Missionen die Swing-Bys an Venus und Erde durchführten – Teil 1

Heute erneut, aus Zeit- und Synergiegründen ein Teil eines neuen Aufsatzes auf der Website als Blog.

Wenn erneut an Swing-By oder an Fly-By oder planetarisches Billard denkt, dann fallen den meisten die Voyager Missionen ein. Ein Planet schickt die Raumsonde zum nächsten. So wurde das äußere Sonnensystem erkundet. Doch die meisten Swing-Bys erfolgen heutzutage mit den sonnennahen Planeten. Vor allem Venus und Erde. Ich will zuerst einmal einige Missionen erwähnen, die dies nutzen.  Heute kommen die ersten und morgen die letzten Missionen.

Missionen die erdähnliche Planeten für ein Swing-By nutzten

Schon Mariner 10, die erste Raumsonde die Swing-By nutzte um das Ziel gezielt zu erreichen nutzte einen erdähnlichen Planeten: Die Venus. Die Atlas Centaur hätte die Raumsonde nie zum Merkur bringen können. Ein Vorbeiflug an der Venus reduzierte die Startgeschwindigkeit von der Erde aus von 12.600 m/s auf 11.380 m/s. Der Vorbeiflug am Merkur veränderte die Bahn nochmals, sodass die Sonde Merkur nach 176 Tagen erneut erreichen konnte. Die zweite Passage musste so in größerer Entfernung erfolgen, weil sonst die Gravitationskraft erneut die Bahn verändert hätte und die Synchronität mit dem Merkur (176 Tage sind genau zwei Merkurjahre) aufgegeben werden würde.

Datum Ereignis Vorbeiflugdistanz
3.11.1973 Start von der Erde
5.2.1974 Venus 5790 km
29.3.1974 Merkur 327 km
21.9.1974 Merkur 48.069 km
16.3.1975 Merkur 705 km

Danach wurden Venus und Erde fast zwanzig Jahre lang nicht mehr genutzt, um eine Renaissance in den neunziger Jahren zu erleben. Es bürgerte sich auch eine eigene Abkürzung ein: VEGA. Jedes V steht für einen Venusvorbeiflug, jedes E für einen Erdvorbeiflug und GA für Gravity Assist. So setzte Galileo eine VEEGA Trajektorie ein – zuerst einen Venus Vorbeiflog, dann zwei Erdvorbeiflüge, Cassini dagegen eine VVEGA.

Galileo war auch die erste Sonde welche diese Technik einsetzte. Sie war damals die einzige Alternative, die man hatte um die Raumsonde zu Jupiter zu bringen. Ursprünglich sollte eine neu entwickelte Centaur-G Oberstufe die Raumsonde vom Space Shuttle aus starten. Sie hätte Galileo auf einen direkten Kurs zu Jupiter gebracht. Nachdem die Challenger explodierte, erhielt diese Stufe Startverbot und mit den Alternativen die es gab, konnte man Galileo nicht zu Jupiter bringen.

Galileo ist ein recht gutes Beispiel wie Gravity Assist funktioniert und wie man so auch Planeten erreichen kann die mit der gewählten Oberstufe eigentlich nicht möglich sind:

Ziel Datum Vorbeiflugdistanz Geschwindigkeitsgewinn
Start 18.10.1989
Venus 9.2.1990 16.103 km 2,2 km/s
Erde 8.12.1990 961 km 3,1 km/s
Erde 8.12.1992 303 km 3,7 km/s

Das die zweite Ankunft genau zwei Jahre nach der ersten ist, war kein Zufall, denn so umrundet die Sonde die Sonne einmal während die Erde zweimal ihre Bahn zieht und sie treffen an genau dem gleichen Punkt wieder aufeinander. Das Grundproblem ist ja, dass die Erde am richtigen Punkt der Bahn ist und Galileos Bahn schneidet die Erdbahn nur an zwei Punkten.

Schon wenige Monate vor Galileo führte Giotto den ersten Erdvorbeiflug durch. Hier hatte man diesen nicht geplant: Giotto war in eine Bahn mit einer Umlaufszeit von 10 Monaten am 2.7.1985 gestartet worden. Nach fünf Jahren hatte die Erde die Sonne fünfmal umkreist und die Sonde diese sechsmal. Genau fünf Jahre nach dem Start erreichte sie wieder die erde, passierte sie in 22.730 km Entfernung und wurde um 3,1 km beschleunigt – auf einen Rendezvouskurs zum Kometen Grigg-Skjerupp. Die neue Bahn mit einer Umlaufszeit von 13,5 Monaten hatte übrigens auch einen gemeinsamen Teiler mit dem Erdjahr – nach acht Umläufen hat die Erde die Sonne neunmal umkreist. So näherte sich Giotto am 1.7.1999 erneut der Erde und passierte sie in 219.000 km Entfernung, war aber zu diesem Zeitpunkt inaktiv.

Ziel Datum Vorbeiflugdistanz neue Bahn
Start 2.7.1985 10 Monate Umlaufszeit
Erde 2.7.1990 22.730 km 13,5 Monate Umlaufszeit
Erde 1.7.1999 219.000 km

Cassini, war die zweite Raumsonde die Venus und Erdvorbeiflüge zur Kursänderung nutzte. Anders als Galileo war sie nur 3,2 Jahre im inneren Sonnensystem unterwegs. dagegen war Galileo mehr als sechs Jahre unterwegs. Das ist nur ein Jahr mehr als die normale Flugzeit zu Jupiter eh beträgt. Die zweimalige Passage der Venus erlaubte eine kürzere Umlaufszeit, synchronisiert mit der Umlaufsperiode der Venus, dazu verschob eine Kurskorrektur noch den Punkt wo die Venus passiert wurde, was dazu führte, dass Cassini nur eine Bahn um die Sonne absolvierte, während es bei Galileo zwei waren.

Himmelskörper Datum Vorbeiflugdistanz / Geschwindigkeit Geschwindigkeitsänderung
Start 15.10.1997 0
Venus 26.4.1998 287 km Höhe, 11.700 m/s 3700 m/s
Kurskorrektur 3.12.1998 452 m/s
Venus 24.6.1999 603 km Höhe, 13.600 m/s 3100 m/s
Erde 18.8.1999 1.180 km Höhe, 19.100 m/s 4100 m/s
Jupiter 30.12.2000 9.72 Millionen km, 11.600 m/s 2100 m/s
Saturn Einschwenken in Orbit 1.7.2004 20.204 km, 8600 m/s 622 m/s

Die Raumsonde NEAR nutzt die Erde um den Planetoiden Eros zu erreichen. Bei ihr war, wie bei den folgenden Raumsonden das Swing-By vor allem genutzt worden um sie mit einer kleineren Trägerrakete zu starten. Die Delta 2 brachte die Raumsonde auf eine Umlaufbahn mit einer Periode von zwei Jahren. Damit erreichte sie genau zwei Jahre nach dem Start erneut die Erde. Eine Passage in 540 km Entfernung senkte hier sogar das Aphel von 2,17 auf 1,77 AE ab, es war aber so gewählt worden um die Sonde möglichst schnell zur Erde zurückzubringen. Wichtiger war, dass die Erdpassage die Bahnneigung von 1,5 auf 10,5 Grad erhöhte. Bei einer Geschwindigkeit der Erde von 30 km in der Bahnebene benötigt man für eine Inklinationsänderung von 10 Grad mehr Energie als für die Ausweitung der Bahn auf die Umlaufbahn von Eros. Das Anheben des Perihels musste NEAR aber selbst durchführen.

Stardust setzte das schon bekannte Prinzip um, das die Erde nach zwei Jahren erneut passiert wird. Aber es gab hier eine Schwierigkeit. Der Komet Wild 2 sollte passiert und Proben der Koma zurück zur erde gebracht werden. Dass waren nun zwei Nebenbedingungen an die Zielbahn. Denn sie musste nun zum einen wieder zur Erde zurückführen (man entschied sich für eine Umlaufbahn mit 2,5 Jahren Umlaufszeit) und Wild 2 an einem bestimmten Punkt passieren, denn der Komet hat eine elliptische umlaufsbahn und nur am nächsten Punkt dieser Bahn konnte ihn die Raumsonde erreichen. Dies war mit einer einfachen Bahn nicht erreichbar. So musste die Raumsonde eine Kurskorrektur durchführen, die den Ankunftstermin vom 7.2.2011 auf den 15.1.2001 verschob, also das Perihel drehte. Dies ist ein recht großer Unterschied zu den klassischen Flybys. Wenn mehrere Planeten passiert werden, so kann ein Vorbeiflug zwar die Geschwindigkeit soweit erhöhen, dass man die gewünschte Bahn erreicht, aber sie kann aus himmelsmechanischen Gründen die Umlaufbahn des Planeten am falschen Ort schneiden. Man muss also die Bahn drehen. Galileo benötigte 321 kg Treibstoff für derartige Manöver, das war fast so viel wie die Sonde brauchte um in eine Umlaufbahn um Jupiter zu gelangen (338 kg) oder 15% der Sondenmasse. Stardust passierte am 14.1.2009 drei Jahre nach dem Absetzen der Landekapsel erneut die Erde und wurde so noch zum Kometen Tempel 2 umgelenkt.

Ziel Datum Vorbeiflugdistanz Bemerkung
Start 7.2.1999 2 Jahre Umlaufszeit
Erde 15.1.2001 6.008 km 2,5 Jahre Umlaufszeit
Annefrank 2.11.2002 3.000 km Asteroidenvorbeiflug
Wild 2 2.1.2004 250 km Sammeln von Proben und Aufnahmen
Erde 15.1.2006 258 kg (Muttersonde), Landung (Kapsel) Bergung der Proben
Erde 14.1.2009 9.200 km Neuer Kurs zu Tempel 2
Tempel 2 24.2.2011 181 km 782 Nahaufnahmen und Staubanalysen erhalten

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