Die schlechtesten Computer – der Ti 99/4a

Eigentlich, so sollte man meinen, gehört der Ti 99/4a nicht hierhin. Schaut man sich die Maschine von außen an, so war sie ein Glanzstück zu ihrer Zeit – in einem polierten Metallgehäuse anstatt einem Plastikgehäuse, es war 256 x 192 Farbgrafik verfügbar, wenn auch etwas umständlich über hexadezimale Zeichendefinitionen programmierbar. Vor allem hatte er 16 kbyte RAM zu einer Zeit wo noch  1k oder 5k bei den Konkurrenten üblich waren. Erweiterbar war es durch eine Erweiterungsbox aus solidem Stahl mit drei Diskettenlaufwerken und acht Steckplätzen. Verfügbar waren unter anderem eine 32 kbyte Speichererweiterung, RS-232 Schnittstellen, USCD.-P System, Sprachsynthesizer etc… Er konnte auf 48 kbyte RAM und mindestens 86 kbyte ROM (ROM eigentlich unbegrenzt) ausgebaut werden.

Warum ich ihn trotzdem hier aufführe war die verkorkste interne Architektur. Als ich über diese zum ersten Mal las, habe ich mich gefragt warum. Inzwischen ist es mir klar geworden: Ti entwickelte für den Computer einen neuen 8-Bit Prozessor, den TMS9985. Nur klappte das nicht. Nun wurde in das schon weitgehend fertige Design, der TMS 9900 eingefügt, den es schon gab. Der TMS9900 ist einer der ersten 16 Bit Prozessoren. Sicher nicht einer der schnellsten, aber beim Vergleich der Taktzyklen sicherlich so schnell wie ein Z80 bei gleicher Taktfrequenz plus der Möglichkeit mit erweiterten Befehl wie z.B. für die Multiplikation und Division zu punkten. Nur wurde der TMS9900 von Texas Instruments schon 1976 für den Einsatz in Minicomputern entwickelt.

Er hatte ein Designmerkmal, das bei Unterstützung ihn sehr mächtig machte: Es gab intern nur wenige Register, aber einen Workspacepointer. Er zeigte auf einen Bereich im Arbeitsspeicher wo dann 16 Register verfügbar waren. Das ist vom Prinzip her super – braucht eine Unterroutine freien Speicher, so muss man nicht zig Register mit PUSH/POP sichern, sondern nur den Workspacezeiger und wenn er woanders hin zeigt, hat man 16 neue Register zur Verfügung. Bei Taskswitches kann so ebenfalls schnell gewechselt werden. Nur ist das essentiell gebunden an schnelles RAM. Bei Mikrocomputern kein Problem – bei Preisen von 10.000 $ aufwärts pro Stück ist es egal ob statisches schnelles oder langsames dynamisches RAM drin steckt. (Zumal der TMS9900 nur 64 kbyte adressieren konnte) Nicht aber in einem Heimcomputer. Der Ti 99/4a hatte nur 256 Bytes schnelles statisches RAM auf das der Prozessor schnell zugreifen konnte. Alles andere war dynamisches RAM, was bei jedem Zugriff auf eines der Register im RAM 4 Taktzyklen extra kostete. Schlimmer noch – da der 16 Datenbus des Prozessors auf einen 8 Bit Datenbus zum Speicher mit einem Multiplexer mündete, da dieser für den 8-Bit Prozessor ausgelegt war, wurden so weitere 40% verloren. Benutzer welche die RAM’s durch statische RAM’s ersetzten und auch die ROM’s ins RAM kopierten (eigene Lötarbeiten waren natürlich so nötig) konnten die Geschwindigkeit des Systems verdoppeln.

Das letzte waren die ROM. Auch sie waren langsam, dass sie Waitstates erforderten. Schlimmer jedoch war, das Ti eine eigene Architektur einsetzte, die GROM. Diese waren nur adressseriell auslesbar, das bedeutete, dass der Prozessor, wenn er die tausendste Adresse benötigte erst mal 999 einlesen musste. Sie waren nur durch einen Datenport angebunden und dadurch war zwar das System erweiterbar auf unendlich viel ROM, aber es war langsam. Zudem enthielten diese nicht Maschinencode sondern eine hardwarenahe Sprache namens GPL, für die es einen Interpreter in der Konsole gab – selbst der BASIC Interpreter war in GPL geschrieben. Das erforderte weniger Chips pro Cartridge, machte das ganze aber noch langsamer.

Zum Schluss beherrschte das BAIC nur Fließkommazahlen mit 16 Stellen Genauigkeit – genau aber langsam. Das es inkompatibel zu allen anderen Sprachen war, mag erwähnt sein. Es liegt jedoch nicht an TI (es ist sogar ein ANSI BASIC, also gehorcht dem offiziellen Standard – dumm nur das die meisten anderen Implantationen sich nicht an diesen Standard hielten, sondern dem von Microsoft nachgingen).

So war der Ti 99/44a trotz 16 Bit Prozessors mit 3 MHz nur halb so schnell wie ein VC-20 mit einem 6502 und 1 MHz. Ti hat leider nichts am Design geändert obwohl der Rechner über 4 Jahre lang produziert wurde. Der Ti 99/4a ist Nachfolger des schon 1979 erschienenen Ti 99/4. Er bekam aber eigentlich nur 256 Bytes statisches RAM und eine ordentliche Tastatur (der Ti 99/4 hatte eine mit Gummitasten). Man hätte das verkorkste Design schon damals korrigieren sollen. Es gab dann noch das Extended BASIC Modul, das in Maschinensprache geschrieben und bis zu doppelt so schnell wie das eingebaute BASIC war und mit dem auch die Hardwaresprites des Videoprozessors direkt programmiert werden konnten – aber es kostete extra.

Zum Verhängnis wurde der Maschine der durch Commodore angezettelte Preiskrieg, bei dem Ti massive Verluste machte. Die Leute schauten nur auf die RAM Ausstattung und die Geschwindigkeit – da konnte der Rechner nicht punkten. Er war zwar erweiterbar, doch die Preise für Peripheriegeräte waren hoch, weil Ti darüber die Verluste bei der Konsole hereinholen wollte. Sie verkaufte die sich aber auch schlecht. Nur jeder zehnte Käufer erwarb auch eine Erweiterungsbox – Vorraussetzung für den Einsatz von Diskettenlaufwerken und Speichererweiterungen. Meiner Meinung nach hätte der Rechner einen besseren Stand gehabt, wenn die Architektur die Vorteile seines Zentralprozessors ausgenutzt hätte, dann hätte man auch mehr erlangen können. So stand er aber auf verlorenem Posten.

Immerhin hat TI etwas gelernt und beim TMS 9995 einige Lehren aus dem Konzept gezogen. Dieser Nachfolgeprozessor des TMS9900 war nicht nur zweieinhalbmal schneller (und schneller als ein 8086), sondern er hatte nun auch die 256 Byte Scratchpad RAM auf dem Chip integriert, was es erlaubte schnell zwischen 8 Sätzen von je 16 Registern zu wechseln. Der TMS9995 wurde von IBM als Prozessor für ihren IBM PC untersucht und kam in die engere Wahl, was z.B. dem Motorola 68000K nicht gelang.

Ti plante einige Nachfolgemodelle auf Basis des TMS 9995 so den Ti 99/2 und Ti 99/8. Der erstere noch billiger in der 100 Dollar Klasse, der letztere ausbaubar bis 16 Mbyte RAM. Beide wären mit ihren 10,7 MHz schnellen Prozessoren wohl interessante Rechner gewesen, doch mit den Verlusten bei dem Ti 99/4a wurden diese Geräte eingestellt.

Es sagte mal ein Computerfachmann zur Verkaufsabteilung von Texas Instruments: „Sie produzieren eine Limousine und verkaufen sie zum Preis eines Volkswagens und können den Unterschied nicht deutlich machen“ – nun ja nicht ganz die Wahrheit, eher hat man eine Limousine produziert und ihre Leistung auf die eines Volkswagens reduziert und dann Verluste gemacht.

3 thoughts on “Die schlechtesten Computer – der Ti 99/4a

  1. Und trotzdem habe ich diese Kiste geliebt. Auf ihr habe ich im zarten Alter von 10 Jahren programmieren gelernt und in Extended Basic die ersten Spiele geschrieben. Die Sprites haben wir noch auf kariertem Papier entworfen und überhaupt war früher alles besser… (-;

  2. Bei mir war es auch mein erster Rechner. Wegen der CALL CHAR Routinen musste man die Grafik aber auf dem Papier entwerfen…. Nur habe ich mir kein Extended BASIC geleistet.

    Trotzdem gibt es eben Defekte im Design, auch wenn man die Maschine mag. Und er war schon ziemlich lahm…

  3. Bei vielen Dingen aus dem Beitrag bin ich dabei. Aber das TI eine Chance am Markt gehabt hätte, wenn das Konzept besser gewesen wäre, stimmt sicher nicht.
    Das Erfolgsgeheinis des schlecht verarbeitetn C64 war NippleCopy. Es war „nur“ die Hardware zu kaufen, aber die Software konnte man „günstig“ bekommen.
    Aus dem Grund war dann der C128 eine Totgeburt, denn für den hat es keine spezielle Software gegeben.
    Auch der Atari 2600 starb am C64. Man mußte für den C64 keine sündhaft teuren Module kaufen um Spaß zu haben. Und wenn jemand den Atari 600 oder 800 hatte … Die Module aus dem 2600 waren inkompatibel.
    Kurz: Es gab zu wenig brauchbare Software für den TI99/4a, die sich Dank der viel zu teuren PeriBox nicht verteilte.

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