„Bio“ und konventionelle Landwirtschaft

Letzten Dienstag kam in der NDR Reihe „Doku 45“ ein Beitrag über konventionelle und biologische Landwirtschaft, speziell Tierzucht. besucht wurden ein Vorzeige Bio-Hühnerzüchter, ein Betrieb der konventionell Eier produziert, ein ehemaliger Bio-Schweinezüchter und ein heutiger Schweinezüchter und ein Forschungsmastbetrieb für Hähnchen. Die Frage drehte sich darum, was wohl die richtige Zuchtform ist, und wie sich jeder denken kann – es gibt keine richtige. Trotzdem war es interessant. Der konventionelle Zuchtbetrieb hält Hühner in Kleingruppen, Boden und Freilandhaltung und die Inhaberin meint Kleingruppenhaltung wäre besser für die Tiere. Und die Hühner sahen gesund haus, munter und hatten keine Ähnlichkeit mit den Bildern von Legebatterien die man so kennt. Der Biobauer vertritt natürlich die Meinung, dass seine Hühner sich frei bewegen können müssen und scharren können. Deswegen versetzt er seinen mobilen Stall alle paar Wochen, was selbst bei Biobauern ungewöhnlich sein soll. Nur so ist gewährleistet dass sich durch sie Exkremente keine Krankheiten ausbreiten. Trotzdem gibt es Probleme wenn Tausende von Hühnern zusammen sind – sie können kaum eine soziale Hierarchie ausbilden. Anders als in den Kleingruppen.

Der Forscher, der auch Masthähnchen zu Forschungszwecken züchtet, vertritt die Meinung das Leben in einer Halle mit wenig Platz nicht gegen die Natur wäre – sie wären nichts andere gewöhnt und zieht den Vergleich zwischen Stadt- und Landkindern. Der Exbiobauer hat aufgehört Schweine zu ziehen, weil ohne Zusatzfutter die Ferkel zu wenig Nahrung von den Sauen bekamen und so schwarze Ohren bekamen und er es nicht als gesund für die Tiere ansah. Er meint, auch Bio-Landwirtschaft wäre nicht so, wie es sich die Tiere wünschen, denn dann müssten die Tiere so viel Platz haben wie Wildschweine – nämlich maximal 60-80 Tiere pro km². Selbst der Biobauer sagt, er kann seinen Tiere nicht viel Auslauf bietet sondern nur einen Freilaufteil und einen Stall. Mehr sei auch bei Bio nicht möglich.

Nun ja, ich verstehe nicht viel von Hühnern und Schweinen, aber ich verstehe einiges von Katzen und da fiel mir eine ähnliche Diskussion ein. Es gibt da zwei Positionen. Die einen meinen Katzen sollten nur eingezäunt leben – wegen der Gefahren in der Großstadt (Autos). Wer einen Garten hat, muss ihn so einzäunen das Katzen nicht raus können – da meine Katzen aus dem Stand 2 m hoch springen und ihnen 7 cm Bodenfreiheit zum durchkrabbeln reichen keine leichte Aufgabe. Die andere Position sagt, dass Katzen leiden wenn sie in einer Wohnung oder kleinen Garten eingesperrt sind und man daher lieber das Risiko eingehen sollte, dass ihnen etwas passieren sollte anstatt sie lebenslang zu quälen.

Nun meine Beobachtung ist, dass es wirklich wohl eine Gewohnheitssache ist. Meine derzeitigen Katzen kamen aus dem Tierheim und wahren vorher 6 bzw. 12 Monate nur in einer Wohnung. Trotzdem wollten beide sofort nach der Ankunft raus.  Auch wenn ich nie vergesse, wie sie erst um den Rasen einen großen Bogen machten – das war wohl ziemlich unbekannt. Einige Tage später sind sie dauernd raus gegangen. Umgekehrt kam meine Nichte letztes Jahr für 2 Monate von Berlin nach Ruit. Das bedeutete für den Kater die Möglichkeit anders als in Berlin in der vierten Etage rein und raus zu können. Er machte davon kaum Gebrauch und ging maximal bis in den Garten. Er war nichts anderes gewohnt und ich denke das kann man durchaus auf Hühner übertragen. Selbst die Biobauer gab zu, dass die Hühner nicht aus dem Stall heraus wollen, wenn der Auslauf in Windrichtung ist, weil es Fluchttiere sind.

Mit Sicherheit ist aber das Argument falsch, dass Tiere so viel Platz wie ihre wilden Verwandten brauchen – die brauchen so viel Platz um ihre Nahrung zu sammeln, nicht weil sie gerne so viel rumlaufen. Auch hier ein Vergleich zur Katze. Eine Wildkatze hat ein Revier von einigen Quadratkilometern. Unkastrierte Hauskater entfernen sich meiner Erfahrung nach 100 m von der Wohnung und Katzen und kastrierte Tiere noch viel weniger, meine maximal 2 Häuser weiter. Kurz gesagt: Gegenüber den Wildformen haben heutige Hauskatzen ein hundertmal kleineres Territorium.

Es bleibt noch die Frage, was jemand von Biofleisch erwartet. Bei Pflanzen ist die Sache klar – keine Pestizidrückstände. Das führt zu wirklich komischen Sachen. So bekommen Äpfel im Normalfall Schorf. Das ist bei unseren Äpfeln vom Garten jedes Jahr der Fall. Natürlich gibt es ein Mittel dagegen: Kupfersalze. Die sind auch bei Bio erlaubt, sind aber weitaus belastender für die Umwelt als Fungizide und werden im Bioanbau auch eingesetzt, weil der Verbraucher ja makellose Äpfel will.

Bei Tieren denke ich ist der Verbraucher bei Bio eher an einer „humanen“ Aufzucht interessiert: Das es die Tiere gut haben, viel Auslauf, „glücklich“ sind und vielleicht nicht im Eiltempo aufgezogen werden. Doch will er kranke Tiere, weil keine Medikamente eingesetzt werden dürfen? Unterversorgte Tiere, weil nicht die Nahrung mit fehlenden Elementen angereichert werden darf? Ist die Gesundheit und optimale Versorgung nicht wichtiger als die Abwesenheit von Medikamenten? Beim Menschen würde man ja auch nicht auf welche verzichten.

Vielleicht ist es an der Zeit anstatt „Bio“ einen weiteren Begriff einzuführen wie „Pro Vet“ – für eine „vernünftige“ Zucht. Eine bei der das Tier und seine Gesundheit im Vordergrund steht und nicht irgendwelche radikalen Forderungen an Rückstandsfreiheit. Nur befürchte ich, wenn schon heute Bio nicht hießt, dass Tiere automatisch viel Auslauf haben, dass nur wenige bereit sein werden die resultierenden Preise zu zahlen – beim „Muster“ Biohühnerzüchter kostete ein Hähnchen 27 Euro….

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