Nennt mich Prophet

Seit ich mich für Raumfahrt interessiere, also so seit dreißig Jahren, bin ich davon überzeugt, das der elektrische Antrieb der Antrieb der Zukunft ist. Selbst wenn es immer Probleme zu lösen gibt (als ob es die bei normalen Raktentriebwerken nicht gäbe, man erinnere sich nur mal an die schwierige Entwicklung des RL-10 und SSME) so ist doch die Effizienz bestechend. Der Treibstoffverbrauch beträgt in normalen Szenarien ein Zehntel des chemischen Treibstoffs und kann, wenn man an Missionen denkt die eine hohe Startenergie erfordern, noch weitaus höher sein. Natürlich addiert man Mehrgewicht nicht nur für das Antriebssystem sondern auch für Hochspannungswandler und vor allem die Stromversorgung, trotzdem, das kann man leicht beweisen, wird man sobald man größere Geschwindigkeitsänderungen durchführen muss und diese nicht zeitkritisch sind, immer mehr Nutzlast mit einem Ionenantrieb transportieren.

Deswegen entwickele ich regelmäßig neue Konzepte und schaue auch immer nach wo gerade der Entwicklungsland ist, vor allem bei leichtgewichtigen Solararrays oder eben den Ionentriebwerken. Bisher war es so, dass man zuerst ein bisschen damit experimentiert hat z.B. sie als Lageregelungstriebwerke für Eureka und Artemis genutzt hat (bei letztem retteten die Triebwerke die Mission. Mehr noch: als der Satellit im Orbit ankam nahm man an durch den verbrauchten Treibstoff wäre die Lebensdauer verkürzt – nix  da Artemis hat 2011 seine Solllebensdauer erreicht und wird bis mindestens 2014 weiter betrieben).

Dann ging man endlich dazu über Ionentriebwerke als primären Antrieb zu nutzen. Die ESA mit Smart-1. die NASA zuerst mit Deep Space 1 und jetzt mit Dawn. aber dass man von dem Ausprobieren wegkommt zum normalen Antrieb, davon sind wir offensichtlich noch weit entfernt. Immerhin offerieren US-Satellitenhersteller inzwischen Ionentriebwerke von Boeing als Alternative zu chemischen Lageregelungstriebwerken und Aerojet hat als zweiter Hersteller auch welche im Angebot. Auf europäischer seite? Nichts.

Nun kam folgerichtig von Boeing „all Electric“ Satelliten, also Satelliten die auch den Apogäumsmotor einsparen. Diese müssen, je nach dem von welchem Breitengrad aus die Rakete startet, zwischen 1500 m/s (CSG), 1800 m/s (CCAF) oder 2100 m/s (NIIP-5) an Geschwindigkeit aufbringen. Je mehr es ist ist desto niedriger ist die Nutzlast. Die 300 m/s vom CCAF aus schlagen sich z.B. in 10% weniger Nutzlast im GEO nieder. Wenn man das versucht durch trickreiche Manöver auszugleichen wie bei der Proton, ist die Einbuße sogar noch höher.

Auch hier wundert man sich, warum es so lange dauert die „All Electric“ Satelliten kommen. Natürlich gibt es die Abers und Wenns:

  • Aber, es dauert ein paar Monate bis der Satellit im Orbit gebracht ist
  • Aber er durchfliegt in der Zeit den Van Allen Gürtel

Aber auch:

  • Aber die Nutzlast ist mindestens 50% höher wie im konventionellen Fall
  • Aber Hipparcos ist mehr als 5 Jahre lang auf einer GTO-Bahn durch den Van Allen Gürtel geflogen und hat funktioniert
  • Aber man kann Elektronik, die ja immer kleiner wird, leicht durch Metallgehäuse schützen und dafür einen teil des eingesparten Gewichtes investieren, das schützt dann später auch vor Sonnenstürmen
  • Aber durch die Leistung die Ionentriebwerke brauchen hat der Satellit viel mehr elektrische Leistung im Orbit als konventionelle Satelliten – er kann mit mehr Power Senden
  • Aber ich spare auch den Lageregelungstreibstoff ein und kann so die Effizienz weiter erhöhen und die Lebensdauer weiter steigern.

Schaut man sich die Satelliten an die Arianespace startet, dort wird ja immer (nicht bei jeder Firma üblich) ein Steckbrief veröffentlicht, so bestehen einige Exemplare zu 2/3 aus Treibstoff. Sie brauchen einen Teil um den Orbit zu erreichen, der Rest für das Station Keeping und das sind bei 12 bis 15 Jahren Betriebszeit nicht wenig. Da dies nur der Treibstoff ist und bei Satellitentriebwerken dann noch die Tanks, das Antriebssystem und die Druckgasflasche hinzukommen, dann bleibt noch 25% der Startmasse für den Satelliten übrig. Bei einem Ionenantrieb wäre es selbst wenn man mit deutlich höheren Geschwindigkeiten rechnet da man im Niedrigschubbereich ist noch 87%. Die Vorteile sind also auf der Hand liegend. Da kann ich gerne einige Monate Wartezeit und weiteres Leergewicht für Stromversorgung und Spannungswandler hinnehmen.

In der Tat sollen die Satelliten von Beoing dann auch zu zweit auf einer Falcon 9 starten, rechnet man die Doppelstartstruktur ab sind das nur rund 2 t pro Satellit. So kleine Satelliten flogen seit gut 20 Jahren nicht mehr.

Und nun stolpere ich über diese Meldung: Demnach haben sich SES und ESA über die Finanzierung einer Vorentwicklung für „All electric“ Satellites geeignet und die ESA zahlt 70%, SES/OHB 30%. Man könnte meinen ich würde mich nun freuen, aber ich tu es nicht. Meiner Ansicht nach ist es die Aufgabe der Satellitenhersteller und Betreiber ihre Satelliten weiter zu entwickeln. Mit Kommunikationssatelliten wird viel Geld verdient. Sowohl beim Betrieb wie beim Bau. Firmen sollten ein Interesse haben um konkurrenzfähig zu blieben neue Technologien selbst zu entwickeln und umzusetzen. Ich habe nichts gegen eine Anschubfinanzierung zur Schaffung einer neuen Industrie. Das tat man in Europa mit den nationalen Projekten Symphonie und den ESA Projekten OTS und ECS, danach ging das System in private Hände (Eutelsat) über. Dann sollte aber auch Schluss sein mit der Regierungsbeteilligung und die Firmens sollten selbst die Systeme weiter entwickeln. Woanders geht das ja auch. Aber nichts da. Die ESA finanziert erst mit Olympus die Entwicklung einer großen Satellitenplattform, dann mit Artemis die Entwicklung neuer Datenservices und Ionentriebwerke in Satelliten und nun mit Alphabus / Alphsat eine Satellitenplattform und weiteren Technologien, die wieder kleiner ist (passend zur kommenden Ariane 6). Und nun eben die Vorentwicklung von All Electric. Das ist nicht die Aufgabe der ESA. Wenn ein Geschäftsfeld kommerziell funktioniert, dann sollten die Firmen es auch gefälligst von ihren Gewinnen selbst finanzieren.

Man könnte nun meinen, die NASA täte ähnliches. Doch die NASA hat ihre ATS Serie schon 1974 eingestellt, als längst kommerzielle Services funktionierten und private Starts wie durch SBS, Weststar oder Comsat erfolgten. Zwar ordert die NASA noch ihre TDRS  und das Militär ihre Milstars, doch die haben andere Anforderungen, benutzen riesige Antennen oder UKW-Frequenzbänder um Daten von Satelliten oder von ungerichteten Antennen aufzunehmen.

Zurück zu den „All Electric“ Satelliten. Man wird mit ihnen die Startmasse eines Satelliten mit einer bestimmten Sendeleistung deutlich senken können. Um wie viel hängt von zahlreichen Faktoren ab, aber ich würde mal sagen eine Halbierung sollte möglich sein. Bedeutet das dann, das wir doch mit der Ariane 6 besser fahren? Ich glaube nicht. Es werden in den nächsten Jahren mindestens drei Träger auf dem Markt kommen die Ariane 5 an Nutzlast übertreffen, die Langer Marsch 5, die Angara in der 5 und 7 Version und die Falcon Heavy. In den letzten 30 Jahren war es immer so, das die Betreiber von Kommunikationssatelliten darauf achteten, das die nächste Generation immer von von mindestens zwei Trägern gestartet werden kann, besser drei. So bekam die Atlas in den letzten Jahren immer dann Aufträge wenn einer der drei Anbieter (ILS, Sealaunch, Arianespace) Probleme hatte. 2009 hatte Sealaunch Finanzprobleme und nun wieder und nun kämpft auch noch ILS mit einigen Fehlstarts. Und Schwupps bekommt Lockheed Martin einen Auftrag. Unter dem Gesichtspunkt werden auch die Aufträge an SpaceX gesehen.

Meine Prognose: Wenn es genügend Träger mit 10 Tonnen Nutzlast gibt wird es trotz „all-Electric“ Satelliten auch Satelliten mit 10 t Startmasse geben, eben noch leistungsfähiger entweder in Bezug auf die Anzahl der Kanäle (Nutzung noch höherfrequenter Bänder) oder eben mit mehr Sendeleistung oder kleineren Spots für noch kleinere mobile Empfänger. Da gibt es nach oben kaum grenzen. Schon in den Siebzigern skizzierte die NASA den Aufbau von Satelliten mit 65 kW Sendeleistung und Fußballfeld großen Schüsseln. Wenn die neuen Träger der 10 t Klasse verfügbar sind und die <=6 t Träger ausgemustert wurden, genau dann, erscheint dann mit der Ariane 6 ein neuer Träger der 6 t Klasse. Ich halte das für keine gute Idee.

2 thoughts on “Nennt mich Prophet

  1. Wenn man einmal dabei ist: Warum nicht nur in den LEO starten und den Rest den elektrischen Antrieb machen lassen? Als Träger würde dann eine Sojus oder eine Zenith reichen, und das sogar ohne Oberstufe.

  2. Ich denke auch, wenn man „all electric“ arbeitet, kann man sich auch vom LEO aus hochschrauben. Das Problem ist, dass die Ariane 5 für den Start von Tk-Satelliten in den LEO mit 20t Nutzlast ziemlich überdimensioniert ist. Das spricht daher tatsächlich für die Ariane 6. Hauptgrund für die Ariane 6 ist aber die Förderung der Raumfahrt-Industrie.

    Kai

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