Ist die bemannte Raumfahrt ein Geschäftsmodell?

In einigen der Kommentare zu einem der letzten Blogs wurde vorgeschlagen doch anstatt der ISS entweder eine große Raumstation (dazu komme ich später zurück) oder das ganze privat zu machen. Es gibt derzeit soweit ich weiß nur eine Firma die bemannte Raumfahrt privat vorhat, das ist Bigelow mit den aufblasbaren Modulen. Unabhängig von der technischen Umsetzung ist für jede Firma ein Geschäftsmodell wichtig, das bedeutet: rechnet es sich?

Zuerst einmal eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation. In der gesamten Raumfahrt gibt es nur ein Geschäftsfeld, dass komplett ohne staatliche Unterstützung auskommt: das ist der Start von Kommunikationssatelliten jeder Art, egal ob niedrig fliegende Systeme wie Iridium, mittelhohe wie O3B oder die breite Palette der geostationären Satelliten. Alle anderen kommerziellen Projekte sind zumindest teilweise auf staatliche Unterstützung angewiesen. Fotoaufklärer auf NSA und Co, welche die meisten Bilder abnimmt, bei manchen Satelliten sogar alle und dann sie nur noch in reduzierter Auflösung weiter in den freien Verkauf abgibt. Launch Service Provider werden zumindest bei der Entwicklung von staatlichen Stellen unterstützt. Daneben buchen diese auch Starts. Der einzige LSP, der weniger als 50% Staatsanteil an den Aufträgen hat, ist Arianespace. Bisher wurde auch keine Rakete rein privat entwickelt, SpaceX war z.B. bis zum Abschluss des COTS Programms zu 85% von der NASA und USAF finanziert und die CRS Flüge machen mehr als die Hälfte ihres Auftragspolsters aus.

Wie sieht es nun bei bemannter Raumfahrt aus? Die ISS ist teuer: nicht nur in der Errichtung sondern auch dem Unterhalt. Der NASA Anteil, der ausgewiesen ist, beträgt rund 3 Milliarden Euro pro Jahr. Bei ESA sind es auch rund 450 Millionen Euro. Bei der JAXA darf man angesichts sogar noch größerer Beteiligung mit ähnlichen Aufwendungen rechnen. Bei Russland ist es sehr schwierig zu sagen, weil es keine Zahlen gibt und man westliche Ausgaben nicht 1:1 übertragen kann. so kostete Phobos Grunt als Mission nur etwas mehr als die Trägerrakete wenn sie im Westen gebucht wurde.

Die Kosten sind aber wesentlich für die Nachfrage. Die wiederum hängt von den Preisen an. Bigelow hat mal eine vorläufige Preisliste veröffentlicht:

  • 25 Millionen Dollar für die Miete der Station für 60 Tage (ein Drittel des Volumens)
  • 26,26 oder 36,75 Millionen Dollar für den Transport eines Astronauten mit Dragon oder CST-100

Das klingt erst mal günstig. Rechnet man das auf die ISS Besatzung hoch (6 Personen, 360 Tage), so sind das 1.845 bis 2.223 Millionen Dollar. Also in jedem Falle günstiger als heute der ISS Betrieb, obwohl dabei die Aufbaukosten mit eingeschlossen sind. Allerdings ist offen, ob in diesen Summen auch die Versorgungsgüter eingeschlossen sind und Experimente muss man zumindest wenn man industriell oder wissenschaftlich forschen will auch noch mit hoch bringen. Die sind bei den ISS Kosten mit dabei. Setzt man dafür einen zusätzlichen Dragon Flug mit zwei Racks und Nahrungsmitteln/Wasser/Gasen pro Person an und nimmt an, das wie bei der ISS nur alle 180 Tage gewechselt wird, so ist man bei 234,25 Millionen Dollar pro Astronaut/6 Monate.

Was gäbe es an Kunden? Zuerst mal die beiden Juniorpartner an der ISS Jaxa und ESA. Sie zahlen fiel, haben aber nur wenige Rechte auf Sitze. Die Gegenrechnung ist nun was ESA und JAXA bezahlen für ihre Astronauten. Sie dürfen alle 18 Monate einen Astronauten entsenden und in der ESA gibt man dafür den dreifachen Betrag den der Aufenthalt auf Bigelows BA-330 aus, wobei in diesem aber aber auch die Experimente und Astronautenausbildung eingeschlossen ist,

Für Länder die Kosten sparen wollen, wäre das Konzept also attraktiv. Es gibt noch viele Länder in denen alleine die Tatsache, dass man einen Astronauten im All hat schon sehr publicityträchtig ist. Das sind vor allem nicht die typischen Weltraummächte also Schwell- oder Entwicklungsländer. Für sie wären auch die preiswerten kurzen Visiten interessant da billiger. Allerdings streben die meisten größeren Weltraumnationen nach einem eigenen Zugang zum Weltraum mit einer eigenen Station, selbst wenn sie nur Bestandteil einer größeren wie der ISS ist. China ist ein gutes Beispiel. An Bord ihrer Weltraumstation kann man wenig machen, aber sie ist chinesisch, selbst gebaut und gestartet.

Seitens der Industrie gab es in den vergangen Jahrzehnten kaum Interesse an der Forschung, obwohl sie wie die wissenschaftliche Forschung nicht mit den Kosten belastet werden, die vom Weltraumetat getragen werden. Was bleibt ist dann noch der Weltraumtourismus. Sarah Brightman wird 2015 für 10 Tage zur ISS fliegen. Sie soll mehr zahlen als die 51 Millionen die die NASA zahlt (nur logisch, denn der NASA gehört ja die Station und sie schickt ausgebildete Astronauten, während Brightman noch eine Ausbildung absolviert). An Bord von Bigelows BA-330 würde sie zum selben Betrag 60 Tage forschen. Die Kosten sind also vergleichbar (ist man erst mal im All braucht man pro Tag nur noch Verbrauchsgüter und die sind relativ preiswert, verglichen mit dem Personentransport). Die Nachfrage ist aber schwer einzuschätzen. Bisher war es so dass die Zahl der Touristen begrenzt war. Beim Aufbau dadurch dass die Besatzung maximal 3 betrug und mehr als ein Tourist konnte nicht dabei sein, beim Betrieb deshalb dass die Flüge schon von den Besatzungen der Länder belegt sind. Eventuell sind es dann mehr. Doch denke ich wird Bigewlos Station immer noch weitgehend leer sein. Auf dieser 60 Tagesbasis könnte die Station maximal 18 Besatzungsmitglieder pro Jahr unterstützen. Doch so viele Astronauten von Drittländern und Weltraumtouristen wird es sicher nicht geben. Bei 180 Tage pro Besatzung sind es dann immerhin noch 6 Personen pro Jahr, doch so lange dürften die Touristen sicher nicht an Bord bleiben.

Es könnte aufgehend, wenn Bigelow wie andere Firmen staatliche Unterstützung bekommt. Das könnte in der Form sein, das Bigelow seine Station startet. JAXA und ESA ihr ISS Engagement aufgeben und ein Transporter die Racks in die BA-330 transferiert. ESA und JAXA könnten dann für die Hälfte der derzeitigen Kosten jeweils einen Astronauten zur BA-330 entsenden und so die Stammbesatzung bilden. Den Rest würden dann Touristen oder Astronauten aus anderen Staaten stellen.

Allerdings funktioniert das nur wenn das Modell aufgeht. Da sehe ich schon Schwachpunkt. Die Versorgung scheint nicht geregelt zu sein und die Preise sind so berechnet, dass sieben Astronauten befördert werden. Doch wird dies immer der Fall sein und wenn, warum geht Bigelow von einer „Drittelstation“ bei sieben Astronauten aus? Eine Lösung könnte sein, das Bigelow mit Untervermietung rechnet (ein Betreiber mietet zwar eine Drittel Station, startet aber drei Astronauten) oder dass man damit rechnet das die anderen Astronauten dann weiter zur ISS fliegen. Das funktioniert auf der Erde ja schon seit langem so „Nächster Halt Bigelow“, „wir erreichen nun unseren Endbahnhof ISS, bitte alle aussteigen…“.

Da es bisher keinen privaten Anbieter von bemannten Starts gab, ist es nur äußerst schwer zu beurteilen ob das Konzept tragfähig ist, ich würde aber mich zu der Aussage bekennen: ohne irgendwelche intentionelle Starts von Raumfahrtagenturen, sicher nicht. Aber wer weiß, vielleicht ist es auch der Anfang, der Beginn einer Ära wie bei CRS – die NASA baut keine Raumstation selbst, sondern bezahlt für die Nutzung einer. Wenn man die Sicherheitsstandards definiert sehe ich keinen Grund warum das nicht funktionieren sollte. Aber wie man CCDev sieht hört diese Freiheit bei der bemannten Raumfahrt schon auf.

3 thoughts on “Ist die bemannte Raumfahrt ein Geschäftsmodell?

  1. > Wenn man die Sicherheitsstandards definiert sehe ich keinen Grund warum das nicht funktionieren sollte.

    Vorausgesetzt man hält sich auch daran. Siehe die Shuttle-Abstürze oder Fukushima. Sicherheitsstandards waren zwar genug vorhanden, aber mehr oder weniger nur auf dem Papier.

  2. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die MASA hat im bemannten Bereich enorm hohe Sicherheitsstandards, die wenn sie nicht ganz so streng sind die Mission nur wenig unsicherer machen aber viele Kosten sparen.

    Nur ein Beispiel aus dem Bereich Träger, einem der größten Risiken. Hier waren der NASA Atlas V und Delta IV zu unzuverlässig, obwohl sie keinen Fehlstart haben, stattdessen wollte man eine neue Rakete die Ares I entwickeln. Schon bei unbemannten Starts addieren die Anforderungen nur für Dokumentation und Verifikation zweistellige Millionenbeträge pro Start (SpaceX spricht z.B. von 100 vs 60 Millionen). Andere Träger wie Ariane 5 ohne diesen bürokratischen Overhead sind auch nicht unzuverlässiger.

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