll dann in der 6 t Klasse für Einzelstarts liegen. Soweit das Interview. Nun mal meine Überlegungen.

Das ist die Situation heute. Wie sieht es in 10 Jahren aus? Also die Langer Marsch 5 Serie wird entwickelt. Maximale Nutzlast 10 t in GTO. Dann gibt es die Angara 5+7 mit 7,3 und 12,5 t GTO Nutzlast. Vielleicht ja sogar die Falcon Heavy mit wahrscheinlich über 15 t GTO Nutzlast. Schon heute existieren Atlas 5 und Delta 4. Sie werden nicht angeboten, doch wenn die Startpreise weiter steigen, da die russische Konkurrenz ja ihre Niedrigpreispolitik aufgibt, kann sich das ändern. Die Delta 4 erreicht 7,4 t, die Delta 4 Heavy sogar 13,4 t und die Atlas V bis zu 8,3 t GTO Nutzlast. Vielleicht wird auch die H-2B mal erfolgreich. Sie hat auch 8 t GTO Nutzlast.

Es könnte also, wenn alle diese Träger auf den Markt drängen, es sechs Träger in neun Subversionen mit mehr als 7 t Nutzlast und sogar drei mit einer Nutzlast über 10 t. Nun kommt dann die Ariane 6 mit 6 t Nutzlast. Was wird passieren. Mit mehr Trägern in dieser Klasse werden die Satelliten wieder schwerer werden und dann hat Europa eine neue Rakete, die diese nicht mehr transportieren kann und mustert die Rakete aus, die es kann. Dafür hat man dann 3-5 Milliarden Euro ausgegeben.

Mein Vorschlag: Ein richtiger Ausbau der Ariane 5. Richtig heißt nicht so teuer wie bisher und sinnvoll. Sinnvoll heißt, dass man z.b. bei der ESC-B State of Art einsetzt. Diese hat eine extrem hohe Trockenmasse. Astrium setzt aber praktisch keine heute verfügbaren Technologien ein, um diese zu verringern. So ist die Stufe weder innensdruckstabilisiert wie die EPC, noch wird die Legierung 2195 eingesetzt, die bei gleichen Belastungen rund 26% bis 40% der Masse gegenüber der 2219 einspart, die noch bei Astrium verwendet wird. Würde man dies tun, käme man auf ein Trockengewicht, das auch andere Oberstufen aufweisen und damit auf rund 1.100 kg mehr Nutzlast – 12,6 anstatt 11,5 t. Damit sind schon fast zwei 6 T Satelliten transportierbar.

Es gab ja auch weitere Optionen für den Ausbau der Ariane 5. So Booster aus dem CFK-Material der Vega. Sie wären bedeutend leichter und würden bei höherem Brennkammerdruck arbeiten können. So würde die Nutzlast um 1- 1,5 t steigern. Ein neues Haupttriebwerk wurde auch untersucht. Je nach Option bringt es 700 bis 1.900 kg mehr Nutzlast. Da für die Ariane 6 sowieso ein neues Triebwerk entwickelt werden muss, wäre auch diese Entwicklung nicht umsonst. Es könnte dann in einer Ariane 6 eingesetzt werden, eventuell wäre dann dieser zwei-Trägerbetrieb sogar sinnvoll (wenn die Oberstufe z.B. auch das Vinci einsetzt).

Ich habe die bekannten und veröffentlichten Pläne in meinem Buch ausgeführt und eine Kurzversion findet man auch hier. Eine Reihe von Optionen sind besser als andere und andere führen wieder zu Nachteilen, trotzdem sah man noch 2002 so die Möglichkeit die Ariane 5 auf 14 – 15 t Nutzlast zu steigern. Dann wäre eine Ariane 6 natürlich überflüssig, denn diese kann dann zwei 6 t Satelliten gleichzeitig transportieren und wäre äquivalent zu zwei Einzelträgern der Ariane 6 Klasse.

Die Frage ist ja vielmehr eine andere – wird es in Zukunft genügend Doppelstarts geben. Das scheint ja auch die Antriebsfeder bei der ESA zu sein. Die Befürchtung, man würde nicht mehr genügend Nutzlasten für Doppelstarts bekommen und das hängt nicht nur an dem Gewicht, sondern auch der Anzahl. Ariane 4 flog noch 12-mal im Jahr. Bei Ariane 5 sind es noch sechs Starts. Die Zahl der Nutzlasten ist deutlich zurückgegangen und erreicht dann bald einen Schwellenwert, bei dem die Produktionskosten stark ansteigen. Wir kennen das von einigen US-Trägern die extrem teuer wurden und auch die Vega wird aus demselben Grund nicht besonders preiswert sein.

7 thoughts on “Ein Interview

  1. Intressante Sache.

    Die Frage ist auch, wie es nach der ISS weitergeht.
    Wenn es eine vernünftig dimensionierte Raumstation unter Europäischer Leitung geben sollte (Steuerungsmodul, Habitatmodul, 2 Columbusmodule)
    Eventuell könnte man auch noch die Japaner mit an Bord nehmen.
    dann wäre die Ariane 5 weiterhin mit einer anständigen Startrate möglich.
    2 mal Crewwechsel, 1 mal ein ATV-Derivat, ein HTV…

    Für so eine Station muss man auch keine 100 Mia verblasen.
    Nötig wäre die Entwicklung des Steuerungsmodules und einer Europäischen Raumschiffkapsel, sowie das „Man raten“ der Ariane 5.
    Dann müsste man die Module zusammenbauen und innerhalb von 1 bis 2 Jahren ins All ballern.

    (In wie weit das Wissenschaftspolitisch sinnvoll ist, sei dahingestellt)

    Ich halte nebenbei bemerkt die Vega für eine ziemlich wichtige Entwicklung. In ein paar Jahren dürften die Billigheimerraketen aus umgemodelten ICBMs auch am Ende sein. Diese Higtechteile kann man auch nicht unbegrenzt lagern.
    (Die Falcon 1 ist btw preislich auch in Vega-Regionen)

    Mike

  2. Muß es denn unbedingt mit einer bemannten Raumstation weitergehen?

    Wäre es nicht ausreichend jedes Jahr z.B. zwei kleine halbautomatische fernbediente Labore mit einer Vega zu starten, und alle 2-5 Jahre ein halbautomatisches fernbedientes Labor in ATV Größe mit einer Ariane 5? Beim größeren Labor könnte es auch eine Probenkapsel für zu landende Materialproben geben.

    Es gibt einige Experimente die Mikogravitation benötigen, die auf der IIS nicht ausgeführt werden können, da Menschen an Bord sind. Für diese Experimente wäre ein Labor in Vega Größe möglicherweise sogar hilfreicher als ein Labor in ATV Größe.

  3. Als unbemanntes Labor könnte man ja auch ein Sojus-Raumschiff verwenden. In der Orbitalsektion die Experimente, bei denen keine Proben rückgeführt werden müssen. In der Landekapsel die Experimente, bei denen eine Probenrückführung nötig ist. Da ein Lebenserhaltungssystem vorhanden ist, lassen sich auch Experimente mit Tieren und Pflanzen durchführen.
    Die Sojus-Rakete startet man ja schon selbst, da sollte das kein Problem sein. Auf jeden Fall ist es billiger, ein vorhandenes System zu nutzen, als etwas völlig neu zu entwickeln.

  4. Ich halte keines des hier Angedachten für sinnvoll. Realistisch, aber es bringt uns nur das, was wir bereits haben mit der ISS.

    Ich würde gerne einen reinen europäischen Versuch sehen, in welchem wir eine neue Rakete im 130t-500t Bereich bauen. Gerne auch sowas wie Sea Dragon.

    Wir haben mit unseren drei Arianespace Raketen genug Fähigkeiten, um sämtliche Satelliten der nächsten 50 jahre zu starten. Was wir brauchen, wäre eine neue Generation an Raketen, um größere Projekte umzusetzen.

    Wenn man eine Rakete im Kaliber Sea Dragon hat, werden die Kunden schon ankommen. Eine richtige Raumstation z.B… es würde gänzlich neue Möglichkeiten eröffnen und ist nicht viel umfangreicher als das Entwickeln einer Ariane 6 o.ä.

    Peter

  5. @ peter
    beim Space Shuttle hatte man auch gesagt, er würde für 200 $ (OK heute inflationsbedingt 1000 $/Kg) fliegen
    Bei dem Seadragon-Konzept sehe ich gewisse Probleme:
    1. Ein Triebwerk mit dem 50-fachen Schub des F1 zu entwickeln. Nicht ganz trivial wenn man sich die Probleme mit der Stabilität des Verbrennungsprozesses in der BK des F1 ansieht.
    2. Tanks mit LOX und LH… die sind arschkalt, also entweder gut isolieren = Gewicht oder es setzt sich Eis ab.
    beim betrachten der Filme diverser Raketenstarts sieht man meist detlich, wie feine Eisplatten wegfliegen. Wieviel Eis wird sich um die Seadragon herum bilden, während sie Betankt hinausgeschleppt wird?
    3. Druck:
    in 160 Meter Tiefe herrscht ein Druck von 17 bar/1700 kPa. das ist eine Menge Holz, um dagegen anzustarten.
    Zugleich stellt dies ein Problem für die Stufenverbindungen usw dar… Entweder man macht das Ding frei flutend, aber wie gesagt, die saukalten Tanks und noch dazu muss das Wasser nach dem Start ja wieder raus aus der Rakete. (Ausserdem ist es Salzwasser, ziemlich korrosiv)
    Oder man macht es druckdicht…. auch nicht ganz trivial.

    Und dann soll dieses ganze Monstrum 500 Mio $/ € kosten in der Herstellung. (Nur so liesse sich der Startpreis von 1 000 €/$ kg halten)
    Wobei: Ariane fliegt das Kilo für 6000 € (ungefähr) ins LEO, Falcon9 für angeblich 5000€ (man wird sehen).
    So weit sind wir also von dieses Startpreisen gar nicht mehr entfernt…

    und dann die Entwicklung dieses Teils. Das wird ein Todessternprojekt.
    dazu noch etwas zu entwickeln nach dem Motto, „Wenns mal fliegt gibts auch Kunden dafür“.
    das gabs auch schon mal und nannte sich „Space Shuttle“

    Irgendwie hört sich da Elon wie ein Realist an….

    ——

    Foton sind doch umgemodelte Zenit/Wostokkapseln. das sind schon nette Teile, jedoch mit Einschränkungen: 400W Strom und ca 2 Wochen Ausdauer. Wäre durchaus Interessant, ein Unbemanntes Freifluglabor mit mehreren Monaten Ausdauer und höherer Stromversorgung zusammenzuschrauben.
    Ich persönlich bin auch nicht wirklich überzeugt von einer bemannten Raumstation, für das Geld könnte man jährlich eine größere Planetenmission durchführen, zuzüglich ein paar kleinere und noch die Resteverwertung sowie ein ausgedehntes Erdbeobachtungsprogramm.
    Oder es wäre endlich genug Geld da für mehrere unbemannte Probenrückholmissionen zum Mars…
    das würde auch eine große Menge an High-Tech- sowie Wissenschaftsarbeitsplätzen schaffen oder erhalten.

    More Science for the Euro.

    Aber es ist halt auch eine politische Entscheidung, was nun dem raufharttechnologischem Komplex an Mitteln in den Rachen geworfen werden.

    Mike

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