Die Falcon Heavy als ISS-Deorbitierungsgefährt

Tja man soll mir nicht vorwerfen können, ich suchte nicht nach Ideen für SpaceX. Nun genauso wie ich Ideen für Erweiterung der Vega und Ariane 5 habe, so fallen mir natürlich auch welche für SpaceX ein. Ich hatte ja mal die Idee einer Mondmission mit der Dragon und Falcon Heavy. Das wäre nach der damaligen Nutzlastangabe auch möglich gewesen. Doch wie bei SpaceX üblich sinkt die Nutzlast, sobald die Realisierung näher rückt. Bei der letzten Mission wurde ja die Masse der Dragoin schon nicht mehr angegeben. Nun wird für die Falcon Heavy nur noch 12 t GTO Nutzlast angegeben (beim Abschluss der Option mit Intelsat). Vorher waren es noch 13,5 t zum Mars, obnwohl man dafür 1 km/s schneller sein muss. Kurzum: Für eine Mondmission wirds knapp. Vielleicht noch eine Umrundung wie bei Apollo 13, doch dafür wird niemand so viel Geld locker machen.

Doch es gibt tatsächlich einen Einsatzzwecke wofür man die Falcon Heavy brauchen kann – die ISS Deorbitierung. Damit wir wissen wovon wir reden hier ein kleines Briefing.

Irgendwann (derzeit für 2020 geplant, eventuell wird 2028 draus) wird man die ISS aufgeben. Dann muss sie sicher deorbitiert werden. Schließlich will man nicht riskieren, dass sie wie Skylab ohne große Kontrolle verglüht. Damals glücklicherweise weitgehend über dem Ozean. Wie deorbitiert man eine Raumstation? Nun im Prinzip genauso wie einen Raumtransporter. Man zündet 180 Grad vor dem Wiedereintrittspunkt die Triebwerke und bremst das Raumfahrzeug gegen die Bewegungsrichtung leicht ab. Es sollte eine neue Bahn resultieren, deren niedrigerster Punkt beim Wiedereintrittspunkt liegt und in einer Höhe die dazu führt, dass dir Raumstation dort so weit abgebremst wird, dass sie auseinander bricht. Dazu wird ein erdnächster Punkt in <100 km Höhe ausreichen.

So weit so klar. Es gibt nur einige Wenns und Abers. Der erste Punkt: Man hat dafür nicht unendlich viel Zeit. Das liegt an dem Manöver. Der Wiedereintritt beginnt spätestens 45 Minuten nach der Zündung, nämlich maximal einen halben Umlauf später. Dauert die Zündung länger, so resultiert eine Bahn, bei der sich Apogäum und Perigäum annähern, das Raumfahrzeug spiralt sich ab, erreicht nicht in einem Umlauf das Zielperigäum und taucht langsam in immer tiefere Schichten herein. Es wird dann leicht durch die aerodynamischen Kräfte unkontrollierbar, vor allem wenn es so verwinkelt aufgebaut ist wie die ISS mit ihren großen Solarzellenauslegern. Sie könnte in eine Rotation geraten und die Abbremsung wäre unkontrollierbar.

Ich habe mal bei der Recherche zum ATV Buch gelesen, dass die NASA erwäge, ATV von der ESA für die Deorbitierung zu kaufen, und schon damals Zweifel dran gehabt. Mit den kleinen Triebwerken des ATV müsste man diese Stunden lang laufen lassen, mit den oben beschriebenen Problemen. Darüber hinaus reicht der Triebstoffvorrat eines ATV nicht aus.

Was man braucht ist also ein Raumtransporter mit viel Treibstoff und einem schubstarken Triebwerk. Bei der MIR reichte noch eine Progress mit ihrem 3 kN Triebwerk. Doch die ISS ist viermal so schwer. Mit einer Progress, aber auch den internen Treibstoffvorräten ist es nicht getan. Man kann den Treibstoffbedarf absenken, wenn man die ISS selber sinken lässt. Doch tiefer als 250 km sollte man sie nicht sinken lassen, sonst löst sich das Problem in wenigen Wochen von selbst (im operationellen Betrieb darf sie nicht unter 340 km Bahnhöhe sinken, sonst kann sie kein Transporter mehr nach einer Zeitspanne von 90 Tagen anheben).

Lässt man die ISS auf 250 km Bahnhöhe sinken und soll eine neue Zielbahn von 100 x 250 km resultieren, so muss man sie um 45 m/s abbremsen. Klingt nach wenig, sind aber bei 440 t Gewicht rund 20 Millionen Newton oder bei einem spezifischen Impuls von 3100 rund 6.400 kg Treibstoff. Sicherer wäre eine Bahn von 340 x 80 km ausgehend von einer 340 km Kreisbahn. Dafür braucht man dann rund 77 m/s oder 11 t Treibstoff.

Damit ist klar, dass alle derzeit verfügbaren Transporter mit dieser Aufgabe überfordert sind. Wenn man zudem nicht mehr als 30 Minuten Zeit für die Abbremsung hat, dann braucht man ein Triebwerk, das rund 20 kN Schub aufweist.

So und nun schlägt die Stunde der Falcon Heavy, denn mit der wiederzündbaren Raketenstufe kann man z.B. folgendes machen:

Eine Falcon Heavy startet eine Dragon zur ISS. Die Dragon ist fest mit der Oberstufe verbunden. Die Solarpanels liefern den Strom zur Raketensteuerung. Die Dragon koppelt mit ihren eigenen Treibstoffvorräten an die ISS an. Bei den vergrößerten Tanks die man für die Super-Draco Triebwerke braucht, sollte das kein Problem sein, auch wenn die teilweise leere Oberstufe mit transportiert wird. Diese hat dann noch über 28 t Treibstoff an Bord, denn die Dragon ist mit 7 Gewicht viel kleiner als die nominellen 45 t Maximalnutzlast. Dort wartet die letzte Dreierbesatzung auf sie, sie koppelt sie an, verlässt die Station und schaut sich das letzte Schauspiel von ihrer Sojus aus an. Die Falcon Heavy Oberstufe zündet ein zweites mal – ihr 400 kN Triebwerk ist schubkräftig genug dazu. Das bringt die Station auf einen Kollisionskurs.

Technisch gesehen ist es nicht sehr kompliziert. Man müsste die Tanks der Oberstufe isolieren, doch selbst mit einem Überdruckventil, das Sauerstoff entlässt, hat man noch mehr Treibstoff als benötigt. Selbst wenn man nicht riskieren will das Menschen anwesend sind, (die heute die Dragon einfangen und ankoppeln müssen), dann könnte man sie mit einem russischen Kopplungsadapter ausstatten und an Swesda ankoppeln.

Es gäbe natürlich auch eine zweite Möglichkeit, sofern die Falcon Oberstufe dreimal zündbar ist. Geht man von 28 t nutzbarem Treibstoff aus, so kann man die ISS um 200 m/s beschleunigen, oder in eine Bahn in 750 km Höhe (ausgehend von einem 380 km hohen Orbit). Diese wäre über Jahrzehnte stabil (es gibt keine Werte für so große Raumstationen, aber Envisat, der gerade seine Tätigkeit einstellte, soll in 783  km Höhe noch mindestens 100 Jahre seine Kreise ziehen, Rosat verglühte 22 Jahre nach dem Start – er war in nur 580 km Bahnhöhe ausgesetzt worden).

Allerdings könnte man das auch auf anderem Wege bewerkstelligen. So verfügt das ATV über die Möglichkeit viel Treibstoff zur ISS zu befördern, das wird nun da das Shuttle nicht mehr als Mannschaftstransporter vorgesehen wird, gar nicht mehr gebraucht (die ISS hätte man in diesem Falle nicht so weit anheben dürfen). Würde man die ISS dagegen weiter anheben, dann wäre sie am Schluss auch in 540 bis 580 km Höhe (siehe hier) und auch diese Bahn ist schon über mindestens ein Jahrzehnt stabil. Genug Zeit um sich Gedanken zu machen wie man weiter verfährt.

10 thoughts on “Die Falcon Heavy als ISS-Deorbitierungsgefährt

  1. Da regelmässigen Lesern hier bekannt sein dürfte, das ich kein Freund der Deorbitierung bin, schlage ich vor, die ISS auf die 750 km hohe Bahn zu befördern. Da kann sie dann noch einige Jahre bleiben, und evtl. auch als Universalsatellit diverse Dinge erledigen, wozu es keine Mannschaft an Bord braucht.
    D.h. die letzte Manschaft baut, bevor sie von Bord geht und man die Bahn anhebt noch einige Experimente und/oder Messeinrichtungen ein oder aussen an, die sich alle samt vom Boden aus steuern lassen und konfiguriert innen alles auf Fernsteuerung um. Wenn dann die Manschaft von Bord gegangen ist, fährt man die Lebenserhaltungssysteme herunter, und schickt die Station hoch auf 750 km, wo sie dann ihren „Kreise“ zieht.

    Ach ja, und die aktuelle Umlaufbahn beträgt nach Heavens-Above 392 zu 406 km.

    P.S. Für den Fall, dass doch noch was an Bord gemacht werden muss, kann man ja einen Robonauten da lassen, der ja zur Zeit eines der Forschungsobjekte da oben ist, und zu der Zeit wahrscheinlich in einer weiter entwickelten Form vorliegen düfte. Der braucht keine Luft und kein Essen sondern nur Strom.

  2. Man könnte mann doch die einzelnen Module oder Blöcke deorbitieren, oder nicht?
    Ich verstehe nicht warum man nicht die in die Jahre gekommenen Module „einfach“ austauscht? Ok bei Unity wirds extrem schwierig, weil da die Hauptmassen angeschlossen/gedockt sind. Da wäre es gut wenn man einen einfachen dummen, am besten aus einem Stück Stahl, gefertigten Knoten, ohne Elektronik etc., einbaut der die nächsten 100Jahre (übertrieben) hält?

    (Ist jetzt alles ein bisschen gesponnen, als Laie nehme ich mir das mal raus, aber Bernd wird schon sagen was geht und was nicht! 😉 )

  3. Das setzt voraus dass man das will. Nur zur Erinnerung. Ein Labormodul steht hier auf der Erde rum,, ein zweites wurde nie fertig gebaut. Es sieht nicht danach aus als wöllte man irgendetwas ersetzen. Pläne die ISS aufzugeben oder den Betrieb zu verkleinern gab es schon einige. Unter Bush wurde mal geprüft nur den Kern fertigzustellen. Nur die Verträge die man abgeschlossen hat verhinderten das. Derzeit reden die Russen über verlängerte Aufenthaltszeiten und 3 Mann Crews.

    Zur Versorgung übermorgen ein Blog. Welchen Sinn soll es denn machen? Es wird viel gemacht auf der ISS, aber gemessen an den Kosten kommt wenig raus. Nimmt man nur die Zahl der beteiligten Wissenschaftler und setzt das in Relation zu den Kosten, so sind unbemannte Missionen zehnmal effektiver.

  4. Ja das mit dem „Wollen“ kann ich mir gut vorstellen. Da sind, etwas platt ausgedrückt, auf der einen Seite diverse Wissenschaftler, die diverses erforschen wollen und auf der anderen Seite ist die Politik, die sie lässt oder auch nicht. Aus dieser Perspektive heraus klingt sogar der ständige gequake von Privatisierung sinnvoll. – Jedenfalls, solange man auch das Geld für die Forschung hat oder auftreiben kann. Wenn es aber darauf hinaus läuft, das die Forscher 90% ihrer Zeit dafür verwenden müssen, das Geld aufzutreiben, dann ist die privatisierte Forschung auch nicht die Lösung des Problems.

  5. Das Problem ist wohl, dass es außer Forschung keinen weiteren produktiven Zweck für die ISS gibt.

    Die Nutzung zum Beispiel als Dock oder sogar Werft (http://www.reactionengines.co.uk/obs.html) für DeepSpace Missionen, zum Beispiel NautilusX oder das Troy Konzept (http://www.reactionengines.co.uk/troy.html) sind zur Zeit eher Science Fiction. Einen echten Nutzen für eine Raumstation wird es erst geben wenn sie zur zwischenstation für andere Ziele wird. Ein echter Durchbruch für Raumstationen wird es erst geben wenn ein erster Warenzyklus zustande käme. Zum Beispiel Helium3 vom Mond und Aufbaumaterial sowie Versorgungsgüter zum Mond, was jetzt aber wirklich Science Fiction ist. Für mich ist die ISS an sich eigentlich kein Ziel sondern eine Zwischenstufe. Es fehlt nur der Wille die nächsten Schritte zu gehen!

    (Nur grundsätzlich… ich bin für die bemannte Raumfahrt! Raumfahrt ohne das Ziel Menschen ins all zu bringen ist reizlos, oder hätte Christoph Columbus lieber eine Drohne über den Atlantik geschickt, wenn es das damals schon gegeben hätte??? Soll nicht heißen das ich was gegen unbemannte Sonden habe, die werden auf jeden Fall gebraucht!)

    PS: ich hoffe es ist nicht zu OffTopic! 😉

  6. Ich kann’s mir nicht verkneifen, Herrn Leitenbergers Blog-Geschwafel etwas zu entlarven. Aus 13to GTO wurden dann 5 Jahre spaeter doch Max. 26.7to. Soviel zum vermeintlichen Experten.

  7. Ja da siehst Du mal was für Leute dort arbeiten. Die Angabe ist ja nicht von mir, sondern von SpaceX. Nach dem Triebwerksausfall von CRS-1 haben sie die Nutzlast wieder gesenkt. Die Rakete von damals hat auch wenig mit der heute zu tun. was man auch beim Startgewicht sieht.Echte Experten ändern nicht dauernd das Konzept, aber auch BFR und Raptor haben ja laufend andere technische Daten.
    Anfang Juni 2012 als der Artikel entstand hatte die Falcon 9 auf jeden Fall andere technische daten
    https://web.archive.org/web/20120529104438/https://spacex.com/falcon_heavy.php

  8. @Bernd

    was sind denn „echte Experten“? Was ist denn deine Definition davon?

    Nehmen wir mal SpaceX vs. Blue Origin

    Blue Origin werkelt mit den Milliarden von Bezos vor sich hin und hat keine einzige Mission erfüllt. Trotzdem kann zum Schluß ein Super-System rauskommen, dass alle zuvor angekündigten Spezifikationen erfüllt. Kann man nur machen, wenn man viel, viel, viel Geld hat.

    SpaceX hat wesentlich weniger Geld und musste immer liefern. Dank Regierungsprogramme und Musks „letztem Hemd“ (öhm, das ist überdramatisiert, da jeder von uns gern ein Knopf hätte ;)) überlebten sie knapp. Wie auch immer: sie mussten immer liefern und bauten sozusagen ein MVP (minimal valuable product, Buzzword :p), dass die Missionen erfüllt, aber noch nicht alle Ankündigungen. Gleichzeitig wurde mit jedem Start die F9, das Merlin usw. besser und weiterentwickelt. Nun, ich weiß nicht, ob dieses Vorgehen aus der Not geboren war und der große Masterplan war, aber sie machten das sehr gut. Wenn man die F9 von heute mit der von CRS-1 vergleicht, sind das eigentlich 2 unterschiedliche Raketen.

    Und diese iterative Weiterentwicklung bei gleichzeitiger Erfüllung der Missionen, wobei auch Fehler passierten, die offen und schnell aufgearbeitet wurden, finde ich schon als ein Werk von „echten Experten“.

    Andere Firmen haben andere Ressourcen und Ansätze. Das finde ich auch gut, solange ich Raketen angucken kann 😉

    Ingolf

  9. Na ja der obige Schreiber hat wohl mich als „Experte“ bezeichnet und meinte so meine Kenntnis herabwürdigen zu können. Das dies angesichts dauernd revidierter technischen Daten nach hinten los geht konnte er ja nicht ahnen.

    SpaceX entwickelt Raketen wie man sonst Software entwickelt – iterativ. Damit lässt sich alles erklären auch die Fehlschläge. Es ist im Raketenbau unüblich, weil erst bei den Flügen Probleme auftauchen die man dann korrigieren kann. Wenn man laufend weiter entwickelt hat man dauernd Probleme anstatt wie z.B. bei Ariane 5 nun erreicht 80 Flüge ohne Fehlstart. Derzeit ist das Konzept kommerziell wo alles versichert ist erfolgreich, seitens der Regierung gibt es eben noch Zuückhaltung. Die haben schon ein Problem damit das die Rakete die sich zertifiziert haben nun nicht mehr fliegt.

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