Mit Ionentriebwerken zum Mond

Während man inzwischen die Eignung von Ionentriebwerken für den Mars untersucht, scheint sich keiner für den Einsatz für Mondmissionen zu interessieren. Zeit sich darüber Gedanken zu machen. Um es vorwegzunehmen: Es geht in diesem Blog vornehmlich um den nicht bemannten Teil einer Expedition. Das liegt daran das noch mehr als beim Mars die lange Betriebsdauer der Ionentriebwerke in keinem tolerierbaren Verhältnis zur Reisedauer mit chemischen Triebwerken steht. Bei der Dauer einer Marsexpedition von fast 3 Jahren sind 200-300 Tage mehr Reisezeit verkraftbar, beim Mond ist das aber unverhältnismäßig, wenn man in weniger als 4 Tagen beim Mond sein kann. Es gibt jedoch eine Ausnahme, dazu am Schluss noch eine Bemerkung.

Vergleich von ΔV für die verschiedenen Bahnen

Ich möchte zuerst einmal die ΔV-Budgets vergleichen. Für die Mondmission gehe ich von folgenden zwei Elementen aus:

  • Unbemannte Station, wird auf der Mondoberfläche nur gelandet
  • Bemannter Flug wie bei Apollo: Landung mit einem leichtgewichtigen LEM, Kommandomodul bleibt in der Umlaufbahn um den Mond.

Beim Mars ist es deutlich umfangreicher:

  • zwei unbemannte Habitate (eines als Wohnung, eines Labor), direkt auf der Marsoberfläche gelandet. Einsatz von Ionentriebwerken oder chemischen Antrieb.
  • Ein bemanntes Modul, das chemisch gestartet und in eine erste Umlaufbahn gebracht wird. Danach Absenkung der Umlaufbahn mit Ionentriebwerken und Rückflug ebenfalls mit Ionentriebwerken. Dieses Szenario hat in meinen Augen den höchsten Nutzen: Zum einen wäre die Missionszeit sehr lang, wenn man sich vom Erdorbit heraufspiralen würde, zum anderen spart das Absenken der Bahnhöhe beim durch Ionentriebwerke beim Mars Treibstoff für den Aufstiegsteil und durch die Verwendung von Ionentriebwerken kann man vor allem den Treibstoffbedarf für den chemischen Teil bedeutend verringern. Beim reinen chemischen Antrieb verbleibt die Station dagegen in einem elliptischen 24-Stunden-Orbit da man mehr Treibstoff brauchte erst das schwere Habitat abzusenken und dann wieder diese Geschwindigkeit aufzubringen, wenn man zur Erde zurückstartet, als wenn man vom Mars in eine elliptische Umlaufbahn startet.
  • Ein Rückstartteil mit einer Kapsel, direkt gelandet und chemisch zurückgestartet. Bei einem Habitat in einer elliptischen 24-Stunden-Bahn braucht man mehr Geschwindigkeit als beim Ionenantriebsfall in einer niedrigen Kreisbahn.

Daten

Bahnmanöver Geschwindigkeitsbedarf chemisch Geschwindigkeitsbedarf Ionentriebwerke
LEO → Lunar Orbit 4,1 km/s 7,3 km/s
LEO → Mars Direkte Landung 3,9 km/s 10,4 km/s
Lunar Orbit → Mondlandung 2,2 km/s
LEO → Marsumlaufbahn 4,6 km/s 7,6 km/s (chemisch/Ionentriebwerke)

13,9 km/s (nur Ionentriebwerke)

Mars Boden → Marsumlaufbahn 5,5 km/s 4,2 km/s
Marsumlaufbahn → Erdtransferbahn 0,9 4,0 km/s

Schon auffällig ist, dass beim Mond die Differenz deutlich kleiner ist. Beim Mars kann man zweimal ausnutzen, dass man chemisch eine Bahn erreichen kann, deren planetennächster Punkt nahe am Planeten liegt, während man sich mit Ionentriebwerken hochspiralt, also neben kinetischer Energie in der Fluchtbahn auch potenzielle Energie leistet. Das ist der Fall beim Verlassen von Erde und Mars, wie auch beim Einbremsen in die Umlaufbahn. Schon aufgrund dessen sollte man annehmen, dass Ionentriebwerke sich für die unbemannten Teile beim Mond eher lohnen.

Ich habe dann in einer Simulation die optimalen Parameter für maximale Nutzlast bestimmt. Randparameter sind:

  • 20% des Treibstoffgewichts als Tanks (typisch für Xenon-Druckgastanks)
  • Ionentriebwerke für 1 N Schub wiegen 60 kg (46 kg aufgrund Hochrechnung von existierenden Triebwerken, 14 kg für Leitungen und Stromversorgung)
  • Solargenerator hat eine Leistungsdichte von 120 W/kg (80 W/kg erreichen große konventionelle Solararrays, Dünne leichtgewichtige Konstruktionen erreichen 170 W/kg. Ich habe den Mittelwert genommen.
  • Betriebsdauer 180 Tage

Ich komme bei 100 t Startgewicht auf eine Nutzlast von 65 t. Die SLS soll mit Oberstufe 105 t erreichen. 100 t Startmasse erlauben eine etwas höhere Umlaufbahn, die für Ionentriebwerke wünschenswert ist (ich bin von einem Start in 400 km Höhe ausgegangen).

Detailbetrachtung

Von den 35 t entfallen 17,3 t auf den Treibstoff, 3,5 t auf die Tanks, 14,6 t auf Solarzellen und 3,2t auf die Triebwerke. Als optimaler spezifischer Impuls wurden 47 km/s ermittelt.

Chemisch wäre es bei spezifischen Impulsen von 4,5 km/s (Erde verlassen) und 3,2 km/s (in die Mondumlaufbahn Einbremsen) 33,3 t, wobei man noch 1 t für die Tanks abziehen muss, die Bestandteil des Servicemoduls sind, netto also 32,3 t, etwa die Hälfte.

Würde man die 65 t landen, so wäre die Nettomasse auf dem Mond (ohne Landestufe) bei 3,2 km/s Ausströmgeschwindigkeit und 2,2 km/s Geschwindigkeitsbedarf und einem Voll-/Leermasseverhältnis von 10:1 bei 13,7 t beim chemischen Fall und 29,0 t mit Ionentriebwerken, also mehr als doppelt so viel. 29 t ist wirklich viel. Das Columbus Labormodul wiegt voll ausgestattet 27 t. Es gäbe also mindestens so viel Platz wie in einem ISS-Labormodul und anders als bei der ISS kann man es auch verlassen.

Synergien für eine Marsmission

Der Hauptvorteil wäre aber ein anderer. Wenn man Ionentriebwerke auf dem Mars einsetzen will, dann benötigt man nicht nur viel größere Triebwerke als bisher (hier z.B. 51,5 N Schub, gängige Ionentriebwerke haben unter 0,3 N Schub) sondern auch eine viel leistungsfähigere Stromversorgung (1,4 MW, die Solar-Arrays der IUS haben eine Leistung von 120 KW).

Bei Leistungen im Megawattbereich kann man auch an einen Kernreaktor denken. Der S6G Reaktor für die Atom U-Boote der Los Angeles-Klasse hat z.B. eine Leistung von 27 MW bei etwa 1000 t Masse. Das sind 27 W/kg, unter der Leistung, die auch Solarzellen liefern, aber viel kompakter. Nur sind 165 MW und 1680 t etwa 100-mal schwerer als benötigt. Gelingt es einen kleinen Reaktor zu bauen der dieselben Leistungsdaten hat so wäre er eine gute Alternative zu Solarzellen, denn wie man so große Arrays (bei 25% Effizienz benötigt man bei 1,4 MW eine Fläche von 4150 m² also etwa eine quadratische Fläche von 65 x 65 m², das ist größer als ein Fußballstadium. Sicherheitstechnisch ist übrigens ein Kernreaktor einfacher zu handeln als ein RTG. Er besteht aus Uranbrennstäben bei den noch keine Kernreaktion eingesetzt hat. Es gibt also kaum Zerfallsprodukte vor allem keine lang strahlenden Actiniden, wie Plutonium, Neptunium und Americium. Brennstäbe sind, solange keine Reaktion gestartet wurde relativ harmlos. Sie strahlen zwar deutlich höher als die normale Umgebung, aber kurzzeitig kann man dieser Strahlung ausgesetzt werden.

Mit dem neuen Hyperium Reaktor soll deutlich besser liegen und kompakter sein mit 20 t Gewicht bei 26 – 30 MW Leistung, das heißt 1000 W/kg und damit deutlich besser als bisherigen Reaktoren. Mit 20 t Gewicht muss man auch bei Solarzellen rechnen so könnte man diesen Reaktor als Ersatz nehmen und hätte noch mehr Leistung als mit Solarzellen.

Bemannt mit Ionenantrieb zum Mond?

So denke ich würde auch ein Mondprogramm als Vorbereitungsprogramm zum Mars Sinn machen. Die Erforschung des Mondes oder eine Mondstation machen weniger Sinn als Marsvorbereitungsprogramm. Denkbar wäre natürlich auch als Vorbereitungsmission, dass man Ionentriebwerke für die bemannte Mission nimmt. Damit könnte man die lange interplanetare Reise simulieren. Mit genügend chemischem Treibstoff für eine schnelle Rückkehr könnte man trotzdem bei Problemen innerhalb von Tagen zurückkehren. Der Vorteil wäre, dass man hier mit einer kleineren Rakete auskommt. Die Orion mit Altair hätte eine Ares V und eine Ares I benötigt, vor allem weil die Orion deutlich schwerer als, die Apollokapsel ist. Die SLS wird selbst in der höchsten geplanten Ausbaustufe nie diese Nutzlast erreichen (zusammengenommen 211 t). Mit einem Mischantrieb (0,9 km/s chemisch, Rest Ionentriebwerke) könnte man 47 t in einen Mondorbit transportieren. Das entspricht einer Trägerrakete von 146 t die mit chemischem Treibstoff arbeitet. Gelingt es die SLS auf 152 t Nutzlast zu steigern, so könnte sie dieselbe Nutzlast mit diesem kombinierten Ionen-/chemischen Antrieb zum Mond befördern wie die Ares I+ Ares V Kombination (71,1 t).

6 thoughts on “Mit Ionentriebwerken zum Mond

  1. Es stimmt ja, dass ein noch nicht in Betrieb genommener Reaktor was die Strahlung und die „unangenehmen“ Nuklide betrifft erstmal relativ harmlos ist.

    Trotzdem wird man den Reaktor vor dem Start testen müssen.Je länger das dauert, desto mehr Nuklide sind entstanden. Das könnte man durch Minimieren der Testdauer in den Griff bekommen.

    Was aber ist, wenn das Raumschiff mit Reaktor nach sagen wir mal 3 Jahren Missionsdauer wieder in der Erdumlaufbahn ist?
    Da dürfte schon eine nennenswerte Menge hochradiaktiver Nuklide vorhanden sein.
    Es gibt dann in jedem Fall ein handfestes Entsorgungsproblem.
    Was dann? „Friedhofsumlaufbahn“? oder Hau wech den Scheiss und in die Sonne damit?

    Was passiert wenn schon bei der Injektion in die Erdumlaufbahn was schiefgeht und der Reaktor in der Atmosphäre verglüht oder schlimmer noch irgendwo aufschlägt?

  2. Bernd hat vor kurzem einen interessanten Blog zum Thema: „Bigelow, Trump und das Mondprogramm“ geschrieben, und darin den Aufbau einer kleinen Mondstation beschrieben. Dieser Blog hier handelt von einer Mondmission mittels Ionentriebwerken. Wenn man die Ideen beider Blogs verbindet hätte man schon die Planung bzw. die Kernkomponenten für eine kosteneffektive Mondforschung. Gesetzt der Fall, dass das Modul mit Energieversorgung Tanks und Triebwerken nicht nach einem Flug verworfen würde, sondern ohne Nutzlast in eine Erdumlaufbahn zurückkehrt, stünde es nach einem Auftanken für den nächsten Transport bereit und würde zwischen Mond und Erde pendeln. Bei mindestens 2 unbemannten Transporten pro Mondstation könnten damit Kosten gespart werden, bei gleichzeitig gestiegenen Einsatzmöglichkeiten. Bei dem Transport von Versorgungsgütern (Treibstoff etc) für weitere Missionen würde auch wesentlich weniger Masse und damit geringere Trägerkapazität benötigt. Bei 2 dieser Shuttles wäre eine regelmäßige Versorgung alle 180 Tage sichergestellt

    Jetzt die Frage wofür das ganze?
    1. Bei ein oder zwei Mondmissionen insgesamt (1 Mondstation mit 1 Mission) ergibt sich eventuell schon eine Einsparung (abhängig von den Entwicklungskosten). Interessant wird es, wenn mehrere Mondstationen oder Missionen betreut werden müssen.
    2. Bei geeignetem Design könnte so ein skalierbares Transportsystem für den Transport von Forschungssatelliten größeren Kalibers oder größerer Anzahl geschaffen werden. Ich denke da z.B. an den Transport von mehreren Landemodulen auf einmal, oder die gleichzeitige Erkundung mehrerer benachbarter Objekte zur selben Zeit mit standardisierten Erkundungssatelliten.

  3. Die Idee des Pendels habe ich nicht aufgegriffen, weil meiner Ansicht nach Mondstationen Kurzzeitstationen bleiben sollten. Auf dem Mond gibt es 14 Tage lang Nacht und 14 Erdtage lang Sonnenschein. IMHO ist der Aufwand für mehr als 14 Tagesmissionen recht hoch. Dann braucht man einen Reaktor damit man Wärme und Strom hat und trotzdem wird die Besatzung 14 tage lang kaum was machen können. Das heißt ein Modul reicht für die 14 Tage aus, solange kann man es auch auf wenig Platz aushalten. (Es ist immerhin noch komfortabler als Saljut 6 und dort waren die Besatzungen viel länger an Bord).

    Der zweite wesentliche Grund ist, dass man denselben Treibstoffverbrauch für den Rückweg hat. Ohne Nutzlast sinkt er ab, aber rund 10 t mehr Treibstoff werden es sein. Das geht dann von der Nutzlastmasse ab. Würde man sehr viele Mondbasen oder Module absetzen so sähe es sicherlich insgesamt besser aus. Doch wenn es ein Mondprogramm geben könnte, dann sicher nicht eines das nun auf dem Mond Stationen mit so viel Platz wie die ISS vorsieht. Dafür gibt es nicht die Mittel.

  4. Ich denke, man sollte den Reaktor erst im Orbit testen. Ein Fehlschlag wäre dann natürlich sehr ärgerlich, weil man die angesetzte Mission dann abbrechen bzw. verschieben müsste, aber technisch sehe ich keinen Grund das nicht zu tun.

    Umgekehrt denke ich, dass der Reaktor auf dem Rückflug nicht mit in den Orbit landen sollte. Man müsste ihn vor dem Orbit-Insertion abstoßen und an der Erde vorbeirauschen lassen. Das hätte auch den Vorteil, dass man sich viel Masse für den Schwenk in den Orbit sparen kann. Die Stromversorgung bis zur Landung muss man halt anders überbrücken, aber die meisten Systeme sollte man da ja abschalten können.

  5. Der Nutzen eines Pendel hängt vom Transportbedarf ab, d.h. gibt es eine, zwei oder mehr Missionen. das ist auch unabhängig davon, ob es sich dabei um Missionen von bis zu 14 Tage handelt, oder nicht. Die Frage ist eher, was es denn überhaupt für einen Forschungsbedarf auf dem Mond gibt (Anzahl der Missionen), und ob jemand bereit ist, dafür Geld in die Hand zu nehmen.

    Gehen wir mal davon aus, dass die letzte Vorbedingungen erfüllt ist, dann brauchen jede der beschriebenen Missionen jeweils 2 unbemannte und ein bemanntes Modul. Für das Pendelsystem interessant wären wegen der Reisedauer ausschließlich die unbemannten Module.

    Da das Antriebsmodul nur einmal gestartet werden müsste würde sich die Nutzlast pro SLS Start trotz Zusatztreibstoff sogar noch steigern (Annahme 27,3 t Treibstoff statt 35 t Antriebsmodul, bzw. Start des Treibstoffes auf separatem System und Modulgröße gleich der kompletten Nutzlast des SLS.

    Für den Betrieb der Mondstationen wäre noch interessant, wieviel Landungen und Starts das bemannte Modul ohne Wartung hinbekommen könnte (Wiederverwendung) und ob es nach Nachtanken und Ergänzen von Verbrauchsmaterial eventuell für eine zweite Mission brauchbar wäre. Also ob die selbe Hardware für mehrere Einsätze auf dem Mond verwendet werden könnte. Damit wäre nämlich die 14 Tägige Nacht durch ein Rendevouz mit einem unbemannten Versorgungsschiff zu überbrücken.

    Es stellt sich allerdings noch die Frage, ob die Landetriebwerke

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