Die Lösung für ein überflüssiges Problem: die mittlere Entfernung für eine Kartierung
Heute will ich mich wieder einem Problem widmen, das wohl für niemanden außer mir eines ist. Es geht um die Kartierung eines der erdnahen Planeten. Mit RADAR geht das bei allen, mit Kameras bei Mars und Merkur, wobei ab und an auch das Wetter bei Mars einen Strich durch die Rechnung machen kann. Ich denke dabei an einen polaren Satelliten, der bei jedem Umlauf einen festen Streifen aufnimmt. Jeder Streifen überlappt sich leicht und nach x Tagen ist der ganze Planet erfasst. Das ist zwar auch nicht optimal, denn so überlappen sich die Streifen jenseits des Äquators immer mehr und ab dem 60 Breitengrad vollständig und die Datenmenge entspricht so π/2 also rund 57 % mal mehr als die Fläche.
Das grundlegende Problem: der Abstand der Planeten schwankt und das nicht linear. Ich habe hier mal den Abstand der Venus von der Erde über eine gemeinsame Periode (582 Tage) wiedergegeben. Man sieht nicht nur den variablen Abstand, sondern das dieser sich auch unterschiedlich schnell ändert. Die Venus ist nur kurz in Erdnähe aber erheblich länger in Erdferne.
Für die Datenübertragung ist das Hauptproblem, das die Datenrate quadratisch abnimmt. Das heißt bei unter 40 Millionen km Minimalabstand und bis zu 257 Millionen km Maximalabstand schwankt die Datenrate um den Faktor 41! Ein Tag um den Minimalabstand erlaubt es also mehr Daten zu übertragen als in einem Monat im Maximalabstand (wobei da dann die Sonne zwischen Erde und Venus steht, dann in der Regel sogar gar kein Funkkontakt möglich, da die Radioemissionen der Sonne die Verbindung stören).
Früher musste man damit leben, entweder dann die Breite des Streifens anpassen, oder wenn dies nicht geht, z.B . bei der Venus, weil diese so langsam rotiert, das man einen versäumten Teil kaum aufholen konnte, eben die Auflösung reduzieren. Heute ist das anders. SSD-Platten sind unempfindlich und wiegen wenig. Eine 4 Terabyte SSD fasst die Daten von 46 Tagen, wenn diese mit 1 MByte/s geschrieben werden und das ist schon eine hohe Datenrate für eine Raumsonde. Man könnte also die Breite des Streifens und die Auflösung so anpassen, dass man die mittlere Datenrate über die Mission nutzen kann und mehr Daten nahe der Konjunktion übertragen als nahe der Opposition.
Nun muss man nur noch den mittleren Abstand ermitteln, also den Abstand, den man hat, wenn man weder Daten speichert noch ausliefert. Schon der mittlere Abstand über die Zeit ist nicht einfach zu bestimmen, da er zeitlich so variabel ist. Der Abstand für die Datenrate ist noch dazu ein anderer. Dazu ein Beispiel vom Mars, der zwischen 100 und 400 Millionen km von der Erde entfernt sein kann:
Wenn man die Daten in 100 Millionen km Distanz in 1 Sekunde übertragen kann, dann dauert es in 400 Millionen km (400 /100]²* 1 = 16 Sekunden. Eine Übertragung nur bei diesen Punkten mit einem festen Paket dauert dann zusammen 1 + 16 = 17 s. Im Mittel also 8,5 s. Das entspricht, da die Datenrate quadratisch abnimmt Wurzel(8,5)*100 = 291 Millionen km. Die mittlere Distanz ist dagegen (100 + 400) / 2 = 250 Millionen km.
Das die so ermittelten Distanzen eher weiter entfernt sind zeigt auch das zweite Bild, diesmal bei Mars über eine Periode von 15 Jahren erstellt. Das Balkendiagramm gibt an, wie viele Tage in dieser Zeit für die Entfernung zwischen x und x+10 Millionen km entfallen. Man sieht das die meisten Tage bei der größten Distanz auflaufen und dann kommt die nächste Annäherung. Die Periode dazwischen dagegen eher unterdurchschnittlich ist. Bei Mars habe ich 15 Jahre genommen, weil der Abstand mit einer Periode von abwechselnd 13 und 15 Jahren schwankt. Die Umlaufbahn des Mars ist elliptischer als die der Erde mit minimalen und maximalen Sonnenentfernungen von 206 und 249 Millionen km (bei der Erde nur 147,5 / 151,5 Mill. km). Daher kann der Mars bei der nächsten Annäherung nur 206 Millionen km entfernt sein (Abstand dann unter 56 Mill. km) und bis zu 102 Mill. Km entsprechend schwankt auch der maximale Abstand.
Was heißt das nun konkret?
Nehmen wir einen Radarorbiter, der die Venus in 5 Jahren kartieren soll. Acht Stunden pro Tag wird gesendet, mit durchschnittlich 500 kbit/s (erreichbar mit einer 2 m Sendeantenne, 100 Watt Sender und 35 m Empfangsantenne, bei einem Abstand von 200 Millionen km). Während der 5 Jahre soll die doppelte Venusoberfläche erfasst werden, das lässt Platz für Überlappungen und Wiederholungen.
Die gesamte Datenmenge beträgt 26,28 Tbit. Das sind, wenn man 50 Bit pro Bildpunkt rechnet (Radardaten sind umfangreicher als fotografische Daten) 525 Milliarden Bildpunkte die eine Fläche von 1445 Mill. Km² (wie erwähnt gibt es Überlappungen der Streifen) abbilden, also 363 Bildpunkte pro Quadratkilometer oder eine Auflösung von ~ 52 m pro Bildpunkt. Bei Abtastung über 12 Stunden pro Tag wäre, das ein Streifen von 2,6 x 7 km der kontinuierlich abgetastet wird.
Nimmt man im Worst Case Fall, dass man die gesamten Daten eines halben Umlaufs speichern muss, so benötigt man bei einer gemeinsamen Periode von 582 Tagen einen Datenspeicher mit einer Kapazität von 524 GByte, also ziemlich genau genauso groß wie eine Konsumer-SSD.
Die Vorteile dieses Konzepts sind neben der konstanten Auflösung natürlich die, das man so auch Daten nochmals übertragen kann, wenn sie aus welchen Gründen auch immer nicht empfangen werden. Dann kann man sie einfach nochmals übermitteln und erst dann löschen. So kann man auf das K-Band ausweichen das bisher wegen der Problematik, dass es zwar höhere Datenraten erlaubt, aber die Ausfälle viel öfters vorkommen, wenig genutzt wird. In der Praxis würde man bei Vorliegen eines großen Datenspeichers wahrscheinlich anders vorgehen und um den Zeitpunkt der nächsten Annäherung kontinuierlich senden, eventuell sogar unter Zuhilfenahme der 70 m Antennen und die Sonde bei der größten Entfernung weitestgehend autonom Daten sammeln lassen, um Kosten für das Bodensegment einzusparen. Schließlich ist bei der Venus 1 Tag um den nächsten Abstand herum gleichbedeutend mit 41 Tagen in maximaler Entfernung, was die Datenmenge betrifft, die übertragen werden kann.
Planet | Mittlerer Abstand | Mittlerer Quadrierter Abstand |
---|---|---|
Merkur | 157 | 162 |
Venus | 169 | 183 |
Mars | 254 | 274 |
Mal als Laie gefragt:
1. Wird eigentlich bei BepiColombo bereits eine SSD-Platte benutzt? (Wenn man den „Entwicklungstand“ raumfahrtfester Technik berücksichtigt, könnte es soweit sein)
2. Die 524 GByte, die Du als Datenmenge berechnest, sind die ohne Redundanz der Daten oder mit?
3. Könnte man die Daten nicht „vorverarbeiten“ an Bord der Sonde (nicht komprimieren, das könnte die Redundanz reduzieren) sondern die Meßwerte des Gerätes bereits in „konkretere“ Informationen verwandeln? (z.B. die Meßwerte des Laserhöhenmessers) gleich als Meter angeben etc. Dann könnten aus 50bit Roh-Daten vielleicht 32 oder gar 16bit werden?
1: Ja, 48 GB groß, Datenspeicher aus Halbleiterbausteinen gibt es seit den Neunzigern, zuerst aus RAM, New Horizons (mit 16 GB) war 2006 soweit ich weiß die erste Sonde mit Flash-Speicher.
2: reine rohdaten ohne fehlerkorrektur
3: könnte man. Für Fotos hat man auch eher 8 .. 16 Bits/Bildpunkt. Den wert habe ich aus den TerraSAR-Aufnahmen abgeleitet, ein Radar gewinnt mehr Daten, so sind Signallaufzeit ebenfalls bekannt nicht nur die Stärke des Echos und man kann auch die Veränderung der Polarisierung messen. Diese Daten sind auch wichtig weil sie weitere Informationen liefern (Höhenprofile, Eigenschaften der Oberfläche). Will man mehr Daten übertragen, so würde ich eher aufs Ka-Band übergehen, die Werte beziehen sich aufs X-Band.