Versorgen wir das Lunar Gateway

Nun nimmt ja das neue US-Mondprogramm „Artemis“ Fahrt auf, auch wenn niemand an die Landung auf dem Mond 2024 glaubt, außer vielleicht Trump selbst, der natürlich davon ausgeht, das er das noch als Präsident im Amt erlebt (notfalls sagt er einfach die Wahlen im November coronoabedingt ab). Europa will auch dabei sein und ich will mal eine mögliche Beteiligung skizzieren.

Das Lunar Gateway, eine Mini-Raumstation um den Mond, muss auch versorgt werden. Nun hat die NASA einen Auftrag an SpaceX vergeben, aber ich denke, dass wäre eine gute Gelegenheit für Europa. Europa will ja auch an Artemis sich beteiligen, ich vermute vor allem Deutschland, das schon seit das Spacelab entwickelt wurde, die größten Ambitionen in der europäischen Raumfahrt hat und auch Hauptgeldgeber ist. Denn Europa hat das ATV entwickelt und anders als SpaceXs Dragon kann dieses automatisch an eine Raumstation ankoppeln, was bei einer meist unbemannten Station im Mondorbit außerordentlich nützlich ist.

Ich habe mir mal Gedanken gemacht, wie dies Europa leisten könnte. Leider gibt es nur wenige Daten zu dem SpaceX Vertrag. Hier mal einige Fakten, die ich zusammengetragen habe:

  • Der Mondorbit ist ein Halo-Orbit mit einem Perilunäum von 3.000 km und einem Apolunäum von 70.000 km
  • Die NASA möchte 4.400 kg Fracht pro Mission.
  • Der Kontrakt hat einen Umfang von 7 Mrd. Dollar, aber keine zeitliche Begrenzung.

Insbesondere das Letzte macht natürlich eine Kalkulation recht schwer doch dazu später mehr.

Ausgangsbasis ATV

Das ATV bestand aus zwei Modulen. Dem Servicemodul, im Prinzip das, was woanders ein Satellit ist. Es enthält das Antriebssystem, die Stromversorgung, Avionik, Kommunikation und den Frachtteil, im Prinzip ein gekürztes MPLM, das umgebaut wurde. Der Frachtbehälter enthält im hinteren Teil noch eine Sektion die Gase, Wasser und Treibstoff beinhaltet und vorne den russischen Kopplungsadapter sowie verschiedene Sensoren, die benötigt werden, damit das mit dem automatischen Ankoppeln auch klappt. Diesen Frachtraum kann man erneut verwenden, für das Servicemodul gibt es aber eine Alternative.

Nun baut schon die ESA für die NASA das Servicemodul der Orion. Da dieses sowieso für Mondmissionen zum Einsatz kommt liegt es nahe dieses zu verwenden. Nur transportiert es eben den Frachtbehälter anstatt die Orionkapsel. Das Servicemodul der Orion hat folgende wesentliche Daten:

  • Trockenmasse: 4.900 kg
  • Treibstoffzuladung: max. 9.000 kg
  • Der Frachtbehälter wog beim ATV 5.322 kg. Damit kann man anfangen zu rechnen:
  • Trockenmasse: 5.322 kg + 4.900 kg + 4.400 kg (Fracht ) = 14.622 kg

Der Halo Orbit wurde von NASA/ESA deswegen gewählt, weil der Geschwindigkeitsbedarf dort recht gering ist. Für das Einschwenken in einen niedrigen, kreisförmigen, Mondorbit benötigt man mindestens 800 m/s, die Apollomissionen, die relativ schnell unterwegs waren und daher mit etwas höhere Geschwindigkeit ankamen benötigten rund 900 m/s. Das hohe Apolunäum senkt die Geschwindigkeitsanforderung deutlich ab, bei einer optimierten Bahn benötigt man unter 200 m/s. Selbst bei einer schnelleren Bahn wie bei Apollo sind es unter 300 m/s.

Nimmt man 400 m/s Geschwindigkeitsänderung an, schließlich muss der Versorger ja noch deorbitiert werden und für das Ankoppeln benötigt man auch Treibstoff, so benötigt man bei dieser Trockenmasse und einem spezifischen Impuls von 2.900 m/s nur 2.162 kg Treibstoff, die Startmasse beträgt dann 16.784 kg

Wie kommen diese 17 t zum Mond? Nun es bietet sich an, eine europäische Rakete dafür einzusetzen und nun wird ja gerade die Ariane 6 gebaut. Meine Idee: Man nimmt eine Ariane 62 und baut an diese jeweils eine Zentralstufe mit je drei Boostern an, quasi eine Ariane 64 ohne einen Feststoffbooster und ohne Oberstufe und Nutzlast, das ist ähnlich einer Delta 4 Heavy oder Falcon Heavy nur eben mit acht Feststoffboostern – je drei an den beiden Außencores und zwei beim Zentralcore. Seitens der Rakete sind die Änderungen überschaubar, im Prinzip ersetzt man nur einen Feststoffbooster durch eine Zentralstufe. Sie benötigt mindestens einen weiteren Befestigungspunkt mit allem was dazugehört wie Verkabelung, pyrotechnische Sprengsätze etc. Selbst mit der bestehenden Oberstufe bringt die Rakete (ich nenne sie „Ariane 683“) rund 21 t auf eine Mondtransferbahn, würde man die Oberstufe verlängern könnte man dies sogar noch steigern – für 20 t mehr Treibstoff errechne ich ein Maximum von 26 t. Aber 21 t sind schon mehr als genug, das wären 18.290 kg im Mondorbit oder über 8 t Fracht, also doppelt, so viel wie die NASA möchte.

Optimierungen

Beide Vehikel haben Systeme, die man bei dieser Mission nicht braucht. Beim ATV ist das die Sektion mit Treibstofftanks, Gastanks und Wassertanks im Heck des Frachtbehälters. Der Frachtbehälter ohne diesen Teil, aber auch den Kopplungsadpater und die Sensoren wiegt nur 3,7 t, also rund 1,6 t weniger. Nimmt man an das die Hälfte davon auf diese Ausrüstung entfällt, so sind das 0,8 t mehr Fracht. Ebenso enthält das Servicemodul Vorräte für eine Besatzung wie Sauerstoff und Wasser. Auch diese Tanks könnte man entfernen. Auch bei den Treibstofftanks im Servicemodul kann man Gewicht sparen. Die Tanks sind relativ schwer, weil es Drucktanks ausgelegt für 20+ Bar sind, dazu gibt es Druckgasflaschen. Das Trockengewicht eines Antriebs liegt so leicht bei einem Achtel der Treibstoffmasse, wenn man nun nur noch 3 t Treibstoff braucht, kann man so leicht 800 kg an Tanks und Druckgasflaschen einsparen.

Wenn alle Einsparungen (konservativ geschätzt) zusammen 1 t liefern so kommt man locker auf 9 t Fracht, mithin das doppelte, was die NASA haben möchte. Ich halte auch 2 t weniger für durchaus möglich.

Kostenabschätzungen

Offen ist, was die NASA pro Mission bezahlen möchte. Da der Vertrag ohne Endlaufzeit ist, gibt es keinen Preis pro Mission – die NASA hat nach CRS-1 auch bei den ISS-Transporten, damit aufgehört die Kosten zu publizieren, denn seitdem sind die Frachtpreise deutlich angestiegen. Die NASA wird für CRS-2 mindestens 71.800 $ pro Kilogramm zahlen, mindestens, weil sie die Maximalnutzlast nie ausschöpft. Bei CRS-1 wurden 79.200 kg befördert und 93.800 kg wären möglich gewesen, wenn man jedes Mal die Maximalnutzlast ausgeschöpft hätte. Gilt dies auch für CRS-2, so wären das 87.800 $/kg.

Nun benötigt man zum Mond mehr Energie, die Nutzlast einer Trägerrakete sinkt auf ein Drittel ab und ebenfalls bedeutend: Nur ein Teil des Transporters ist Fracht, der ganze Transporter muss aber trotzdem in eine Mondumlaufbahn gebracht werden. Ich rechne trotzdem mal mit dem Faktor 3, ein Kilogramm Fracht sollte der NASA also dreimal mehr, mithin 215.400 $ wert sein, die 4.400 kg mithin 948 Millionen Dollar und so würde der Vertrag für 7 bis 8 Missionen reichen – das klingt plausibel, wird man bei der NASA heute wohl kaum länger als in zwei Amtsperioden eines Präsidenten rechnen, bedenkt man, was unter den letzten vier Präsidenten es jeweils für Änderungen beim bemannten Programm gab.

Kann Europa hier in den Kosten mithalten?

Nun die Kosten der hypothetischen Ariane 683 kann man auf Basis der Kalkulationen für die Ariane 6 relativ genau bestimmen. Es sind:

  • Booster: 15 Mill. € pro Stück
  • Zentralstufe: 40 Mill. € pro Stück
  • Oberstufe, Avionik, Nutzlastverkleidung, Integration: 50 Mill. €

Die hypothetische Ariane 683 würde so 8 x 15 + 3 x 40 + 50 = 290 Mill. € kosten.

Ein weiteres Servicemodul für die Orion alleine kostet 250 Mill. €

Dazu kämen noch die Kosten für den Frachtbehälter und die Sensoren, ich habe hierfür 60 Millionen Dollar angesetzt, da die Kosten des Frachtbehälter, da er auch für die Cygnus gebaut wird, mit 20 Mill. $ Bekannt sind.

Das macht 600 Millionen Dollar für eine Mission. Sie müsste bei dem obigen Kilogrammpreis dann 2.800 kg transportieren, schafft aber das drei bis vierfache, Ja aufs Kilogramm heruntergerechnet ist der Transport zum Mond sogar noch billiger als mit den US-Anbietern zur ISS.

Offene Fragen

Mal abgesehen davon das die politische Entscheidung für den US-Anbieter schon gefallen ist, wären da noch weitere Fragen zu klären. Wahrscheinlich bräuchte man für die Ariane 683 eine neue Startrampe, zumindest einen neuen Starttisch. Auf dem wird die Rakete fixiert und die äußeren Cores mit ihren Boostern passen weder in die Öffnungen und Halterungen für die Feststoffbooster noch auf den Tisch selbst. Daneben benötigt man weitere Leitungen für die Betankung der beiden äußeren Cores am Turm, doch das sollte zu machen sein, starten Delta 4 und Delta 4H doch auch vom selben Startplatz aus, so wäre also offene Frage, nur ob man auch in den Gebäuden, in denen die Ariane 6 integriert wird, den Platz für diese viel größere Version hat. Doch die Gesamtinvestoren im CSG für die Ariane 6 liegen bei rund 750 Millionen Euro, selbst wenn sich diese verdoppeln und man sie auf 7 bis 8 Flüge umlegt, verteuern sie den Start nur um 100 Millionen Dollar oder 1/6 des bisherigen Startpreises.

Offen ist auch, ob man wie vorgeschlagen die Behälter für Gase, Treibstoff und Wasser wirklich entfernt, denn auch das Lunar Gateway benötigt diese Ressourcen und das ATV war schon zusammen mit den Progress der einzige Transporter, der diese Fracht lieferte. Ohne Russland wäre es dann alleine dazu fähig. Es gibt aber natürlich andere Lösungen so kann ein angekoppelter Transport die Bahn anheben, Luft und Wasser kann man auch in Gasflaschen oder Kanistern transportieren, die man dann händisch entleeren / umfüllen muss.

ATV-2

Wenn ich grade mal dabei bin, möchte ich natürlich noch die ISS-Versorgung mit einem ATV 2.0 durchrechnen, einem ATV bei dem man das hintere Modul durch das Servicemodul der Orion ersetzt hat. Ich errechne für eine Ariane 64 eine Nutzlast von 25 t in einen 260 x 400 km Orbit, bei der Ariane 5 ES lag die maximale Nutzlast in einen 260-km-Kreisorbit bei 21,7 t. Bei einer Trockenmasse von 10,3 t und 2 t Treibstoff für die Manöver für das ATV bedeutet das 12,7 t Fracht für die ISS. Wie beim ATV vor allem Treibstoff – das Orionmodul fasst mit 9 t sogar noch mehr als die 6,8 t, die ein ATV aufnahm. Aber selbst wenn man nicht die Maximalnutzlast ausnutzt, bleiben sicherlich über 10 t Nutzlast. Bei ähnlichen Kosten wie bei einem ATV – ein ATV Start kostete rund 420 bis 450 Millionen Euro, ich komme auf Basis von 60 Millionen für Frachtbehälter, 120 Millionen für Ariane 64 und 250 Millionen für Servicemodul auf 430 Millionen Euro pro Frachter. Das wären unter 50.000 Dollar pro Kilogramm (bei 10 t Nutzlast) mithin deutlich preiswerter als bei den US-Vehikeln, doch das war beim ersten ATV und CRS-1 schon so und CRS-2 ist um 600 Millionen Dollar teurer bei 5,9 t weniger Frachtmenge nach dem OIG-Report der NASA. Dagegen ist Ariane 64 billiger bei größerer Nutzlast.

Zusammenfassung

Ich denke die europäische Beteiligung an dem Artemisprogramm wird sich in der Lieferung weiterer Servicemodule für die Orion erschöpfen. Entsprechend wird auch die Beteiligung am Programm sein – ein Modul kostet 250 Millionen Euro, bei der ISS die ja bedeutend billiger ist bezifferte die ESA vor Jahren die jährlichen Kosten, wenn man zahlen würde, anstatt Kompensationslieferungen durchführen, würde mit 150 Millionen €/Jahr und man darf annehmen, dass Artemis viel teurer als die ISS wird. Aber es ist schön zu sehen, das man theoretisch auch andere Optionen hätte.

One thought on “Versorgen wir das Lunar Gateway

  1. Das Clustern von 3 Zentralstufen eine A62 ist denke ich keine Option.
    Sowohl D4H und FH haben gezeigt das es doch nicht so einfach ist mal eben 3 Cores zusammen zu schrauben.
    Vermutlich würde die Entwicklung mehr kosten als die Ariane 6 selbst.

    Wäre es nicht allgemein billiger eine Nutzlast mit einem Kopplungsadapter vorzusehen und im Orbit mit einer Stufe mit Lagerfähigem Treibstoff zu koppeln? Hat man ja schon bei Gemini 8 mit Agena hin bekommen.

    Dragon2, Starliner, Progress und Sojus verfügen doch bereits über einen entsprechenden Kopplungsadapter.

    Bei Ausnutzung der angeblichen max. LEO Nutzlast von 63 Tonnen muss man für den Kopplungsadapter, Pumpen und Struktur was abrechnen. Aber 55Tonnen lagerfähiger Treibstoff sollten doch möglich sein. Bei Dragon2 würden die Insassen sogar in Flugrichtung sitzen aufgrund der Anordung der Superdracos.

    Aber nicht nur für Bemannte Missionen sehe ich das koppeln als günstige Lösung.
    Auch Raumsonden können so wesentlich schwerer gebaut werden oder schneller am Ziel sein.

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