Wahlkampf und Corona

Dieses Jahr ist Superwahljahr und wir haben Corona. Kaum zu glauben, aber das passt gut zusammen. Bei uns in Baden-Württemberg ging es schon los, am 21.3. ist Landtagswahl. Zuerst stand aber nach den Weihnachtsferien an, ob die Schulen und Kitas wieder öffnen sollten. Kulturministerin Eisenmann war dafür dass Kitas und Grundschulen öffnen. Ministerpräsident Kretschmann war dagegen. Ratet mal, wer sich durchgesetzt hat. Logischerweise der mit dem höheren Amt. Eisenmann gab Kleinbei, ohne aber von ihrer Position abzurücken. Ein Anästhesist, der zufällig im Radio in der Sendung „Leute“ war, in denen mehr oder weniger bekannte über ihr Leben berichten können dazu gefragt wurde, weiche Entscheidung er für besser halte gab Kretschmann recht: Kinder unter 12 erkranken zwar seltener an Covid-19 und der Verlauf ist auch milder, aber sie sind nicht wesentlich weniger infektiös als Erwachsene. Auch bei denen ist es ja so, das 80 % die eine Infektion haben nicht Erkranken. Die so in engen Räumen mit schlechtem Luftaustausch eingesperrten Kinder können sich so gut untereinander anstecken, die Lehrer und Erzieher zudem und das Virus zudem in ihre Familien tragen.

Die Opposition meinte, Eisenmann sollte sich vornehmlich mal um ihre Lernplattform im Internet kümmern, denn die brach am ersten Schultag nach den Ferien (Online-Unterricht für die höheren Klassen) zusammen. Nicht, dass es eine besondere Plattform wäre. Das System nutzen auch andere Bundesländer. Aber vielleicht wusste Eisenmann ja von den Problemen und war gerade deswegen für Präsenzunterricht?

Weswegen ich das erwähne? Kretschmann ist Spitzenkandidat der Grünen und Eisenmann der Spitzenkandidat der CDU. Der eigentlich prominentere Strobel, auch im CDU-Bundesvorstand will sich wie bei der letzten Wahl nicht die Finger verbrennen, denn seit Langem stehen CDU und Grüne in den Umfragen gleichauf, mal die einen, mal die anderen vorne.

Dann gab es die Wahl des CDU-Vorstandes. Es gab ja drei Kandidaten mit unterschiedlichen Programmen. Mir persönlich hat ja Röttgen am besten gefallen. Denn ein „Weiter so“ ist ebenso wie ein Rücken nach rechts nicht das, was ich meine, was wir brauchen. Als langjähriger Grünen Wähler wäre Röttgen allerdings für die Grünen die größte Gefahr gewesen. Meiner Ansicht nach haben die Grünen in den letzten Jahren so viel Zuspruch bekommen, weil inzwischen fast jeder sieht, dass es einen Klimawandel gibt und die derzeitige Bundesregierung fast nichts dagegen tut. Sie hinkt auch woanders auch nach, wie man bei per FAX übermittelten Testergebnissen in die Gesundheitsämter und das schlechte Mobilfunknetz bei uns sieht. Der für die Grünen beste CDU-Vorsitzende wäre sicher Merz gewesen: seine CDU würde nach rechts rücken, konservativer werden, dafür sorgen das Besserverdienende besser dastehen und die im niedrigen Lohnbereich schlechter. Vor allem hat er genügend Ego, um Söder nicht Kanzlerkandidat werden zu lassen, wie man seinen erneuten Vorstoß nun sofort (und nicht erst in einem neuen Kabinett ab Oktober) einen Posten im Kabinett zu bekommen. Ich wäre sogar dafür, aber nur für einen einzigen Posten. Den des Verkehrsministers, denn schlimmer als Scheuer kann man es kaum machen. Wäre nicht Corona gekommen, dann wäre der wohl längst weg vom Fenster.

Das „weiter so“ von Laschet ist, was die Wahlchancen für die CDU angeht, die sicher beste Option. Meine Theorie ist, dass jede Partei eine feste Stammwählergruppe hat, die sie immer wählt, so wie ich eben die Grünen. Um die anderen Wähler muss man kämpfen und jede Partei kann sich innerhalb ihrer programmatischen Ausrichtung leicht bewegen. Bestimmte Wählerkreise wird sie nie erreichen – die Grünen sicher nicht die Wähler der AfD und die FDP sicher nicht die Wähler der Linken. Die CDU ist unter Merkel in die Mitte gerückt, die SPD unter Schröder ebenfalls. So wurden an den linken und rechten Rändern des Parteienspektrums die Parteien stärker, weil nun beide Volksparteien um dieselbe Wählergruppe kämpfen. Die SPD verlor dauernd, weil alle Erfolge der Regierung der CDU zugeschrieben wurden, selbst wenn die Gesetzesinitiative von der SPD stammte. Vor allem betrieb Merkel eine Politik des Nichtstuns. Wer nichts macht, macht auch nichts falsch. Ich nehme mal die Klimapolitik: Das EEG-Gesetz stammt noch von der rot-grünen Regierung, Atomausstieg ebenfalls von rot-grün beschlossen wurde erst revidiert, dann re-revidiert. Den Kohleausstieg gab es mit Milliardengeschenken. Die CO2-Steuer ist so niedrig, dass sie kein wesentlicher Anreiz zum Energiesparen ist. Die Regierung sonnt sich seit Jahren auf immer mehr Ökostrom, der auf dem EEG-Gesetz beruht, dagegen steigen die Emission von Verkehr, weil man dort eben nichts tat, sondern sich sogar bei der EU für höhere Emissionen aussprach. Überhaupt sind Geldgeschenke das Mittel mit dem Merkel Probleme löst.

Probleme gäbe es wirklich genug. Relativ einfache Herausforderungen, wie die kalte Progression – da die Einkommen steigen, rutscht jeder automatisch im Steuersatz nach oben, da der Steuersatz und die Maximalgrenze für den Höchstsatz unverändert bleiben. Relativ einfach zu lösen, indem man einfach den Steuersatz an die Lohnentwicklung koppelt. Dann ein Gesundheitswesen, das immer teurer wird, immer noch die ungelöste Rentenproblematik – an der grundlegenden Tatsache, dass es immer weniger Einzahler und immer mehr Bezieher gibt, hat sich ja nichts geändert. Oder einfach mal einen Grundlohn beschließen, von dem man leben kann. Ich halte das für ein Land das unter den G7 ist, also den sieben wirtschaftsstärksten Ländern für eine Selbstverständlichkeit. Ich vermute auch daran wird sich unter Laschet nichts ändern.

Gute Chancen als Kanzlerkandidat hat wohl Söder. Im Allgemeinen bin ich ja dafür, dass es Ämtertrennung gibt. Das heißt jemand der ein Amt in einer Partei hat sollte nicht auch noch eines in der Regierung haben. Dann muss man auch in der eigenen Partei um Zustimmung werben, ich denke dieser Pluralismus führt zu besseren Entscheidungen. Bequemer ist aber das Durchregieren wie ein Monarch, wenn man gleichzeitig Kanzler und Parteivorsitzender ist. Ich meine sogar das eine Partei mehr als einen Vorsitzenden haben kann – bei Grünen und Linken ist das schon lange so, bei der SPD nun auch. Das geht allerdings nur, wenn man sich dann auch abspricht. Bei der CDU-Spitze würde das auch gehen, wenn man die Themen aufteilt nach Kompetenzen: Röttgen Außenpolitik, Forschung, Bildung, Umwelt, Ernährung, Landwirtschaft. Merz Wirtschaft, Finanzen Verkehr, Laschtet Innenpolitik, Soziales, Arbeit, Familie, Verteidigung, Gesundheit. Würde natürlich auch vorausetzen, das sich Merz dann nur zu dem äußert, für das er zuständig ist. Sehr unwahrscheinlich nach dem was ich in den letzten Monaten von ihm gehört habe. Die Misere der CDU ist hausgemacht: wie Kohl hat auch Merkel niemand in der CDU zu macht kommen lassen. Karrenbauer konnte ja nicht mal den thüringischen Landesverband dazu zu bewegen nicht für Kemmerich zu stimmen, so machtlos war sie in der CDU. Röttgen und Merz wurden ja von Merkel selbst abgesetzt. So versucht es nun eben die CSU wie 2002 nach dem Vakuum das Kohl hinterlies ihren Kandidaten durchzusetzen.

Söder als Kanzlerkandidat ist nur deswegen denkbar, weil derzeit in der Krise die meisten relativ kritiklos „Macher“ honorieren. Schaut man sich die Bilanz an, so ist Söder nicht besser als andere Ministerpräsidenten und Bayern steht auch nicht besser da als andere Länder. Söder liebt es nur, mit viel Getöse teas anzukündigen und medienwirksame Dinge wie „Corona-Kabinette“ einzuführen. Ähnliche Maßnahmen wie in Bayern gibt es auch woanders, nur eben mit nicht so viel PR verkündet. Sieht man sich die Bilanz an, so hat Bayern die Krise nicht besser gemeistert, egal ob man Tote oder Infektionen nimmt. Ich finde es dagegen sehr bedenklich, dass der Mensch recht wenig denken tut. Viele Maßnahmen sind undurchdacht und relativ sinnlos. Im Frühjahr dürften nicht mal die Besitzer von Ferienhäusern nach Bayern. Das betraf auch mich, weil ich zweimal im Jahr im Frühjahr und Herbst nach dem Rechten schaute. Was ist der Sinn der Maßnahme? Alles war runtergefahren, irgendwelche Ausflüge konnte man nicht machen außer in die Natur und da steckt man keinen an. Oder vor wenigen Wochen: erst berichten Medien vom schleppenden Impfstart, weil es zu wenig Impfstoff gibt, Hotlines und Impfzentren gar nicht alle Anfragen beantworten können und dann kommt in dieser Situation des Mangels an Impfstoff Söder mit der Forderung, alle Pflegekräfte zwangsimpfen zu lassen. Völlig unnötig, Monate, bevor diese Berufsgruppe überhaupt regulär dran wäre und man dann sagen kann wie groß die Impfbereitschaft bei ihr. Vor allem aber zeigt die Äußerung eine für einen Politiker bemerkenswerte Nichtkenntnis unseres Grundgesetzes. Dann gibt es noch Skandale rund um Corona, wie verschlampte Testergebnisse oder Masseninfektionen bei Fremdarbeiterin auf bayrischen Bauernhöfen. Ich halte so jemanden für völlig ungeeignet ein Amt mit dieser Macht zu bekleiden, das gilt auch für Bayern, aber die Bajuvaren sind ja ein Volk für sich. Die wählen gerne Leute zum Ministerpräsidenten, die bundesweit keine Chance haben, wie die vorherigen Kanzlerkandidaten Strauss und Stoiber zeigten. Söder ist da kein bisschen besser, aber die Stimmungslage ist bei einer Pandemie eben auf Seite der handelnden, nicht der Opposition.

Nicht zuletzt haben auch wir hier Wahl – am 7.2. die des Oberbürgermeisters. Nachdem bei der letzten Wahl es keinen Gegenkandidaten gab, (trotzdem bekam der Amtsinhaber nur 92 % der Stimmen, das heißt 8 % haben wie ich explizit in den Wahlzettel eine andere Person reingeschrieben) gibt es diesmal einen Gegenkandidaten. Aber von welcher Partei? Natürlich von einer, die nicht nicht leiden kann. Nämlich der FDP. Die FDP, man erinnere sich, will nicht regieren (Lindner: „Besser nicht regieren als schlecht regieren“), lässt sich mit Hilfe der Afd aber doch ins Amt hieven (Kemmerich in Thüringen vor einem Jahr) und hat seit Jahrzehnten nur ein Programm: Steuer senken. So ziert den auch „Gewerbesteuer senken“ die Wahlplakate. Ich bin mit dem Amtsinhaber nicht zufrieden, das, was mir wichtig ist, scheint nicht auf der Agenda zu stehen. Wichtig für mich ist, dass unsere Stadt fahrradgerechter wird, aber selbst in Neubaugebieten gibt es mittlerweile sogar für Fußgänger nur einen Gehweg und selbst dort ist eine Fahrspur dauernd zugeparkt. Von dem Komfort das man als Fahrradfahrer die sechs Stadtteile, die früher mal eigenständige Städte waren, und durch bis zu 3 km lange Stecken über das Land getrennt sind bequem erreichen kann, ohne sich den weg mit Autofahrern oder Spaziergängern zu teilen, mal ganz zu schweigen. Wichtiger für die meisten und daher größte Themen sind Schulen und Kindertagesstädten.

Auf der anderen Seite, wenn bei der letzten Wahl es keinen Gegenkandidaten gab und diesmal nur einen von der FDP so scheinen die anderen Parteien doch nicht so unzufrieden mit dem OB zu sein. Also bisher bin ich unschlüssig wen ich wählen soll. Nur eines wird neu sein: ich habe erstmals Briefwahlunterlagen beantragt.

[Edit 21.1.2021]

Wie man Coronamaßnahmen in Wahlkampfzeiten interpretiert zeigt Kretschmann wenige Tage später: Obwohl gestern erst Verschärfungen beschlossen sind, sollen nun in BW anders als in anderen Bundesländern die Schulen und Kitas früher öffnen.

One thought on “Wahlkampf und Corona

  1. … Oder einfach mal einen Grundlohn beschließen, von dem man leben kann. …
    In Deutschland gibt es den gesetzlichen Mindestlohn. Dann gibt es in manchen Branchen eine Lohnuntergrenze. Aber das grundsätzliche Problem bei der Vergütung von Arbeit ist, Arbeit kostet Geld und die Auftraggeber, sowohl private als auch wirtschaftliche Unternehmen oder Kommunen, wollen diese nicht bezahlen.
    Im letzten Frühjahr gab es hier im Landkreis zahlreiche falsche Ergebnisse von Corona-Tests. Weil deren Anzahl den Arbeitgebern und auch den Politikern auf Kreisebene zu hoch erschienen wurden die Proben in anderen Labors neu ausgewertet. Mit den Ergebnis das in der Regel ein negativer Befund herauskam.
    https://www.giessener-allgemeine.de/vogelsbergkreis/corona-tests-reihenweise-falsch-problem-vogelsbergkreis-zieht-immer-weitere-kreise-zr-13810249.html

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