Vor 15 Jahren – über den Mond in den GEO Orbit: Asiasat 3A / HGS-1
Am 24.12.1997 startete AsiaSat 3 mit einer Proton K. Geplant war das die Oberstufe Block DM-3 zuerst den Satelliten in einen geostationären Übergangsorbit befördert. Am Apogäum angekommen sollte Block DM-3 erneut zünden und die Inklination abbauen und den erdnächsten Punkt anheben. Das kombinierte Manöver hat den Sinn die Geschwindigkeit die nötig ist, um den kreisförmigen GEO Orbit in rund 36000 km Höhe zu erreichen zu reduzieren. Starts von Baikonur aus haben den Makel, dass dazu der Satellit 2.100 m/s aufbringen muss. Würde er mit einer Ariane 5 oder einer Zenit 3 SL starten, so wären es nur 1.500 m/s. Da die Betreiber von Kommunikationssatelliten sich möglichst viele Optionen beim Start offen lassen wollen (falls ein Träger für längere Zeit „gegrounded“ ist, wie dies z.B. mit der Ariane 5E nach dem Jungfernflug, aber auch der Proton nach zahlreichen Fehlstarts der Fall war, ganz zu schweigen von Sealaunch die einige Jahre unter „Chapter 11“ des US-Insolvenzrechtes kamen und keine Starts durchführten), ist dies von Nachteil. Die Proton gleicht diesen Nachteil aus, indem die Oberstufe mindestens eine weitere Zündung durchführt um die Geschwindigkeit die der Satellit aufbringen muss auf den gleichen Wert wie bei einem Start vom CSG aus zu reduzieren.
Block DM-3 brannte zuerst 589 s lang und platzierte den Satelliten in einem geostationären Übergangsorbit. In 36000 km Höhe angekommen, nach 6 Stunden, 18 Minuten und 42 s später sollte Block DM-3 erneut zünden und während 110 s die Bahn anheben. Nach nur einer Sekunde schaltete das Triebwerk ab, und Asiasat 3 strandete in einem Orbit von 203 x 36.008 km mit einer Inklination von 51,37 Grad.
Für den Betreiber Asiasat war der Fall damit erledigt, der Satellit wurde als Versicherungsfall gemeldet. Die Versicherung zahlte 200 Millionen Dollar an Asiasat. Am 21.3.1999 wurde als Ersatz Asiasat 3S gestartet, erneut mit einer Proton. Der Hersteller HGS (Hughes Global System) erwarb von der Versicherung den Satellit und begann zuerst das Perigäum um 150 km anzuheben (auf 365 km) um Zeit zu gewinnen. Ingenieure hatten den Plan Asiasat zum Mond zu senden und die Gravitation des Mondes zu nutzen, das Perigäum anzuheben und die zu hohe Inklination anzuheben.
Der Mond kann wie jeder andere Himmelskörper für „Gravity Assists“ genutzt werden. Japan hatte dies dreimal bei seinen Raumsonden schon gemacht. Obwohl der Mond eher klein ist kann er je nach Anfluggeometrie die Geschwindigkeit um bis zu 800-1.000 m/s ändern. Damit kann man sowohl den erdnächsten Punkt anheben wie auch die Bahnneigung verändern. Schon die erste Raumsonde, die am Mond vorbeizog zeigte dies: Lunik 3 flog in 6200 km auf der Mondrückseite vorbei. Der Mond lenkte die Sonde wieder zur Erde zurück und veränderte die Bahn in eine von 46.500 × 470.000 km Erdentfernung, hob den erdnächsten Punkt also um 46.000 km an und den erdfernsten um 80.000 km.
Das Problem war, das Asisat ein Telekommunikationssatellit war. Er hatte zwar viele Transponder zum Übertragen von Signalen an Bord, doch diese waren hier Nutzlast. Das Telemetriesystem, das Daten übertrug und der Kommandoempfänger warem nicht ausgelegt worden aus zehnmal höherer Distanz als dem GEO zu operieren. Es war keine präzise Bahnverfolgung möglich. Um trotzdem den Mond als Ziel nutzen zu können wollte man daher zuerst eine selten genutzte Bahn einschlagen. Die meisten Raumsonden und auch die Apolloraumschiffe flogen auf einer „freien Rückkehrbahn“, eine Bahn die in 3-4 Tagen zum Mond führt. Stattdessen erarbeitete man eine Bahn mit „Schwacher, Stabiler Bindung“. Sie führt zuerst auf eine Fluchtbahn, die bis 1,5 Millionen km Entfernung führt. Eine Midkurskorrektur führt dann zu einem Kurs wo der Satellit den Mond nah passiert oder sogar unter geringem Treibstoffverbrauch eingefangen werden könnte. Das Problem war diese Spitzenentfernung. Über diese Distanz könnte man nicht mit HGS-1, wie der Satellit nach Übernahme von HGS nun genannt wurde, kommunizieren. Viel mehr als 400.000 km waren nicht möglich. Das führte zu einer schnelleren, aber mehr Treibstoff kostenden Route die eine Freiflugbahn beinhaltete, wegen der Unsicherheiten in der Positionsbestimmung aber nicht nahe an den Mond heranführen würden. Damit ist der Geschwindigkeitsgewinn beschränkt, aber eine Abweichung von 100 km bewirkt keine große Änderung der Bahn.
- Am 28.4.1998 zündete HGS-1 im Perigäum sein Haupttriebwerk zum ersten Mal und erreichte ein Apogäum von 214.000 km.
- Am 4.5.1998 brachte eine zweite Zündung den Satelliten auf eine Bahn mit einem Apogäum von 321.000 km.
- Am 7.5.1998 brachte eine dritte Zündung den Satelliten auf eine Bahn die bis zu 6.200 km an den Mond brachte. Diese wurde am 15. Mai 1998 erreicht. Der Mond hob das Perigäum auf 42.000 km an. Das Apogäum erreichte 488.000 km.
- Nach zwei Umläufen auf dieser Bahn passierte HGS-1 den Mond am 6. Juni 1998 erneut. Diese Passage reduzierte die Inklination auf 8 Grad und senkte das Perigäum auf 36000 km ab.
- Zwei Zündungen einmal von 46 und 2 Minuten Dauer am 14.6.1998 senken den Orbit auf einen von 36000 x 51000 km ab. Am 15.6. kam eine weitere Zündung von 28 Minuten Dauer, die ihn auf einen 36000 x 45000 km Orbit reduzierte und eine letzte Zündung des eigenen Antriebs über 12 Minuten Dauer am 16. Juni 1998 brachte den Satelliten dann in den geostationären Orbit in 36000 km Höhe mit einer Inklination von 0 Grad. Hier wurde er geparkt bis HGS einen Kunden für ihn fand.
Als der Satellit im endgültigen Orbit angekommen war, wurden erst die Solarpanels entfaltet. Das klappte nur bei einem der beiden Paneele. Als Ursache wurde der Temperaturstress angegeben – während der Reise wurden die Panels länger erhitzt und abgekühlt als diese bei einem GTO der Fall gewesen wäre, zudem war eine Entfaltung wenige Stunden nach dem Start geplant, keine Reise über 6 Monate.
Panamsat kaufte 1999 den Satelliten, benannte ihn in PAS22 um und betrieb ihn 3 Jahre lang. Im Juli 2002 wurde er in einen Friedhofsorbit verschoben.
Die Frage ist nun, ob dieses Phänomen sich energetisch lohnt. Asiasat 3 hätte 600 m/s mehr aufbringen müssen um den GEO Orbit aus dem Übergangsorbit aus zu erreichen. Den Treibstoff hätte der Satellit gehabt. Er wog leer 1674 kg. Bei den üblichen Antrieben eines Satelliten erlaubt diese Treibstoffmenge eine Geschwindigkeitsänderung von rund 2230 m/s. Dann wären noch 130 m/s verblieben, was für einen Betrieb über 3 Jahre ausgereicht hätte. Nominell sollte der Treibstoff für 15 Jahre reichen. So war der Satellit ein Jahr länger in Betrieb, aber auch so hat das Manöver um den Mond mehr Triebstoff gekostet als eine Standard-GTO Bahn.
Nun ist dies berechenbar. Die erste Bahn von HGS-1 war eine 365 x 36.012 km Bahn. Hier hat der Satellit im Perigäum eine Geschwindigkeit von 10.100 m/s. Die Bahn führte die Sonde 6.200 km über die erdabgewandte Seite des Mondes. Unter der Annahme einer mittleren Mondentfernung von 384.400 km vom Erdmittelpunkt ist dies 386.000 km von der Erdoberfläche entfernt. Dafür benötigt HGS-1 eine Geschwindigkeitsänderung von 682 m/s.
Die erreichte Bahn war eine von 488.000 x 36000 km x 8 Grad. Um das Apogäum abzusenken benötigt der Satellit im GEO Orbit weitere 1094 m/s. Dazu kommt noch die Anpassung der Inklination, die 500 m/s erfordert. Vektoriell addiert sind dies 1238 m/s. Zusammen mit den schon aufgewandten 682 m/s sind es 1920 m/s, also eine Ersparnis von 180 m/s gegenüber der Anhebung des GTO Orbits, aber 420 m/s mehr als geplant. Das reduziert die Lebensdauer auf rund 5 Jahre.
Der Gewinn ist aber nicht sehr groß. So wurde das Manöver für Orion 3 im Jahr 2000, 2006 für ArabSat 4A und 2008 für AMC-14 erwogen, aber nicht ausgeführt. Dabei gab es nicht nur technische Gründe sondern auch Probleme zwischen Satellitenherstellern und Betreibern. (bei AMC-14). Orion 3 wurde mit einer Delta III gestartet. Arabsat 4A und AMC-14 mit einer Proton.
Selbst wenn man den Idealfall hat (die zweite Bahn wird nicht ausgeweitet wie bei Arabsat 3A und verbleibt in 386000 km Höhe, der Mond reduziert die Inklination auf 0, was nur möglich ist wenn er die Äquatorebene kreuzt (die Mondbahn ist 5,145 Grad zum Äquator geneigt) beträgt der gesamte Geschwindigkeitsbedarf 1735 m/s, was immer noch 235 m/s über dem für einen 0 Grad GRO liegt. Für ein Station Keeping braucht ein geostationärer Satellit je nach Quelle 45 bis 55 m/s pro Jahr, das senkt die Lebensdauer also um rund 5 Jahre ab.
Auf der anderen Seite ist es energetisch günstiger als ein GTO von Baikonur aus, da allerdings keine Oberstufe über diese Zeit (im Falle von Asiasat 3 erstreckte sich das Manöver über mehr als einen Monat) in Betrieb bleiben kann und der Satellit alle Manöver durchführen muss ist dieser Vorteil nur theoretischer Natur.
Links:
Außerhalb des Themas, aber super anzusehen, die Bilder von der „Rocketcam“ Sterex vom letzten Ariane Start
http://www.spaceflightnow.com/ariane/va213/sterex/
Ams schönsten wirds zum Schluss wenn man die abgetrennte EPC in voller Schönheit sieht.
Von Baikonur aus: Die Breeze-Oberstufe könnte den Satelliten während ihrer normalen Betriebszeit auf den trans-lunar-orbit einschießen. Der Satellit muss dann nur die Bahnkorrekturen unterwegs (wenige m/s, wenn überhaupt) und eben das finale Einschwenken in den GEO nach dem Gravity Assist (laut Artikel 1238 m/s; im konkreten Fall kann es auch etwas mehr oder weniger sein) durchführen, also weniger als bei einem Ariane-Start! Die Breeze-M müsste gut 600 m/s mehr aufbringen als bei einem Minimal-Baikonur-GTO, aber das macht sie bei den meisten Starts ja eh *g*
Probleme gibt es aber reichlich:
* Das genaue Massenverhältnis muss stimmen. Könnte die Breeze-M, weil der Satellit leicht genug ist, mehr als die genannten gut 600 m/s zuliefern, kann sie das bei der Mondvariante nicht dem Satelliten zugute kommen lassen, bei SSTO oder GTO mit angehobenem Perigee hingegen schon. Am Ende ist die Mondvariante also nur bei einer kleinen Zahl von Satelliten überhaupt sinnvoll.
* Die sichere Kommunikation mit dem Satelliten über die große Entfernung benötigt zusätzliche Hardware, ebenso müssen alle Komponenten den veränderten Umgebungsbedingungen gewachsen sein.
* Die Missionsplanung wird viel komplizierter; statt täglich wiederkehrender Startfenster hat man wahrscheinlich exakte Startzeitpunkte, die man treffen muss.
Klar sind 200 bis 400 m/s Treibstoffersparnis von Baikonur aus attraktiv. Aber die kann man mit weniger Risiko und Kosten auch erreichen, wenn man für das Station Keeping auf Ionenantrieb umstellt. Stellt man auch den Hauptantrieb auf Ionenantrieb um, ist sogar noch mehr drin, insbesondere, wenn man nur noch in den LEO startet.
Kai
Zu dem Video des Ariane-Starts: Was ist das bei 0:42, vielleicht der Übergang in den Überschallbereich? Diese Wolken die sich um den Booster bilden sehen auch lustig aus.
Nach Launchkit ist die Rakete nach 49 s überschallschnell. Das wird es sein. Das Video ist etwas gestaucht (die EPC wird nach 7 Minuten abgetrennt, in der Realität sind es aber 9 Minuten). Das passt also. So angestaute Luft gibt es immer wenn die Schallgrenze passiert wird. Das sieht man auch bei anderen Trägern und Flugzuegen, wie hier:
http://www.airpower.at/news01/0614ueberschall/soundbarrier.jpg