Zum wiederholten Male: Alternativen zur Ariane 6

Wer meinen Blog regelmäßig besucht, weiß, dass ich schon einiges zu dem Thema geschrieben habe. Über die Ariane 6 selbst weiß man noch wenig, aber in meinen Augen ist es unsinnig mit 4 Milliarden Euro eine neue Rakete zu entwickeln, die weniger kann als die alte. Wenn man Pech hat, steigen die Satellitenmassen wieder an, weil in einigen Jahren mit Angara A7, Langer Marsch 5 und Falcon Heavy auch andere Träger verfügbar sind für große Nutzlasten und die Rakete ist zu klein. Des weiteren wäre ich vorsichtig bei Preisprognosen, da lag man in Europa zweimal daneben (Ariane 1: kein Markt, Space Shuttle ist billiger, Ariane 5: wird 40% billiger als Ariane 4). Es könnte sich erweisen. dass die Ariane 6 nicht billiger als die Ariane 5 wird und dann hat man sie umsonst entwickelt. Vielmehr sollte man die Ariane 5 flexibilisieren. Hier mein Vorschlag:

Als erstes mal muss die ESC-B in der Weise optimiert werden, wie ich vor einigen Tagen vorgeschlagen habe. Dann alleine könnte die Nutzlast auf 13,5 bis 14 t anheben, wobei die Rakete schon zwei Satelliten der 6 bis 6,5 t Klasse transportieren, also die größten derzeit verfügbaren und man hätte noch Luft bei schwereren sie mit einem 4,5-6 t Satelliten zu kombinieren. Gegenüber meinem letzten Vorschlag wäre übrigens zu ergänzen, dass nachdem ja nun beschlossen wurde das Orion-Servicemodul aus dem ATV zu entwickeln, die ESC-B leichter werden kann, da nun die maximale strukturelle Belastung von 23 t (ATV Start) auf 16 t (Maximalnutzlast nach diesem Artikel) sinkt. Das macht zwar nur 50 kg aus, doch 50 kg mehr sind 50 kg mehr Nutzlast….

Zur Erklärung: Satellitenbauer legen diese so aus, dass es immer zwei Träger gibt, die sie starten können. Sonst ist man auf Gedeih und Verderb an einen Anbieter gebunden. Die nach Ariane 5 leistungsfähigsten Träger sind Zenit und Proton, beide mit 6-6,3 t Nutzlast. Daher sind heute die schwersten Satelliten so schwer und wenn es weitere Alternativen gibt, dann kann es gut sein, dass die Satelliten noch schwerer werden.

Mein Ansatz geht nun darin, die Nutzlast nochmals etwas anzuheben und gleichzeitig die Option zu haben, auch kleinere Nutzlasten zu starten. Da muss ich mich bei der ASI bedanken, die in der Hoffnung, dass man den Auftrag für eine zweite Generation von Ariane 5 Boostern bekommt, die Vega so ausgelegt hat, dass der Durchmesser der ersten Stufe den EPC entspricht und auch die Fabrik gleich für die Fertigung ausgelegt hat). Das Bedeutet, man kann zwei P85 antriebe anstatt den EAP einsetzen. Ihr hoher Startschub von je 1912 kN bei 95 t Gewicht reicht aus, dass die Ariane 5 trotzdem abheben kann. (Startschub 4784 kN bei 425,5 t Startmasse). Die Nutzlast der optimierten Version sinkt dann auf 9 t ab – oder 7 t wenn man die normale ESC-B nimmt, damit hat man schon mal den Ersatz mit der Ariane 6. Der Durchmesser von 3 m sorgt zudem dafür, das die kompatibel zur Startplattform der Ariane 5 sind.

Die zweite Option ist es, diese P85 Booster zusätzlich zur Ariane 5 einzusetzen. Auch hier reicht der Schub der EAP noch aus trotzdem abzuheben (13.000 kN Schub bei 982,4 t Gewicht). Der Trick ist es hier die Booster erst zu zünden wenn die EAP ausgebrannt sind. Dadurch wird eine zu starke aerodynamische Belastung im unteren Teil der Bahn vermeiden, die z.B. von der ESA bei CFK-EAP als negativ eingestuft wurde. Die Zeit in der Feststofftriebwerke arbeiten, verlängert sich so um 107 s. Zuerst werden die EAP abgetrennt, dann die P80. Als weiterer Vorteil sind keine Änderungen an der Startbasis nötig. Zusammen mit zwei P80 Boostern kommt man so auf 15.900 kg Nutzlast (13.900 wenn die ESC-B nicht optimiert wird).

In der Zusammenfassung hat man dann drei Konfigurationen mit 7, 11,5 und 13,9 t Nutzlast (ohne optimierte ESC-B) oder 9, 13,5 und 15,9 t Nutzlast (mit optimierter ESC-B). Das ist doch eine gute Abdeckung eines breiten Nutzlastbereichs von der anvisierten Ariane 6 bis über die derzeitige Ariane 5 hinaus. Und wenn man noch etwas kleineres braucht: Eine Vega, mit einem EAP als erste Stufe würde 5 t in den sonnensynchronen und 2 t in den GTO orbit bringen und wäre so geeignet die Sojus für Erdbeobachtungsmissionen und kleine Satelliten zu ersetzen. Mit Vega- und Ariane-Elementen deckt man so den Nutzlastbereich von 1,5 t SSO bis 16 t GTO ab.

Wenn man etwas entwickeln will, (vergessen wir nicht: es geht immer auch darum was neues zu entwickeln, so waren alle Vorschläge des FLPP Programms aus dem die Ariane 6 entstehen sollte, welche mit neuen Technologien wie LOX/LNG Triebwerken, staged-combustion Triebwerken oder ähnliches einsetzten), dann wäre die sinnvollste Idee ein neues Haupttriebwerk. Das Vulcain 2 ist die teuerste Einzelkomponente. Ein billigeres und trotzdem schubstärkeres gibt mehr Optionen für die Bestückung mit Boostern und reduziert die Gravitationsverluste. Bei etwa 2750 kN Schub wäre die Rakete sogar fähig ohne Booster abzuheben. So schubstarke Triebwerke waren allerdings nicht vorgesehen. Immerhin die 1700 bis 2000 kN die auch geplant waren würden die Nutzlast auch um 700 bis 1000 kg anheben, wenn man auf einen Teil der Performance verzichtet, kann man ein Triebwerk mit etwas schlechterem Wirkungsgrad nehmen, dass dafür billiger in der Fertigung ist. Auch hier gibt es Vorbilder: Das RS-68 wurde bewusst nicht auf Leistung sondern Preis getrimmt.

Leider sieht es so aus, als würde die aktuelle Entwicklung aber eher für die Ariane 6 sprechen. Boeing hat Aufträge für „All electric“ Satelliten erhalten. Sie setzen das um was der Autor seit Jahren predigt: Ionentriebwerke nicht nur zur Lageregelung sondern auch als Antrieb einzusetzen. Die basierend auf dem HS-.702 Bus erstellten Satelliten wiegen rund 2 t. Bisher gestartete Satelliten wogen zwischen 4,5 und 6,1 t oder zwischen 2,775 und 3,832 t im Orbit. Das bedeutet dass man rund ein Drittel der Startmasse einsparen kann. Wenn das weiter die Rundem acht (bisher sind nur 4 Satelliten bestellt, das sind bei 20-25 jährlich gestarteten Satelliten noch ein kleiner Bruchteil aller Starts) dann würde Ariane 6 dann auch die Nutzlast der Ariane 5 aufweisen, wenn sie diese „all electric“ Satelliten transportiert. Die ESA reagiert natürlich wie gehabt: weil (wie auch üblich) die europäische Industrie geschlafen hat, legt sie ein Programm auf indem sie die Entwicklung mitfinanziert. Dabei testet man an der Uni Giessen seit Jahrzehnten an Ionentriebwerken, auf denen auch die kommerziellen Produkte von EADS basieren, man hätte nur mal das Konzept weiter entwickeln müssen….

Immerhin, so hat die ESA wieder ein Argument für die Wiederzündbarkeit der ESC-B, die sonst nur bei ATV-Missionen benötigt wird (und die sind ja nun weggefallen): Für derartige Satelliten ist anstatt der klassischen GTO Bahn eine mit einem höheren Perigäum, dafür niedrigerem Apogäum günstiger, so kann man mit dem gleichen Geschwindigkeitsaufwand eine 7000 km hohe Kreisbahn erreichen. Diese liegt aber über dem inneren Strahlungsgürtel, der der intensivere der beiden ist. Dafür muss man die Stufe allerdings beim Erreichen des Apogäums nach 83 Minuten die Stufe erneut zünden.

2 thoughts on “Zum wiederholten Male: Alternativen zur Ariane 6

  1. Den Ausführungen Bernds ist nichts hinzuzufügen. Angesichts der hohen Entwicklungskosten lohnt es sich nicht, extra die Ariane 6 für die wenigen Starts zu entwickeln, wo der Ariane 5 gerade der Satellitenpartner fehlt. Elektrisch angetriebene Satelliten kann man zudem einzeln mit der Sojus starten, nach dem Prinzip: „so hoch, wie’s geht“.

    Wenn man der Luft- und Raumfahrtindustrie was gutes tun will, wo auch wir Bürger mehr davon haben, könnte man mit demselben Geld einen Entwicklungsauftrag für einen Spritsparjet für Kurzstrecken erteilen: Außenmaße in etwa wie ein Airbus 319, aber die Kabine 20 cm schmaler (das ist dann dasselbe Maß wie die Boeing 737) und zugleich 20 cm höher (also elliptisch). Das sollte reichen, um nach Art der Doppeldeckerbusse in der vorderen Hälfte des Flugzeugs auch im Untergeschoss Sitze (statt Laderaum) anzubringen.

    Das Treibstoffvolumen wird stark reduziert, die maximale Reichweite beträgt somit noch ca. 2500 km. Der dank weniger Tanks freiwerdende Platz in den Flügeln wird als Laderaum genutzt.

    Da Passagiere und Gepäck bei gleichem Volumen weniger wiegen als Treibstoff, muss der Kurzstrecken-Sparflieger weniger tragen können als der außen vergleichbar große Airbus 319. Somit sinken bei Nutzung herkömmlicher Strukturmaterialien maximales Startgewicht und Leermasse von 75 und 35 Tonnen auf 60 und 30 Tonnen. Leichtbau (CFK) der Kabine, wie bei Boeing 787 und Airbus 350, bringt nochmal 5 Tonnen auf 55 und 25 Tonnen. Da der Flieger so viel leichter ist als der normale Airbus 319, reichen zum Start auch schwächere und damit kleinere Triebwerke und man braucht weniger Auftriebshilfen (Start- und Landeklappen) am Flügel. Am Ende verbleiben vielleicht 52 Tonnen max. Startgewicht und 22 Tonnen leer.

    Schließlich wird die Reisegeschwindigkeit von 900 km/h auf 600 km/h reduziert. Das spart zwar während des Reisefluges keinen Sprit (das Flugzeug fliegt bei niedriger Geschwindigkeit tiefer; der Luftwiderstand steigt dadurch wieder an und gleicht so den durch die niedrigere Geschwindigkeit gesenkten Luftwiderstand wieder aus), kostet aber auch keinen Sprit. Entscheidend ist jedoch, dass durch die Auslegung der Triebwerke auf niedrigere Geschwindigkeit sie während Start, Steigflug und Landung effizienter arbeiten, da sie nicht so weit weg von der Auslegegeschwindigkeit sind. Ebenso spart es Sprit, dass man weniger hoch steigen muss. Auch die reduzierten Auftriebshilfen helfen beim Spritsparen.

    Der Flügel wird auf die neue Reisegeschwindigkeit und Flugzeuggröße optimiert (bei der A-320-Familie ist der Flügel ja auf den A 320, nicht den A 319 optimiert).

    Alle Maßnahmen zusammen dürften so um die 33% Treibstoffersparnis bringen. Bei zugleich 33% mehr Passagieren halbiert sich der Verbrauch pro Passagier.

    Klar wäre so ein Flieger eng. Andererseits sind die Passagiere in der Regel nur 1 bis 2 Stunden, maximal dreieinhalb Stunden darin, nicht sechs Stunden, wie auf einem Flug von Europa zu den Kanaren, wo regelmäßig A 320 und Co. verwendet werden.

    Kai

  2. Nach meinem Kommentar zu Bernds Blogeintrag „Macht mehr drauss“ http://www.bernd-leitenberger.de/blog/2012/11/26/macht-mehr-drauss/ fühlte ich mir hier richtiggehend aus der Seele gesprochen! Bernd hat es nur in die richtigen Zahlen gebracht, danke!
    Meiner Meinung nach gibt es noch ein Argument, das für eine stärkere Förderung des Skylon-Konzeptes spricht anstatt der Neuentwicklung einer Ariane 6: Das Skylon-Trägersystem wäre auch zu einem „point to point suborbital flight“ fähig, könnte also in ca. 90 min durch einen „suborbitalen Hüpfer“ von Berlin nach Sidney rauschen. Das ist vielleicht sogar der größte Vorteil dieses Raumflugzeugs: es kann (verhältnismäßig) bescheidene Lasten in den LEO tragen, etwas größere jedoch innerhalb kurzer Zeit an jeden Punkt des Erdballs. Und es hätte gegenüber vergleichbaren zukünftigen Entwicklungen von Virgin Galactic und Stratolaunch den Vorteil, dass es nicht auf ein Trägerflugzeug angewiesen ist.
    @Kai: Ich sehe den größten Nachteil Deines vorgestellten Konzeptes in der niedrigeren Flughöhe, wodurch die Lärmbelastung am Boden steigen wird. Wenn man dieses Konzept mit einem Propeller-Dampfantrieb kombinierte (siehe hier: http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground-xxl/2685/mit_hochdruck_in_den_himmel.html), wäre dieser Nachteil wieder ausgeglichen. Bei niedrigerer Flughöhe und geringerer Geschwindigkeit ist meines Wissens nach ein Propellerantrieb sowieso der effizientere gegenüber einem Strahltriebwerk.

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