Faktenbasierte Politik: Drogenpolitik

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In meiner lockeren Reihe über Politik, die sich an Fakten hält, in der Folge sind es sogar passend zum Beruf unserer Kanzlerin naturwissenschaftliche Erkenntnisse, sollten ihr also echt liegen geht es heute um die Drogenpolitik.

Die Situation

Die Situation ist relativ einfach. Es gibt zwei legale Drogen: Alkohol und Tabak. Alles andere ist verboten. Unser Betäubungsmittelschutzgesetz ist bei den strengeren, die es im weltweiten Vergleich gibt, einzusortieren: Während bei vielen anderen Staaten der Konsum von Cannabis straffrei ist, ist der bei uns auch verboten. Da das gegen das Grundgesetz verstößt, hat man den Passus der „geringen Menge“ eingeführt, der den Konsum aber nicht legalisiert, sondern nur von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit herunterstuft.

Woanders sieht es anders aus. Zum einen ist die Legalisierung von Cannabis am Fortschreiten. Dieses Jahr folgten weitere US-Bundesstaaten und Kanada. Auf der anderen Seite ist der Zugang zu Alkohol in einigen skandinavischen Ländern limitiert und war früher in den USA verboten. Tendenziell geht der Trend dazu das auch die beiden erlaubten Drogen Alkohol und Tabak mehr und mehr Einschränkungen bei Werbung oder Handel hinnehmen müssen.

Die Fakten

Man kann Drogen nach verschiedenen Aspekten beurteilen. Nach ihrem Suchtpotenzial, der Zahl der Abhängigen, ihren physischen Gefahren und ihrem gesellschaftlichen Schaden. Also schaue ich mal in den offiziellen Drogenbericht der Bundesregierung, der just veröffentlicht wurde.

Nehme ich den als Basis, so verstehe ich als Naturwissenschaftler die Gesetzgebung nicht. An den Folgen von Alkohol sterben jährlich 121.000 Personen, an Tabak 74.000 Personen. An den Folgen aller illegalen Drogen zusammen 1.332 Personen. Offensichtlich sind also gerade die beiden legalen Drogen viel gefährlicher als die illegalen. Dasselbe findet man auch bei den gesellschaftlichen Kosten. Bei Alkohol werden sie auf 26 bis 40 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Bei Tabak sind es mit 79,4 Milliarden Euro sogar noch mehr.

Das bedeutet: Gerade an den beiden legalen Drogen sterben mehr Menschen und gibt es mehr volkswirtschaftliche Schäden als durch die illegalen. Das hängt nun aber nicht nur damit zusammen, dass sie erlaubt sind, sondern sie sind auch objektiv gefährlicher – die Spanne zwischen der Menge, die die gewünschte „berauschende“ Wirkung hat und der Menge ab der Gesundheitsschäden auftreten ist bei ihnen viel geringer als bei allen illegalen Drogen mit Ausnahme von Heroin. Also sollten gerade die bein erlaubten Drogen verboten werden und nicht die anderen. Ich konstatiere – mit Fakten hat unsere Drogenpolitik nichts zu tun.

Die Alternativen

Meiner Ansicht nach sollte man alle Drogen gleichbehandeln. Aus naturwissenschaftlicher Sicht gibt es auch keine Begründung für einen Sonderstatus von Alkohol und Tabak. Im Gegenteil, wenn man die Kosten und die Folgen für den Einzelnen als Basis nimmt, müsste man Diazepam und THC legalisieren und Alkohol (als zweitgefährlichste Droge) und Nikotin (als fünftgefährlichste Droge) verbieten,

Die Politik führt dazu „Scheinargumente“ ein, wie das die beiden erlaubten Drogen kulturell legitimiert wären. Das stimmt so nicht. Sicher Alkohol wurde schon immer konsumiert. Aber Tabak kam erst durch Columbus zu uns und viel geraucht wurde erst einige Jahrhunderte später. Dagegen ist Hanf eine uralte Kulturpflanze und wurde wohl schon immer konsumiert. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie illegal. Zahlreiche andere illegale Drogen waren mal Medizin, so Heroin und Kokain. Methamphetamin (Crystal-Meth) war im zweiten Weltkrieg im Einsatz damit deutsche Soldaten länger durchhielten. Noch in den Sechzigern muss es legal erhältlich gewesen sein – im Film „Eins zwei Drei“ von Billy Wilder gibt es die Szene nach dem Abend in Ostberlin am nächsten Morgen als der Manager auf die Frage wie er seinen Kaffee haben will nur antwortet „Nur zwei Pervitin, das wird heute ein harter Tag“ – Pervitin war der Handelsname von Methamphetamin.

Zudem will die Politik ja selbst den Konsum reduzieren. Bei Tabak relativ restriktiv – hier wurden die Gesetze für den Einsatz von Werbung verschärft, Automaten lassen nur noch Zigaretten raus, wenn man eine EC-Karte einführt, die es erst ab 18 gibt. An immer wenigen Orten darf man in der Öffentlichkeit rauchen. Bei Alkohol sehe ich die Tendenz dafür nicht.

Es gibt nun zwei gegensätzliche Standpunkte. Beim Ersten sehe ich die gesundheitlichen Gefahren bzw. gesellschaftlichen Folgen und verbiete Drogen ganz, und beim Zweiten stehe ich auf dem Standpunkt, dass jeder für sich selbst voll verantwortlich ist, und legalisiere sie komplett. Es ist klar, das beide Denkarten idealisiert sind und in de Praxis nicht durchsetzbar sind.

Wenn ich alles verbiete, dann ignoriere ich das die Menschen Drogen wollen. Die meisten Drogen wirken über den körpereigenen Belohnungsmechanismus des Gehirns – deswegen konsumiert man sie ja. Man fühlt sich besser. Dieser Belohnungsmechanismus greift auch bei anderen Dingen, die zum Teil auch im Drogenbericht erwähnt werden wie Glückspiel oder auch Internetsucht. Ich würde dann auch noch bestimmtes Essen wie Süßigkeiten oder fettreiches Essen erwähnen. Die Politik will aber weder Glücksspiel verbieten noch den Internetzugang regulieren.

Man wird nicht verhindern können das Leute sich gut fühlen wollen, und wenn man das in der Konsequenz durchdenkt, müsste man vieles andere auch verbieten das denselben „Kick“ liefert wie einige Extremsportarten wie Bungee-Springen oder Paragliding. Das totale Verbot hat auch die Folge, dass eine Schattenwirtschaft entsteht, die diese Bedürfnisse dann stillt. Entsprechend hoch sind die Preise für illegale Drogen. Nehmen wir mal Hanf, sprich Cannabis als Droge. Hanf wird bei uns angebaut, wächst auch bei uns. Nur ist der angebaute Hanf THC-armer und wird vor allem für Dämmmaterial angebaut. Da gibt es in der Uckermark, wo Merkel herkommt, ganze Felder davon. In einem Reformhaus habe ich mal 500 g Hanfsamen für 5 Euro gesehen – THC-reiche Samen kosten im Internet einige Euro pro Stück. Wenn man den Hanfsamen aus feminisierten Pflanzen oder die Pflanze aus Stecklingen gewinnt, hat man nur weibliche Pflanzen und vermeidet so die Bestäubung (nur die Blüten haben THC und die sterben bei Bestäubung ab). Unter der Voraussetzung könnte man ihn so anbauen wir andere Arzneimittelpflanzen auch.

Heute wird Hanf selbst dort, wo er gesetzlich erlaubt wird, unter künstlichem Licht gezogen, was alleine durch die Stromkosten so hoch treibt, dass er legal nicht billiger ist als illegal. Im Prinzip könnte man aber das Abtrennen der Blüten automatisieren so, wie man es auch bei anderen Pflanzen macht, entsprechende Maschinen für das Abtrennen der Blätter gibt es, oder man macht es, wie es die pharmazeutische Industrie bei anderen Heilpflanzen wie Ginkgo, Johanniskraut und anderen macht: Man erntet die ganze Pflanze und extrahiert zuerst die Phase mit dem Wirkstoffe (bei THC: Fettlösliche Phase) und reinigt das dann auf. Vertrieben würde dann so was Ähnliches wie Haschisch, also ein Gemisch aus THC und anderen fettlöslichen Pflanzeninhaltsstoffen oder man vertreibt nur THC. Das ist wegen des hohen Siedepunktes und der geringen Polarität mit wenig Aufwand von den anderen fettlöslichen Bestandteilen wie Wachsen oder Squalen-Terpenen abtrennbar. Ginko-Biloba-Extrakt kostet, wenn man nicht gerade die beworbenen Medikamente, sondern No-Name“ nimmt, rund 16 Euro für 10,8 g reinen Wirkstoff. 1 g Marihuana mit 10-20 % THC kosten im Straßenverkauf rund 7-9 Euro ist also durch die Illegalität pro Gramm Wirkstoff 30-mal teurer. Daher floriert auch der illegale Anbau bei uns. Er lohnt sich ja, selbst wenn man es indoor betreibt, also die Sonne durch Lampen ersetzt – trotz der enormen Stromkosten. Während es sich kaum, lohnt Lebensmittel oder nur Kräuter selbst anzubauen, lohnt sich der Selbstanbau von Cannabis. Kauft man sich Samen, rechnet noch etwas für Blumenerde, Wasser und Dünger hinzu, so kommt man (ohne die eigene Arbeitszeit) auf 5-7 Euro/Pflanze – bei einem typischen Ertrag (Outdoor) von 30-50 g pro Pflanze. Auch hier hat die Illegalität die Droge um den Faktor 50 bis 100 verteuert. Dass ein totales Verbot nichts bringt, zeigt nicht nur das heutige Betäubungsmittelgesetz, sondern auch andere Erfahrungen mit Verboten wie die Prohibition – die hat nichts gebracht, außer das die Mafia dadurch erst ihre heutige Bedeutung erlangte.

Auf der anderen Seite muss man jetzt schon mal sehen welche Probleme die beiden legalen Drogen machen und welchen Schaden sie nicht nur bei den Konsumenten, sondern auch der Gesellschaft als Ganzes die mit den Kosten die durch sie entstehen leben muss.

Mein Konzept

Meine Vorstellung ist das man die Drogen wirklich mal nach ihrer Schädlichkeit, sowohl für den Einzelnen wie auch die Gesellschaft (Behandlungskosten, Ausfall der Arbeitskraft durch Krankheit oder Tod, Beschaffungskriminalität, Kosten für die Inhaftierung von Konsumenten) beurteilt. Danach stuft man den Zugang nach Gefährdungspotenzial ein.

Für alle Drogen müsste ein strenges Jugendverbot gelten. Bei Erwachsenen muss der Zugang geregelt sein, z.B. indem man sie in speziellen Geschäften anbietet, („Drugstores“) wo nur Erwachsene sie bekommen. In unserer digitalen Welt kann man den Konsum leicht kontrollieren, z. B. indem es eine zentrale Datenbank gibt, und man bei jedem Kauf seinen Personalausweis zücken muss. Man kann für jede Droge eine Maximalmenge festlegen, die man noch toleriert. Bei Alkohol könnten das z. B. 0,5 l Wein oder 1 l Bier pro Tag sein. Das wären maximal 50 g reiner Alkohol pro Tag oder dreimal so viel wie der Durchschnittskonsum. Mann kann dann sicher einen Kasten Bier auf einmal kaufen, aber dann eben 14 Tage lang keinen weiteren Alkohol. Bei Hanf würde ich als Grenze zwei Haschkekse pro Tag ansehen. Die reichen für rund 8-10 Stunden Dröhnung. Wegen der geringen Resorption aus dem Darm sind das bei 10% THC Gehalt rund 0,6 g pro Tag. Da sind schon heute die US-Regelungen weitaus freizügiger: Dort kann man auf einmal eine Unze, rund 28,35 g kaufen. Inhalativ konsumiert reichen die 0,6 g sogar für 4-6 Joints. Cannabis ist in der Gesellschaft angekommen. Viele bestellen sich im Internet risikolos Samen und züchten die Pflanze in der heimischen Wohnung.

Richtig gefährliche Drogen, ich denke hier an Heroin, Amphetamine etc. sollte man wie Medikamente behandeln und nur auf Rezept abgeben. Dann steht der Abgabe zumindest ein Gespräch mit einem Arzt bevor und das wiederholt sich für ein neues Rezept. Das ist nicht ohne Vorbild, denn auch rezeptpflichtige Medikamente tauchen ja schon heute im Drogenbericht auf.

Dazu gehört auch das man anstatt den schon vorhandenen Süchtigen und auch den in Zukunft gebenden Süchtigen (nicht jeder kann den Konsum kontrollieren) nicht mit Bestrafung droht, sondern Ausstiegsprogramme, Behandlungen und Alternativen bietet. Heute ist ja schon die Substitution von Heroin durch Methadon umstritten und nur wenige kommen in den Genuss einer solchen Therapie.

Eine andere Frage ist die Kontrolle des Anbaus. Bei der Legalisierung von Cannabis geht dies heute überall in die Richtung staatlich kontrollierter Anbau. Wenn das funktioniert, so sollte man es auch bei anderen Drogen beibehalten. Ich befürchte nur bei Alkohol und Hanf wird das so nicht funktionieren. Alkohol kann jeder durch Gärung von Pflanzen herstellen. Bier kann man selbst brauen, noch einfacher ist die Herstellung von Fruchtweinen. Hochprozentiges erfordert eine Destille, doch auch dafür ist der aufwand überschaubar und der Anbau von Hanf ist nicht schwieriger als der einer x-beliebigen Topfpflanze. Dann muss man bei der ernte nur noch alle Blätter von der Blüte wegschnippeln und hat schon die Droge. Selbst die Herstellung von Alkohol ist da komplizierter. Zumindest bei diesen beiden Drogen würde ich nicht für einen staatlichen Anbau plädieren. Stattdessen sollte der Eigenanbau in Maßen legal sein, dafür müsste man einen Anteil der Ernte oder einen finanziellen Ausgleich bezahlen. Auch das ist nicht ohne Vorbild. Wer heute Maische brennen lässt, also aus Früchten Schnaps herstellt, der muss einen Teil des Schapps abgeben oder den Anteil der Alkoholsteuer bezahlen. Auch in den skandinavischen Ländern gibt es ja eine Trennung zwischen Erzeugung des Alkohols durch die Wirtschaft aber staatlich kontrollierter Abgabe.

Klar ist, dass so eine Umstellung nicht von heute auf morgen geht. Sie ist relativ unproblematisch bei allen heute illegalen Drogen da sie für die Betroffenen erstmals einen legalen Zugang eröffnet und dürfte damit sowohl Beschaffungskriminalität eindämmen, wie auch dem Verdienst, der heute durch die Illegalität realisiert wird, und der bei Kriminellen landet, reduzieren. Anders sieht es bei den vielen, schon an Alkohol und Tabak Abhängigen aus. Die wird man langsam in das neue System überführen müssen. Dafür gibt es ja schon Vorbilder. Der Zugang zu Tabak wird immer mehr eingeschränkt, der Stoff wird immer teurer: heute in der Regel 5 Euro für 19 Zigaretten, als ich so zehn bis zwölf war und die Packungen für meine Mutter aus dem Automaten ziehen musste, kosteten die noch 2 Mark für 21 Zigaretten, Werbung wird immer mehr verboten.

Dazu gehört auch ein Vorbild seitens der Politik: Wenn ich Politiker beim politischen Aschermittwoch und anderen Terminen mit einem Bierglas sehe, ist das kein Vorbild. Kein Vorbild sind auch Politiker, die alkoholisiert Unfälle bauen oder alkoholisiert Reden in Parlamenten halten. Man wird also für Alkohol und Tabak sukzessive den Zugang immer mehr verschärfen, bis man bei der Endregelung angekommen ist.

Vielleicht sollte man den Politikern ja mal auf die Sprünge helfen. Der Anbau von Hanf ist ja verboten, außer für Nutzhanf mit einer Ausnahmegenehmigung. So müssen Behörden überall einschreiten, wo sie Hanfpflanzen sehen. Ob es THC-reicher Hanf ist sieht man erst, wenn er blüht. Ich habe vor mir so eine Packung Bio-Hanfsamen (Nutzhanf, THC-arm) zu besorgen und wo ich hinkomme, in den städtischen Grünanlagen und Beeten zu verteilen. Mal sehen, wie viel davon keimt. Wenn das jeder macht und jedes Jahr wieder, was meint ihr, wie schnell sich die Politik an die Fakten anpasst.

7 thoughts on “Faktenbasierte Politik: Drogenpolitik

  1. Warum Alkohol und Nikotin legal sind?
    Ganz einfach: Steuer für Tabak und Alkohol! Und beim Alkohol zusätzlich die BfB, die Industrie- und Trinkalkohol herstellt und vertreibt.

    Wenn der Staat auf die anderen Drogen Steuern erheben könnte, dann wären die auch legal!

    Dazu die ganzen Wein-, Hopfen-, Getreide- und Obstbauern….

  2. Die Steuern decken bei weitem nicht die Schäden, einfach mal die obigen offiziellen zahlen aus dem Drogenbericht auf den Konsum umrechnen. Bei Alkohol sind es 11,4 l reiner Alkohol/Kopf/Jahr bei 26 bis 40 Mrd. € Schäden, nimmt man die Mitte, 33 Mrd, so sind das pro Liter reinem Alkohol und 60 Millionen Erwachsenen rund 48 €/l reiner Alkohol der erhoben werden müsste. Für 0,5 l Bier (5% Alkohol)also 1,20 € und für 1 l Wein (12 % Alkohol) 5,76 €. Auf 0,5 l Schnaps (40 % Alkohol) müssten dann 9,60 € Alkoholsteuer erhoben werden.

  3. Natürlich nicht, aber da ist doch noch die Lobbyarbeit…

    Außerdem gibt es sicher auch Raucher oder Genießer alkoholischer Getränke unter den
    Politikern….

    Ralf mit Z

  4. Was hierzulande kaum bekannt ist: Nicht nur in den USA gab es die Prohibition, auch in Russland. Sogar gleich zweimal. Im ersten Weltkrieg gab es ein Alkoholverbot, und Gorbatschow hat auch versucht das Land trockenzulegen. In beiden Fällen ist kurz darauf das System zusammengebrochen. Sicher war das Alkoholverbot nicht die Ursache dafür, aber es dürfte über die Erhöhung der allgemeinen Unzufriedenheit die Entwicklung beschleunigt haben.

    Die Aktion mit der Hanfsamen-Verteilung finde ich interessant. Das könnte noch verschärft werden, wenn man das Zeug in die Vorgärten von Politikern schmeißt. Und wenn es keimt, der Presse einen Wink geben…

  5. Die Unterscheidung nach legalen und illegaler Drogen ist letztlich willkürlich. Für viele der Stoffe gibt es ja auch medizinische Anwendungsmöglichkeiten. Ich bin kein Arzt, aber das gilt wohl selbst wohl LSD oder Heroin. Vermeindliche gesellschaftliche Interessen scheinen hier den Ausschlag zu geben.
    Eine Alkoholentzugstherapie mit stationärem Klinikaufenthalt wird von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen, eine Nikotinentwöhnung hingegen nicht.
    Der Leidensdruck und die langfristige Gesundheitsgefährdung dürften bei beiden Süchten vergleichbar sein. Die Kosten für die Gesellschaft sehen hingegen anders aus.
    Schweizer Versicherungsmathematiker haben mal nachgerechnet, dass Raucher, die an den Folgen des Rauchens erkranken, relativ kurz krank sind und die Behandlung auch nicht sehr teuer ist. Einfach aus dem Grunde, weil ihnen z.B. bei Krebs kaum zu helfen ist und der Tod relativ schnell eintritt. Aber bis zu ihrem Ableben sind sie relativ lange arbeitsfähig und „funktionieren“ im gesellschaftlichen Sinne.
    Bei Alkoholismus sieht das hingegen anders aus. Im Gegensatz zu Nikotin führt Alkoholsucht zu starken psychischen Veränderungen und Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit und Sozialverhaltens. Hinzu kommen gesellschaftliche Kosten durch Krankschreibungen, Arbeitslosigkeit, Unfälle am Arbeitsplatz und z.B. im Straßenverkehr usw.
    Aus Sicht des Betroffenen sind beide Süchte eine schlimme Erkrankung (ich kenne auch keinen Raucher, der nicht „eigentlich“ und „morgen“ gerne aufhören möchte). Wer sich mit der Diagnose Alkoholismus in Behandlung begibt erhält eine umfassende, u.U. viele Monate andauernde stationäre Behandlung, die Zehntausende von Euro kostet. Als Nikotinabhängiger bekommt man diese Unterstützung nicht, obgleich sie aus Sicht des Erkrankten ebenso angeraten wäre.

  6. Gorbatschow hat keine Prohibition im eigentlichen Sinn betrieben, er wollte nur den Konsum von hochprozentigem und die dadurch entstehenden wirtschaftlichen Schäden eindämmen indem er den Alkohol verteuerte. Der Alkoholismus soll auch mit verantwortlich am Niedergang Russlands gewesen sein, wenn auch sicherlich andere Faktoren wichtiger waren. Noch heute steht Russland an 4-ter stelle im Alkoholkonsum weltweit. mit rund 40% höherem Konsum als in Deutschland.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Länder_nach_Alkoholkonsum

  7. In den USA gibt es über 60.000 Tote jährlich durch illegale Drogen, und die Zahlen scheinen immer schneller zu steigen:

    https://www.nytimes.com/interactive/2017/06/05/upshot/opioid-epidemic-drug-overdose-deaths-are-rising-faster-than-ever.html

    https://www.drugabuse.gov/related-topics/trends-statistics/overdose-death-rates

    Und es macht schon einen Unterschied, ob ein Mann mit Heroin-Sucht im Alter von 40 Jahren „aus dem Leben gerissen“ wird, also 30 Lebensjahre verliert, im Vergleich zu einem Kettenraucher, der mit 70 Jahren an Lungenkrebs statt mit 73 Jahren an einem Herzinfarkt stirbt, der also 3 Lebensjahre verliert.

    Als unmittelbarer Auslöser der aktuellen Drogenprobleme in den USA gelten übrigens opioidhaltige Schmerzmittel, die sehr generös verschrieben werden, also LEGALE Drogen. Wenn dann die Ärzte merken, dass ihre Patienten abhängig geworden sind, verschreiben sie die Mittel nicht mehr. Einige schaffen dann den Entzug, andere steigen auf „klassisches“ Heroin um, das aber immer öfters mit dem noch viel potenteren Fentanyl gestreckt wird. Berühmtestes Fentanyl-Opfer dürfte der Musiker Prince sein (Drogentod 2016).

    Die aktuelle Heroin-/Fentanyl-Epidemie in den USA widerspricht ganz klar dem Credo von der „guten“ Legalisierung. Zwar ist neben der exzessiven Verschreibungspraxis von opioid-haltigen Schmerzmitteln sicher auch die verfehlte Sozialpolitik in den USA ein mittelbarer Auslöser der aktuellen Katastrophe. Aber eine generelle Freigabe aller Drogen würde dort die Situation mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter verschärfen.

    Die Erfahrungen mit der Alkohol-Prohibition zeigen allerdings auch, dass stupides „Verbieten“ ebenfalls die falsche Lösung ist. Richtig ist daher m.E., den Zugang zu Drogen grundsätzlich zu ermöglichen, sie aber sozial zu ächten, indem man die Folgen immer und immer wieder in den Mittelpunkt stellt. Bei Zigaretten ist man da schon recht weit (Schockbilder auf Zigarettenpackungen etc.), bei Alkohol und diversen Medikamenten (übrigens nicht nur Opiode) tut man hier noch viel zu wenig!

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