Europas Beitrag zur ISS ab 2020
Eigentlich wollte ich den Beitrag ja in Münchhausens Kolumne einordnen, doch es fehlt ihm dafür ein wichtiges Kriterium: Dort erscheinen nur Geschichten, die zwar toll klingen, aber nicht möglich sind, zumindest in der beschriebenen Form. Das ist aber bei dem was ich hier Vorschlage nicht der Fall, ansonsten wäre es natürlich eine tolle Geschichte für die Rubrik, weil möglich ist, sinnvoll, kosteneffektiv. Kurz jeder fragt sich „Warum macht man das nicht?“ Nun genau deswegen. Bei der ISS im Besonderen und der Europäisch-Amerikanischen Zusammenarbeit in der Weltraumfahrt im Allgemeinen muss es so sein, das es für Europa ziemlich teuer wird und man immer den kürzeren zieht. Daher kommt eine für die ESA kostengünstige und sinnvolle Lösung leider nicht in Frage. Doch warum geht es?
Bei der ISS „bezahlen“ alle beteiligten Weltraumorganisationen ihren Anteil an den Betriebskosten in Form von Dienstleistungen. Das sind primär Frachttransporte. Das System hat man sich schon beim Bau ausgedacht und für die ersten 10 Jahre, die Dauer die damals geplant wurde, klappte es auch. Es klappt immer noch, aber die ESA hat beschlossen für die Verlängerung von 2016 bis 2020 keine weiteren ATV zu entsenden, dafür zwei Orion Servicemodule zu bauen. Ich halte das für eine dumme Idee, weil die ESA ja kein bemanntes Programm in der Planung hat, und bin damit nicht alleine: Wörner, damals DLR-Chef war auch der Meinung. Natürlich sind die beiden Module teurer als die 150 Millionen Euro, die der Anteil der ESA an den Betriebskosten entspricht. Aber wenn das verlängerbar ist, die ISS soll ja von ESA Seite bis 2024 lang betrieben werden, NASA und Russland planen sogar bis 2028, mag es sich lohnen. Nur glaube ich nicht dran, dass die NASA sich langfristig von der ESA abhängig machen will. Der NASA wird es sicher auch bedauern, denn ein ATV hat im Mittel 2,9 t Fracht pro Jahr befördert. Diese Frachtmenge kostet die NASA bei den CRS-2 Verträgen aber rund 300 Millionen Dollar, also fast die doppelte Summe, die dem ESA-Anteil pro Jahr entspricht.
Also fragte ich mich, was die ESA machen könnte, um sinnvoll zum Unterhalt der Station beizutragen. Man könnte die ATV nachbauen. Es müsste Änderungen geben, weil sie schon Ende des Neunziger konzipiert wurden und vor allem Elektronikbauteile nicht mehr lieferbar sind. Aber das wäre eine schlechte Lösung. Die ATV spiegeln die Intentionen Frankreichs als Hauptauftragnehmer bei der Entwicklung wieder, sich möglichst viel Technologie anzueignen (das führte auch zum Anschlussvertrag mit den Orionmodulen) sie können daher alles, eine Art eierlegende Wollmilchsau im Weltraum. Kein anderer Transporter kann sperrige Fracht, Treibstoff, Gase, Wasser transportieren und die Station anheben. Die neuen US-Transporter werden vor allem Fracht transportieren. Gase und Wasser können sie auch in begrenztem Maße mitführen. Was keiner der US-Transporter und das HTV kann ist die Station mit Treibstoff zu versorgen bzw. die Bahn zu ändern. Das erstere ist nicht nötig, wenn das Vehikel dauernd angekoppelt ist. Das müssen nun die Progress erledigen. Damit deren Treibstoffkapazität ausreicht, haben die ATV die ISS um 80 km angehoben, und damit die atmosphärische Reibung verringert.
Was als Problem offen ist, ist, was man am Ende der Betriebszeit der Station macht. Auch wenn die noch in ferner Zukunft ist, die Station mit 420 t Masse zu debitieren wird aufwendig. Die NASA hat schon vor 10 Jahren die Kosten dafür auf über 1 Milliarde Dollar geschätzt. Die ATV wären da eine preiswertere Lösung. Das Problem hat zwei Aspekte. Das eine ist der Treibstoffaufwand. Es ist davon auszugehen, dass man die Station passiv sinken lässt, um die Bahnhöhe und damit Treibstoffaufwand zu reduzieren. Das wird man aber in 340 km Höhe einstellen. Denn dann beträgt die Lebensdauer ohne Orbitanhebungen nur noch 3 Monate. Damit die Station sicher beim Wiedereintritt auseinanderbricht, wird man die Bahnhöhe auf mindestens 100 km, besser niedriger absenken. Das sind 140 m/s Geschwindigkeitsänderungen bei Absenkung des ganzen Orbits. Multipliziert mit 420 t Masse kommt man so auf einen Gesamtimpuls von 59 MNs. Bei einem spezifischen Impuls von 3000 m/s entspricht das dem Energiegehalt von 19,6 t Treibstoff. Eine Progress kann nur etwa 2 t Treibstoff transportieren und 5,8 t gehen in die Tanks von Sarja. Das reicht also nicht.
Eine Möglichkeit wäre ein „Treibstoff-Only“ ATV. Man lässt dazu den vorderen Frachtbehälter weg und montiert den Docking-Adapter direkt auf das Servicemodul. Das Servicemodul wiegt beim ATV 5,32 t, das Antriebssystem davon 1,5 t. Die Startmasse des ATV liegt bei maximal 20,5 t bei 2,3 t Missionstreibstoff. Von diesem Missionstreibstoff kann man rund die Hälfte, 1,1 t abziehen weil man das ATV nicht deorbitieren muss. Es verglüht mit der Station. Es bleiben also, wenn man noch 300 kg für den Dockingadapter abzieht, rund 13,68 t für Treibstoff und Antriebssystem. Das letztere würde, wenn man von den 6,8 t Nominalkapazität des ATV ausgeht, eine weitere 1 t wiegen. Es bleiben also 12,68 t Treibstoff verglichen mit maximal 7,5 t Fracht bei einem normalen ATV. Zwei ATV würden also ausreichen um die Station zu deorbitieren, bzw. wenn man die Sarja Tanks bis zum Rand füllt auch einer.
Der zweite Apsekt ist der Schub. Bei einer Masse von 420 t braucht man für ein gezieltes Verglühen viel Schub. Natürlich kann ein heutiger ATV das durchführen, doch bei maximal 0,88 kN Schub braucht er fast einen halben Tag dazu. Das ist nicht das was man will, sobald eine bestimmte Bahnhöhe erreicht ist wird die Station instabil, die aerodynamischen Kräfte werden sie drehen und sie ist dann nicht mehr gezielt über unbewohntem Gebiet zu deorbitieren. Man benötigt also deutlich mehr Schub, idealerweise sollte die Brenndauer kleiner als eine halbe Umlaufsdauer (etwa 3000 s) sein. Die deale Möglichkeit wäre es, in die Mitte des ATV (da ist auch noch genug Platz) ein Aestus einzubauen. Das hat 28,7 kN Schub und nutzt auch den Treibstoff etwas besser aus. Ein Aestus muss nur 1400 s lang brennen, weniger als einen halben Umlauf.
Das wäre mein Vorschlag für die ESA: Nehmt das ATV-Servicemodul, verlängert es um 1 m und baut einen zweiten Ring an Treibstofftanks ein. Das reicht für insgesamt 13,6 t Treibstoff, davon 12,4 t für die Mission. In die Mitte kommt ein Aestus für größere Bahnänderungen. Die kleinen 220 N Triebwerke außen, bleiben für kleine Manöver und das Ankoppeln. Dank des modularen Aufbaus des ATV sollte das kein größeres Problem sein. Wenn die ESA zwei Stück bauen würde, dann wäre beiden Weltraumagenturen gedient. Der erste könnte schon einige Jahre vorher an die Station ankoppeln und für die letzten Jahre die Ausweichmanöver durchführen oder die Bahn aufrecht erhalten. Von ihm braucht man nur die Hälfte des Treibstoffs für das Deorbitieren.
Zu Betriebsende lässt man die Station dann mit dem verbliebenen Treibstoff des ersten ATV bis auf 340 km Höhe sinken. Er wird abgekoppelt und ein neuer ATV angekoppelt. Mit vollen Tanks reicht eine einzige Zündung aus, um das Perigäum von 360 km Höhe auf 40 km Höhe abzusenken. Da man nicht die ganze Bahn absenken muss, spart man so einiges an Treibstoff ein. 40 km Höhe sind so tief, dass die Station verglüht. Minimal bräuchte man bei einem sicheren Abstand von 350 km und einer Absenkung auf 80 km etwa 10,8 t Treibstoff. Es bleibt also genügend Reserve sodass man das ATV rechtzeitig vorher angekoppelt kann.
Die ESA würde profitieren, weil sie die ATV nachbauen kann, mit kleinen Änderungen, aber da man den Druckbehälter und das Treibstofftransfersystem einspart, auch mit Kosteneinsparungen welche die Kosten für Änderungen mildern. Die NASA profitiert noch mehr, denn alle ihre Überlegungen sind viel teurer, so die Idee ein MPCV anzukoppeln und mit dessen Servicemodul die Abbremsung durchzuführen. Das kostet einen SLS-Start und ein Orion-Raumschiff und ist riskanter – die Besatzung muss innerhalb weniger Minuten abkoppeln und dann die Bahn anheben, sonst tritt sie auch in die Atmosphäre ein. Das stufte man schon bei Skylab, als man ein ähnliches Manöver plante, als riskant ein.
Da man bei der ESA aber intelligente und logische Lösungen ablehnt, denke ich wird es nie dazu kommen.
Bei, deorbitieren der Mir reichte eine einzelne Progress aus um den Aufschlagpunkt im Pazifik zu gewährleisten. Ich vermute, dass das , mit der ISS auf ähnliche Weise möglich wäre.
Man kann einen komplett passiven Wiedereintrittsort aufgrund der vaiablen atmosphärischen Bremsung nicht lange im Vorheraus bestimmen. Aber wenn die Atmospähre so weit abgebremst hat, das der Wiedereintritt nur noch 1 oder 0,5 Umläufe dauern wird, dann könnte man mit einem bremsenden, bzw einen beschleunigenden Boost dafür sorgen, dass der Aufschlagpunkt sich um ein paar Tausen Kilometer nach Vorne oder hinten verschiebt und somit nichts auf Festland fällt.
Solarzellen und Strukturen sind eh kein Problem, die werden vollständig verglühen. Zur sicherheit kann man die Module mit Sprengladungen versehen damit diese zum Zeitpunkt des Wiedereintritts zerlegt werden. Mii Schneidladungen lässt sich Stahl wie Papier schneiden, die Module sind aus leichtbaumatterial, es wären hier also nur geringste Mengen an Sprengstoff nötig um die Module zu zerlegen.
Die günstigte Variante wäre den Zufall entscheiden zu lassen und eventuelle durch den Aufschlag entstehende Schäden zu entschädigen.