Die lere Kalorie

Zucker ist heute als „leere Kalorie“ verschrien und genießt einen sehr schlechten Ruf. Unter der Bezeichnung „leere Kalorie“ versteht man Nahrungsmittel, welche Energie enthalten aber keine essenziellen Nahrungsbestandteile, sprich Vitamine, Mineralstoffe, essenzielle Fettsäuren und Eiweiß. Natürlich enthält weißer Zucker keinerlei Mineralstoffe und Vitamine. Doch diese enthält auch der braune Zucker nicht. Er ist nur durch Farbstoffreste braun gefärbt, die beim weißen Zucker entfernt werden. Die kleinen Mengen an Farbstoffen sind ernährungsphysiologisch ohne Bedeutung. Das gilt auch für andere angeblich „gesündere“ Zuckerformen, wie Rohzucker oder Honig. Sie bestehen nur eben nicht zu 100% aus Zucker, sondern nur zu 90-95%. Das macht keinen großen Unterschied.

Ist nun Zucker prinzipiell zu meiden? Nun sicher nicht. Wie bei anderen Dingen kommt es auf die Menge an. Es gibt viele Lebensmittel, in denen der Zucker ein Hauptbestandteil ist. Denken wir an Bonbons, Gummibärchen, Mohrenköpfe. Dies ist bekannt und die meisten wissen, dass dieses „Naschwerk“ an der Spitze der Ernährungspyramide steht, also in kleinen Dosen verzehrt werden sollte.

Aber es gibt auch Lebensmittel in denen viel Zucker vorhanden ist, ohne das es offensichtlich ist, wie Ketchup, Fruchtjoghurt. Natürlich ist Zucker an und für sich nur ein Energieträger. Aber das gilt für Margarine und Weißmehl auch, ohne dass diese so verteufelt werden. Es hängt zudem von der Menge ab. So bestehen Bonbons fast nur aus Zucker. Der Rest ist etwas Wasser und Aroma. Aber wie viele Bonbons essen Sie pro Tag? Mit einer Portion Ketchup nehmen Sie leicht mehr Zucker zu sich, als mit einigen Bonbons. Ausschlaggebend ist die Verzehrsmenge. Zudem muss Zucker nicht unbedingt nur in schlechten Lebensmitteln drin sein. In Obst stammt fast die gesamte Energie aus Zucker. Die DGE-Empfehlungen für den Zuckerkonsum liegen bei 60 g/Tag, also etwa ein Fünftel bis Sechstel der Gesamtkohlenhydratmenge. Dies ist die Menge, die in Obst und Milch vorkommt, wenn man den DGE-Empfehlungen für die Ernährung folgt. Bei den GDA-Kennzeichnungen, die Basis für die Verpackungsangaben von Lebensmitteln, wird dagegen eine Menge von 90 g Zucker zugrunde gelegt, das sind schon ein Fünftel des täglichen Energiebedarfs.

Das Problem ist die ubiquitäre Verwendung von Zucker: Nicht nur um zu süßen, sondern auch um den Geschmack anzuheben. So findet sich Zucker in Soßen, Salatdressings. Sehr oft wird aber auch in Lebensmitteln die süß sein sollen, zu stark gesüßt. Wer selbst seinen Joghurt aus Fruchtmark, Zucker und Naturjoghurt mischt, würde nie soviel Zucker einsetzen, wie in käuflichen Produkten steckt. Die IST-Zufuhr liegt daher deutlich höher als die DGE-Empfehlungen.

Zucker und die Psychologie

Kinder lieben Zucker, Erwachsene lieben Zucker, jeder liebt Zucker. Warum? Nun weil wir genetisch gesehen, immer noch die gleichen Menschen, wie vor 10.000 Jahren sind. Bis vor 200 Jahren spielte Zucker bei uns in der Ernährung keine große Rolle. Er war ein Luxusprodukt. Zucker konnte damals nur aus Zuckerrohr gewonnen werden, er musste importiert werden. Honig war vorher die wichtigste Möglichkeit zu süßen. Erst gegen Ende des 18.ten Jahrhunderts kreuzten Forscher Runkelrüben untereinander und erreichten so einen hohen Zuckergehalt. Dies machte die Gewinnung von Zucker aus Rüben lukrativ. Mit der industriellen Revolution war es möglich die Zuckergewinnung zu verbilligen und die Entwicklung von Kunstdüngern machte hohe Ernteerträge der stark zehrenden Pflanze möglich.

Vorher war Zucker für den größten Teil der Menschheitsgeschichte selten. Süß waren Früchte, die es nur zu bestimmten Zeiten und in kleiner Menge gab. Unser Körper liefert uns daher ein Signal um uns zu sagen „Hoppla, das ist gut“. Denn für den Körper bedeutet Zucker eine schnelle Energiequelle, die leicht verdaulich ist. Die Geschmacksrezeptoren auf unserer Zunge sind so ausgelegt, dass die Zuckerarten (nicht nur die Saccharose) in einen Süßrezeptor passen und daher den Süßeindruck auslösen.

Für den Körper bedeutet dies: Schnell verfügbare Kalorien mit hohem Nährwert werden aufgenommen – sofort ein Glücksgefühl auslösen, damit mehr gegessen wird. Dieser Reiz ist fest verankert, der Mensch kann sich ihm nicht entziehen, auch wenn heute an Zucker kein Mangel mehr ist. Süßgeschmack, auch von Süßstoffen erzeugter, aktiviert das Belohnungszentrum im Gehirn.

Es gibt aber noch einen zweiten Aspekt. Der Zucker wird sehr schnell resorbiert, schon in den ersten Windungen des Zwölffingerdarms und dann wird er in der Darmwand in Glucose und Fructose gespalten. Was fehlt ist ein Sättigungsgefühl, das voluminösere Nahrung liefert, auch natürliche Früchte die eben nur zu 10% aus Zucker bestehen. Daher wird man, wenn man Süßigkeiten isst, mehr essen, als einem gut tut.

4 thoughts on “Die lere Kalorie

  1. Moin,

    Zur Thematik „gesündere“ Zuckerformen:

    Haushaltszucker besteht aber aus zwei Teilen: Glucose und Fructose. Beides sind wiederum Zucker.

    Glucose kann sofort von jeder Zelle verarbeitet werden, insbesondere das Gehirn braucht Glucose. Fructose jedoch ist schlimmer als Alkohol. Alkohol wird zu 10% im Hirn verarbeitet, und die restlichen 90% von der Leber in Fett umgewandelt. Fructose hingegen wird zu 100% in der Leber zu Fett umgewandelt.

    Glucose wirkt sofort auf den Insulinspiegel, und beseitigt Hunger. Fructose hingegen wirkt nicht auf den Insulinspiegel, und erzeugt Hunger. Zum Problem wird das in unserer modernen industriellen Ernährung. Insbesondere in der USA, wo High-Fructose-Corn-Sirup in fast jeder Fertignahrung drin ist, führt dies zur bekannten Fettleibigkeit der Amerikaner.

    Ein Zuckervariante mit weniger Fruktose und mehr Glukose und Ballaststoffen, z.b. Palmzucker ist wohl gesünder, aber eben auch nicht so süß.

    ciao,Michael

  2. Hübsche Theorie, leider teilweise falsch.

    Die Leber verarbeitet fast alles. Sie erzeugt auch pro Tag 500 g Glucose aus Fett und Eiweiß. Demnach ist dann wohl auch Fett ganz schlecht und Eiweiß auch. Alkohol wird im Gehirn nicht verarbeitet, nur in der Leber und bei Alkoholikern auch in kleinem Maße in anderen Geweben. Alle anderen Kohlenhydrate wirken sich auch auf den Insulinspiegel aus und das ist auch normal. Dafür ist das Insulin ja da. Glucose beseitigt nicht Hunger, eher propagieren einige Stimmen, dass dadurch erst Hunger erzeugt wird (einfach mal Traubenzucker anstatt einem Mittagessen nehmen und das Hungergefühl beobachten

    Im Tierversuch werden Ratten fettleibig. Beim Menschen wurde das nicht beobachtet. Fructose steigert aber die Triglyceridkonzentration und da sie bei zu hoher Konzentration zu Fett verstoffwechselt wird auch die LDL-Konzentration.

    Fructose findet sich in vielen Früchten als Hauptkohlehydrat. Deiner Theorie zufolge sind die dann auch ganz gefährlich.

    Und zur Fettleibigkeit der Amis: Da ist je nach Autor mal zu viel Fett, mal zu viel Kohlenhydrate, mal Fructosesirup, mal Zucker mal irgend was anderes schuld, bloß eines nicht: das die zu viel essen und Erfinder der XXL-Portionen sind ….

    Die Wahrheit ist manchmal eben unbequem einfach.

  3. Moin Bernd,

    ich denke mal der Hauptgrund für die Fettleibigkeit in der USA ist der hohe Anteil von Fertignahrung. Diesen Frühling hatte z.b. Weichweizengrieß, Milch und Rhabarber im Supermarkt gekauft. Vor mir an der Kasse war ein Frau mit Kleinkind und sie hatte einen großen Karton Fertiggrießbrei im Wagen. Am nächsten Tag hab ich mal nachgeschaut was in diesem Fertigbrei drin ist.

    38g Zucker pro 100g in einem Grießbrei für Kleinkinder! Traubenzucker und Fruchtzucker sind einzeln aufgeführt, zusammen wären das mehr als der Grieß.

    Ich dosiere normalerweise einen Esslöffel Zucker + einen Esslöffel Honig pro Teller. Und es hat sich noch nie jemand beschwert, dass mein Grießbrei nicht süß genug ist.

    Es ist egal, ob ich Grießbrei, Fruchtjoghurt, oder eine andere Fertignahrung mir anschaue: Da ist immer erheblich mehr Zucker drin, als die Hausfrau traditionell nehmen würde. Bei US-Fast Food sieht es noch schlimmer aus. Im McDonalds Sortiment gibt es nur zwei Produkte, Pommes und Kaffee, die ohne High-Fructose-Corn-Sirup auskommen.

    Nun hat Fettleibigkeit einen hohen epigenetischen Faktor. Entscheiden für die Anzahl der Fettzellen ist wie sich die Mutter während der Schwangerschaft ernährt, und wie das Kind bis zur Pubertät ernährt wird. Nach der Pubertät ändert sich bei Männern nur noch der Wassergehalt der Fettzellen, und Frauen haben bei jeder Schwangerschaft und in den Wechseljahren nochmal die Chance die Anzahl der Fettzellen zu verändern. Wichtig sind dabei nicht die absoluten Werte sondern die Differenz der Ernährung der Mutter zur Ernährung der Kinder. Daher ist Fettleibigkeit am extremsten bei Einwandererkindern in der ersten Generation.

    > Fructose findet sich in vielen Früchten als Hauptkohlehydrat. Deiner Theorie zufolge sind die dann auch ganz gefährlich.

    Ganze Früchte sind jedoch reich an Ballaststoffen, und damit im Gegensatz zu Fruchtsäften recht ungefährlich. Hast Du schon mal probiert, so viele Äpfel zu essen, die einem Glass Apfelsaft entsprechen? Nun schau dir den Fruktose/Glukose Gehalt der typischen US-Sodagetränke an, und rechne das mal in Äpfel um.

    ciao,Michael

  4. Also beim Grießbrei wäre mal zu überlegen, wie viel Grieß man braucht, das ist nähmlich auch nicht so viel. Ich habe mal kurz nach einem rezept gesucht und das gefunden:
    http://www.chefkoch.de/rezepte/2055081332243991/Griessbrei.html
    Das sind 3 EL Grieß und 1 EL Honig, berücksichtigt man das höhere Gewicht (keine Luft), dann kommt das nahe an die Packung. Mit zwei Löffeln zum Süßen liegst Du dann über der Packung ….

    Das ändert nichts dran, dass man ihn natürlich selbst machen kann und meiner ist nur mit Süßstoff gemacht…

    Zu den Fettzellen: Die kann der Körper auch im Erwachsenenalter bilden aus der Teilung von Vorzellen. Selbst wenn reichen die die man von Geburt aus hat vollkommen aus um mehrer Dutzend Kilogramm zu speichern. Das Kinder und Jugendliche als Erwachsene Gewichtsprobleme haben liegt eher daran, dass man da schon Weichen in der Fehlernährung die ja viel mit verhalten zu tun hat gestellt hat.

    Die genetische Vorbelastung ist zwar heute erwiesen, aber bedeutet nicht dass man unausweichlich dick ist.

    Bei den USA wäre ich mit Schuldigen ganz, ganz vorsichtig. Die haben in den lketzten Jahrzehnten so viele Ernährungskühe durchs Dorf getrieben, das hat alles nichts geholfen. Es ist typisch amerikanisch immer einen Schuldigen zu suchen. Mal war es das Fett, was zu einer „Low Fat“ Welle führte, dann waren es die Kohlenhydrate, das führte zu einer „Low Carb“ welle und gerade ist es der Zucker. Ach ja und nur in den USA unterscheidet man zwischen weissen um rotem Fleisch, das eine ist hui, das andere pfui.

    Bei allen diesen Wellen kam nur eins raus – es gab immer mehr Dicke. Die einfache Erklärung ist dass dort zu viel gegessen wird und zu wenig bewegt. Aber das ist wie bei der US-Politik, da müsste man ja mal grundsätzlich was am Ernährungsverhalten ändern und nicht meinen nur wenn man einen Stoff meidet wäre alles okay.

    Über Fructose gibts übrigens am Sonntag noch was.

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