Mit einer Stufe in den Orbit

Da ich immer einige Leser habe, die alles auf konkrete Raketen beziehen: Dass ist ein Grundlagenartikel, bei dem ich nur eine existierende Rakete als Beispiel nehme. Es geht darum, ob man mit einer Stufe einen Orbit erreichen kann. Also keine Tricks wie Booster, oder abwerfbare Triebwerke. Als Ausgangspunkt nehme ich daher sinnvollerweise die bisher leistungsfähigste Erststufe, die EPC der Ariane 5. Sie hat folgende Kenndaten:

  • Vollgewicht: 188,6 t
  • Leergewicht: 14,1 t
  • Ausströmgeschwindigkeit: 4248 m/s

eine einfache Rechnung mit der Ziolkowski-Formel zeigt, dass diese Stufe so eine Endgeschwindigkeit von 11016 m/s erreicht. Deutlich mehr als für einen Orbit nötig ist. Realistischerweise benötigt eine Rakete dafür rund 9.400 m/s. Setzt man die Rechnung für diese Zielgeschwindigkeit aus, so gelangen 21,4 t mit dieser Rakete in einen Orbit, davon muss man aber 14,1 t für die leere Stufe abziehen. Bleiben 7,3 t für die Nutzlast – wobei bei der originalen Ariane 5 aber auch nochmals 0,95 t für die VEB (Vehicle Eqiupment Bay – enthält Batterien, Computer,Telemetrie, Lagerelungstriebwerke und Treibstoff) wegegehen. Deise dürfte aber deutlich leichter zu fertigen sein, da der Großteil der Masse der VEB auf Strukturteile entfällt, welche die Lasten der bis zu 20 t schweren Nutzlast aufnehmen. Eine VEB von 0,5 t Gewicht bzw. eine Integration der Elektronik in die Stufe und ein einfacher Adapter als Abschluss würde vielleicht noch 6,8 t für die Nutzlast offen lassen.

Allerdings würde die originale EPC nicht einen Orbit erreichen, da der Startschub 96 t beträgt, die Stufe aber schon ohne Nutzlast 188,6 t wiegt. Es werden also mindestens zwei, eher drei Triebwerke benötigt. Da jedes 1,9 t wiegt und dann auch noch der Schubrahmen verstärkt werden muss, reduziert sich die Nutzlast um 2,5 pro Triebwerk, d.h. mit drei Triebwerken ist man bei rund 1,8 t für eine Zielgeschwindigkeit von 9.400 m/s. Allerdings sinkt die Zielgeschwindigkeit nun auch ab, denn die Brennzeit liegt nun bei nur noch 180 s, was die Gravitationsverluste deutlich reduziert und eine Zielgeschwindigkeit von 9.200 m/s (1.400 m/s Verluste) denkbar macht – mit dann schon 4,8 t Nutzlast)

Reduktion der Leermasse

Die EPC entstand noch in der Aluminiumlegierung 2210. Die Legierung 2195 ist bei gleichen Belastungsgrenzen je nach Literatur zwischen 26 und 40% leichter. Beim Space Shuttle Wasserstofftank, wo sie eingesetzt wurde reduzierte sie die Leermasse um 29%. Setzt man dies nur beim Tank ein, so reduziert dies die Leermasse um 2,6 t. Das erhöht die Nutzlast wieder auf 7,2 t. Der Einsatz von CFK-Werkstoffen in anderen strukturell belasteten Teilen dürfte sicherlich auch nochmals rund 400 kg einbringen, zumal der obere Abschluss ohne einen Stufenadapter verkürzt werden kann.

Eine höhere Ausströmgeschwindigkeit

Das Vukcain 2 hat einen Brennkammerdruck von 118 bar und eine Flächenverhältnis von 61,8. Das ist notwendig, weil die Düse ja auch bei einem Umgebungsdruck von 1 bar arbeiten muss. Moderne Triebwerke haben Düsenverlängerungen, welche während des Fluges ausgefahren werden. Eine solche wurde auch für eine Weiterentwicklung des Vulcain 2 untersucht und es sollte eine Düsenverlängerung auf das Expansionsverhältnis 100 rund 400 kg mehr Nutzlast bringen. Nach einer Simulation mit dem NASA Programm FCEA korrespondiert dies mit einer Steigerung der Ausströmgeschwindigkeit um 80 m/s. Auf der anderen Seite fand ich bei der Recherche zu meinem Buch, dass bei der normalen Ariane 5 10 m/s mehr Geschwindigkeit mit 80 kg mehr Nutzlast korrespondieren. Dies liegt etwas unter dem FCEA Wert, der jedoch auch ein theoretischer ist. Das Vinci Triebwerk setzt sogar eine Verlängerung auf ein Flächenverhältnis von 240 ein. Nach FCEA entspricht dies einer um 200 m/s höheren Ausströmgeschwindigkeit. Wenn ich denselben Faktor wie bei der kleineren Düse annehme komme ich so auf nutzbare 150 m/s mehr. Das entspricht dann einer Nutzlast von 9,9 t.

Resümee und Ausblick

Absolut gesehen gar nicht so schlecht – 9,9 t Nutzlast bei 215,1 t Startmasse und rund 16,6 t Trockenmasse. Das ist z.b. besser als bei der Falcon 9 und Zenit. Allerdings nimmt die Nutzlast rasch ab. Schon bei einer um 400 m/s höheren Geschwindigkeit geht sie auf 7,4 t zurück. Das grundsätzliche Problem ist, dass hier zwei Dinge zusammenkommen – die leer rund 16,6 t schwere Oberstufe kommt ja auch mit in den Orbit. Sinkt die Gesamtnutzlast um 10% so muss wegen gleich schwerer EPC die Nettonutzlast um 25% kleiner werden. Dabei sinkt schon die Bruttonutzlast wegen des Logarithmus in der Ziolkowskiformel exponentiell ab.

Immerhin es ist möglich: Auf der anderen Seite: Mit einer Oberstufe mit dem Vinci Triebwerk und einem Voll/Leermasseverhältnis von 10 komme ich bei derselben Erststufe auf rund 26 t Nutzlast, also das fast dreifache. Weiß man, dass die NASA mal beim Projekt X-33/Venture Star einen einstufigen Raumgleiter untersuchte, so ist klar, dass dieser deswegen eingestellt wurde, weil er zu schwer war – er hätte nicht mal ohne Nutzlast einen Orbit erreichen können.

Eine Optimierung des Konzeptes wäre es so schnell wie möglich sich von überflüssiger Masse zu befreien. Die Triebwerke müssten sowieso abgeschaltet werden, sobald man eine Spitzenbeschleunigung von 5 g erreicht um de Belastung in Grenzen zu halten. Das heißt bei drei Triebwerken müsste das erste abgeschaltet werden, sobald die Rakete nur noch 81 t wiegt, also rund 69% des Treibstoffs verbraucht ist. Das nächste müsste dann wenn noch 14 t Treibstoff übrig sind, abgeschaltet werden, was aber schon relativ kurz vor Brennschluss ist. Trotzdem müsste zumindest das Abtrennen eines Triebwerks für etwa 1 t mehr Nutzlast gut sein.

Das Ideale, (allerdings mit der EPC technisch nicht mögliche) ist es sehr viele Treibstoffbehälter zu haben und diese nacheinander zu verbrauchen und abzutrennen sobald sie leer sind. Bei einer großen Zahl reduziert das das Gewicht das den Orbit erreicht beträchtlich. Da allerdings der Verbrauch des Treibstoffs auch mit einem geringeren Schub korrespondiert, der nun noch benötigt wird, läuft es in der Praxis auf das Abwerfen ganzer Triebwerksmodule hinaus. Ein kleiner Vorteil des Cross-Feedings, also des Betriebs aller Triebwerke aber der Schonung der Treibstoffreserven des (oder der) zentralen Triebwerke ist, dass der Schub so hoch ist, was die gravitativen Verluste durch die Hubarbeit reduziert. Doch der Vorteil ist klein. Bei der Flacon Heavy wird er von SpaceX mit 17% mehr Nutzlast angegeben. Dabei entspricht dies dort einer neu eingeführten Stufe durch die sonst gleiche Brennzeit der Stufen.

21 thoughts on “Mit einer Stufe in den Orbit

  1. Also ich bin mehr als skeptisch was das Abwerfen von Treibstoffmodulen angeht. Denn um so kleiner das Volumen wird, um so schlechter wird dort das Leergewicht – gerade bei den gut isolierten Wasserstofftanks.

    Ein einziger Tank hätte einen größeren Radius – und da das Volumen quadratisch mit dem Radius steigt, der Umfang und Materialbedarf aber nur linear, ist am Ende der nicht-modulare Tank immer im Vorteil.

    Das ist ja auch einer der großen Unterschiede zwischen der der Falcon 9 und der Saturn I. (Mit 8 Triebwerken in der ersten und 6 Triebwerken in der zweiten Stufe – und dennoch 10/10 erfolgreichen Starts).

  2. Das gilt nicht so, schließlich ist die Belastung durch mehr Treibstoff ja auch größer, so muss die Dicke anwachsen. (Er drückt ja mit bis zu 4,2 g x Masse auf die Wände – je kleiner die Fläche ist, desto mehr Druck pro Fläche).

    Zwar sinkt das Voll/Leergewicht durch größere Tanks, aber nicht in dem Maße wie man das von der Oberfläche erwartet. Da bei einer LIX/LH2 Stufe der Tank den Großteil der Masse ausmacht (bei der EPC z.B. 2/3) sollte man sonst eine viel stärkere Abnahme der Leermasse bei großen Stufen verzeichnen als dies der Fall ist.

  3. Mehrere kleine Tanks haben vor allem einen Nachteil: Es wird ja auch noch eine Struktur gebraucht, die das Ganze zusammenhält. Je mehr Tanks, desto mehr Struktur. Und die bringt zusätzliches Gewicht.

  4. Nicht, wenn es um Tanks geht, die man im Flug abwerfen will.

    Denn die kann man äußerst schlecht übereinander stapeln und dann zwischen Nutzlast und Triebwerk im Flug „hinaus werfen“ und eine Lücke zwischen der Raketenspitze mit Nutzlast und den Triebwerken am Raketenende zu lassen. Selbst wenn man von aerodynamischen Problemen absieht, bräuchte man dazu einen stabilen, schweren, Rahmen und jeweils zwischenböden zwischen den Tanks die auch nochmal mehr Gewicht kosten.

    Die einzig praktikable Lösung ist, die Tanks nebeneinander anzubringen und die jeweils äußeren Tanks seitlich abzuwerfen.

    Das sieht dann so ähnlich aus, wie bei der Saturn 1 – und da sind die Tanks nicht umsonst äußerst schlank. Würde man die Tanks mit einem kleineren Verhältnis von Höhe zu Durchmesser bauen, würde die Rakete besonders bei den ohnehin sehr voluminösen Wasserstofftanks zu breit werden – was die aerodynamischen Belastungen wieder zum Problem werden läßt und wieder Gewicht kostet.

    Ganz abgesehen davon stellt sich mir die Frage, warum man in so einem Fall die Zentralstufe mit einem weit überdimensionierten Triebwerk versehen sollte und sich wegen der geringen Restmasse große Probleme mit den g-Kräften kurz vor Brennschluss einfängt.

    Stattdessen sollte man lieber jeden Tank mit einem eigenen kleineren Triebwerk versehen, da die Tanks doch ohnehin abgeworfen werden … womit man dann wieder bei einer klassischen mehrstufigen Rakete wären.

  5. Wie ich schon im Hauptartikel ausführte:
    „Da allerdings der Verbrauch des Treibstoffs auch mit einem geringeren Schub korrespondiert, der nun noch benötigt wird, läuft es in der Praxis auf das Abwerfen ganzer Triebwerksmodule hinaus.“

  6. Wieso haben bis jetzt gebaute große Erststufen (ohne Booster) eigentlich noch kein LH2/LOX verwendet, sondern Kerosin/LOX (Saturn zB), weil es damals noch keine leistungsfähigen Triebwerke gab, die LH2/LOX verwendet haben? Was ist denn das stärkste solche, SSME? Danach kommt das Vulcain 2? Man bräucht ja sehr viele davon, um eine Stufe mit der Kraft der Saturn V zu bauen…

  7. Die erste Stufe ist bei einer mehrstufigen Rakete nicht so wichtig wie die letzte Stufe. Weiterhin gibt es auch noch Nachteile: Die Gravitationsverluste sind recht groß, je schneller der Treibstoff verbraucht wird, desto kleiner sind sie und LOX/LH2 hat eben eine um 50% längere Brennzeit. Weiterhin ist die Leermasse recht groß und bei Erststufen auch wichtig: das Volumen. Eine S-IC mit LOX/Kerosin wäre ca 50% leichter, aber ihr Volumen wäre um 150% größer.

  8. Ist wohl auch eine Frage der Kosten. Beispiel Ariane: Technisch wäre es möglich, auch die Booster mit LOX/LH2 zu betreiben. Durch den höheren spezifischen Impuls könnten die (bei gleicher Nutzlast) sogar deutlich leichter sein als die Feststoffbooster. Aber selbst wenn die nur noch halb so schwer wären, würde ein Triebwerk pro Booster nicht ausreichen um die Rakete abheben zu lassen. Es wären also mindestens 2 pro Booster nötig, insgesamt also 5 statt jetzt 1. Und das Triebwerk ist das teuerste Stück von der gesamten Rakete. Da dürfte eins schon etwa soviel kosten wie die beiden Feststoffbooster zusammen… (da keine offiziellen Preislisten vorliegen nur ein recht grober Schätzwert.)

  9. Bei NASA machte man auch Studien, für SSTO aus Trägerrakete.
    in 1967 präsidiert Marshall Space Flight Center und Boeing: Saturn V S-ID Vorschlag.
    Idee Saturn V Erststufe S-IC als SSTO !
    Doch dafür muss die S-IC umbebaut werden zur S-ID
    wie bei alten Atlas eine 1/2 Stufe, wird 4xF-1 mit Schubstrucktur abgeworfen
    und zentrale F-1 bringt den Rest in den Orbit mit 23 Tonnen Nutzlast
    bei Startkosten von 300 mio US Dollar (2005) bei 3 start pro Jahr
    obwohl 23 Tonnen Nutzlast bei 2313320 kg Startgewicht…

    Quelle:
    Advance Mission study: Saturn Mission Payload Versatility
    AV-5340-3
    The Boeing Company launch systems branch
    October 11, 1967

  10. SSTO geht nur, wenn das Ziel LEO heißt. Für höhere Orbits, die immer wichtiger werden, braucht man eine Oberstufe. Da diese höheren Orbits immer wichtiger werden, muss man die Oberstufe eh designen. Für LEO bringt nun diese Oberstufe i.d.R. mehr Nutzen (z.B. in Form zusätzlicher Nutzlast) als Schaden (z.B. in Form zusätzlicher Kosten und Ausfallrisiken). Also wird auch in den LEO mit Oberstufe geflogen, selbst, wenn man es auch ohne schaffen würde.

    SSTO wird nur dann interessant, wenn man das Wiederverwendungskonzept doch noch aufgreifen will. EIN Orbiter fliegt den kompletten Weg vom Boden in den Orbit, ohne, dass unterwegs irgendwas abgeworfen wird, und landet
    auch so komplett wieder. Die NASA hat dieses Ziel verfolgt, das X-33-Projekt mit 1 Mrd. US-$ finanziert, dann aber festgestellt, dass die Technologie nicht so weit ist. Unter anderem zerbrach der Wasserstoff-Tank bereits am Boden während Betankungstests, also noch bevor er überhaupt den Belastungen eines Starts ausgesetzt war!

    M.E. hat SSTO nur dann eine Chance, wenn es gelingt, während der anfänglichen Flugphasen in der Atmosphäre zumindest teilweise mit atmosphärischem Sauerstoff (also Luft) statt Sauerstoff aus dem Tank zu arbeiten. Bei Wasserstoff/Sauerstoff als Brennstoff erspart man sich so über 80% des Treibstoffgewichts, und der inerte Stickstoff der Luft erhöht den spezifischen Impuls auf ca. das doppelte. Nur sagen eben alle Raketenentwickler, dass man dann vier Triebwerke braucht: Ein herkömmliches Flugzeugtriebwerk bis ca. Mach 2, dann einen RAMJET bis ca. Mach 5, einen SCRAMJET bis Mach 10 und darüber hinaus ein Raketentriebwerk.

    „Hybridvarianten“ dieser vier Triebwerkstypen scheint es nicht zu geben. Beim Flugzeugtriebwerk ist zudem das Problem, dass es aufgrund der diversen Schaufeln so schwer ist, dass der zusätzliche Treibstoffbedarf, um das Flugzeugtriebwerk bis in den Weltraum mitzuschleppen, den gesparten Treibstoff mehr als überkompensiert.

    Evtl. denkbar wäre aber ein RAMJET mit zwei Betriebsmodi: luftatmend während des atmosphärischen Flugs in einem bestimmten Geschwindigkeitsbereichs, und davor und danach mit Sauerstoff aus dem Tank. Allerdings verliert man auch hier wahrscheinlich so viel spezifischen Impuls während der „Raketenflugphase“, dass es sich insgesamt nicht rechnet.

    Kai

  11. Das es keine Hybridvarianten dieser verschiedenen Triebwerke gibt stimmt nicht ganz.
    Bei der SR71 wurde eine Mischung aus Turbojet und Ramjet eingesetzt, reguliert wurde das mit einem einziehbaren Konus im Lufteinlass und diversen Klappen.
    Für genauere Informationen einfach mal Wikipedia bemühen.

    Das größte Problem bei solchen SSTO Konzepten welche den Sauerstoff aus der Luft nutzen liegen woanders.
    Man hat bisher die Temperaturen die beim Flug mit hoher Geschwindigkeit in der Atmosphäre entstehen nicht in den Griff bekommen.
    Verschärft wird das ganze noch das man für gute Flugleistungen in diesem Bereich recht schlanke und scharfkantige Flügelprofile braucht, siehe z.B. SR71 / X15 / etc.

  12. Wobei wir wieder einmal auffällt, dass die SR-71 auch schon fast ein halbes Jahrhundert alt ist – und trotzdem immernoch futuristisch wirkt wie kaum ein anderes Artefakt der Menschheitsgeschichte.

  13. Die SR-71 ist halt ein Flurgzeug mit einem sehr extremen Geschwindigkeitsprofil, welches kein anderes Flugzeug fliegt.
    Ist aber auch so teuer im Unterhalt, daß die kurz nach dem Ende des kalten Krieges eingemottet wurden, und die USA wieder die älteren U-2 als Aufklärungsflugzeug nutzt.

    Die lange Nutzungsdauer ist kein Problem solange die Ersatzteile noch produziert werden. Ein Design von etwa 1980 hätte viel größere Probleme mit dem Ersatz von elektronischen Bauteilen.

    Man bedenke, daß zivile Flugzeuge eine Lebensdauer von 30 Jahren haben.

  14. Zur Triebwerksdiskussion und SSTO: Das Sabre-Triebwerk ist eine sehr interessante „eierlegende Wollmilchsau“, die tatsächlich den Übergang von Jettriebwerk zu RAMJET zu SCRAMJET zu Raketentriebwerk schaffen soll. Der Clou des Triebwerks ist wohl, dass man der einströmenden Luft (die bei atmosphärischem Flug etwa Außendruck hat, bei überschallschnellem Flug hingegen schon leicht vorverdichtet ist) Wärme entzieht, die man an den Treibstoff überträgt. Durch die Abkühlung sinkt das Volumen des Luftstroms dramatisch. Dadurch fällt der Luft-Verdichter bei Sabre viel kleiner aus als bei herkömmlichen Jet-Triebwerken, und der Luftstrom im Verdichter überschreitet wohl die Schallgeschwindigkeit nicht, auch dann nicht, wenn das Flugzeug mit dem Triebwerk schon deutlich schneller fliegt.

    Sobald die Fluggeschwindigkeit zu hoch wird, wird der Lufteinlass geschlossen und auf Sauerstoff aus den Tanks umgeschaltet. Die Sauerstoff-Turbopumpe ist getrennt vom Luftverdichter.

    Während der Luft-Wärmetauscher (Arbeitsmedium für den Wärmeübertrag ist Helium) VOR dem Kompressor sitzt, sitzt der Treibstoff-Wärmetauscher, der die der Luft abgenommene Wärme an den Treibstoff überträgt, erst hinter der Turbopumpe. Folglich steigt das Volumen des Treibstoffstroms trotz Erwärmung nicht stark an.

    Beim anfänglichen Unterschallflug und später beim Raketenflug liefert die Luft nicht genug Wärme, um aus dem Unterschied zwischen der Luft und dem Treibstoff die
    Energie für den Betrieb der Turbopumpen zu gewinnen. Deswegen gibt es noch einen Preburner, der den kompletten Treibstoff mit einem (vermutlich in Abhängigkeit der Flugphase variablen) Teil der Luft/Sauerstoff verbrennt. Während der Flugphasen mit hoher Machzahl aber noch „Luftatmung“ hat Sabre das umgekehrte Problem: Aus der Luft kommt zu viel Wärmeenergie und es wird sogar ein Überschuss Treibstoff zur Kühlung verbraucht. Dieser wird dann mit dem Nebenstrom in einem relativ ineffizientem RAMJET verbrannt. Das eingesparte Sauerstoffgewicht ist jedoch höher als das zusätzliche Treibstoffgewicht.

    Kai

  15. Das SABRE-Triebwerk scheint mir ein unnötiges Spielzeug zu sein. Wenn ich die Werte der Webseite von Reaction Engines Ltd. zum Raumflugzeug Skylon in der vorgestellten Version C1 nehme, dann komme ich ins Grübeln. Einerseits, wie das gehen soll, so ein großes wiedereintrittsfähiges Gefährt so leicht zu bauen und andererseits, ob sich die Entwicklung des SABRE-Triebwerks überhaupt lohnt, wenn man es denn schafft, das Gefährt so leicht zu bauen.

    Aber erst mal die Daten. Das Designziel der C1-Version ist, 12 Tonnen Nutzlast in einen äquatorialen 300 km hohen LEO zu befördern. Das Raumflugzeug soll ein maximales Abfluggewicht von 275 Tonnen und eine Leermasse von 41 Tonnen haben. D.h. also inklusive Nutzlast müssen 53 Tonnen Trockengewicht in den Orbit.

    Ich habe nirgends Gewichtsangaben zum SABRE-Triebwerk gefunden. Aber da es im luftatmenden Modus ein Schubkraft-Gewichts-Verhältnis von bis zu 14 haben und auf Meereshöhe einen Schub von knapp 2 Meganewton liefern soll, werden beide Triebwerke zusammen mindestens 28 Tonnen wiegen.

    Was wäre nun, wenn man die SABRE-Triebwerke durch die ebenfalls wiederverwendbaren SSMEs ersetzen würde? Zwei Stück davon wiegen zusammen 7 Tonnen. Dadurch würde sich das Vollmasse-zu-Leermasse-Verhältnis von 5,19 auf 8,59 verbessern. Bei dem spezifischen Impuls (Vakuum) des SSME komme ich damit auf ein Delta-v von etwas über 9500 m/s, was wohl für das Designziel des Skylon Raumflugzeugs ausreichen sollte.

    Also entweder ist dieses SABRE-Triebwerk für den angedachten Zweck schlicht überflüssig oder die Werte für die Strukturmasse von Syklon sind viel zu optimistisch oder beides. Bei 28 Tonnen für die beiden Triebwerke und 41 Tonnen Leermasse bleiben gerade mal 13 Tonnen für die Strukturmasse eines wiedereintrittsfähigen (Hitzeschild), horizontal startenden und landenden (Fahrwerk) Raumflugzeugs, das 12 Tonnen Nutzlast (Nutzlastbucht statt -verkleidung) und 220 Tonnen Treibstoff transportieren soll, dabei auch noch 82 Meter lang sein, 25 Meter Spannweite und 6,25 Meter maximalen Rumpfdurchmesser haben soll. Das Vollmasse-zu-Leermasse-Verhältnis von einem Skylon ohne Triebwerke entspricht ungefähr dem des externen Tanks des Space Shuttle. Und da sollen Hitzeschild, Fahrwerk, Nutzlastbucht und die komplette Computersteuerung schon mit drin sein? Ziemlich unglaubwürdig.

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