Politisch inkorrekte Träger

Etwas spät wurde das Rätsel doch aufgelöst, man muss eben wissen wo es auf meiner Website steht oder Google mit „Site:www.bernd-leitenberger.de“ bemühen. Ich nehme das mal zum Aufhänger für einen Artikel und zwar das traurige Kapitel „Ausgemusterte ICBM als Satellitenträger“. Das Dod hat nacheinander die Jupiter, Thor, Atlas D-F, Titan I und Titan ausgemustert. Nach dem START-Abkommen mussten sie auch noch 40 Peacekeeper und 200-200 Minuteman abbauen und dann gibt es sicher noch etliche Polaris und Trident Raketen.

Die Nutzlasten de unveränderten ICBM sind recht unterschiedlich und liegen zwischen 300 kg und 4200 kg, die Mittelstreckenraketen brauchen in jedem Falle eine Oberstufe um einen Orbit zu erreichen.

Die ersten ausgemusterten Raketen die als Trägerraketen eingesetzt wurden waren die Thor. Von 60 ausgemusterten Trägern wurden 31 von 1965 bis 1980 als Trägerraketen getestet, darüber hinaus wurden zahlreiche für Wiedereintrittsversuche verwendet.

Es folgte die Atlas. Die Atlas D wurde nur für ballistische Versuche eingesetzt, die Atlas E+F wurden zum größten Teil (82 der 99 stationierten Träger) zur Norton Air Force Base gebracht, dort wurden sie zuerst modernisiert und für eine Langzeitlagerung vorbereitet, dann sukzessive mit Oberstufen ausgestattet, je nach Nutzlast und bis 1995 gestartet. Und hier kommt auch Colonel Poor ins Spiel: Er ordnete Anfang der siebziger Jahre die Verschrottung von 35 Atlas F an, die von einem Bulldozer plattgemacht wurden. Er bekam eine Auszeichnung für „Vorrausschauendes Handeln“, schließlich sparte das 3.000 Dollar Instandhaltungskosten pro Stück, pro Jahr also über 100.000 Dollar!

Das passte auch in die politische Landschaft: in weniger als zehn Jahren würde das Shuttle starten, und dann sollte man noch militärische Raketen nutzen – wie politisch unkorrekt. Man ließ so viele übrig dass man in jedem Falle noch bis zum Shuttle mit ihnen auskam.

Dann kam 1986 und plötzlich schwanden die Vorbehalte gegenüber den „politisch unkorrekten“ Trägern. Da es aber nun leider an Atlas fehlte, musste man umdisponieren. eine Nutzlast wich auf eine Atlas H aus, für die anderen fand man eine Lösung: Titan II Träger die man nun auch nach 20 Jahren in den verdienten Ruhestand schickte. Der Umbau von 14 Trägern kostete das DoD 659,3 Millionen Dollar mithin 47 Millionen pro Stück. Eine Atlas kostete 15 Millionen plus 20 Millionen Fixkosten pro Jahr, bei 8 weiteren Jahren (die letzte Titan startete 2003), hätte man also 300 Millionen Dollar eingespart.

Das es nur 14 Stück waren die umgerüstet wurden, das verdanken wir McDonnell Douglas. Das Unternehmen machte erfolgreich Stimmung gegen die Titan, weil es in ihr eine Konkurrenz zur Delta II sah – eine Titan II hatte ohne Oberstufe eine Nutzlast von 4.200 kg in den Erdorbit, mit einer PAM-D 1043 kg in GTO und wenn man wie bei der Atlas zwei Oberstufen kombiniert hätte, so hätte die Rakete natürlich auch die GPS-Satelliten starten können.

Als Folge gab es 1998 ein Gesetz, den Commercial Space Act, der es im Prinzip der NASA verbietet militärische Raketen zu nutzen, außer es gäbe keine kommerzielle Alternative. Interessanterweise gilt es nicht für das DoD, dabei waren die GPS Satelliten natürlich eine Nutzlast des DoD…

So setzt das DoD die Minotaur Familie ein, die aus Minutemans und Peacekeppers besteht, die durch Oberstufen der Pegasus ergänzt wurden und die NASA muss die teurere Pegasus und Taurus kaufen. Das letzte Mal dass es dieses Gesetz in die Schlagzeilen kam war als die NASA die Minotaur V für den Start von LADEE wählte und SpaceX dagegen protestierte, weil sie die Meinung vertrat ihre Falcon 9 könnte das genauso und nach dem Gesetz müsste die NASA dann die Falcon 9 nehmen.

Das ist schon ein Trauerspiel, es ist aber nichts gegen die Tatsache, dass man die meisten Träger nicht oder nicht fachgerecht genutzt hat. Einige Beispiele: In den ersten Jahren der Raumfahrt wurden ICBM weitgehend unverändert als Träger genutzt. Das lief bei der Thor z.B. so ab: die USAF bestellte die Thor von Douglas, bekam eine ICBM geliefert und modifizierte diese – installierte neue Elektronik, änderte den Abschluss so, dass man eine Agena Oberstufe drauf montieren konnte. Dann kaufte die NASA die Rakete von der USAF, schickte sie zu Douglas wo dann weitere Änderungen wie redundante Systeme, Anpassung des Stufenadapters für die Aufnahme der Delta Stufe und eine andere Steuerung installiert wurde.

Das umständliche Spiel hätte man auch mit den ausgemusterten Thor machen können und mit den damals eingesetzten Agena Oberstufen wäre die Nutzlast dann nicht bei 513 sondern 730 kg gelegen.

Bei den Atlas ist der Unterschied noch größer: Eine Atlas Agena transportierte rund 2270 kg in einen SSO, eine Atlas F mit Oberstufe maximal 1.100 kg. Bedenkt man, dass die ersten Atlas Centaurs auch umgebaute Atlas D waren, dann wären es mit der Centaur Oberstufe sogar 4.500 kg in LEO gewesen.

Noch mehr Möglichkeiten gibt es bei der Titan II. Schon in den sechziger Jahren wurde eine Titan Centaur untersucht. Die zweite Stufe wäre durch eine Centaur ersetzt worden, das geht wegen des gleichen Durchmessers ohne große Probleme – 5.700 kg in den LEO, 1,5 t zum Mond oder 1,8 t in einen GTO – schwupss hätte man sich 54 Delta II mit einem Gesamtwert von etwa 3-4 Milliarden Dollar einsparen können. Etwas hätten die 54 Centaur Oberstufen natürlich gekostet, aber nimmt man die Preisdifferenz von Delta III und Delta II, dann wären das maximal 1 Milliarde Dolar gewesen,

Andere Typen hat man gleich verschrottet und gar nicht erst einen Einsatz erwogen, so die die 45 Jupiter (in der Leistung etwas schlechter als eine Thor) und die 54 Titan I (in der Leistung etwas schlechter als eine Atlas). Russland macht es besser, dort kann man ausgemusterte RS-36M (Dnepr) und UR100 (Rockot) als Satellitenträger buchen und das Geschäft mit ihnen lief auch wirklich gut. 36 Starts gab es alleine von diesen beiden Trägern. Dann kommen noch ein paar anderer Typen dazu. zusammen erheblich mehr Starts als die gesamte Minotaur Familie, Taurus und Athena zusammen. Tja die USA haben eben einfach zu viel Geld. Anders kann man es sich nicht erklären, warum man es so zum Fenster rausschmeißt.

Einige Nützliche Links über die Verschrottung der Atlas F und die Diskussion über politisch inkorrekte Träger.

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