Wahlen, Wahlversprechen und der Wählerwille

Ich habe gestern mal in meinen Blogstatistik geschaut. Er erfreut sich steigender Beliebtheit mit 50-100 Seitenabrufen pro Tag. Ich war erstaunt, da die meisten Besuche auf die Artikel entfallen, die sich eigentlich nicht mit Raumfahrt beschäftigen, während die Kommentare sich gerade auf diese konzentrieren. Der beliebteste Blog ist über den Kinder Maxi King. Ich möchte daher heute mal ein Thema aufgreifen, das mich derzeit beschäftigt und auch im Fernsehen breit diskutiert wird und durchaus kontrovers mit unterschiedlichen, aber jeweils gut begründeten Standpunkten.

Die Wahlen in Hessen und Hamburg haben wieder einmal zu Konstellationen geführt in denen Koalitionen schwer möglich sind. In Hessen reicht es weder zu Rot-Grün, noch zu Schwarz-Gelb und in Hamburg scheint nur Rot-rot-grün oder Schwarz-Grün möglich zu sein, in jedem Fall müssen sich Partner zusammen finden die politisch weit auseinander liegen. Nun entbrennt eine Debatte darum ob sich Ypsilantis mit den Stimmen der Linkspartei wählen lassen soll. Dabei wird immer der „Wählerwille“ angesprochen. Was ist richtig? Sollte eine Partei sich strikt an ihre Wahlversprechen halten, auch wenn dies bedeutet, dass sie dann nicht an die Regierung kommen kann und – im Falle von Hessen – es praktisch nur die große Koalition als Möglichkeit mehr gibt? Andererseits hat die SPD ja Wahlkampf gegen die CDU geführt, wäre dann eine große Koalition nicht dann auch ein Bruch des Wahlversprechens?

Die zweite Position sagt etwas anders: Es gibt Wahlversprechen, aber sie müssen sich den Realitäten des Wahlergebnisses stellen, bei dem in Hessen weder die CDU noch die SPD mit ihren bevorzugten Koalitionspartnern die Regierung stellen kann und man nun nach einer Lösung suchen muss, die eben zu einer Regierung führt. Das halte ich für einen vernünftigen Standpunkt. Nur wenn man sich mit den Stimmen der Linken wählen lässt – wie verlässlich ist diese Mehrheit dann? Muss Ypsilanti dann nicht bei jeder Abstimmung nach Stimmen in der Opposition fischen? Wie lange wird diese Minderheitsregierung Bestand haben? Ist die Regierung dann nicht von der Linken in gewisser Weise erpressbar?

Es gibt zwei Dinge die ich für wichtig halte: Das eine ist, dass die Linke nun auch in den alten Bundesländern in die Parlamente einzieht. Man muss sich mit dieser Situation abfinden, genauso wie der Einzug der Grünen in den 80 er Jahren die Parlamente umkrempelte. Die Parolen, die heute von der CDU/CSU gegen die Linke gebracht werden, sind die gleichen die ich vor 20 Jahren gegen die Grünen gehört habe. Heute sind die Grünen etabliert und ihr Parteiprogramm hat wenig Ähnlichkeit mit dem vor 20 Jahren. Ich denke man muss sich damit abfinden, dass es genügend Wähler gibt, damit je eine Partei weit rechts und weit links im Spektrum die 5 % Hürde überschreitet. Früher waren die Grünen das Sammelbecken für die linken Wähler, heute sind es die Linken. Rechts wird nur deswegen nicht so sehr beachtet, weil hier 3 Parteien miteinander konkurrieren und die Chance, dass eine so die 5 % Hürde überschreitet kleiner ist. Das Parteiprogramm dieser Partien ist meist weit von der Wirklichkeit entfernt. Sei es der Hinauswurf von Ausländern bei den Rechten oder die Forderung nach einem Grundgehalt von 1000 Euro pro Monat bei den Linken – das ist schlicht und einfach nicht machbar. Aber wenn viele Leute solche Parteien wählen, dann hat dies Einfluss auf die anderen Parteien. Das Deutschland sich heute so für den Umweltschutz und Verhinderung des Klimawandels einsetzt hat damit zu tun, dass selbst die CDU gesehen hat, das deswegen über Jahrzehnte die Grünen gewählt wurden und das eben den Wählern wichtig ist.

Ich bin aber überzeugt, dass es genauso wie es bei den Grünen immer schon „Realos“ gab es auch bei den Linken Leute gibt die einen Anflug von Realitätsnähe haben Die Frage ist: Soll man eine Regierung von diesen Leuten abhängig machen?

Diese Frage muss gelöst werden, denn sonst gibt es in absehbarer Zeit in vielen Länderparlamenten wie beim Bund nur die Lösung der großen Koalition. Diese hat in meinen Augen aber nur Nachteile. In den anderen Konstellationen besteht die Koalition aus einem großen und einem kleinen Partner. Der große Partner kann weitgehend seine politischen Forderungen durchsetzen, der kleine Partner muss weitgehend zurückstecken und wenn wir uns die kleinen Parteien ansehen, dann ist ihr Kernprogramm auch auf die Interessen eines bestimmten Klientel ausgerichtet. Die FDP weitgehend auf die Interessen der Gutverdienenden und Selbstständigen und die der Grünen für die, wo ökologisch orientiert sind. Die Linke vertritt im Prinzip die Personen die kein Einkommen aus Arbeit oder Kapitaleinkünften haben. Eine Koalition ist so einfacher, weil die große Partei nicht in allen Punkten Kompromisse suchen muss, sondern nur in denen wo die kleine Partei besonders interessiert ist.

Das Problem ist größer bei der großen Koalition: Hier gibt es in allen Gebieten Kompromisse zu schließen. Beide Partner sind fast gleich stark und beide Partner bilden eine Notkoalition und führen sonst gegeneinander (und während der Regierungszeit in den Länderparlamenten) Wahlkampf. Diese Notlösung ist nun aber schon in vielen Länderparlamenten der Normalfall geworden.

Es bleibt noch der Wählerwille, der so gerne bemüht wird. Doch es gibt nicht „den“ Wähler. Es gibt Millionen die unterschiedliche Interessen haben und so unterschiedliche Parteien wählen. Gerade das führt ja zu den Konstellationen die ja für die Politiker so schwierig sind. Aber eines wollen alle Wähler: Eine stabile Regierung. Wenn man also den Wählerwillen als Maßstab nimmt, so gibt es für mich nur eine Möglichkeit: Eine Partei die massiv bei der Wahl verloren hat, sollte in die Opposition, auch wenn sie noch absolut die größte Partei ist, denn der Wähler hat ja wohl ihr das Vertrauen entzogen. Ich halte es aber für überlegenswert ob man bei wirklich festgefahrenen Verhältnissen wie in Hessen, überlegen sollte nochmals zu wählen. Und zwar genau einmal, ohne zusätzliche Finanzierung vom Staat, ohne lange Vorbereitung und Wahlkampf, sondern innerhalb von einigen Wochen. Es besteht die Hoffnung, dass dann sich einige überlegen ob ihr Votum so gut war. Eventuell verliert die Linkspartei dann Stimmen, eventuell reicht es aber auch für CDU/FDP, vielleicht bekommen die Linke sogar noch mehr und spätestens dann sollte man sich überlegen ob man kategorisch eine Koalition mit ihnen ablehnt. Wenn man dasselbe Ergebnis bekommt, dann bedeutet das aber auch, dass man sich mit ihm abfinden muss und nach einer Lösung suchen muss, auch wenn diese den Politikern nicht gefällt. Wenn dies mit bestimmten Personen nicht machbar ist, dann müssen diese eben abtreten.

Ich halte das für eine gute Möglichkeit. Wir kennen bei Bürgermeisterwahlen ja auch eine zweite Abstimmung wenn ein Kandidat nicht die absolute Mehrheit erreicht. Das ist zwar nicht das gleich, aber etwas ähnliches: Der Wähler erhält die Gelegenheit sein Votum nochmals zu präzisieren. Was meinen Sie dazu?

One thought on “Wahlen, Wahlversprechen und der Wählerwille

  1. In Österreich stehen wir ja genau vor dem gleichen Dilemma, dass auf Bundesebene in absehbarer Zeit nur große Koalitionen möglich sein werden. Es wird ja deswegen derzeit über ein Mehrheitswahlrecht nachgedacht (obwohl ich zugeben muss, dass ich überfragt bin, wie dann die politische Zukunft aussehen wird, und ob das die Situation auch nachhaltig entspannt).
    Von einer erneuten Wahl halte ich hingegen nichts, es wird sich kaum etwas ändern, und man steht wieder vor der gleichen Situation wie vorher. Ich denke, dass nur wenige Leute wirklich ihre Stimme ändern würden.

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