Das Annus Horribilis der US-Raumfahrt

Die Raumfahrträtsel haben mich auf eine Idee gebracht, nämlich an ein Jahr zu erinnern, dass sicher als das Annus Horribilis der US-Raumfahrt eingeht, das Jahr 1986. Den meisten bleibt es natürlich in Erinnerung durch die Explosion der Challenger am 28.1.1986, doch gerne vergessen wird, dass in diesem Jahr in der US-Raumfahrt auch sonst einiges schief lief. Die beiden Abbildungen die ich mit meinem Programm Launchlog erstellt habe, zeigen die Problematik. Abbildung 1 zeigt alle US-Starts seit 1957. Deutlich ist das 1986 und 1987 die niedrigste Startzahl seit 1957 aufweisen, anders gesagt, selbst ein Jahr nach Beginn der Raumfahrt erfolgten mehr Starts. Selbst wenn man das Jahr mit den Jahren zuvor und danach vergleicht fällt der Einbruch auf.

US Starts

Das zweite ist noch deutlicher, es ist die Erfolgsstatistik. Hier fällt der Einbruch bei 1986 besonders auf, selbst 1987 mit genauso vielen Starts ist deutlich besser:

Erfolgreiche Starts der USA

Es ist der schlechteste Wert seit 1960, ein Drittel aller Starts scheiterten. Nun was passierte in diesem Jahr:

  • Am 28.1.1986 explodierte die Challenger 72 s nach dem Start. Die Ursache war ein durchgebrannter Dichtungsring in einem der Feststoffbooster, der bei Kälte nicht elastisch genug ist um dem beim Start sich aufbauenden Druck nachzugeben und in eine Vertiefung zurückzuweichen.
  • Am, 18.4.1986 explodierte eine Titan 34D mit dem letzten Hexagon Satelliten nur 9 Sekunden nach dem Start. Die Trümmer beschädigten beide Startrampen des SLC 4 und verursachten einen Schaden von 70 Millionen Dollar.
  • Am 3.5.1986 wurde eine Delta 3914 mit dem Wettersatelliten GOES-G nach 71 s gesprengt, als das Haupttriebwerk vorzeitigen Brennschluss hatte,

Wenn man es noch etwas weiter fasste muss man zwei andere Vorfälle erwähnen: Am 28.8.1985 ging bei einem weiteren Titan Fehlstart ein KH-11 Satellit verloren. Dieser Verlust führte überhaupt erst dazu, dass man den eigentlich veralteten KH-9 Hexagon Satelliten startete. Nun hatte die NRO kein einsatzbereites Aufklärungssystem mehr im Orbit. Am 26.3.1987 folgte dann ein Verlust einer Atlas Centaur mit einem Fleetsatcom Satelliten. Die Rakete war beim Aufstieg von einem Blitz getroffen worden. Das sie bei diesem Wetter startete, bzw. nicht ausreichend abgesichert war führte dann zu einer Untersuchung des Starts.

Da auch Arianespace zwei Fehlstarts 1985/86 hatten, die beide auf dieselbe Ursache zurückzuführen waren gab es vor allem bei kommerziellen Starts nun einen Stau, denn die wenigen verbliebenen Raketen wurden nun für die Nutzlasten der NASA und des Militärs genutzt. Der Stau war so groß, dass sogar die erheblich teurer als die Konkurrenz angebotene Titan drei kommerzielle Startaufträge erhielt.

Die USA hatten vor dem Verlust der Challenger die Produktion der Raketen heruntergefahren, d.h. keine Aufträge mehr vergeben. Nur während einer Übergangszeit sollten noch die letzten Exemplare „verfeuert“ werden. Sie hatten praktisch sich vollkommen vom Space Shuttle abhängig gemacht. Dieser fiel nun aus, als Folge gab es 1986/87 die wenigsten Starts seit 1958, bis wieder die Produktion angelaufen war, die bei einer Trägerrakete schon mal zwei Jahre dauern kann. Die NASA zog die Lehren. Das Space Shuttle würde nur noch wissenschaftliche Nutzlasten transportieren die anders nicht startbar waren, danach nur noch bemannte Missionen mit dem Speacelab. Auf Druck des Präsidenten wurden dann die gesamten Starts der USA privatisiert. Die NASA startete nun nicht mehr selber sondern kaufte diese Leistung bei den Herstellern der Raketen ein, die auch ihre Raketen auf dem internationalen Markt anbieten konnten. Die USAF hatte schon vorher die Titan 34 als Zwischenlösung geordert und gab nun die Titan 4 in Auftrag.

Das es einen Unterschied macht ob ein System bemannt ist oder nicht, zeigte sich aber auch in diesen Jahren deutlich: Sechs Monate nach dem Verlust von GOES-G startete schon die nächste Delta. Das Ersatzexemplar genauso wie die nächste Titan im darauffolgenden Februar. Bei einem eingeführten Träger fixt man die Ursache und macht weiter – die Verzögerungen liegen bei einigen Monaten. Das Space Shuttle war dagegen zweieinhalb Jahre am Boden. Selbst bei einem Neudesign, wie bei dem Triebwerksstart der dritten Stufe, der wie der Verlust von V15 und V18 der Ariane zeigten, unter Umständen eine nicht zündfähige Mischung hervorbringen konnte, waren die Verzögerungen geringer. Nach intensiven Tests für die 13 Triebwerke und 30 Turbopumpen gebaut wurden flog nach 17 Monaten die nächste Ariane 2. 17 Monate sind zwar auch lang, aber doch noch erheblich kürzer als die 32 Monate die das Shuttleprogramm am Boden stand.

Trotz der Verzögerung war Arianespace schneller wieder startbereit und sie konnte kommerzielle Aufträge annehmen, während die US-Hersteller zuerst einmal die schon startbereiten NASA/DoD/NRO Nutzlasten starten mussten. Im nächsten Jahr startete die Ariane 4 zum ersten Mal – das erhöhte die Nutzlastkapazität weiter von 2600 auf 4400 kg. Das neue Launchpad ELA 2 lies zudem bis zu 12 anstatt 4 Starts pro Jahr zu – und Arianespace wurde zum Marktführer.

One thought on “Das Annus Horribilis der US-Raumfahrt

  1. Den meisten bleibt es natürlich in Erinnerung durch die Explosion der Columbia

    Das muss aber auch Challanger heissen, so wie weiter unten auch. Die Columbia ging erst 2003 verloren, als beim Wiedereintritt das Problem mit dem kaputten Hitzeschild an der Vorderkante der rechten (?) Tragfläche auftrat.

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