Tutorial 3 Aufstiegssimulation

Im dritten Teil des Tutorials dreht sich alles um die Optimierungsmöglichkeiten und weitere Einstellungen, die man machen kann. Wer das Programm schon mal runtergeladen hat, möge das nochmals tun, ich habe einiges verändert, ergänzt, Fehler korrigiert und neue Raketen aufgenommen.

Das logisch erste ist es, den Rechner die Umlenkpunkte optimieren zu lassen. Das macht man meistens in mehreren Schritten. In der Regel wird man zuerst mal das Perigäum anpassen. Das ergibt sich aus dem einfachen Grund, das beim Start bei Erdmittelpunkt liegt und daher viel mehr ansteigen muss als das Apogäum. In der aktuellen Version gibt es als neuen Punkt die Cosinus-Approximation, bei der der Winkel einem Cosinus folgt, also von 90 Grad zuerst schnell, dann langsam abnimmt. So was wurde mal als eine Bahnoptimierung in den Sechzigern angesehen. Bei einigen Trägern liefert das auch eine gute Annäherung. Bei den meisten aber nicht. Die automatische Funktion sucht nach dem Punkt mit der geringsten Abweichung vom Ziel, läuft aber oft in eine falsche Richtung. So kann man alternativ nach Konsultation der Tabelle eine Geschwindigkeitsvorgabe machen. Das ist die Vorgabegeschwindigkeit für die Orbitsimulation, links unten.

Aufstiegsbahn SS-520Die Cos-Appromixation ersetzt die Umlenkpunkte, liefert also eine neue Vorgabe. Im Normalfall werdet ihr aber selbst die Bahn optimieren wollen. Dazu gibt es im Bereich Optimierung erst mal zwei Einstellungen: Man kann den Winkel eines Umlenkpunktes variieren oder die Zeit. Ich bevorzuge meist Letzteres. Bei der Optimierung werden dann zuerst alle Punkte um ± 10 Grad oder ± 20 Sekunden verändert. Findet man dort einen besseren Wert, so wird um diesen das Intervall zweimal um je den Faktor 10 bis auf 0,1 s / 0,1 Grad reduziert, um diesen besser einzukreisen.

Die Optimierungsfunktionen arbeiten immer wie folgt, hier mal am Beispiel des Perigäums:

Das neue Perigäum muss über der Vorgabe liegen und wird als Optimum angesehen, wenn die Abweichung kleiner als beim letzten Optimum ist. Zudem darf als Nebenbedingung die Sattelhöhe nicht unterschritten werden. Wie die Beschreibung zeigt, kann der Algorithmus ein Optimum finden, wenn die Vorgabe schon die Bedingung erfüllt. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann findet die Routine oft keine bessere Lösung. Vor allem optimiert die Routine bestehende Aufstiegsbahnen, findet aber keine alternativen, besseren, wenn die Umlenkpunkte der optimalen Bahn zeitlich oder im Winkel stark von der aktuellen abweicht.. Es lohnt sich mal zwischen Winkel und Zeit zu wechseln und die Routine zu wiederholen, vor allem bei der Zeit da maximal um 20 s geändert wird.

Für Fluchtbahnen kann man natürlich nur die Optimierung nach C3 nutzen. Ich empfehle immer, wenn die Optimierung kein besseres Resultat findet, die Tabelle anzuschauen. Mann kann sie leicht sortieren, indem man auf die Spaltenköpfe klickt und so z.B. leicht das höchste Perigäum finden. Eventuell findet sich unter den ersten Einträgen trotzdem ein brauchbarer der vielleicht den vorgegebenen Sattelpunkt reist.

Vergleich AzimutMeist kommt man aber um Handarbeit nicht herum. Im Menü Parameter verändern kann man leicht sehen, welche Einflüsse ein Parameter hat. Hier kann man gezielt die Vorgaben in einem selbst definierten Bereich ändern und die Werte als Tabelle und Grafik ansehen. Von den Grafiken verdient vor allem das Höhendiagramm besondere Aufmerksamkeit. Die ersten beiden Punkte braucht man für die Änderung der Basisdaten der Rakete. Feststoffraketen erfordern immer eine Freiflugphase. Ihre Brenndauer ist viel zu gering. Extrembeispiel ist die SS-520, eine von Japan neu eingeführte Trägerrakete die nach 377 s den Orbit erreicht, aber die Stufen haben nur Brennzeiten von zusammen 100 s. Der Rest ist Freiflugphase. An ihrer Aufstiegsbahn sieht man auch wie diese liegen: Die zweite Stufe zündet, wenn die Erste ihren Gipfelpunkt erreicht. Die dritte noch etwas später wem die zweite Stufe ihren Gipfelpunkt erreicht und der ist dann auch in 200 km Höhe, dem Perigäum. Das kann man auf viele Feststoffraketen übertragen.

Bei Raketen mit vielen schubkräftigen Boostern kann es sinnvoll sein, diese erst im Flug zu zünden. Von den real existierenden Trägern ist das nur die Delta 2 die vier oder drei Booster nach Ausbrennen der ersten fünf oder Sechs (je nach Art und Konfiguration) zündet. Es wäre aber denkbar bei anderen Trägern, so der H-IIA in der 2024 Konfiguration oder einer hypothetischen Ariane 66.

 

Ariane 5 ES Aufstiegsbahnen

Man sollte sich bei den Optimierungen aber immer vergegenwärtigen, dass man danach in der Regel die Aufstiegsbahn verändern muss. Meine Erfahrung ist, dass alles zusammenhängt und manche träger sehr empfindlich gegen Änderungen sind. Die Langer Marsch 1D brauchte ich viele Versuche, bis die Bahn stand. Änderte man beim zweiten Bahnpunkt (immerhin erst nach 200 s) den Winkel nur um 1 Grad so stürzte das Perigäum von 200 auf -3000 km ab.

Ich habe ja schon geschrieben, wann immer es möglich ist, sollte man so früh wie möglich auf das Orbitmodell übergehen. Ein Punkt ist daher auch das man die Geschwindigkeitsvorgabe dafür programmgesteuert verändern kann. Sobald auf das Orbitmodell gewechselt wird, werden alle Umlenkpunkte ab diesem Punkt ignoriert. Ebenfalls häufig braucht man um die Inklination einer Bahn zu bestimmen den richtigen Startazimut. Dazu ändert man auch ihn gezielt. Da Azimutänderungen sehr leicht dazu führen, dass die Bahn gar nicht mehr in den Orbit führt, sondern die Rakete vorher aufschlägt, setzte ich dafür kurzzeitig die Nutzlast auf 0. Tritt die Rakete wieder in die Atmosphäre ein, so wird der Luftwiderstand die Bahnneigung verändern, was sich im Digramm meist in Sprüngen zeigt. Man sieht es aber auch im Höhendiagramm und in der Tabelle in den Werten für minimale und maximale Höhe. Selbst bei einer so steil startenden Rakete wie der SS-520 ist der Effekt groß. Das Diagramm zeigt, das ein Azimut über 130 Grad wieder zum Aufschlag führt und nur bei 75 bis 95 Grad wird ein stabiler Orbit erreicht (sieht man im Diagramm nicht, aber in der Tabelle). Natürlich heißt das nicht, das diese Azimute nicht möglich sind, aber die Parameter der Aufstiegsbahn sind dann eben andere.

Eines, was ich herausfand, ist das die Bahnen sehr empfindlich gegen Änderungen sind. Das machen auch die Punkte im Menü Vergleichsdiagramme deutlich. In diesem Menü kann man die gleichen Diagramme wie bei den einfachen Grafiken anzeigen lassen, nur übereinander. Es macht natürlich Sinn, dies nur bei verwandten Trägern zu machen. Hier als Beispiel die Ariane 5 ES und ES ATV Version. Die letzte Stufe EPS der ES-Version hat nur 28 kN Schub. Sie lebt daher von der Startbeschleunigung der EPC. Bei GTO-Missionen gibt es daher einen Sattel, nach dem die Bahn sinken darf. Oberstufe und Nutzlast wiegen dann zusammen etwa 21 t, nahe an der Nutzlastgrenze einer (hypothetischen) zweistufigen Ariane 5. Das bedeutet kurz nach Zündung der EPS (nach 540 s) wird die Orbitalgeschwindigkeit erreicht und durch den Schub steigt die Bahn nun laufend an. Obwohl die Stufe bei ATV nur halb betankt ist. Wiegt das Gespann nun 30 t und die Stufe braucht lange um die Orbitalgeschwindigkeit zu erreichen. Die EPC beschleunigt daher anfangs flacher und versucht möglichst spät die Orbitalhöhe zu erreichen. Als Vergleich habe ich noch eine voll befüllte EPS-Stufe in das Diagramm aufgenommen. Die Bahnen sind ähnlich, das liegt aber primär daran, dass die Nutzlast mit der vollen Stufe um 3 t kleiner ist, was die 4,6 t mehr Treibstoff nahezu ausgleicht. Eine Ariane 5 ECA mit verschiedenen Nutzlasten stürzt bei nicht veränderter Aufstiegsbahn ab – unterhalb von 14 t kommt man also gar nicht um die Veränderung herum.

Nutzlasten Ariane % ECAIhr werdet daher nicht darum kommen für verschiedene Zielbahnen verschiedene Aufstiegsbahnen zu modellieren, einige sind schon umgesetzt.

In den Einstellungen könnt ihr einige Ausgabepunkte festlegen. Die Ergebnisse können kurz sein, auf die wesentlichen Parameter eingeschränkt oder ausführlich. Es kann in die Tabelle unten auch die Daten der Stufenbrennschlusspunkte und Abwurf der Nutzlastverkleidung hinzugefügt werden. Bei der Optimierung erhält man in der Tabelle viele angaben. Das kann man auf nur gültige Werte (im Sinne von Perigäum bzw. Apogäum>Zielvorgabe, Sattelpunkt>Vorgabe) beschränken.

Auf die Möglichkeiten bei einem Zweiimpulsmanöver noch das Apogäum anzuheben gehe ich hier nicht ein. Ich will noch die Möglichkeit einer Freiflugphase beim Betrieb der letzten Stufe einfügen. Dann wären die überflüssig,

Soviel zu dem Programm. Ich hatte ja gehofft, es gäbe da etwas Resonanz. Ich halte die Möglichkeiten für einzigartig. Ich kann z.B. anhand des Programms genau sagen, warum auf der SpaceX Webseite 8,2 t GTO-Nutzlast stehen und es in Wirklichkeit nur etwas über 6 t sind – dazu in einigen Tagen mehr. So denke ich brauche ich auch keine Tutorials für die Simulation von Ionenantrieben und Flybys schreiben – gut dann habe ich mehr Zeit um die nächste große Erweiterung zu schreiben: Berechnung von realen Startfenstern zu echten Zeitpunkten, Stichwort: Lambert-Problem.

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