Braucht man eine Riesen-Trägerrakete?

Die bemannte Erforschung des Sonnensystems ist teuer. Sie ist deswegen teuer, weil man unter anderem auch enorme Massen transportieren muss. Während für die Erdorbitmissionen von Apollo eine Saturn 1B mit etwa 17 t Nutzlastkapazität ausreichte, musste es für Mondmissionen die Saturn V sein mit 130 t Nutzlastkapazität. Zubrin "Mars Direct" Plan war unter anderem deswegen so viel kostengünstiger als die NASA Pläne dieser Zeit, weil er radikal die Massen reduzierte, die man zum Mars starten soll.

Trotzdem: Für die nächsten Mondexpeditionen entwickelt man die Ares V – noch etwas leistungsfähiger als die Saturn V und für eine Marsmission braucht man mehrere Flüge dieser. Ich habe keinen Plan für eine Marsexpedition gesehen, der unter 600 t Startmasse kommt. 100 t sind ein realistischer Ansatz.

Doch braucht man das wirklich? Ich habe mir darüber schon mal in einem Artikel ausführlich Gedanken gemacht. Die grundlegende Erkenntnis ist, dass eine große Trägerrakete auch teuer ist – nicht so sehr pro Stück, sondern viel mehr bei der Entwicklung. Mit der Nutzung schon vorhandener Technologie für die Ares V macht hier die NASA sicher keinen Fehler um die Kosten geringer zu halten.

Aber … braucht man wirklich eine so große Rakete? Wer sich die Pläne für Mond- und Marsmissionen ansieht, stellt fest, dass am meisten der Treibstoff ausmacht – üblicherweise muss man erst von einem Erdorbit starten, am Zielkörper abbremsen, dann landen (beim Mars durch aerodynamische Abbremsung, beim Mond durch Abbremsung mittels Triebwerken), von der Oberfläche geht es mit Triebwerken zurück in einen Orbit und von da mit einer weiteren Zündung zurück zur Erde. Beim Apollo Raumschiff machte der Treibstoff den größten Teil der Masse aus. Der Mondlander war sogar nicht viel mehr als zwei Raketenstufen mit einer extrem leichtgewichtig gebauten Mini-Kabine obendrauf.

Treibstoff kann man aber umpumpen und Antriebsstufen kann man bündeln. Wer sich die Pläne genauer ansieht, stellt fest, dass man (sofern man nicht nukleare Triebwerke nimmt) den meisten Treibstoff braucht um überhaupt die Erde zu verlassen. Das "Delta V" dafür beträgt bei einer niedrigen Erdumlaufbahn etwa 3200 m/s zum Mond und 3800 m/s zum Mars. Bei der Benutzung von Wasserstoff als Treibstoff ist die eigentliche Nutzlast nach Verlassen des Erdorbits nur noch ein Drittel der Startmasse im Erdorbit.

Da kommt man doch auf die Überlegung, ob man nicht standardisierte Module nimmt, die man mit kleineren Trägern starten kann und diese erst im Orbit zusammen baut. Bei einer Mondmission z.b. kann man das Raumschiff in folgende Teile zerlegen:

  • Mondlander Aufstiegsstufe mit Kabine (4547 kg)
  • Mondlander abstiegsstufe (10149 kg)
  • Kapsel mit Service Teil (10800 kg)
  • Antrieb zum Einschwenken in den Mondorbit (20313 kg)

Die Massen in Klammern geben bei Apollo die Verteilung an, wobei dort allerdings Serviceteil und Antrieb nicht getrennt waren, ich habe aufgrund des Treibstoff hier etwas extrapoliert.

Im Prinzip diktiert das schwerste Teil die Nutzlastkapazität der Trägerrakete. Das ist hier der Antrieb mit 20313 kg. Beim Mars ist das schwerste Teil wahrscheinlich das Labor, welches auf der Marsoberfläche niedergeht. In einem der jüngeren NASA Pläne wiegt dies etwa 50 t. Doch um diese 50 t zum Mars zu befördern braucht man etwa 200 t in einer Erdumlaufbahn. Ich will einmal zeigen wie man dies mit einer 50 t Rakete erreichen kann, ohne den Wasserstoff lange Zeit kühl zu halten. Dies geht mit stufenweiser Beschleunigung.

Konventionelle Rakete: 200 t im Erdorbit. Antrieb mit 4400 m/s spezifischer Impuls. 84.3 t Masse nach Verlassen der Erde, davon 11 t Antrieb. Nettomasse zum Mars also 73.3 t. (Berechnet für eine Geschwindigkeitsänderung von 3800 m/s – von 7800 m/s auf 11600 m/s)

Stufenplan:

  • Erster Start: 50 t in eine 200 km große Kreisbahn – die Nutzlast
  • Zweiter Start: Ankopplung einer 50 t Stufe: 33 t t weitere Nutzlast, 28 t Antrieb (3 t Leermasse).  Zündung dieser: Resultierender Orbit 200 x 6800 km bei 1207 m/s Geschwindigkeitsänderung. Abkoppeln der ausgebrannten Stufe.
  • Dritter Start: Ankopplung einer 50 t Stufe : Reiner Antrieb mit 5 t Leermasse. Zuerst Angleichung des Orbits: (+1207 m/s) Masse nun noch  38 t. Ankoppeln an die Nutzlast. Erneute Zündung dieser: Resultierender Orbit 200 x 66.500 km bei 1552 m/s Geschwindigkeitsänderung. (Gesamt 2759 m/s). Abkoppeln der ausgebrannten Stufe.
  • Vierter Start: Ankopplung einer weiteren 50 t Stufe. Angleichung des Orbits. (Änderung um 2759 m/s). Restmasse nun noch 26.7 t. Ankopplung an die Nutzlast und erneute Zündung – Marsorbit erreicht mit weiteren 1080 m/s Geschwindigkeitsänderung.

Man erhält die gleiche Nutzlast, wobei allerdings in der Praxis man noch einen Kopplungsadapter pro Stufe hinzurechnen muss, so das in der Realität die Nutzlast etwas geringer ist (etwa um 4-5 t ).

Die Grenzen liegen in dem letzten Beschleunigungsschub. Er muss die Fähre aus einer Erdumlaufbahn in eine Sonnenumlaufbahn befördern. Die Fluchtgeschwindigkeit liegt bei einer 200 km Bahn bei etwa 11000 m/s. 600 m/s braucht man zum Mars. Dies muss man auf einmal erreichen. Durch den Mond sind es sogar mehr. Es ist nicht ratsam Umlaufbahnen einzuschlagen die nis an die Mondbahn reichen, denn dieser stört dieser und die Umlaufszeiten werden immer länger, was die Startfenster einschränkt. Das setzt die Grenze herab auf 10800 m/s. Das limitiert in der Praxis auf maximal 4 Starts. Kann man den Treibstoff sehr lange kühl halten, so braucht man diese umständliche Vorgehensweise nicht, dann kann man alles in einer niedrigen Erdumlaufbahn montieren.

Der wesentliche Vorteil der Vorgehensweise ist, aber das ein 50 t Träger viel einfacher zu entwickeln und zu produzieren ist. Die stärksten Trägerraketen haben heute 20-25 t Nutzlast in eine erdnahe Umlaufbahn. Ein einfaches Clustern der Erststufen bei Ariane 5, Delta 4 oder Zenit führt zu einer Rakete die 50-70 t in eine erdnahe Umlaufbahn befördern kann. Darüber hinaus kommt man nur mit einer Neuentwicklung. Dies hat jedoch auch den Vorteil, dass man die Stufen aus der normalen Serienproduktion stammen, diese also preiswert produziert werden können. Es ist kein Spezialträger für nur einen Einsatzzweck. Das zweite ist, das man dann nicht von einem Träger abhängig ist – mindestens 3 Systeme könnten auf diese Art und Weise genutzt werden, wodurch man auch größere Gütermengen transportieren kann, weil man 3 Startplätze nutzen kann.

Vielleicht erledigt sich diese Frage auch von selbst: Denn Satelliten wurden immer größer. Vor 25 Jahren hatten die größten eine Masse von 2.3 t in den GTO Orbit. Heute gibt es 7 t schwere. 8-9 t schwere dürften bald folgen. Um diese zu starten braucht man schon heute Träger mit 25 t Nutzlast in eine erdnahe Umlaufbahn. Bei diesem Trend wird man in 15 Jahren bei 50 t LEO Nutzlast angelangt sein. Vielleicht ist man bis dahin auch breit zum Mars zu fliegen…..

2 thoughts on “Braucht man eine Riesen-Trägerrakete?

  1. Hallo

    Ganz verstehe ich diese Rechnung jetzt nicht: Um die dritte und vierte Stufe ankoppeln zu können, muss ich diese ja zuerst in den gleichen Orbit wie die Nutzlast bringen. Dafür brauche ich ja dann aber erst wieder eine größere Rakete.
    Oder stehe ich jetzt wo auf der Leitung?

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