Die schwäbische Hausfrau der SPD

Neuerdings muss „die schwäbische Hausfrau“ für so vieles in politischen Reden herhalten. Ich habe diese Anspielung schon ein paar Mal in der letzten Zeit gehört. Aber den Vogel schießt der neue SPD-Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans ab: bei einer Rede auf dem Parteitag sagt er, dass die „Schwarze Null“ fallen müsste und begründet das, damit das die Schwäbische Hausfrau ja auch nicht erst das ganze Geld zusammensparen würde, bevor sie sich ein Haus kauft und einen Kredit aufnimmt. Co-Vorsitzende Saskia Esken gefällt das Beispiel so gut, das sie ins gleiche Horn bläst „Die schwäbische Hausfrau würde sich schämen, wenn sie ihren Haushalt so verkommen lassen würde!“.

Ah ja. Zu erst zur zweiten Aussage: Eine schwarze Null, hinter der übrigens Parteikollege Olaf Scholz steht, der trotz dessen, das er Bürgermeister eines der meistverschuldeten Bundeslandes war, seinen Job recht gut macht ist ein solider Haushalt. Unter einem „verkommenen Haushalt“ wurde ich zuerst mal an Schmutz und Dreck denken, wenn man aber die zweite Bedeutung im Sinne von Finanzplanung nimmt, wäre für mich „verkommen“ eher, wenn man Schulden aufnimmt, als wenn man das vermeidet.

Am meisten hat mich aber das erste Beispiel verärgert. Grundsätzlich kann man einen öffentlichen mit einem privaten Haushalt nicht vergleichen. Hätte eine Privatperson so hohe Schulden im Vergleich zum Nettoeinkommen wie die Bundesrepublik, sie würde in die Schuldnerberatung gehen oder Privatinsolvenz beantragen, weil sie dann nach einigen Jahren schuldenfrei wäre, aber niemals in der Zeit die Schulden abtragen könnte. Der Bund ist derzeit mit 1211 Mrd. Euro verschuldet (dazu kommen noch Länder und Gemeinden, doch um deren Haushalt geht es nicht). Der Haushalt für 2020 beträgt 362 Mrd. Euro. Die Verschuldung beträgt also 334 % des Einkommens. Würde man dies auf ein einen Privathaushalt übertragen bei dem das Nettoeinkommen 40.000 €/Jahr beträgt, so wäre das eine Verschuldung von 133.800 €. Jemand der so viele Schulden hat, würde bestimmt nicht neue aufnehmen und erst recht nicht einen Kredit für ein Haus, den er sowieso nie bekäme, denn dafür muss man genügend Eigenmittel und keine Schulden vorweisen. Ich weiß, der Vergleich mit Privatpersonen hinkt, was man schon daran sieht das die meisten Länder verschuldet sind, die meisten Privatpersonen aber Vermögen haben. Doch genauso wie eine Privatperson pleitegehen kann, tut das auch der Staat. Das ist in Deutschland zweimal nach den letzten beiden Kriegen 1923 und 1948 passiert und es passiert heute noch immer wieder Ländern. Das Grundprinzip ist doch immer das gleiche: es werden immer mehr Schulden gemacht. Entweder um eine Krise zu überwinden, so 2008, als die Verschuldung der BRD innerhalb eines Jahres von 1694 auf 2011 Mrd € (Gesamtverschuldung) kletterte oder eben zu investieren oder Steuern zu senken, das soll ja auch die Wirtschaft ankurbeln. Bis 2012 gab es aber nur einen Trend und zwar den nach oben, man hat nie Schulden zurückgezahlt, selbst wenn die Wirtschaft brummte. Aber jeder muss Schulden begleichen, nicht nur Privatpersonen. Seit 2012 sinkt die Gesamtverschuldung der BRD (die des Bundes stagniert, die Schulden zurückzahlen tun vor allem die Gemeinden sie nur mit 133 Mrd verschuldet sind, obwohl sie den Großteil der Ausgaben schultern). Ich bin auch für mehr Investitionen, aber dann bitte ohne Schulden. Stattdessen soll man aufhören ganze Industrien wie die Kohleförderung oder den Automobilbau zu subventionieren und den Spitzensteuersatz wieder auf 50 % anheben – er war sogar mal höher, dann hat man genügend Geld zum Investieren. Alleine die Subventionen des Bundes machen 31 Mrd. Euro aus. Und die sind 2019 sogar auf Rekordniveau. Um auf das Beispiel der ominösen „schwäbischen Hausfrau“ zurückzukommen: die würde sicherlich nicht 1/12 ihres Nettoeinkommens für Millionäre spenden.

Norbert Walter-Borjans ist übrigens meiner Ansicht nach der denkbar schlechteste Kandidat für das Thema Finanzen. Eine von ihm als NRW-Finanzminister eingeführte Abgabe auf Übernachtungen in Hotels wurde als verfassungswidrig vom Gericht einkassiert. Die Haushalte von 2010,2011 und 2012 verstießen ebenfalls gegen die Landesverfassung.

7 thoughts on “Die schwäbische Hausfrau der SPD

  1. Das mit dem Schulden zurückzahlen oder gar vorzeitig zurückzahlen ist nicht so einfach.
    Staatsschulden werden in Form von Staatsanleihen zu verschiedenen Laufzeiten ( z.B. 1 Jahr 5 oder 10 Jahre)ausgegeben. Am Ende der Laufzeit erhalten die Käufer den Nennwert zu 100% zurück.
    Diese werden an den Börsen frei gehandelt. Viele finden sich in Fonds.
    Die Staatsanleihen haben einen Kurswert, der wird fällig, wenn der Staat die Anleihen vor Ablauf der Laufzeit zurückkauft.
    Das ist oft nicht sinnvoll, da der Kurswert bei älteren Anleihen mit höherer Verzinsung entsprechend höher ist.
    Normalerweise besteht die Schuldentilgung darin, dass am Ende der Laufzeit der Nennwert zurückgezahlt wird UND keine neuen Anleihen in gleicher Höhe ausgegeben werden.
    Die Staatsschulden setzen sich aus den nominalen Kontoschulden in EUR und den versteckten Schulden in Form von nicht getätigten Investitionen zusammen (marode Infrastruktur, Schiene Strasse, Stromnetze, fehlende Infrastruktur, G-5, schnelles Internet etc.)
    Solche Investitionen zahlen sich für den Staat in Form von höheren Steuereinnahmen in Endeffekt als positiver Saldo aus.
    Momentan ist der Zinsatz für aktuell ausgegebene neue deutsche Staatsanleihen negativ.

    Das heisst, der Staat kriegt CASH für´s Schuldenmachen!

    Vergleiche mit Privathaushalten sind also nicht sinnvoll.

    In der jetzigen Situation ist es also sinnvoll auslaufende alte Staatsanleihen mit neuen abzulösen und zusätzliche Schulden für Investitionen zu machen.
    Ich halte die „schwarze Null“ für eine ideologische Phrase der schwarzen Nullen von CDU/CSU, die sich schnellstmöglich abgewählt gehören.

    Nur zum Vergleich Staatsschuldenquoten:

    Platz 1: Japan 236%
    .
    .
    .
    Platz 57: Deutschland 64%

    https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_Staatsschuldenquote

    1. Egal wie man es dreht Schulden müssen irgendwann zurückgezahlt werden. Alte Schulden mit neuen Schulden zurückzahlen? Davon halte ich nichts.
      Ich bin daher nicht nur für eine schwarze Null, sondern schwarze Zahlen. Es geht nicht darum dass man auf Teufel komm raus sparen muss, sondern darum dass man durchaus die Investitionen in Renovierung und Infrastruktur tätigen kann, wenn man bei den Ausgaben kürzt und dazu gehören die oben genannten Subventionen aber auch so Konzepte wie die bedingungslose Rente die man mit 35 Beitragsjahren bekommt egal ob man sie braucht oder nicht, aber mit 34 Beitragsjahren nicht.

      Dazu gehört auch die Einnahmenseite zu erhöhen. Stichwort: Steuergeschenke. Das deutsche Steuerrecht sollte vereinfacht werden und viele Sonderregelungen die nur Reichen nützen gestrichen werden. Einen Spitzensteuersatz von 53 % hatten wir mal, da sehe ich es nur als recht und billig an das man wieder auf 50 % geht. Und wenn man in mehr Steuerfahnder investiert würde auch einiges an Geld hereinkommen.

      Zur Liste: Platz 57 von 185 ist im oberen (Negativdrittel). Es gibt etliche europäische Länder die stehen besser da wie Norwegen und Schweden.

  2. „Die schwäbische Hausfrau würde sich schämen, wenn sie ihren Haushalt so verkommen lassen würde!“.

    Da hat Frau Esken recht. Eine schwäbische Hausfrau würde das Dach des Hauses auch mit Kredit reparieren, bevor die ganze Einrichtung im nächsten Regen verrottet. Zur Zeit fehlen Erhaltungsinvestitionen von ca 150 Mrd €. Wann, wenn nicht jetzt wo die Zinsen sogar negativ sind sollte man damit anfangen die Infrastruktur zu reparieren?

    Der nächste Punkt ist, Schulden und Vermögen halten sich immer die Waage. Die Vermögen der einen sind die Schulden der anderen. Wenn sich der Staat aufs Sparen besinnt in einer Zeit , wo Haushalte und Industrie ebenfalls sparen geht es klar auf Produktion und Absatz. Menschen werden arbeitslos, die Steuer sinkt und die Sozialabgaben müssen steigen, da von weniger Menschen getragen.

    Der nächste Punkt ist das Zahlenmaterial. Ich halte es nicht für Sinnvoll bei der Berechnung der Verschuldung auf den Bundeshaushalt abzustellen. Der Richtige Vergleich wäre das BIP, nämlich die Leistungsfähigkeit des Landes. Für die Kreditwürdigkeit eines Landes sind auch der Zustand der Werte wichtig.

    Das Problem des D Bankrotts kam doch nicht durch die Schulden, sondern durch die ganzen zerstörten Sachwerte nach dem Krieg. Da standen vorhandenen AUSLANDSSCHULDEN (Reparationsforderungen) eben keine Sachwerte mehr gegenüber.

    Wie bemerkt habe ich Auslandsschulden betont. Wo hat denn D heute Auslandsschulden. Nur in verschwindendem maße. Im Gegenteil hat D durch seinen immensesn Exportüberschuss riesige Auslandsguthaben.

    Bei Kohleförderung, Steuersätzen, Automobilförderung sind wir einer Meinung. Es müssen wirklich nicht Gutverdiener beim Autokauf mit 6000 € belohnt werden, damit die Autoindustrie die Autos teuer loswird. Herr Borjans ist für mich eher ein Versprechen, dass gegen die Steuerhinterziehung vorgegangen wird. Das hat er nämlich auch während seiner Amtszeit gemacht. Verfassungswiedrige Gesetze hat übrigens die GroKo auch schon etliche gemacht, und da ging es ums Grundgesetz und nicht nur eine Landesverfassung, und die darin vorgesehene „Schuldenbremse“. Damit wären wir wieder dabei wer für einen Job Qualifiziert ist

    1. Klar kann ich wenn ich das richtige Zahlenmaterial nehme mir alles schönreden. Fakt ist: Die Schulden müssen von dem beglichen werden, der sie gemacht hat. Wenn die Bundesregierung die Schulden gemacht hat muss sie sie auch begleichen. Nicht die BRD, nicht jeder Einwohner, natürlich kann es dazu kommen das jeder dafür blechen muss wenn der Staat bei den Leistungen spart, dafür die Steuern erhöht – so ist es seit Jahren in Griechenland.Wollen Sie das?
      Wie schon gesagt es gibt genügend Geld alles zu finanzieren. Ivch nehme mal ihre 150 Mrd Euro als Ausgangsbasis:
      150 Mrd Bedarf
      -31 Mrd Subventionen streichen
      -40 Mrd Investitionsrücklage die nicht abgerufen wurde
      =79 Mrd Restbedarf
      2,3 Mrd Deutsche zahlen den Spitzensteuersatz, und 28 % der Steuern. (Quelle:https://www.steuerklassen.com/steuern/spitzensteuersatz/) Das sind dann b3i 362 Mrd Euro Bundeshaushalt 101 Mrd Euro. Bei der Erhöhung von 45 auf 50 % werden dies 11 % mehr macht weitere 11 Mrd Euro
      = 68 Milliarden Restbedarf.
      Die sind bei 42 Mrd (31 Mrd subventionen und 11 Mrd mehr Einnahmen) in weiteren 1,5 Jahren abgedeckt und nach 2,5 Jahren sind ihre 150 Mrd Euro Investitionsbedarf bezahlt und ab dann kann man die Schulden jedes Jahr um 42 Mrd Euro abbauen.

  3. „Wenn die Bundesregierung die Schulden gemacht hat muss sie sie auch begleichen.“

    Ja, ist jedem klar. Das war auch nicht die Frage, sondern ist es sinnvoller zurückzuzahlen oder zu günstigeren Konditionen umzuschulden.

    Und was soll es bringen alle Schulden zurückzuzahlen und dann noch einen Haufen cash zu horten und bei Negativzinsen womöglich noch draufzahlen?

    Im Übrigen sind die einzigen vergleichbaren Länder Schweden und Norwegen Sonderfälle.

    Schweden 41% trotz sehr hoher Steuersätze

    Norwegen 37%
    da gibt es immer noch die Erdgaseinnahmen von denen ein großer Teil in einen Staatsfond fließt.
    Da liegt das Geld aber auch nicht sinnlos im Sparschwein rum, sondern wird für Zukunftsinvestitionen verwendet.

    1. Umzuschulden und zurückzahlen schließen sich ja nicht aus. Es sind über 1200 Mrd Euro Schulden. Bei Annahme einer zehnjährigen Laufzeit muss man regulär schon 120 Mrd pro Jahr ablösen bei fünfjähriger Laufzeit sogar 240 Mrd. Das Abzahlen betrifft also nur einen kleinen Teil der Schulden.

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