Der skurrilste Panzer

Im zweien Weltkrieg entstanden eine Reihe von Panzern, die man heute als skurril bezeichnen würde. Viele waren Improvisationen um schnell eine Lösung zu haben oder besonders auf deutscher Seite um auf die Bedrohung des T-34 zu reagieren bzw. veraltete Modelle weiter verwenden zu können. In Deutschland führte das zu eine Reihe von Sturmgeschützen und Jagdpanzern, wie dem Marder, Hetzer, dem Sturmgeschütz III und IV und diese alle noch in mehreren Versionen. Im Krieg hat man nicht die Zeit einfach die Produktion eines veralteten Modells runterzufahren und dann eine neue Fertigungsstraße für ein neues Modell zu bauen. In der Zeit würde die Produktion stillstehen. So baute man die alten Panzer um und verwendete zumindest die Wannen wieder. Anstatt einem Turm bekamen sie ein nur wenig schwenkbares Geschütz auf einem flachen Aufbau, dafür mit höherem Kaliber. Von diesen Jagdpanzern gab es daher eine Menge. Nach dem zweiten Weltkrieg sind sie aber wieder weitestgehend verschwunden, obwohl auch Russland solche Modelle baute.

Im zweiten Weltkrieg entstand aber auch eine Waffengattung die bis heute bestand hat: die Artillerie auf Selbstfahrlafetten oder Panzer-Artillerie. Der Blitzkrieg brachte den Nachteil mit sich, dass die Artillerie nur langsam den Panzerverbänden folgen konnten. Doch auch diese benötigten Artillerieunterstützung und motorisierte Infanterie ebenso. Ein Bewegungskrieg hatte auch den Nachteil dass die Artillerie dauernd ihre Stellung wechseln musste, selbst wenn sie dem Vormarsch folgte. Sehr bald gab es daher Versuche die Artillerie mobil zu machen. Ich beziehe mich hier auf die Wehrmacht, weil ich mich hier ein bisschen auskenne.

Den Anfang machte der Sturmpanzer I. Er entstand schon 1940 indem man das schwere Infanteriegeschütz 33 auf die Wanne des völlig veralteten Panzer IB gesetzt. Der einzige Schutz waren kleine Panzerplatten links und rechts. Das Geschütz war die Standardwaffe der Artillerieabteilungen der Infanterie und wurde beibehalten, doch nach und nach setzte man es auf andere Wannen, bis schließlich der Sturmpanzer IV entstand, der nun das Gestell des Panzers IV einsetzte und völlig geschlossen war. Er konnte auch das schwere Geschütz aufnehmen, beim leichten Panzer IB überforderte das noch das Fahrwerk.

Die zweite Entwicklungslinie setzte nicht die relativ kurzen Infanteriegeschütze sondern die Kanonen mit langen Rohren (Feldhaubitzen) ein. So entstanden die Wespe und Hummel mit 10,5 und 15 cm Kanonen auf dem Gestell des Panzers IV. Diese konnten wegen der Größe der Kanone nicht vollständig geschlossen werden und waren wie die ersten Jagdpanzer oben offen.

Das skurrilste Geschützt kommt jedoch aus der Gattung der Stumgeschütze. Der Begriff ist nicht genau definiert. Ursprünglich verstand man darunter großkalibrige Geschütze mit kurzen Rohren die auf stark gepanzerten Fahrzeugen der Infanterie Feuerunterstützung im Nahkampf gaben aber auch bei Panzer unterstützen konnten wenn Infanterie verschanzt war oder in Häusern Schutz suchte. Nur in Filmen kommen Panzer dann auf die Idee das Haus einzureisen. In Wirklichkeit wäre die Gefahr beschädigt zu werden oder durch Panzerfäuste angegriffen zu werden zu groß. Die Kanaonen haben eine zu geringe Wirkung, man braucht viele Schüsse um so ein Gebäude einzureisen und gegen stärkere Befestigung waren sie wirkungslos. Unter der Bezeichnung Sturmgeschütze findet man aber auch Jagdpanzer mit langen Kanonen so das Sturmgeschütz IV das nur wenig von dem Jagdpanzer IV unterschied.

Die sowieso schon vorhandenen Infanteriegeschütze hatten den Vorteil das die Rohre kurz waren. Die Reichweite war es auch, doch das war kein Nachteil. So war die Länge und Größe der Kanone aber ebenfalls niedrig und es konnte noch mit veralteten, leichten Panzern transportiert werden.

Nach der Schlacht von Stalingrad befand man, das die bisherigen Geschütze im Kaliber von maximal 15 cm nicht reichen. Hier fielen viele Deutsche und Russen im Häuserkampf. Es wurde nun ein Panzer mit einem möglichst großen Geschütz gesucht. Was herauskam war … der Sturmtiger.

Man nahm den leistungsfähigsten Panzer, den Tiger bzw. von diesem nur die Wanne und das Fahrwerk. Darauf setzte man einen vollständig geschlossenen Kasten wie bei dem Jagdtiger, nur noch mit abgeschrägten Wänden. Da er nicht direkt in Kämpfe eingreifen sollte gab es so mehr Platz im Innenraum. Doch das ungewöhnlichste ist die Waffe, weshalb er für mich auch der skurrilste Panzer ist. Es ist ein 38 cm Geschütz.

Ja 38 cm. Für alle die keine Ahnung haben: Das Kaliber 38 war das Standardgeschütz der Schlachtschiffe Tirpitz und Bismarck, das größte Kaliber bei Schiffsgeschützen in Deutschland. England hatte einige Schlachtschiffe mit etwas größerem Kaliber, aber auch dort waren 38 cm der Standard. Bei der Hood wog eine 38 cm Kanone 100 t, eine Granate rund 800 kg. Wei soll das ein Panzer transportieren?

Nun indem er kein Schiffsgeschütz transportiert. Ein Mörser ist z.B. ein Geschütz mir kurzem Lauf. Auch die Treibstoffzuladung ist kleiner, sodass die Granaten leichter sind. Meiner Ansicht nach wäre wohl der 21 cm Wurfmörder eine adäquate Waffe gewesen. Doch 38 cm ist ein anderes Kaliber. ein 80% größeres Kaliber korrespondiert mit 1,8^3 = fast 6-mal schwerer Kanone wie auch Granaten. Das war auch als Mörder nicht in einen Panzer integrierbar. Was man machte war einen 38 cm Raketenwerfer zu integrieren.

Über den 38 cm Raketenwerfer 61 habe ich leider wenig gefunden. Das meiste fasst auch die Wikipedia zusammen. Es handelt sich um ein Geschütz das ursprünglich auf U-Booten stationiert werden sollte um die Küste zu beschießen. Wie das mit den 345 kg schweren Granaten funktionieren sollte würde mich mal interessieren. Man baute es schließlich in den Sturmtiger ein. Die Rohrlänge war 205 cm, nur wenig länger als eine Granate mit 146 cm. Die Granate hatte nur eine kleine Treibladung die sie gerade mal mit 50 m/s aus dem Rohr brachte. Dann zündete ein Raketenantrieb, der die Granate auf 250 m/s beschleunigte. So hatte das Geschütz eine Reichweite von etwa 4-6 km. Die Sprengladung betrug 125 kg, was beim Aufschlag dann schon einen gewissen Effekt hatte.

Es wurden nur wenige Sturmtiger eingesetzt. Die Effizienz war gering, was aber natürlich auch an den wenigen Einsätzen liegt. Die Primäraffe war wie alle Raketenwerfer im zweiten Weltkrieg zu ungenau. Die Streuung zu hoch so sollten sie die Brücke von Remagen zerstören, verfehlten sie aber. Bei anderen Raketenwerfern dieser Zeit glich man die fehlende Zielgenauigkeit durch Salven aus, so beim deutschen Nebelwerfer oder der russischen Katjuscha. Doch ein Sturmtiger konnte nur ein Geschoss abschießen und bei je nach Literatur 330 bis 382 kg pro Granate wird auch bei 5 Mann Besetzung keine schnelle schussfolge möglich sein. Ich kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen wie man zu fünft eine über 300 kg schwere Granate in dem engen Turm in die Kanone bugsiert. Viel Platz wird es nicht gegeben haben denn 14 Granaten jede 1,50 m lang und 38 cm dick wurden mitgeführt.

In jedem falle kam der Sturmtiger zu einer Zeit zum Einsatz, als es Häuserkämpfe nur noch im Abwehrkampf gab und da war Rückzug angesagt und nicht Eroberung von fremden besetzten Häusern. Er war also militärisch weitestgehend nutzlos.

9 thoughts on “Der skurrilste Panzer

  1. Hallo Bernd,
    Dein Vorschlag für den skurrilsten Panzer ist nicht schlecht, aber ich hab auch noch zwei:

    1. Bei den Allierten hat man an einem Doppelrad mit Raketenantrieb gearbeitet, das bei der Invarsion die Strandhindernisse wegfegen oder überspringen sollte.
    War aber ein voller Fehlschlag, das Ding war einfach nicht steuerbar.

    2. Bei den Deutschen gings natürlich noch größer:
    Der 60cm Mörser „Karl“ (Gerät „040“) 120 Tonnen schwer, 10 km/h, 11,15 m lang, 3,15 m breit, 4,78 hoch. Senkte den Fahrzeugkasten ab für den Schuß. Wurde vor Sewastopol und Brest-Litowsk eingesetzt.
    Weitere Daten: Kaliberlänge 8,44 Vo 264 m/s Richtbereich 75 und -10 Grad bzw 2,5 Grad rechts links.

    3. Laut meinem Buch noch einige Daten zum Sturmpanzer: Vo 91 m/s, Richtbereich 85 und 0 Grad bzw. 10 Grad rechts links, 68 Tonnen, 700 PS Motor, 8 Gang-Getriebe, 6,31 meter lang. Von dem Trumm wurden 18 Stück gebaut.

    Die Quelle, die ich habe ist das Buch „Die deutschen Panzer 1926-19452; Bernard & Graefe Verlag, ISBN 3-7637-5988-3

    Hoffe damit geholfen zu haben.

  2. Das Doppelrad und viele andere Entwürfe bzw. Holzmodelle haben auf jedenfalls einen gravierenden Vorteil: Sie haben keinen Menschen umgebracht!.

  3. Noch ne Anmerkung zu den Jagdpanzern:
    Die waren schon eine sehr effektive Waffe: Hohe Durschlagskraft durch grosses Kaliber und große Rohrlänge, dabei eine niedrige Schilouette. Sie haben viele Kampfpanzer geknackt.
    Ist natürlich keine Offensivwaffe, da eher für den Kampf aus der Deckung konzipiert.
    Wurden schließlich durch Lenkwaffen verdrängt. Anfänglich auf den selben Fahrwerken, mit fortschreitender Verkleinerung abgesetzt per Pedes oder Radfahrzeug oder als Zusatzwaffe auf Schützenpanzern.

    Zu meinen Zeiten als Wehrpflichtiger hatten wir tatsächlich noch zwei Jaguar ( https://de.wikipedia.org/wiki/Jaguar_(Jagdpanzer) ) als Waffenträger und 2 ohne Kanone als vorgeschobenen Atelleriebeobachter (Frontpanzerung!) im Batallion. Das war Mitte der 80er.

    Bei schrägen Panzerideen kommen mir vor allem Hobert`s Funnies ( https://de.wikipedia.org/wiki/Hobart’s_Funnies ) als Improvisationen zu den verschieden WK II Invasionen in den Sinn.

    Der andere Bernd

  4. Wenn es hier schon um Waffen geht, hätte ich da mal eine Frage, die mich schon länger beschäftigt: Auf welche Stoffe stützen sich rauchfreie, militärische Raketenantriebe? Gibt es Performancenachteile gegenüber rauchenden Stoffen?

  5. Also da sich keiner meldet: ich kenne mich eigentlich nur mit zivilen Antrieben aus. Bei denen zählt die Performance erheblich mehr als bei kleinen militärischen Raketen. Sie alle enthalten Metalle, meist Aluminium das die Performance erhöht, aber auch als Aluminiumoxid den Rauch bildet.

    Weitestgehend rauchfrei verbrennen organische nitrierte Substanzen, die einfachste ist ein Gemisch aus Nitrozellulose und Nitroglycerin. Ich könnte mir vorstellen das die zum Einsatz kommen. Die Spezifischen Impulse sind jedoch deutlich geringer als bei den heutigen Treibstoffen.

    Für kurze Reichweiten z.B. eine Panzerabwehrwaffe müsste sogar Druckgas ausreichen.

  6. Danke für die Erklärung. Der Aussage, Performance spiele bei militärischen Raketen eine geringere Rolle, stehe ich allerdings skeptisch gegenüber: Die Reichweite ist bei Militärraketen ein sehr wichtiger Faktor, insbesondere, wenn man sie ohne Erhöhung der Gesamtmasse gewinnt: Luft-Luft-Raketen sind schneller und meist auch manövrierfähiger als Jets, zuerst schießen zu können, also sehrvorteilhaft, gleichzeitig ist die mitführbare Masse begrenzt. Bei Boden-Luft-Raketen ist die Fähigkeit, große Areale verteidigen zu können ein großer Vorteil. Aus diesem Grund wird in die Weiterentwickelung der Reichweite viel Geld investiert.

  7. Also ich bin hier von diesem Beispiel des Sturmtigers ausgegangen weil es sich um den im Blog dreht einem Mörder oder weils ein Panzer ist eine Panzerabwehrwaffe (der Rauch verrät wo die Abschussbasis ist). Raketen die Atomsprengköpfe transportieren haben alle rauchbildende Treibstoffe. Wie es bei den Raketen dazwischen also Flugabwehraketen egal ob boden-Luft oder Luft-Luft aussieht muss man nachschlagen.

  8. So ich habe mal in einem Buch über Feststoffantriebe nachgeschlagen. Einen rauchlosen Abgasstrahl bekommt man wenn man auf Chlorate als Oxidator und Metalle als Verbrennungsträger verzichtet. Das ist der Fall wenn man Nitrozellulose mit Nitroglcverin einsetzt, ein früher verbreiteter Treibstoff oder die heutigen Polymerbinder mit Nitraten als Oxidator aber ohne Metallzusatz.

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