Der kommerzielle Satellitenmarkt 3

Mein letzter Artikel über den kommerziellen Satellitenmarkt stammte aus dem Jahr 1999. Seitdem hat sich viel geändert. Ich habe mich entschlossen, anstatt den alten Artikel zu verändern, ihn als Zeitzeugen so zu lassen, wie er ist und diesen hier komplett neu zu schreiben. Da er sehr lang ist gibt es im Blog den Artikel in drei Teilen: Hier im dritten Teil geht es um die Träger die derzeit keine großen Marktanteile haben. Um den Markt im Allgemeinen ging es vorgestern und um die drei Träger die derzeit den Markt dominieren gestern.

Atlas V

Die Atlas V sollte wie die Delta 4 nicht nur US-Nutzlasten transportieren, sondern durch eine höhere Nutzlast und ein Konzept die maximale Nutzlast durch Booster zu steigern, auch den beiden US-Herstellern eine bessere Position auf dem kommerziellen Markt verschaffen. Während dies bei der Delta 4 überhaupt nicht gelang, hatte die Atlas V zuerst einige Aufträge, jedoch an Ansicht des Herstellers Lockheed Martin zu wenige, auch stiegen die Produktionskosten der Rakete stark an. Als Sealaunch von 2009 bis 2011 unter Chapter 11 war, kamen weitere Starts hinzu. Sie wird inzwischen von ULA wieder aktiv angeboten. ULA (United Launch Alliance) besteht aus den Herstellern von Delta 4 (Boeing) und Atlas (Lockheed Martin). Starts für die NASA kosten rund 200-240 Millionen Dollar je nach Version (für die größere Atlas V 500 Serie). Kommerzielle Kunden müssten aber sich auch an den Fixkosten der Startbasis beteiligen, die derzeit von Air Force und NASA alleine getragen werden. Sie liegen bei 180 Millionen Dollar pro Jahr, was weitere 30 Millionen Dollar pro Start ausmacht. Die Atlas V gilt als relativ teuerer Träger, dies gilt vor allem für die kleinen Modelle, da die Nutzlast mit den Boostern stark ansteigt, jedoch kaum die Startkosten.

Die Atlas V existiert in zwei Varianten, die dann noch jeweils durch Booster erweiterbar sind. Die beiden Varianten unterscheiden sich in der Nutzlastverkleidung von 4 und 5 m Größe. Die 5 m Variante hat eine deutlich geringere Nutzlast. Die Rakete kann dann noch durch 1-5 Booster erweitert werden. Das kleinste Modell, die 501 transportiert 2.690 kg in einen Ariane 5 kompatiblen Orbit. Das leistungsfähigste Modell 551 transportiert 6.860 kg in diesen Orbit. In der Praxis wird man wie bei der Falcon 9 einen Orbit mit höherer Inklination (27-28 Grad, entsprechend dem Breitengrad des Startorts) anstreben und der Satellit hat dann größere Treibstoffvorräte, da die Nutzlast dann mit 3.460 kg (501) bzw. 8.900 kg (551) erheblich höher ist.

Die Atlas V hat bisher 37 Starts absolviert, davon misslang nur einer. Sie ist damit der absolut zuverlässigste Träger (97,2%), wenngleich wenn man die Flüge von Ariane 5 bis 2002 weglässt sie bei fünfzig Starts hintereinander eine Zuverlässigkeit von 100% hat. Die meisten sind davon aber für die NASA oder das DoD erfolgt. Das ist ein wesentlicher Unterscheid zu den oberen drei Trägern, bei denen kommerzielle Starts überwiegen. Die Startrate liegt bei 4-5 Starts pro Jahr, deutlich weniger als bei Ariane und Proton, aber auf dem Niveau der Zenit.

Langer Marsch

China hat eine Reihe von Trägerraketen, die alle „Langer Marsch„, chinesisch Chang Zheng, abgekürzt „CZ“, heißen. Es gibt die Familien Langer Marsch 2 (mit zwei Stufen für niedrige Umlaufbahnen), Langer Marsch 3 (mit einer kryogenen Oberstufe für geostationäre Umlaufbahnen) und Langer Marsch 4 mit einer lagerfähigen Oberstufe für sonnensynchrone Umlaufbahnen. Sie werden von der CGWIC (China Great Wall Industrial Corporation) vertrieben. Für geostationäre Transporte kommen Modelle aus der Reihe Langer Marsch 3 wie die CZ-3B (5.500 kg) und CZ-3C (3.800 kg) in Frage. Die chinesischen Starts gelten sehr lange als Preisbrecher. Ende der neunziger Jahre kostete ein Start nur halb so viel wie der auf einer Ariane 4.

Es gibt aber einen großen Unterschied: Während russische Unternehmen ihre Träger zusammen mit westlichen Kooperationspartnern anbieten, ist die CGWIC eine chinesische Firma. Dies und sicherlich auch der Umstand, das China noch kommunistisch regiert ist (auch wenn Russland nicht wirklich eine Demokratie ist) führte dazu, das chinesische Firmen, unter anderem die CGWIC auf der ITAR-Liste sind, das bedeutet, dorthin dürften keine Produkte geliefert werden, die bestimmte Hochtechnologieteile, vor allem Elektronik enthalten, die von US-Firmen hergestellt werden. Da irgendwo in einem Satelliten immer ein Chip aus einer US-Produktion steckte, kam dies einem Startverbot für Satelliten gleich. Nur wenige „ITAR-free“ Satelliten, die nur aus europäischen Bauteilen bestanden, konnten gestartet werden. Vor der Olympiade 2008 wurde China von der ITAR-Liste gestrichen. Doch der Durchbruch ist seitdem ausgeblieben.

Ob mitspielt, dass es in der Vergangenheit bei Starts zahlreiche Tote unter der Zivilbevölkerung gab, als es Fehlstarts gab und die Raketen ohne Selbstzerstörungssystem nicht gesprengt werden konnten und in Dörfer direkt neben dem Startgelände rasten, kann nur spekuliert werden. Immerhin finden die Starts nach wie vor von den gleichen Startkomplexen aus statt. Auch hier könnte die neue Generation Abhilfe bringen. Für sie wird ein neuer Weltraumbahnhof am Meere gebaut wo sie nicht mehr Land überqueren und sie verwenden auch weniger toxische Treibstoffe.

China startet selbst immer mehr Satelliten. Die Zahl der Starts hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen und 2011 wurden erstmals mehr Raketen als die USA gestartet. Eine neue Serie, die Langer Marsch 5 befindet sich im Bau und soll in den nächsten Jahren die alten Modelle weitgehend ablösen, Sie sollen mit 6,10 und sogar 14 t GTO Nutzlast noch konkurrenzfähiger als die alten Modelle sein. Der Jungfernflug der Langer Marsch 5 ist derzeit für 2014 vorgesehen.

Sojus STK

Die Sojus wird seit Anfang der neunziger Jahre von Starsem, einem Gemeinschaftsunternehmen aus Arianespace und den russischen Herstellern der Sojus vermarktet. Die Sojus ist die kleinste hier vorgestellte Trägerrakete, und solange sie nur von Baikonur aus startete, war ihre Nutzlast zu klein für kommerzielle Starts. Von 2006 bis 2011 wurde eine neue Startrampe für die Sojus im CSG errichtet, die weitgehend von der ESA/CNES, nicht aber Arianespace finanziert wurde. Zusammen mit einem neuen, leistungsfähigeren Modell, der Sojus 2-1 sind so erheblich schwerere Nutzlasten möglich. Dies liegt (wie bei der Zenit) an der geografisch günstigen Lage am Äquator. Die Sojus 2-1a transportiert 2,64 t in den GTO-Orbit und die Sojus 2-1b sogar 3,24 t. Das ist für kleinere Satelliten ausreichend. Vor allem werden mit dieser Rakete aber die europäischen Galileo Satelliten transportiert werden. Arianespace verspricht keine Konkurrenz zur Ariane 5, da die Sojus nur kleinere Nutzlasten startet und die Fixkosten sogar sinken können, da die Teams zwischen den Trägern wechseln können.

Daneben werden von Kourou auch Starts von sicherheitskritischen Satelliten wie den französischen Plejades Aufklärungssatelliten erfolgen, die von Baikonur aus nicht möglich sein. Baikonur wird aber auch weiterhin für „Nicht-GTO-Starts“ genutzt werden, schon alleine, weil dort die Startkosten mit 50 Millionen Euro gegenüber 70 Millionen im CSG viel kleiner sind. So erfolgen Starts der Globalstar Satelliten nach wie vor von Baikonur aus. In fast baugleicher Form wird die Sojus auch für die russischen Starts, unter anderem für die Transporte der Mannschaften und der Versorgungsgüter zur ISS eingesetzt. Das Modell hat eine beeindruckende Erfolgsquote, auch wenn im Jahr 2011 wieder ein Start scheiterte, so war dies doch der Erste seit Jahren.  Pro Kilogramm Nutzlast ist die Sojus genauso teuer wie die Ariane 5.

Absolut gesehen gelangen von 946 Starts der Sojus 921, das sind 97,4$. Nimmt man nur das neueste Modell Sojus-2 so sind es 15 von 17, also 88%.

Falcon 9  / Falcon Heavy

Die Firma SpaceX verspricht nicht weniger, als den gesamten Markt umzukrempeln. Sie wollen Trägerraketen zu einem konkurrenzlos niedrigen Preis anbieten. Ob dies so gelingt wird sich noch zeigen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich Prognosen über Herstellungskosten und Startraten nicht bewahrheiten sollten (auch die Ariane 5 war bedeutend preiswerter geplant, als sie nun ist). Die Firma hat zwei Modelle für geostationäre Nutzlasten im Angebot. Die „Falcon 9 v1.1„, die anders als die zum Zeitpunkt dieses Artikels noch im Dienst befindliche „v1 1.0“ schubstärkere Triebwerke und mehr Treibstoff einsetzt, kann 4,85 t in einen GTO mit 27 Grad Neigung transportieren. Dies macht eine höhere Treibstoffzuladung beim Satelliten notwendig um den endgültigen Orbit zu erreichen und entspricht einer GTO-Nutzlast von 4,3 t auf einer Ariane 5. Dafür soll ein Start nur 54 Millionen Dollar kosten – zum Vergleich: Ein 3,6 t schwerer Satellit, auf der Proton kostet das Doppelte.

Die Falcon Heavy entsteht, indem man zwei erste Stufen der Falcon 9 als Booster an die Seite montiert. Sie transportiert 12.000 kg in den GTO für einen Preis von 128 Millionen Dollar. Vieles an SpaceX ist laufenden Veränderungen unterworfen. Preise, Leistungsdaten und eingesetzte Versionen ändern sich dauernd. So wurden beide Modelle z.B. 2011 mit 5,5 und 19 t GTO Nutzlast angekündigt. Auftrieb hat die Firma nach drei erfolgreichen Flügen bekommen. Ihr erstes Modell die Falcon 9 hatte nur zwei erfolgreiche Flüge bei fünf Starts. Zwar gab es bei den ersten zwei Flügen Anomalien und keiner der drei Starts hielt die Vorgaben die SpaceX selbst angibt, hinsichtlich Einschußgenauigkeit ein, doch scheinen sie das Vertrauen der Industrie gekräftigt zu haben.

Es bleiben allerdings viele Fragen. Das Launchmanifest ist voll gefüllt. Die Firma hinkt aber hinter ihrem eigenen Zeitplan hinterher und hat niemals mehr als zwei Starts pro Jahr absolviert. Insgesamt in sieben Jahren nur acht Stück. Weiterhin lebt sie von den Finanzmitteln der NASA (Mitte 2011 hatte die NASA 85% des bisher verbrauchten Kapitals gestellt) und Versorgungsflüge für die ISS werden daher absolute Priorität haben. Schlussendlich ist die Firma in weiteren NASA-Ausschreibungen involviert und will diesen Kunden nicht verlieren. Kommerzielle Kunden sehen dies nicht so gerne und der Vorrang von NASA und DoD/NRO war auch ein Hindernis bei der Vermarktung von Atlas und Delta.

Bisher entfallen kommerzielle Kunden in zwei Kategorien: Kunden, denen andere Träger zu teuer sind und die daher auch bereit sind zu warten. So wird 2013 die erste Falcon 9 v1.1 einen Satelliten für MDA transportieren – dieser Kunde wartet seit 2008 auf diesen Start. Der zweite Kunde ist Iridium, die schon Probleme haben, die Finanzierung für die nächste Generation von Satelliten zusammenzubekommen, also keine Alternative haben. Zudem haben sie für die Zukunft gebucht, nutzen die Falcon 9 also erst in einigen Jahren, wenn sie (hoffentlich) ihre Kinderkrankheiten abgelegt hat. Die etablieren Kunden wie SES oder Intelsat haben dagegen Optionen abgeschlossen, oft mit Ausstiegsklauseln und Optionen bei anderen LSP. So hat SES im September 2012 zwar drei Starts gebucht, macht die aber von erfolgreichen Flügen vorher abhängig und hat eine Ausstiegsoption, wenn SpaceX nicht den Starttermin halten kann. Gleichzeitig buchte die Firma eine Option für dieselben drei Starts auf einer Ariane 5.

Viele sehen in SpaceX derzeit eine Alternative zu ILS, da die Proton in den letzten Jahren sehr viele Fehlstarts hatte, die auch die Versicherungsprämien anstiegen lassen, ein Nachteil der dann alle LSP betrifft. Wenn SpaceX weitere Fehlstarts verkraften müsste oder der Terminplan weiter nicht das halten kann, was das Launchmanifest hält, könnte es sein, dass sie die meisten kommerziellen Kunden wieder verliert. Es sprangen schon Kunden ab, so hat Avanti Communications deren Satellit Hylas SpaceX 2009 starten sollte, seine Ausstiegsklausel in Anspruch genommen und ihn 2010 an Bord eiern Ariane 5 gestartet. Avanti wartete ein Jahr. So wie es jetzt aussieht, hätte die Firma vier weitere Jahre warten müssen.

H-2A und H-2B

Japan begann seine Raketenentwicklung in den sechziger Jahren. Zwei Linien gab es über fast vier Jahrzehnte. Die nur aus Feststoff bestehenden Raketen der Lambda und My-Serie, die nach der My-V eingestellt wurde waren rein japanische Entwicklungen. Dagegen begann die Entwicklung von mit flüssigen Treibstoffen angetriebenen Raketen mit Lizenzfertigungen der US-Delta. Die N-1 und N-2 waren Lizenzfertigungen der Delta M/N und Delta 2900.  Von Japan stammten nur die Oberstufen und Elektronik.

Die H-1 ersetzte die Delta Stufe durch eine rein japanische die Wasserstoff/Sauerstoff als zweite Stufe und steigerte so die Nutzlast deutlich. Darauf aufbauen wurde die H-2 entwickelt. Die H-2, deren Erstflug 1992 stattfand, war eine technisch anspruchsvolle Rakete. Zentralstufe und Oberstufe setzten beiden die Kombination flüssiger Wasserstoff/Sauerstoff ein. Ergänzt wurde sie durch zwei Feststoffbooster. Leistungsmäßig mit den größten Versionen der Ariane 4 vergleichbar, wog sie nur 54% der Ariane 44L.

Doch die H-2 war ein sehr teurer Träger. Versuche sie auf dem kommerziellen Markt anzubieten scheiterten aufgrund des hohen Startpreises von 14 bis 19,5 Milliarden Yen, damals 190 Millionen Dollar pro Start. Weiterhin scheiterten auch drei der sieben durchgeführten Starts.

Um die H-II Startkosten zu verringern, entstand aus der H-II die H-IIA, die seit 2001 im Einsatz ist. Sie sollte preislich attraktiver werden. Dies geschah indem man die Nutzlast steigerte und alle Stufen verlängerte, gleichzeitig sollte sie billiger werden indem man das Design vereinfachte, so bestehen die Feststoffbooster nun aus einem anstatt vier Segmenten. Weiterhin wurde das Prinzip aufgegeben, dass die Rakete ganz in Japan gefertigt wird. So fertigt MT Aerospace die Tankdome für die H-2A und neue Feststoffbooster die anstatt oder ergänzend zu den alten eingesetzt werden können, stammen von Thiokol.

Mit der H-2A gelang es die Startrate zu steigern und die Kosten zu verringern. 2006 kostete ein Start nur noch 10 Milliarden Yen. 40% weniger als der des Vorgängers. 2007 übertrug die JAXA dann die Verantwortung aus Mitsubishi Heavy Industries (MHI). Sie sollte die Rakete herstellen, Starten und vermarkten. 2009 kündigte MHI an, die Startkosten von 90 auf 64 Millionen Dollar zu senken, doch scheint dies nicht gelungen zu sein, denn bis zum September 2012 gelang es nur einen Satelliten „Kompsat-3) als Sekundärnutzlast zu starten. Als dieser Vertrag am 13.1.2009 abgeschlossen wurde, wurde ein Startpreis von 100 Millionen Dollar für eine H-2A genannt.

Die Hoffnungen liegen nun auf der H-2B. (Bild) Sie entstand aus der H-2A indem die erste Stufe im Durchmesser vergrößert wurde. Weiterhin setzt sie nun zwei Triebwerke in der ersten Stufe und vier Feststoffbooster ein. Bei einer Nutzlast von 8000 kg (H-2A: 3.700 bis 5.800 kg) kostet ein Start 15 Milliarden Yen, rund 182 Millionen Dollar. Damit liegt man in einer Region wo man mit anderen Trägern konkurrieren kann. Auch hier übertrug die JAXA am 27.9.2012 die Vermarktung der Rakete an MHI. MHI kündigte an die Rakete aggressiv zu vermarkten. Bisher erfolgten aber nur Starts des japanischen ISS-Versorgers HTV mit dieser Rakete.

Bis zum 27.9.2012 erfolgten 21 Starts der H-IIA, davon scheiterte nur einer. Die H-IIB startete seit 2009 dreimal mit bislang makelloser Bilanz. Die H-II Serie zeigt, dass nicht nur Zuverlässigkeit zählt, sondern auch der Startpreis

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