Trident+

Heute geht es wieder mal um eine Mission ins äußere Sonnensystem, die es ja so schwer haben genehmigt zu werden. Das liegt nicht immer am Budget – die beiden letzten Vorschläge IVO (Io Vulcanic Orbiter) und Trident (zum Triton) waren im Bereich der Discovery Class Sonden. Ich will heute mal eine von mir angedachte Variante der Trident vorstellen, die Trident+.

Aber ich fange mit einem anderen Thema an, ich habe ja mal die Leser gefragt, ob sie Zugriff auf einen Artikel hatten. Der Grund war, das ich beim Lesen alter Berichte über die Neptunbegegnung auf diese Abbildung von Daniel Fischer gestoßen bin:

Sie gibt an wie der Sonnenstand sich über die Zeit bei dem Neptunmond Triton ändert. Neptun hat eine Neigung der Achse zur Ekliptik von knapp 29 Grad, Triton eine Neigung der Bahnachse um -23 Grad, rotierte also retrograd zu Neptun. Die Rotationsachse von Triton scheint aber nicht zur Umlaufbahn geneigt zu sein. Doch beide vorherigen Neigungen ergeben ein komplexes Muster das sich nach 650 Jahren wiederholt. Die Grafik gibt an über welchem Breitengrad die Sonne im Zenit steht, also man eine Linie Sonne – Oberfläche – Zentrum ziehen kann. Das schwankt um 52 Breitengrade.

Bei der Abbildung wurde die Quelle einer Formel genannt, und daher wollte ich um die Abbildung selbst zu rendern aber auch aus Interesse den Artikel haben. In dem Artikel selbst kommt die Grafik übrigens nicht vor. Daniel Fischer schreibt, dass er einen Klammerfehler beseitigt hat. Ich meine der ist in der zweiten Formel (wo (α1-β1)*t stehen sollte).

Nur ich bekomme es nicht hin: Meine Abbildung sieht ähnlich aus, ist aber nicht identisch und so errechne ich für 1989 einen Stand von +47 Grad, während es Wirklichkeit -43 Grad sind, auch nicht beim Nachrechnen mit dem Taschenrechner. Ich habe seitdem alle möglichen Klammerungen ausprobiert, dann nach der Formel gesucht und zwei Varianten gefunden. Eine mit korrekter Klammerung und eine mit einem Fehler in einer konstante. Das Problem ist, dass die Formel nichts erklärt und bei Sinus und Cosinus gibt es noch die verschiedenen Gradsysteme. Also 360 Grad für einen Kreisumfang (Gradmaß) oder 2 Pi (Bogenmaß). Aber egal wo ich Konversionen einband, ich kam nicht auf die richtige Ausgabe. Immerhin stieß ich darauf, dass α0 und β0 Winkel sind. Dann müsste eigentlich alles in Grad und nicht Bogenmaß sein, denn beide Werte sind zu hoch. Ich fand dann folgende neuere angabe:

Es sind die Konstanten a0 und β0 also Grade, während sonst alles in Bogenmaß gerechnet wird (wirklich sehr systematisch). Nur macht bei der Formel die Berechnung von µ keinen Sinn. Die Konstant D ist die Jahreslänge in Sekunden, mit den 365,25 multipliziert ergibt dies 1/86400 also ein inverser Tag und mit Ld multipliziert dem Dauer eines Tritontags in Sekunden werden aus Jahren als t ein µ in der Dimension „Jahre x Dauer eines Tritontags in Erdtagen“, also der Wert wird um 5,773 größer. Sinniger wäre wohl eher „Anzahl der Tritontage“ was µ = t * D / Ld entsprechen würde.

Nur ist das alles auch relativ egal, denn die Dimension von Jahr stimmte in Taftons Aufsatz auch und wenn man weiterliest stehen die Konstanten a1 und b1 auch für Perioden von 164 und 650 Jahre, diese machen nur Sinn, wenn die Angabe für t oder µ in Jahren sind, da 0,0381 * 164 (Dauer eines Umlaufs von Neptun in Erdjahren) = 2 pi, also Bogenmaß. Alle anderen Werte für t ergeben für den Zeitraum nicht die gleiche Anzahl von Hochs und Tiefs.

Ich habe daran sicher einen Tag verbracht den Fehler zu suchen. Zumindest Taftons Aufsatz wurde je nach Quelle 80 bis 103-mal zitiert. Es kann doch nicht sein, das keiner den Fehler bemerkt hat. Anderseits bekam Daniel Fischer die richtige Abbildung hin (1990, also vor Email und Internet) und wenn ich der einzige bin der es nicht hinbekommt, dann liegt es wohl eher an mir als an den anderen. Ich war versucht Daniel anzumailen, aber da der Artikel von 1990 war glaube ich kaum das er noch genau weiß, was da das Problem war.

Ihr wisst ja, ich gehe gerne Dingen auf den Grund, habe etwas dagegen, sich mit einem Kratzen an der Oberfläche der Wissenschaft zufriedenzugeben, oder wie ich sage „Dünnbrettbohrern“, heute wohl ein Phänomen das zum Verseichten beiträgt. Das ist die Schattenseite dieser Charaktereigenschaft: Ich kann viel Zeit in völlig unwichtige Dinge stecken. Beim Voyagerbuch habe ich genauso lange mich damit beschäftigt die Taktzyklen des FDS heraus zuknobeln oder wie bei der Kompression die Datenraten mit den FDS Modi harmonierten. Alles für den Leser uninteressant, zumal das Ergebnis dann in einigen Sätzen landet. Aber trotzdem würde ich gerne die Abbildung richtig hinbekommen, die ihr bei richtigem Suchbegriff auch schnell woanders findet, sodass sich das eigentliche Problem der Abbildung erledigt hätte. Vielleicht ist der eine oder andere Leser schlauer als ich und bemerkt meinen Fehler. Wie schon gesagt, als Probe müsste für 1989 -43 Grad rauskommen und für 2050 in etwa 0.

Was hat das nun mit Trident zu tun? Nun aus der Abbildung ergibt sich, das im Jahre 2050 die Sonne über dem Äquator stehen müsste. Als Voyager Triton passierte, stand die Sonne bei -43 Grad, das heißt, das die Tagseite von Triton maximal bis zum 47. nördlichen Breitengrad geht. Wir kennen das ja bei etwas geringerer Achsenlage von der Erde: Bei ihr sind es etwas über 23 Grad. Das bedeutet das jedes Gebiet, das nördlicher oder südlicher als 67 Grad liegt (90 – 23) einmal im Jahr vollkommen im Schatten liegt und einmal im Jahr geht die Sonne nicht unter. Bei allen anderen Regionen schwankt die Tageslänge, außer am Äquator. Nur zweimal im Jahr steht die Erdachse senkrecht zur Ekliptik. Dann herrscht Tag und Nachtgleiche, überall ist der Tag gleich lang und nur an diesem Tag kann man die ganze Erdoberfläche bei Sonnenlicht aus dem All aufnehmen. Das ist bei uns am 21. März und 23. September.

Voyager konnte so nur die Südhalbkugel und einen Streifen der Nordhalbkugel aufnehmen. Somit ergibt sich als idealer Ankunftstermin für eine Tritonsonde das Jahr 2049/50, denn nur dann sieht sie den ganzen Mond.

Interessanterweise ist das sogar eine günstige Startgelegenheit. Die originale Trident (Taking Remote and In-situ Data to Explore Neptune and Triton) sollte 2038 Neptun erreichen bei einem Flyby an Jupiter. Diese Gelegenheiten wiederholen sich alle 12,5 Jahre und addiert man 12,5 zu 2038 so kommt man auf 2050/51.

Trident wird Triton sehr viel näher kommen als Voyager, auf 500 bis 1000 km. Sie passiert die Seite die Voyager nicht beobachten konnte, da sie Triton vor Neptun passiert. Triton rotiert wie die meisten inneren Monde gebunden. Dennoch bleibt ein Makel: die andere Seite Tritons wird man nur grob erfassen. Darunter ist das von Voyager 2 beobachtete Gebiet aber auch ein Großteil für Voyager im Schatten liegenden Breiten. Mein Vorschlag für Trident wäre eine Erweiterung um eine Subsonde, daher das Plus beim Namen.

Europa hat mal zwei solche Konzept für Europa Clipper untersucht, das eines Europa Orbiter/Penetrators und das einer Sonde die zweimal an Io vorbeifliegt. Diese Sonde CLEO hat ähnliche Anforderungen wie eine Subsonde für Trident.

Die allgemeine Vorgehensweise wäre so: Die Tochtersonde wird einige Monate vor Trident abgetrennt, ein integrierter Antrieb beschleunigt sie, sodass sie genau 2,93 Tage vor ihr ankommt und Triton passiert. Sie trägt nur die für die Oberflächenerkundung wichtigste Instrumente das ist eigentlich eines, die Kombination der Telekamera mit einem IR-Spektrometer. Wann dies geschieht, hängt vom Antriebsvermögen ab, bei einer typischen Ankunftsgeschwindigkeit von 15 km/s würde eine Beschleunigung die Sonde um 100 m/s schneller machen, das sind 0,67 Prozent der Hauptgeschwindigkeit entsprechend würde man für 3 Tage zeitliche Distanz 450 Tage benötigen. Bei 300 m/s sinkt das auf 150 Tage.

Eine reine Stromversorgung mit Batterien wäre für Triton ausreichend, aber man vergibt dann eine Chance. Neptun ist zwar ein Gasplanet aber nicht so riesig wie Jupiter oder Saturn und man nähert sich ihm schnell, wenn die Reisedauer nicht zu lange sein soll. LORRIs Blickfeld, als eine moderne NAC-Kamera, würde er in weniger als 10 Millionen km Distanz füllen, das ist erst 7 Tage vor der Ankunft. Bei Trident rechnet man mit einer Science Campaign von 10 Tagen. Bei identischer Kamera würde die Tochersonde das verdoppeln können, dann kommt man aber nicht mit Batterien aus.

Ein MMRTG soll nach den Angaben des Trident-Tams rudn 35 Millionen Dollar kosten. Wenn man einen hat, so kann man sicher nicht bei 110 W bei Neptun alle Systeme mit Strom versorgen. Aber man könnte, wenn man 10 Watt übrig hat eine Batterie laden und dann mehrmals pro Tag kurzzeitig die Kamera aktivieren und Daten senden. Wenn diese Systeme 50 Watt benötigen, kommt man auf 4 Stunden Betrieb pro Tag und 20 Stunden Laden. Gewichtsmäßig gibt es keine Nachteile, der erwähnte CLEO hätte 6 m² Solarzellen, die wiegen mehr als ein RTG.

Was aufgrund der Distanz problematisch ist und diese wird nach dem Vorbeiflug deutlich ansteigen, weil wahrscheinlich Neptun beide Sonden in unterschiedliche Richtungen lenkt, ist die Datenübertragung per Funk. Trident hat eine Hauptantenne mit 2,5 m Durchmesser, für CLEO war eine von 1,1 m Durchmesser angedacht. Bei 4 Millionen km als typische Entfernung könnte man mit 10 Watt Sendeleistung im Ka-Band 1,9 Mbit/s übertragen. Ich bin für eine optische Datenübertragung. Die ergibt nicht nur höhere Datenraten. Sie erspart auch das Gewicht einer großen HGA. Bei dieser Distanz ist das Senden von Kommandos über die Hauptsonde mit einer Niedriggewinnantenne möglich, ebenso wie das Senden von Telemetrie. Optische Datenübertragung wird von Psyche erneut erprobt. Erprobt deswegen, weil die Vorteile bei einer Empfangstation auf der Erde nicht so groß sind wie sie sein könnten. Tagsüber sinkt die Datenrate rapide ab, sie ist viel stärker abhängig von der Position über den Horizont und bei schlechtem Wetter fällt sie ganz aus. Bei Psyche geht sie bei 3 AE Distanz von 1,5 Mbit/s nachts auf 0,25 Mbit/s tagsüber zurück. Für Raumsonden die mit der erde kommunizieren kann es nur eine Ergänzung sein. Aber: das Terminal wiegt nur 30 kg, hat bei einem 4 Watt Laser allerdings einen Stromverbrauch von 76 Watt. Nimmt man nur 2 Watt Sendeleistung dann kommt man auf 38 Watt, in etwa die Leistung die auch die Kameras benötigen werden. (CLEO als Tochtersonde ging auch von 65 Watt für den Sender aus). Ein ebenso großes Empfangsterminal bei Trident würde bei 4 Millionen km Distanz eine Datenrate von 35,4 Mbit/s ermöglichen, wäre als System leichter als das Sendesystem und benötigt weniger Energie.

Wie viele Daten das sind, hängt von der Dauer ab. 10 Tage beträgt die Science Phase für Trident. Betriebt man die Instrumente 1 Stunde und das optische Terminal 3 Stunden pro Tag so sind dies in dieser Phase 1.146 GBit. Man könnte sie komprimieren vor dem Senden , auf der anderen Seite benötigt man Reserven für Fehlercodes und erneute Übertragung. Das gleicht sich aus, da man eine typische Kompressionsrate von 2 bei verlustloser Komprimierung erreicht. 1146 GBit sind bei 12 Bits/Pixel und einem 4 MPixel Sensor knapp 239.000 Aufnahmen. Das sind erheblich mehr als beim Vorbeiflug bei Triton anfallen, das sind nur 19.200 Aufnahmen, selbst wenn man von 500 km Distanz dauernd Bilder macht. Wenige Tage nach dem Vorbeiflug wäre die Mission der Tochtersonde beendet. Die optische Datenübertragung hat also enorme Reserven, so viele Daten könnte die Hauptsonde mit Funk wohl kaum übertragen. Immerhin könnte man nachts noch das optische Terminal hinzunehmen, das ergibt weitere 15 kbit/s.

Da in Trident eine Marge von über 50 Prozent beim Gewicht vorgesehen ist, bei nur 1.800 kg Masse und einem c3 unter 24 km²/s² wäre die Mitnahme einer etwa 250 bis 300 kg schweren Sonde wahrscheinlich kein Problem. Ich sehe hier auch eine Chance. Da die Sonde dann wahrscheinlich das Discovery Budget sprengen würde, könnte dieser Subsatellit doch von Europa kommen und mit einer Ariane 6 gestartet werden, im Austausch gegen Beteiligung bei den -instrumenten. Es wäre auch denkbar, dass die Tochtersonde andere Instrumente als die Hauptsonde hat, die von Europa kommen. Das hätte den Vorteil das man mit ihnen andere Schwerpunkte setzen könnte.

Trident soll auch Jupiter passieren. Diese Gelegenheit könnte man für eine baugleiche Tochtersonde die Io nahe passiert nutzen. Bei Jupiter ist sie auch noch so nahe, dass diese direkt zur Erde senden könnte (mit 500 kbit/s nachts). Ein Nachbau wäre zudem kostengünstig, da die Entwicklungskosten nur einmal einfallen. Es gibt dann eher die Frage, ob es noch genug Platz für zwei Sonden an Trident gibt.

Für mich persönlich stellt sich eher eine andere Frage: selbst wenn die Sonde 2050 Neptun erreicht, also genehmigt wird, was offen ist, genauso wie bei den drei großen Flagshipmissionen Enceladus Orbitlander, Neptune Odyssey und Uranus Orbiter – alle liegen im Zeitrahmen um 2050. Da wäre ich 85, wenn ich so alt werde. (in meiner Familie wurden männlichen Angehörigen nicht besonders alt). Ob ich das noch erlebe? Ich glaube ähnlich haben sich die Apollo Astronauten in den letzten Jahrzehnten gefühlt als ein Mondlandeprojekt nach dem anderen im Lokus landete.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.