Wenn schon Suborbitaltourismus, dann mit Wumms!

Ich habe einen Artikel für die Februar Nachlese für SpaceX erstellt. Der Hauptpunkt: Damit das Starship wirklich billiger wird als die bisherigen Träger von SpaceX muss es viel häufiger fliegen. Also suchte ich mal nach Einsatzmöglichkeiten für das Starship.

Eine war, nachdem nun Blue Origin zum ersten Mal ihre Passagierkabine getestet haben, der Suborbitaltourismus. Wenn man kurz darüber nachdenkt, ist das sogar für SpaceX eine gute Gelegenheit ihr Starship bei geringerem Risiko als bei einem Orbitaleinsatz zu testen, die abzubauende Geschwindigkeit ist kleiner und es kommt in jedem Falle zurück. Aber ich wollte das einmal durchrechnen und habe das getan. Zuerst habe ich mal im Kopf die Endgeschwindigkeit überschlagen und kam auf ein erfreuliches Resultat. Bei linearer Beschleunigung berechnet sich (ebenfalls noch im Kopf gerechnet) eine Gipfelhöhe von etwa 1.600 km. Doch dann ging ich ans Simulieren.

Damit es klappt, müsste man beim Starship die Vakuumdüsen von drei Triebwerken gegen die auf den Betrieb auf Meereshöhe optimierten austauschen. Daneben kann man es nicht voll betanken, da sechs Triebwerke mit je 2400 kN Schub 14.400 kN Schub ergeben. Bei der bei flüssig angetriebenen Raketen üblichen Startbeschleunigung von 12 m/s entspricht das 1200 t Startmasse. Vollbetankt wären es ohne Nutzlast 1,320 t und dann käme noch die 100 t schwere Nutzlast in Form der Passagierkabine mit Passagieren hinzu. Bei 1200 t Startmasse und senkrechtem Aufstieg komme ich auf folgende Resultate:

Parameter Wert Einheit
Startbeschleunigung: 12,000 m/s
Antriebsphase: 219,89 sec
Startwinkel: 90,000 Grad
Startmasse: 1.200.000,0 kg
Leermasse: 220.000,0 kg
Startsschub: 14.400,0 kN
Spez. Impuls Meereshöhe: 3.231,0 m/s
Spez. Impuls Vakuum: 3.431,0 m/s
Durchmesser: 9,000 meter
Brennschlusshöhe: 217,71 km
Brennschlussdistanz: 0,000 km
Maximalhöhe: 1.017,1 km
Distanz: 0,000 km
Vmax: 3.614,5 m/s
Vmax (theoretisch): 5.766,4 m/s
Luftwiderstand: 31,660 m/s
Gravitationsverluste: 2.120,3 m/s
Vx (max): 0,000 m/s
Vy (max): 3.614,5 m/s
V zuletzt: 6.445,6 m/s
Dauer: 1.194,8 sec
Dauer mit <0,01 g: 957,00 sec

Man kommt also auf nur etwa 1.017 km Höhe und der ganze Flug dauert 1194,8 s, knapp 20 Minuten. Etwa doppelt so lang, wie bei den beiden Vehikeln, von Blue Origin und Virgin Galactics die nur rund 100 km Höhe erreichen. Die Differenz in der Höhe ist der einfachen Formel für den Weg bei linearer Beschleunigung bzw. in diesem Falle Bremsung durch die Gravitationskraft geschuldet: doppelte Endgeschwindigkeit = vierfache Distanz aber nur doppelte Dauer. Immerhin die Dauer der Schwerelosigkeit ist mit fast 16 Minuten viermal länger als bei Blue Origin.

Trotzdem fand ich nur 1.017 km Höhe etwas dürftig. Der Grund sind nur etwa über 3600 m/s Endgeschwindigkeit und gemessen daran 2123 m/s Gravitationsverluste recht hoch. Sie sind so hoch, weil eine normale Rakete nur eine Gipfelhöhe von 160 bis 200 km anpeilt und dann in die Horizontale geht, bei der die Verluste zwar auch da sind, aber bedeutend kleiner.

Lösungsmöglichkeiten

Es ist nicht anzunehmen, aber nehmen wir trotzdem mal an SpaceX wöllte Suborbitaltourismus attraktiv machen und würde dazu auch Umbaumaßnahmen erwägen. Der erste Gedanke, den man hat, ist es Treibstoff wegzulassen. So beschleunigt man schneller und auch die Zeit in der die Erdgravitation an der Rakete „zieht“ ist kleiner. Betrachtet man es aber genauer, dann ist es ein Fehlschluss. Denn startet eine Rakete normal, dann erreicht sie einige Zeit nach dem Start auch den Punkt, wo sie den Treibstoffanteil, den man weggelassen hat verbrennt hat nur hat sie nun schon eine gewisse Höhe und Geschwindigkeit erreicht. Das bringt nur etwas wenn SpaceX nur die Höhe erreichen will, welche die beiden Konkurrenten anstreben. Um z.B. auf 4 Minuten Schwerelosigkeit zu kommen, reicht eine Startmasse von 400 t, also nur 180 t Treibstoff, ein Sechstel des normalen. Dann wird eine Spitzenhöhe von 123 km erreicht:

Parameter Wert Einheit
Startbeschleunigung: 36,000 m/s
Antriebsphase: 40,388 sec
Startwinkel: 90,000 Grad
Startmasse: 400.000,0 kg
Leermasse: 220.000,0 kg
Startsschub: 14.400,0 kN
Spez. Impuls Meereshöhe: 3.231,0 m/s
Spez. Impuls Vakuum: 3.431,0 m/s
Durchmesser: 9,000 meter
Brennschlusshöhe: 25,022 km
Brennschlussdistanz: 0,000 km
Maximalhöhe: 123,67 km
Distanz: 0,000 km
Vmax: 1.403,1 m/s
Vmax (theoretisch): 1.994,6 m/s
Luftwiderstand: 196,72 m/s
Gravitationsverluste: 394,74 m/s
Vx (max): 0,000 m/s
Vy (max): 1.403,1 m/s
V zuletzt: 2.344,4 m/s
Dauer: 343,87 sec
Dauer mit <0,01 g: 241,02 sec

Das würde die Mission verbilligen, denn wie man anhand von 2 Millionen Dollar als Preisziel sieht, werden die Missionskosten offensichtlich vom Treibstoff bestimmt – bei etwa 4.000 t entfallen wenn die 2 Millionen nur für Treibstoff draufgehen rund 500 Dollar pro Tonne, in etwa das, was bei uns Heizöl derzeit kostet.

Auf richtig hohe Höhen kommt man aber nur mit mehr Triebwerken. Ich habe in der Folge bei gleicher Startmasse einfach jeweils ein Triebwerk eingebaut.

Triebwerke Gipfelhöhe Verluste Dauer Dauer 0g
6 1.017 km 2.152 m/s 1.194,8 957 s
7 1.174 km 1.852 m/s 1.265 s 1.059 s
8 1.294 km 1.630 m/s 1.317 s 1.136 s
9 1.388 km 1.459 m/s 1.369 s 1.197 s
10 1.464 km 1.323 m/s 1.292 s 1.244 s

Feststoffantriebe

Der Trend ist sichtbar. Allerdings ist das bei mit flüssigen Treibstoffen angetriebenen Raketen mit deutlichen Kosten verbunden. Anders sieht es bei einem Feststoffantrieb aus. Die können sehr kurze Brennzeiten haben. Als Extrem nenne ich mal die Zünder für große Feststofftriebwerke, die unter 1 Sekunde Brennzeit haben. Für den Vergleich für Einsatz als Träger wären aber Höhenforschungsraketen geeignet, die ja auch möglichst lange Phasen der Schwerelosigkeit erlauben sollen. Die ESA setzt aktuell die VSB-30 ein, die 20 Sekunden + 12 Sekunden Brennzeit hat. Auch andere Höhenforschungsraketen haben 20 bis 40 s Brennzeit und erreichen so Startbeschleunigungen bis 10 g. Für den bemannten Einsatz wäre das wohl zu heftig, wobei auch hinzukommt, dass das Starship 9 m Durchmesser hat und entsprechend der Luftwiderstand groß ist, eventuell zu viel für die Struktur, wenn zu schnell in der Troposphäre beschleunigt wird.

Ich habe mir mal den Jux gemacht und das Antriebsteil des Starships durch einen Feststoffbooster ersetzt: Vollmasse 1.320 t, Leermasse 120 t wie beim Starship aber spezifischer Impuls (Boden) nur 2710 m/s, 2810 m/s im Vakuum und Brennzeiten von 60, 80, 100, 120 und 140 s:

Brennzeit Gipfelhöhe Verluste Dauer Dauer 0g Startbeschleunigung
60 s 1.385 km 657 m/s 1.295 s 1.219 38,1 m/s
80 s 1.304 km 841 m/s 1.261 s 1.165 s 28,6 m/s
100 s 1.218 km 1.023 m/s 1.224 s 1.107 s 22,9 m/s
120 s 1.130 km 1.207 m/s 1.185 s 1.049 s 19,1 m/s
140 s 1.043 s 1.394 m/s 1.148 s 990 s 16,4 m/s

Die Brenndauer von 140 s ist im Schub mit den obigen 10 Triebwerken vergleichbar. Da der Treibstoff LOX/Methan einen höheren spezifischen Impuls hat, kommt man mit diesem aber bei gleicher Startbeschleunigung höher und es dauert länger.

Schubreduktion

Natürlich korrespondiert auch die Spitzenbeschleunigung mit dem Startschub und das dürfte beim Passagiertransport das Knock-out Kriterium sein. Bei der Sojus gibt es heute eine Spitzenbeschleunigung von 43 m/s. Beim Space Shuttle waren es 30 m/s und bei der Crewed Dragon 35 m/s. Damit (ohne Schubreduktion) bei der Brennschlussmasse von 220 t man nur auf 35 m/s Beschleunigung kommt, dürfte der Schub dann maximal 7.700 kN Betragen, also deutlich weniger als schon sechs Triebwerke haben und nicht genug zum Abheben. Flüssig angetriebene Raketen können den Schub reduzieren, feste nicht. Das ist der Grund, warum Blue Origin und Virgin Galactics auf flüssige Treibstoffe setzen. Anders wäre der Transport von Personen, die nicht den Fitnessanforderungen von Astronauten genügen und kein Training absolviert haben nicht möglich. Leider reduziert Schubreduktion erneut die Gipfelhöhe. Allerdings nicht so stark, wenn man 3,0 g als Spitzenbeschleunigung nimmt, so sind es 997 anstatt 1.017 km und nur 30 s weniger Schwerelosigkeit. Die Rakete brennt dann rund 30 Sekunden länger.

Wurfparabel

Vom touristischen Standpunkt ist allerdings die Reise beim senkrechten Aufstieg und senkrechter Landung recht unbefriedigend, denn man sieht die ganze Zeit den gleichen Teil der Erde. Daher als letzte Berechnung nochmals die Ausgangsbasis, nur wandele ich den Endwinkel ab, sodass die Landung woanders kommt. Sinkt er von 90 auf 55 Grad, so kommt man auf nur noch 780 km Maximalhöhe, 1.079 s Dauer, 807 s ohne Schwerelosigkeit, würde aber rund 1.700 km weit fliegen – die direkte Distanz zwischen Boca Chica und Cape Canaveral beträgt 1.656 km. Die Passagiere könnten also bei einem der beiden Weltraumbahnhöfen einsteigen und beim anderen ausstiegen und beim Flug einen schönen Blick über die südlichen USA und Golfküste bekommen. Bis nach Vandenberg kommt man von Boca Chica aus nicht, maximal 2.307 km bei dieser Konfiguration, gäbe es eine aerodynamische Gleitphase von größerer Länge so würde das eventuell für die 2.420 km Distanz von boca Chica zu Vandenberg reichen, was dann zwei Routinen eröffnen würde.

Parameter Wert Einheit
Startbeschleunigung: 12,000 m/s
Antriebsphase: 250,98 sec
Schub Reduktion nach: 154,89 sec
Ohne Schubreduktion: 219,89 sec
Startwinkel: 90,000 Grad
Startmasse: 1.200.000,0 kg
Leermasse: 220.000,0 kg
Startsschub: 14.400,0 kN
Spez. Impuls Meereshöhe: 3.231,0 m/s
Spez. Impuls Vakuum: 3.431,0 m/s
Durchmesser: 9,000 Meter
Brennschlusshöhe: 262,71 km
Brennschlussdistanz: 164,82 km
Maximalhöhe: 780,21 km
Distanz: 1.701,6 km
Vmax: 3.539,6 m/s
Vmax (theoretisch): 5.765,9 m/s
Luftwiderstand: 35,952 m/s
Gravitationsverluste: 2.407,7 m/s
Vx (max): 2.185,0 m/s
Vy (max): 2.784,7 m/s
V zuletzt: 5.956,4 m/s
Dauer: 1.079,5 sec
Dauer mit <0,01 g: 807,62 sec

Nun liegt es an SpaceX. Würde die Firma wirklich ernst meinen was ihr großer Vorsitzender so visioniert, dann müsste sie damit beginnen. Denn die Landung entspricht der des Starships auf jedem Himmelskörper, bei Mars und Mond auch der Start, denn dort benötigt man keine zweite Stufe um einen Orbit zu erreichen. Sie könnte damit auch anfangen, bevor Stares ship/Superbooster für den Orbitaleinsatz qualifiziert sind. Zudem ergänzt es Hyperloop (gibt es da was neues?). Mit acht Triebwerken und Schubreduktion auf 3 g kommt man rund 3.000 km weit. Reicht nicht ganz über die ganzen USA, aber mit einem Stop schon.

4 thoughts on “Wenn schon Suborbitaltourismus, dann mit Wumms!

  1. Feststoffbooster können den Schub zwar nicht regeln, aber ein Schubprofil kann durch die Gestaltung der Brennkammer erreicht werden.
    Wird zB das Sternprofil gewählt, ist die Oberfläche zu Beginn hoch, der Schub also auch. Mit der Brenndauer verschwinden sie Sternspitzen schneller, am Ende bleibt der Runde Hohlraum welcher eine geringere Oberfläche hat und damit Abbrand, dh. weniger Schub ergibt.
    https://en.wikipedia.org/wiki/Solid-propellant_rocket#Grain_geometry

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.