Das Märchen vom Reinheitsgebot oder warum man sein Bier lieber selber brauen sollte

So, und heute ein zum Blog über Alkohol passender Beitrag über Bier und das Selbstbrauen von Elendsoft. Den nächsten von Michael K. folgt übermorgen.

Immer wieder wird hierzulande ein großer Rummel um das Reinheitsgebot gemacht. Bei genauerer Betrachtung platzt das Ganze aber wie eine Seifenblase. Zuerst einmal: Das so hoch gelobte Bayrische Reinheitsgebot von 1516 ist weder das erste, noch hat es etwas mit Verbraucherschutz zu tun.

Es gab schon vorher in einer Reihe von Städten ähnliche Vorschriften, so in Weimar 1348 (nur Malz und Hopfen), München 1363 (nur Gerste, Hopfen und Wasser), Weißensee (Thüringen) 1434 (nur Wasser, Malz und Hopfen).

Mit dem Reinheitsgebot von 1516 ist es also wie mit der Entdeckung Amerikas, das Columbus als letzter entdeckt hat.

Um 1516 wurde in Bayern das Weizenbier immer beliebter. Was durch das Reinheitsgebot (nur Gerste, Hopfen und Wasser) praktisch verboten wurde. Ironischerweise hielten sich aber gerade die bayrischen Herzöge nicht an ihr eigenes Reinheitsgebot: Wer Weizenbier trinken wollte, mußte es bei den herzöglichen Brauereien kaufen. Später wurde dann das Braurecht für Weizenbier auch an andere Brauereien für gepfefferte Preise verkauft. Also statt Verbraucherschutz Sicherung des herzöglichen Monopols.

Mit dem Hopfen war es ähnlich: Zur damaligen Zeit war es üblich, das Bier mit anderen Pflanzen zu würzen, weit verbreitet waren Gagel und Porst, Hopfen war in vielen Städten zum Bierbrauen sogar verboten. Das Problem dabei: Gagel und Porst sind Pflanzen, die es in Bayern nicht gab. Auch hier nur ein Schutz der einheimischen Hopfenproduktion und Unabhängigmachen von Gewürzimporten.

Noch ein Argument wird oft gebracht: Durch das Verbot von Weizen zum Bier brauen sollte die Versorgung mit Brotgetreide gesichert werden. Wenn aber Gerste knapp und damit teurer wird, wird eben statt Weizen Gerste angebaut bzw. importiert, einfach weil es sich mehr lohnt. Dann gibt es aber trotzdem nicht mehr Brotgetreide.

Das Einzige was man wirklich als Verbraucherschutz gelten lassen könnte, war das Verbot der Verwendung von berauschenden Giftpflanzen zum Bierbrauen. Historisch belegt ist die Verwendung von Bilsenkraut, das auch in diversen Hexensalben verwendet wurde. Der Wirkstoffgehalt in den Pflanzen schwankt aber so stark, daß der „Genuß“ von solchen Bier zum russischen Roulett wurde.
Zurück in unsere Zeit: Trotz allem Werberummel um das Reinheitsgebot ist es schon längst nicht mehr gültig. Nach dem jetzt gültigen Gesetzen dürfen bei obergärigen Bieren Zucker und Süßstoff zugesetzt werden, und auf Sonderantrag auch andere für Lebensmittel zugelassene Stoffe. Außerdem dürfen „Klärmittel für Würze und Bier … verwendet werden, die … bis auf gesundheitlich, geruchlich und geschmacklich unbedenkliche, technisch unvermeidbare Anteile wieder ausgeschieden werden.“ Nicht nur daß diese Klärmittel wie zum Beispiel Polyvinylpolypyrrolidon nicht deklariert werden müssen, dank dieser Gummi-Formulierung gibt es keinerlei Grenzwerte, und Kontrollen schon gar nicht. Soviel zur angeblichen Reinheit.

Da trink ich doch lieber ein Bier, das mit Zusatz von Roggen aus biologischem Anbau gebraut wurde, als so ein zusammengepanschtes Zeug. Man kann nach dem Reinheitsgebot auch grottenschlechtes Bier brauen, Beispiele dafür wird wohl Jeder kennen.

Ein Grund (oder eine Frage der Notwehr) sein Bier selbst zu brauen. Solange man sein selbstgebrautes Bier nicht verkauft braucht man sich ums Reinheitsgebot nicht kümmern und kann nach Herzenslust experimentieren. Zusatz von anderen Getreidearten, Früchten oder Gewürzen – alles ist erlaubt. (Jedenfalls solange nicht schon die Zutaten verboten sind.)

Darf man das überhaupt? Nach dem Biersteuergesetz dürfen für den Eigenverbrauch bis zu 200 Liter Bier pro Jahr selbst gebraut werden. Das muß aber vorher bei der zuständigen Hauptzollverwaltung angemeldet werden. Ein formloses Schreiben reicht dafür aus. Zewckmäßigerweise sollte man darin gleich erwähnen, daß voraussichtlich nicht mehr als 200 Liter pro Jahr und ausschließlich für den Eigenbedarf gebraut wird.

Beim Bierbrauen gibt es ein Problem: Die zum Brauen verwendete Hefe kann mit der im Getreide vorhandenen Stärke nichts anfangen, sie braucht Zucker. Die Stärke muß also zuerst zu Zucker umgewandelt werden. Praktischerweise entsteht beim Keimen von Getreide ein Enzym, das diese Arbeit übernimmt. Der erste Schritt beim Bierbrauen ist also das Ankeimen von Getreide, das gekeimte und getrocknete Getreide heißt dann Malz. Das wird heutzutage in speziellen Mälzereien erledigt, selbst die großen Brauereikonzerne kaufen ihr Malz meistens fertig ein.

Das eigentliche Brauen beginnt mit dem Maischen: Dazu wird das geschrotete Malz mit Wasser vermischt und erwärmt. Dabei bestimmt die Temperatur, was für Zucker entsteht. Entweder Malzzucker (Maltose), der von der Hefe zu Alkohol umgesetzt wird, oder (bei höherer Maischtemperatur) nicht vergärbare Zuckerarten, die dann für den Geschmack sorgen. Damit entscheidet der Temperaturverlauf beim Maischen, ob ein eher herbes oder süßes Bier entsteht.

Dieses doch etwas umständliche Verfahren schreckt viele Leute ab, ihr Bier selbst zu brauen. Deshalb nimmt die Industrie den Anfängern diese Arbeit ab und bietet fertigen Malzextrakt für Hobbybrauer an. Für erste Versuche durchaus zu empfehlen, weil man damit nicht so viel falsch machen kann. Wer dann erstmal Blut geleckt hat kann später immer noch aufs Maischebrauen umsteigen.

Ein wichtiger Bestandteil des Bieres felht jetzt noch: Der Hopfen. Die für das Bier wichtigen Hopfen-Bestandteile sind die Bitterstoffe und die eigentlichen Aromastoffe. Das Problem dabei: Die Bitterstoffe bilden sich erst durch längeres Kochen, wobei die Aromastoffe verloren gehen. Beim kurzen Kochen hat man dann zwar die Aromastoffe, aber es werden keine Bitterstoffe gebildet. Deshalb setzt man einen Teil des Hopfens gleich beim beginn des Maischens zu. Durch das länge Kochen werden ausreichend Bitterstoffe gebildet. Gegen Ende des Maischvorgangs wird dann der Rest des Hopfens zugesetzt, um das Aroma zu erhalten. Auch da gibt es für Anfänger Hopfenextrakt, extra getrennt nach Bitterhopfen- und Aromahopfen-Extrakt.

Ist bis hierher alles fertig, beginnt nun der wichtigste Schritt, der aus dem Zuckerwasser erst Bier macht: Die Gärung. Das geht im Prinzip genau so wie bei der Herstellung von Wein oder Obstwein: Die Maische oder den Malzextrakt mit Wasser auf die gewunschte Stärke verdünnen, Hefe zusetzen und stehen lassen bis die Gärung beendet ist.

Beim Bier kommt nach dem Ausgären allerdings noch ein Schritt dazu: Der Druck muß noch in die Flaschen. Die für Hobbybrauer einfachste (und billigste) Methode dist die Flaschengärung: Man setzt nach dem Abfüllen eine geringe Menge Zucker oder Malzextrakt zu, verschließt die Flaschen und läßt das Bier einige Wochen stehen. Bei der dabei erfolgenden Nachgärung entsteht neben einer geringen Menge Alkohol Kohlendioxid, das dem Bier erst den letzten Schliff gibt.

Wer sich mehr fürs Hobbybrauen interessiert, findet hier genauere Brauanleitungen und Bezugsquellen für Geräte und Zutaten:

besser bier brauen bei brauherr.de

5 thoughts on “Das Märchen vom Reinheitsgebot oder warum man sein Bier lieber selber brauen sollte

  1. Für Exportbier scheinen noch weniger Beschränkungen zu gelten (Konservierungsstoffe?). In einem Urlaub in Spanien wollte ich mir mal ausnahmsweise ein bekanntes und dort teures deutsches Markenbier gönnen (aus dem Supermarkt). Es war vermutlich das ekligste Bier, das ich je getrunken habe und hatte mit der in Deutschland erhältlichen Variante nichts zu tun. Da schmeckten die einheimischen Sorten deutlich besser.

  2. Stimmt, für den Export dürfen Brauereien praktisch alles reinpanschen, was für Lebensmittel zugelassen ist. Gilt aber auch andersrum für importierte Biere.

    Für die USA und England gilt bei den Bieren das Gleiche wie hierzulande auch: Es gibt gute Sorten, aber auch grottenschlechte. Man muß die guten bloß erstmal finden, und in irgendwelchen billigen Massenmärkten stehen die eher nicht.

    Vorsicht vor allem bei dem Zeug, das in den USA unter dem Namen „Budweißer“ verkauft wird: Das hat mit dem Original nur eins gemeinsam, daß es flüssig ist. Das war übrigens der erste Fall von Produktfälschung, und die US-Gerichte sind bis zum heutigen Tag der Meinung die dürfen das. Nur wenn US-Produkte gefälscht werden ist das gaaanz schlimm.

  3. Es kann nicht im Ernst erforderlich sein, es beim Zoll anzumelden, wenn man sich zuhause ein ganz normales Getraenk zusammenmischt?

    Wie krank ist dieses Land eigentlich?

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