Nicht mein Style
Heute wieder ein kurzwelliger Blog, einfach weil mir das Thema gestern ins Auge sprang. Es geht um Werbung, Aufhänger war der aktuelle Prospekt. Lidl bewirbt nun Artikel die sie selbst gefertigt haben als „stylish“, man sehe das Foto aus dem Prospekt der Woche von 12.0 – 17.9.2020, Seite. 14-17. Also eigentlich dachte ich mir, dazu muss man nichts mehr sagen, aber dann fiel mir doch noch was ein.
Wenn man das Thema ausdehnt und nicht nur Mode betrachtet das geht es um Marken, Renomeè, Image. Neu ist das Thema nicht. Schon immer hatte jedes Auto ein Logo. Inzwischen sind für mich die Logos die einzigen Unterscheidungsmerkmale von Automarken, denn wie früher einen Mercedes einfach an seinem charakteristischen Äußeren zu erkennen. Das geht ja dank aerodynamischer Formgebung bei allen Autos nicht mehr. Bei Fahrrädern prangen auf den Rahmen auch deutlich die Namen der Hersteller und Logos findet man eigentlich überall, auch bei technischen Geräten. Mal groß, mal klein.
Die Mode machte meiner Ansicht nach eine große Ausnahme, nämlich weil lange Zeit das Logo hinten im Wäschettiket war. Die einzige Ausnahme von der Regel waren die Sportartikelhersteller, die schon immer ihren Schriftzug auf alles prägten wie Head oder Scott schon in den Siebzigern auf Skkibekleidung oder schon immer ein Symbol als Corporate Identity hatten wie die drei Streifen bei Adidas oder der Puma bei der gleichnamigen Firma.
Ich glaube das liegt daran, das man Kleidung anders sieht. Wir tragen sie, wir werden durch die Kleidung wahrgenommen und in Sekundenbruchteilen wird alleine durch die Kleidung ein Urteil über einen Menschen gefällt – über das Einkommen, die Bildung oder den Geschmack. Vor allem aber macht Kleidung aus, und das drückt ja auch das Wort „Style“ aus, das man sich einen eigenen Stil zulegt, man möchte ja nicht wie jeder andere aussehen. Angeblich soll es ja für Frauen ein GAU sein, wenn sie bei einer Party dasselbe Kleid tragen wie eine andere Frau. Denn dann wäre man ja nicht mehr „unique“. Da die meisten von uns sich nicht die Kleidung maßschneidern lassen oder Modelle, tragen die Modedesigner nur wenige Male produzieren lassen, geht das durch Kombination. Und irgendwie beisst sich das mit Logos. Das begann in meiner Wahrnehmung Ende der Siebziger mit dem Aufkommen noch dezent wie das „La coste Krokodil“ als kleiner Sticker über der Tasche auf einem Poloshirt. Es gibt ja auch im Spielfilm „Zurück in die Zukunft I“ eine Schlüsselszene, in der Marty McFly in der Vergangenheit aufwacht und seine Mutter (die noch ein Twen ist) ihn als „Calvin Klein“ anredet und meint sie habe noch niemand gesehen der seinen Namen auf der Unterhose sticken lässt…
Das wuchs sich in den Achtziger und Neunziger zum Markenfetischismus aus. Immer mehr Logos, immer größere Logos. Insbesondere bei Jugendlichen wurden dann plötzlich Kinder discreminiert, die keine Markenkleidung hatten. In wurde es teure Markenturnschuhe zu tragen, obwohl die nicht lange hielten oder bald unansehnlich wurden.
Als Nebenschauplatz wurde es Mode T-Shirts, Sweatshirts mit entglichen Slogans oder hypothetischen Marken zu tragen, so der Aufdruck der berüchtigten „Ohio state university“. Was das in Deutschland sollte, habe ich nie verstanden, auch wenn ich auch so was trug, weils meist relativ preiswert war und ich früher weniger als heute auf meinen Kleidungsstil achtete.
Aber diese Lidlmode ist was anderes. Es ist kein kleines Logo. Sie ist aufdringlich, in den Knallfarben von Lidl also Weiss, Gelb, Rot und Cyan. Ich meine schaut euch das offizielle Prospektfoto an – wollt ihr so rumlaufen? Vor allem verstehe ich nicht, was daran dann ein persönlicher Stil sein soll, wenn es auf den vier Prospektseiten vielleicht ein Dutzend Artikel für beide Geschlechter gibt. Die Möglichkeiten zu kombinieren sind begrenzt. Und mal ehrlich: Welcher Hipster würde mit seiner Kleidung zugeben. bei Lidl einzukaufen?
Es ist nur ein Aspekt, was mich bei Lidl nervt. Zeitgleich läuft eine Aktion an der Kasse, wo ich einen Artikel bei Lidl kaufen soll und die geben dann genau diesen Artikel an die Tafeln weiter. Hä? Ist es nicht sinnvoll an die Tafeln das zu geben, was man nicht mehr verkaufen kann oder will? Natürlich haben die auch Finanzierungsbedarf. Ich bin nun überfragt ob sie noch Lebensmittel zukaufen aber in jedem Falle haben sie Kosten für Miete, Strom, Wasser, Verpackungsmaterial und es wird außer den ehrenamtlichen Helfern auch einige festangestellte Mitarbeiter geben. Also an die Tafeln Geld zu spenden macht Sinn, aber Lebensmittel? Was nützt es ihnen, wenn sie so Milch von Kunden von Lidl bekommen, aber diese nicht brauchen? Da finde ich den Knopf am Pfandautomat, wo man zwischen Bon und Spende wählen, kann viel sinnvoller, denn über das Geld können die Tafeln dann frei verfügen. Zudem verliere oder vergesse ich den Bon regelmäßig.
Eine Marklücke, die sich bisher nur wenige zu Nutze gemacht haben, sind Atemschutzmaske. Mal ehrlich – gibt es einen besseren Werbeplatz als eine Atemschutzmaske? Man schaut doch den Menschen ins Gesicht und das wirkt auch nicht aufdringlich, als wenn man versucht, einen Schriftzug auf einem T-Shirt, das gerade Falten wirft, zu entziffern und der Blick dann längere Zeit auf dem Oberkörper verweilt. Ich habe mal in einem früheren Blog das Foto von Michaela Schaffrath – als Poronosternchen hieß sie Gina Wild – verwendet, dass ihr hier noch mal seht. Es zeigt die Problematik auf, die Frau Schaffrath offensichtlich nicht erkannt hat. Wer einen Slogan auf Brusthöhe auf dem T-Shirt hat, verführt jeden, auch den der nun nicht aufdringlich ihre Oberweite ansieht, dazu diesen zu lesen und lenkt dann gerade den Blick auf die Oberweite, was ja nach dem Foto nicht erwünscht ist.
Ich habe seit einigen Tagen eine Maske mit Werbung. Eigentlich sollten Firmen die verschenken. Es ist eine viel sinnvollere Werbung als Kugelschreiber mit Logos, viel präsenter, viel mehr Fläche. Vor der Coronakrise waren Masken ein Centartikel und ich vermute sie kosten in der Herstellung bei größerer Menge immer noch nicht mehr. Damit wären sie doch das ideale Werbegeschenk.
[Edit 21.6.2021]
Inzwischen hat auch der zweite große Discounter ALDI eine solche „Kleidungsmarke“ eingeführt – die Anführungszeichen habe ich deswegen gesetzt, weil es seit Jahren ja schon Kleidung von den beiden Discountern gibt, nur eben nicht unter LIDL oder ALDI sondern Livergy und Crivit (LIDL) oder Watson und Crane (ALDI), sowie noch weiteren Markennamen. Nebenbei bemerkt: ich verstehe nicht warum die Discounter für jede Produktgruppe eigene Marken schaffen, woanders geht es doch auch unter einem Namen. Angefangen hat das mit „Tengelmann“ als Marke, bei der REWE-Gruppe ist alles unter „Ja!“ und woanders heißt es eben „gut und günstig“. Ich vermute, weil der zweite Discounter der Schwarz-Gruppe, zu der LIDL gehört – Kaufland, die Eigenmarken tatsächlich unter der Bezeichnung „Kaufland“ vertreibt, das bei diesen beiden großen Discountern bei denen das Sortiment vor allem aus Eigenmarken besteht, während der Anteil der „normalen“ Marken bei den anderen Discountern größer ist, man so vermeiden will, das es so aussieht als würde es bei ALDI und LIDL nur die Marken von ALI und LIDL geben. Aber wenn man nicht wie bei „Ja!“ auch alles in der gleichen Farbe und im gleichen Design hält, würde das kaum auffallen.
Aber zurück zum Thema. Ich sehe darin eine weitere Stufe im Markenfetischismus. Das fing in den Achtzigern an, als erstmals auf Kleidungsstücken kleine Embleme wie von La Coste später Hugo Boss oder „Chiemsee“ angebracht waren. Im Prinzip eine Schleichwerbung, aber mit verheerender Wirkung. Ich bin ja zu alt um die Folgen für Jugendliche mitzubekommen, aber glaube ich dem was mir meine Neffen und Nichten berichten, ist es so, dass man an den Aufklebern dann schnell erkennen konnte wer mehr Geld für Kleidung ausgeben konnte und wer nicht was zum Hänseln oder gar Mobbing führte, bei denen die das nicht konnten.
Embleme gab es schon immer, man denke an die drei Streifen von Adidas oder den springenden Puma oder eben den Schwung von Nike. Aber seitdem ist es extremer geworden. Ob ALDImannia oder LIDL Style ein Erfolg werden? Ich denke eher nicht. Denn es gibt einige Unterscheide zu bisherigen Emblemen. Zum einen die Größe. Das ist kein kleiner Sticker mehr, es ist eine Brustfüllendes Emblem und es sind die typischen Farben der Discounter die nun mal grell sind und nur zu wenigen anderen Klamotten passen. Es ist daher auch weniger mit den Stickern anderer Kleidungsmarken zu vergleichen als vielmehr mit Fan-Kleidung also Kleidung woran zu erkennen ist das der Träger Fan von Sportverein X, Gruppe Y oder Automobilmarke Z ist.
Der zweite Grund ist, dass sich diese Kleidung an Jugendlich wendet. Für ältere Personen scheidet schon die Art der Kleidung aus wie Hoodies oder kurze Shorthosen. Sie würden wohl auch kaum mit der Farbgebung zurechtkommen. Ich vermute beide Discounter wollen bei der Jugend ein neues Images etablieren – es ist cool beim Discounter Kleidung zu kaufen. Wer älter ist kauft die Kleidung eher in einem Shop, auch wenn es da mit C &A , H &M oder K & L durchaus „Kleidungsdiscounter. Aber sie sind eben im Aufbau „normale“ Kleidungsgeschäfte. Man geht hin, wann man Kleidung braucht, schaut was es gibt, wählt aus einer Kollektion aus und probiert an. Bei ALDI und LIDL muss ich einkaufen wenn es den Artikel gibt, schon nach einer Woche, bei gefragten Sachen, schon nach einem Tag, kann er ausverkauft sein. Ich kann nicht kaufen, wann ich will. Ich kann nur das kaufen was es gibt, also keine große Auswahl, erst recht keine Kollektion oder ich kann mich nicht passend ankleiden also zum Pullover auch ein passendes Hemd und eine Hose kaufen. Zuletzt ist alles verpackt, ich kann den Artikel so nur schwer beurteilen und muss mich eventuell sogar mit anderen Kunden am Grabbeltisch darum streiten. Das ist nicht das was ich unter Einkaufserlebnis verstehe.
Ich vermute das beide Discounter meinen, das im Zeitalter des Internet-Verkaufs der Unterschied zu ihrer Vertriebsweise klein ist – LIDL hat auch einen größeren Internetshop in dem man ältere Angebote aber auch andere Marken kaufen kann, bei ALDI beschränkt sich der Internet-Shop das auf sperrige Dinge und wenige externe Angebote. Aber ob diese Strategie aufgeht? Ich vermute eher nicht. Also zumindest in meiner Generation (50+) gibt man nicht gerne zu, dass man dort Kleidung einkauft. Bei mir stammt inzwischen ein Großteil des Kleiderschranks von den beiden Discountern, doch zugeben würde ich das nicht (uups, nun ist es doch raus). Zumindest habe ich noch niemand mit einem Kleidungsstück dieser Discounter gesehen, obwohl die Angebote immer schnell ausverkauft waren. Vielleicht liegt es auch am Preis, ALDIMannia ist wie LIDL-Style etwas billiger als die sonstigen Eigenmarken der Discounter.
Was auch noch nicht von der Werbung entdeckt wurde: Klopapier. Die meiste Werbung wird schon am Briefkasten aussortiert und weggeschmissen. Das Problem hat Klopapier nicht, und auf dem stillen Örtchen hat man auch Zeit den Kram zu lesen.
Na mach bloß keine solchen Vorschläge, mir reicht schon die Werbung in den Toiletten in Autobahnraststätten (zum Beispiel). Auf dem Papier soll das Örtchen bitte noch still bleiben.
So wäre der ganze Werbe-Müll wenigstens da wo er hingehört: Vorm Arsch.
Siehe Diederich Hessling, Papierfabrikant im alten Preußen, anno 1913. Der hat „Weltmacht“ herausgebracht. Klopapier mit besinnlichen und erhabenen Worten großer Deutscher. Damit das deutsche Wesen auch in den letzten Winkel getragen wird.
Der Untertan, Mann, Film von 1951