Zeit für neue Jupitermissionen

Heute will ich mal ausdiskutieren, warum man jetzt eher an neue Missionen zu Jupiter gehen kann als noch vor einem Jahrzehnt. Der Fokus liegt auf der Technik und nicht den Missionszielen.

Missionen jenseits von Mars sind teuer. Deswegen gibt es wenige davon. Das hat auch einige gute Gründe:

  • Die höhere Startenergie: Schon zu Jupiter braucht man von der Erdoberfläche aus 14,2 km/s. Das sind 3 km/s mehr als die Fluchtgeschwindigkeit was im Allgemeinen mit einer Nutzlastreduktion um den Faktor 4 einhergeht. Entsprechend teurer wird die Trägerrakete oder man muss die Raumsonde bedeutend leichter bauen, was ebenfalls mit höheren Kosten verbunden ist.
  • Die Alternative ist es durch mehrere Vorbeiflüge an Venus und/oder Erde Schwung zu holen. Das verlängert dann die Flugdauer bis man bei Jupiter ist verlängert sich, von minimal 2,25 Jahren (bei der energieärmsten Hohmann-Transferbahn) auf 3,25 Jahre (Cassini-Huygens) oder sogar über 5 Jahre (Galileo). Auch bei neuen Missionen ist dies die Wahl. Juno braucht fast 5 Jahre um Jupiter zu erreichen, JUICE sogar 8 Jahre. Die Trägerrakete kann dann kleiner sein, doch die verlängerten Missionsdauern bedeuten auch Kosten. Analoges gilt auch für die anderen Planeten.
  • Beim Jupiter angekommen ist man mit der hohen Strahlenbelastung konfrontiert die früher spezielle strahlengehärtete Elektronik und Bauteile nötig machten, aber auch andere Probleme macht wie Entladungen in Kabeln oder Strahlenschädigung von Sensoren und Solarzellen. Bei Saturn und anderen Zielen gibt es keinen so starken Strahlungsgürtel.
  • Die große Entfernung machte bisher den Einsatz von Solarzellen zur Energieversorgung unmöglich. Man nutzte Radioisotopen-Thermogeneratoren die die Zerfallswärme vun Plutonium-238 teilweise in Strom umwandeln.

Das alles macht Missionen zu den äußeren Planeten teurer als z.b. zum Mars. Doch es hat sich in den letzten Jahren einiges geändert:

Start und Transfer zum Planeten

Ideal wäre der Einsatz von Ionentriebwerken, besonders wenn man sowieso Solarzellen zur Stromversorgung nutzt. Doch das ist auch bei den beiden letzten Missionen Juno und JUICE nicht geplant, obwohl Juno in Erdnähe rund 18 kW Leistung zur Verfügung hätte. Man setzt nach wie vor aber auf Vorbeiflüge an den beiden erdähnlichen Planeten Erde und Venus. Ein Vorbeiflug reicht nicht aus, es müssen mindestens zwei sein, außer man startet mit höherer Geschwindigkeit. Ein Nachteil ist das die Vorbeifluggelegenheiten nicht so häufig sind. Das kompensieren die Missionen meist durch Bahnänderungen zwischen den Vorbeiflügen durch den eigenen Treibstoffvorrat. Man kommt mit einem Vorbeiflug aus, wenn dieser nicht mehr als rund 4 km/s liefern muss. Das ist z.B. der Fall wenn man die Raumsonde zuerst in eine Umlaufbahn mit 2 Jahren Umlaufszeit bringt, dann braucht man nur 12,2 anstatt 14,2 km/s. Das nutzte man bei Juno. die in eine erste Umlaufbahn von 2,25 Jahren Umlaufszeit gelangte.

Heute gibt es mehr Möglichkeiten eine Raumsonde weitgehend autonom arbeiten zu lassen ohne sie täglich zu überwachen. New Horizons verbrachte den größten Teil seiner Mission im „Schlafmodus“ und sandte nur regelmäßig komprimierte Statussignale. Das spart Kosten bei der Missionskontrolle, aber auch den relativ teuren benötigten Großantennen die man für die absinkende Sendeleistung braucht.

Stromversorgung

JUICE ist die erste Raumsonde die nur Solarzellen als Stromversorgung beim Jupiter nutzt. Sie wiegen deutlich mehr als die bisher genutzten RTG. Sie wogen 340 kg für 450 Watt Leistung. Ein RTG wäre mit 90 kg erheblich leichter gewesen. Doch kostet ein solcher für diese Leistung rund 120 Millionen Dollar. Die NASA hat leider ihr Programm für Sterling-Motoren als Energiewandler eingestellt und baut darauf das eine Neuaufnahme der Plutoniumproduktion genügend dieses Materials erbringt, dabei wäre diese 3-4 mal effizienter in der Umwandlung Wärme in elektrischen Strom.

Zumindest bis Jupiter ist heute aber die Versorgung mittels Solarzellen die bessere alternative. Zum einen haben heute Spitzensolarzellen Wirkungsgrad von 28% in der Produktion 31% in der Spitze (experimentell: 37%). Zum anderen gelingt es heute die Panels leichter zu bauen durch Dünnfilmzellen. Daneben kann man die Paneele nur teilweise belegen und mit Linsen das Licht der Umgebung auf diese lenken.

JUNO verwandte noch normale Solarpanels mit fester Struktur, wenngleich mit sehr effizienten Galliumarsenidzellen. Dagegen gibt es in anderen Projekten wie Orion oder Phoenix schon entfaltbare Solarzellen ohne Trägerstruktur auf der Rückseite. Phoenix hat mit diesen Arrays schon die doppelte Leistung pro Kilogramm Gewicht verglichen mit JUNO. Größere mit 5,5 m Durchmesser wurden schon entwickelt. Sie erreichen 175 W/kg. Skaliert man dies auf Jupiter herunter so kommt man auf 6,4 W/kg, in etwa die Leistungsdichte der GPHS-RTG (5 W/kg). Sie müssen zwar durch eine dünne Glasschicht geschützt werden. JUNO hat eine 0,2048 mm dicke Glasschicht über den Zellen. das erhöht das Gewicht etwas, zudem sinkt durch Strahlung die Leistung um 10% während der Mission ab. Doch die eingesparten Kosten können dies kompensieren.

Strahlungsschutz

Anders als früher baut man heute nicht mehr auf spezielle strahlengeschützte Elektronik, sondern setzt auf Abschirmung. Juno hat alle elektronischen Teile in einer besonders abgeschirmten Box untergebracht. Das erscheint ein guter Weg. Man könnte das noch verbessern, indem man dichter integriert und vielleicht auf die Architektur, die bisher separate Elektronik für ie Experimente vorsah, aufgibt und den Bordcomputer auch dafür vorsieht, das macht die Integration schwieriger, aber auch das Volumen das abgeschirmt werden muss. Juno wird unterhalb der Thermalisolation an der Oberfläche eine Dosis von 5000 krad erhalten. 2,5 mm Aluminium der Struktur reduzieren sie auf 300 krad, Junos Abschirmung der Elektronik aus 1 cm Titan wird die Strahlendosis auf 25 krad reduzieren, etwa ein Achtel der Dosis auf der Galileos Elektronik ausgelegt war. Dafür wiegt sie 157 kg. Sie alleine reicht nicht Sensorköpfe der Experimente müssen an der Außenseite des Raumfahrzeugs sein. Sie werden separat abgeschirmt. Man erkauft sich ein einfachere Design durch zusätzliche Masse. Solange diese im erträglichen rahmen bleibt (bei Juno wiegt die Box in etwa so viel wie die Instrumente die in ihr sind) ist das tolerabel.

Zusammenfassung

Heute ist es möglich eine Raumsonde zu bauen die Jupiter erreicht, ohne eine viel größere Trägerrakete zu benötigen, wenn man mehr Zeit investiert. Sie kann dort mit solarem Strom versorgt werden und benötigt keine strahlungsresistente Elektronik. Damit wäre sie eher umsetzbar und billiger. Juno kostet 1,1 Milliarden Dollar, JUICE ist auf 850 Millionen Euro angesetzt. Das Preisziel ist bei JUICE deutlich ambitionierter, denn Juno ist eine relativ einfache Sonde die vor allem Partikelmessungen macht mit kurzer Betriebsdauer im Jupiterorbit. JUICE soll drei Jahre den Jupiter umkreisen, drei Monde untersuchen, Ganymed sogar umkreisen und trägt ein Dutzend Experimente. Trotzdem sind beide Missionen noch teuer vergleichen mit der letzten US-Marsmission MAVEN (450 Millionen Dollar). Diese werden sie alleine durch die längere Missionszeit mehr Kosten für große Solarpanels, Abschirmung nicht erreichen, aber ich denke es geht noch ein bisschen billiger.

Jenseits Jupiter muss man nach heutigem Stand noch auf RTG ausweichen. Theoretisch untersucht sind zwar Solarzellen mit Konnzentratorlinsen, die auch noch bei Saturn genügend Strom liefern ohne die Gewichtsbeilanz zu stark zu belasten, aber es gibt sie nicht als Hardware. Noch immer gibt es die Chance Ionentriebwerke einzusetzen, die oft vertan wird. JUICE wird nicht weniger als vier Vorbeiflüge benötigen um Schwung zu holen. Bei Solarzellen die bei Jupiter noch fast 700 Watt Strom liefern, hätte sie in Erdnähe genug Leistung um dies aus eigener Kraft zu bewerkstelligen. Unverständlich weil die ESA diese Technik ja bei bepi-Colombo einsetzt.

Was gäbe es noch zu erforschen. Juno wird die Erforschung der Jupiter Umgebung und des Inneren voranbringen. Galileo musste hier Abstiche machen wegen der ausgefallenen Hauptantenne und kam auch nicht so nahe an Jupiter heran wie Juno  (nur 5000 km über den Wolken!). JUICE wird zuerst den Jupiter aus der Ferne studieren, dann nach einem kurzen Zwischenspiel in der die Vorbeiflüge an Europa vorgesehen sind etliche Vorbeiflüge an Callisto machen und schließlich in einen Orbit um Ganymed einschwenken. Diesem Mond gilt das Hauptinteresse. Seit längerem ist von der NASA eine Vorbeiflugsonde an Europa geplant die mit einem RADAR unter die Oberfläche schauen kann. Ursprünglich sollte es ein Europa Orbiter sein, doch der wurde zu teuer. Ist damit alles erforscht?

Beileibe nicht. Es bleibt noch Io, als aktivster und veränderlichster Himmelskörper im Sonnensystem. Wegen der großen Nähe zu Jupiter wird er wohl auch nur in vielen Vorbeiflügen erkundet werden können, zumindest beim heutigen Stand der Technik. Darüber hinaus würde sich eine Sonde nur für Jupiter selbst lohnen. Die könnte bei einem stark exzentrischen Orbit auch die vielen ihn umkreisenden kleinen Monde passieren, auch wenn diese als Asteroiden sicher nicht so interessant sind wie die großen Monde. Eine sehr nahe an den Planeten vorbeifliegende Sonde könnte die ringe fotografieren. Junos Kamera wird dafür leider wenig beitragen können, sie ist für Weitwinkelaufnahmen im Perijovum ausgelegt und leidet unter der Rotation der Sonde. Darüber hinaus gäbe es natürlich noch etliche anspruchsvollere Szenarien, wie die Europa-Landesonde die sich durch den Eispanzer schmelzt und in Situ den Ozean untersucht und auf Io könnte man sicher auch landen. Die Oberfläche sähe sicher sehe interessant aus der Nähe aus.

6 thoughts on “Zeit für neue Jupitermissionen

  1. Hilf mir mal auf die Sprünge, oder hast du das woanders schon erklärt. Warum muß man bei einem Flug zum Jupiter mehr als die
    Fluchtgeschwindigkeit aufbringen ?

    Ulli

  2. Wenn man nur Fluchtgeschwindigkeit hat, dann verlässt man die erde, hat aber relativ zur Sonne die Geschwindigkeit 0, landet also in einer Sonnenumlaufbahn neben der Erde. Will man diese bahn nach Innen oder außen aufweiten braucht man mehr Energie und zwar um so mehr je weiter man aufweitet. Bei Jupiter sind es 8,7 km/s die sich aber beim Start vektoriel addieren, sodass man nur 14,2 km/s erreichen muss.

  3. Hallo,

    die Solarzellen werden beim Jupiter nur zu einem Bruchteil ausgenutzt.
    Wieso verwendet man keinen Konzentratorspiegel aus Folie.
    Der Spiegel müsste dann 25fach konzentrieren damit die Zellen beim Jupiter die gleiche Strahlungsintensität haben wie im Erdorbit. Ein Folienspiegel inkl. Aufhängung dürfte nur ein Bruchteil des Gewichts der Solarzellen und Leiterbahnen haben.

  4. Konzentratorsolarzellen (allerdings mit Linsen) habe ich erwähnt. Sie sind aber noch nicht qualifiziert. Die NASA hat ihr Programm für diese SLA-Arrays inzwischen eingestellt. Ein Problem der Konzentratorsysteme ist das mann in Erdnähe dann die Solarzellen leicht überhitzt und dann nimmt nicht nur die Leistung wieder ab, sondern die Solarzellen verlieren dauerhaft an Leistung.

  5. Ein anderes – gerne übersehenes – Problem bei Konzentratorzellen ist, daß man sie sehr genau ausrichten muß. Das ist auf der Erde mit stabilem Unterbau kein großes Problem (da kann man auch gut kühlen), auf einem Leichtbaupanel im Orbit wird das schon deutlich schwieriger. Das Ganze dann noch auf Flexpanels, dann wird die Ausrichtgenauigkeit langsam ein Glücksspiel.
    Nicht umsonst lautet ein gängiger Spruch der Solarzellenentwickler „anyone working on high concentrator cells who did not have a fire in the lab, did not really do serious research work“.

  6. Missverständniss

    keine Konzentratozellen sondern normale Zellen und einen Sehr großen leichten Folienschirm, der auf die Zellen Fokusiert.

    Die Sonde sollte so gebau t werden als ob sie im Erdorbit arbeitet, der Spiegel wird erst dann entfaltet, wenn die Sonneneinstahlung abnimmt.

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