Ein Mondlander mit Ionenantrieb
Ich möchte heute mal untersuchen, ob man einen Mini-Mondlander als Sekundärnutzlast mit einer normalen Mission starten kann, ob man eine nennenswerte Nutzlast noch landen kann.
Die Ausgangslage
Ziel ist es zu prüfen, ob eine Mondlandemission nur mit einer Sekundärnutzlast möglich ist. Nachdem die ASAP-5 mit maximal 300 kg in einen GTO nicht mehr zur Verfügung steht, bleibt derzeit nur der ESPA-Ring, der bei Atlas V und Falcon 9 eingesetzt werden kann. Er ist auf 180 kg Masse beschränkt. Mit neuen Trägern die derzeit ihren Einstand haben, wie der Vega-C mag es mehr Startgelegenheiten geben. Für sie werden Dispenser entwickelt, die dem wachsenden Markt von Kleinsatelliten bedienen sollen und die Aufteilung der Nutzlast auf mehrere Kunden möglich waren. Ich gehe aber von 180 kg Nutzlast aus.
Wichtig ist auch der Ausgangsorbit. Es gibt zahlreiche Missionen zur ISS, darunter auch welche der Dragon / Crewed Dragon mit der Falcon 9 und des Dreamchasers von Sierrea Nevada und Starliner von Boeing mit der Atlas V. Sie könnten einen ESPA-Ring mitführen. Dazu kommen noch die Missionen in den GTO. Letztere sind wegen der höheren Geschwindigkeit bei der Aussetzung attraktiver, aber nicht viel.
Aufbau des Ionenmoduls
Ausgangslage sind kommerzielle Solararrys. Die Stromversorgung darf ja nicht zu viel wiegen. Eine Suche ergibt, das das 2,1 m Ultraflex-Array von Grumman/ATK für die Phoenix-Mission bei 1426 Watt Leistung geeignet ist,
Ein Review ergibt schnell, dass von allen Ionentriebwerken, die es weltweit gibt, nur fünf einen so kleinen Stromverbrauch haben, dass sie für die Mission geeignet sind. Alle anderen haben einen zu hohen Stromverbrauch.
Ionentriebwerk | Startmasse [kg] |
Resttreibstoff [kg] |
Tankgewicht [kg] |
Stromversorgung [Watt] |
Masse Triebwerke [kg] |
Anzahl Triebwerke | Nutzlast [kg] | Spez.Impuls | Perigäum [km] |
Apogäum [km] |
Simdauer |
Rit 10 evo | 171,8 | 26,2 | 6,4 | 918,0 | 3,6 | 2,0 | 80,0 | 33.707,9 | 354.361,3 | 384.566,8 | 1 J 128 d |
XIPS 8 | 174,2 | 16,2 | 6,4 | 1.050,0 | 6,0 | 3,0 | 80,0 | 24.518,4 | 264.200,1 | 384.412,7 | 338 d 5 h |
XIPS 13 | 181,2 | 13,8 | 6,4 | 900,0 | 13,0 | 2,0 | 80,0 | 23.076,9 | 290.588,4 | 384.996,2 | 1 J 27 d |
T5 | 173,2 | 26,9 | 6,4 | 952,0 | 5,0 | 2,0 | 80,0 | 34.338,0 | 295.608,0 | 384.451,7 | 1 J 44 d |
IES | 175,9 | 22,4 | 6,4 | 1.100,0 | 7,7 | 1,0 | 80,0 | 29.539,2 | 307.159,7 | 384.497,7 | 1 J 282 d |
Die Startmasse ist auf Basis einer Nutzlast von 80 kg kalkuliert. Die niedrigste Startmasse hat man bei RIT 10 EVO, die kürzeste Simulationsdauer beim XIPS 18, die höchste Menge an Resttreibstoff beim T5 und RIT 10, die Bahn ist am nächsten der Mondbahn beim RIT 10. Daher habe ich das RIT 10 als Triebwerk selektiert. Das Folgende ist nun eine Detailsimulation, wobei als Abbruchkriterium definiert ist, das das Aphel der Bahn dem Mondaphel entspricht. Ausgangsbasis ist eine 400 km hohe Kreisbahn, wie sie bei der ISS vorliegt. Weiterhin habe ich, das ist bei Ionentriebwerken möglich, den Stromverbrauch des RIT 10 von 459 auf 400 Watt gesenkt, denn dann kann ich drei Triebwerke mit einem 2,1 m Ultraflexarray wie es Phoenix und Insight einsetzen versorgen. Bei einem gesamt dV von 8000 m/s bekomme ich als erstes folgende Daten:
Bahn vor Manöver | |
Bahnform | Bahn ist eine Ellipse |
Perihel/Perigäum: | 400,00 km |
Aphel/Apogäum: | 400,11 km |
Umlaufszeit: | 1 h 32 m |
Bahn nach Manöver | |
Bahnform | Bahn ist eine Ellipse |
Perihel/Perigäum: | 313.368,52 km |
Aphel/Apogäum: | 398.371,99 km |
Umlaufszeit: | 25 d 2 h |
Simulationseinstellungen | |
Simulationsdauer | 1 J 11 d |
davon angetrieben: | 315 d 21 h |
Ionentriebswerksmodul | |
Startgewicht: | 180,0 kg |
Aktuelles Gewicht: | 148,3 kg |
Nutzlast | 101,0 kg |
Stromversorgung: | 1.413,7 Watt @ 1 AE |
Strom beim Start: | 1.426,0 Watt @ 1 AE |
Eigenstromverbrauch: | 100,0 Watt |
Gewicht Stromversorgung: | 13,8 kg |
Spezifisches Gewicht Stromversorgung: | 103,0 W/kg |
Treibstoff beim Start: | 38,0 kg |
Treibstoff aktuell: | 26,3 kg |
Tanks: | 5,7 kg |
Tankanteil: | 15 Prozent |
Treibstoff für maximal: | 8.000 m/s |
Anzahl Triebwerke: | 3 Stück |
Gewicht Triebwerke: | 12,0 kg |
Gewicht Strukturen: | 10,0 kg |
Triebwerkseinstellungen | |
Bezeichnung Triebwerk: | Rit 10 evo |
Spezifischer Impuls: | 33.776,0 m/s |
Schub pro Triebwerk: | 0,013 Newton |
Treibstoffverbrauch pro Triebwerk: | 0,033 kg/d |
Strom pro Triebwerk: | 400 Watt |
Gewicht Triebwerk: | 1,80 kg |
Effizienz: | 55,19 Prozent |
Gesamte Geschwindigkeitsänderung: | 6.540,0 m/s |
Es gibt eine kleine Restgeschwindigkeitsdifferenz zur Mondbahn von 33 m/s. Die kann man beim Einschwenken abbauen. Allerdings nicht nur durch das Ionentriebwerk. Zündet man beginnend von der Einflusssphäre des Mondes in 37000 km Distanz den Antrieb, so erhält man eine nicht stabile Umlaufbahn mit einem Apolunäum von 238.000 km Distanz, bis die Einflusssphäre wieder verlassen wird. Doch wird in 200 km Distanz die Geschwindigkeit zusätzlich um 45 m/s reduziert und es kommt eine stabile erste Umlaufbahn mit einem Apolunäum von 37.600 km heraus. Diese Bahn mit einer Umlaufdauer von 3 Tagen kann die Sonde dann in weiteren 37 Tagen in eine kreisförmige 100 km Bahn umwandeln.
Dann wird das Ionentriebwerksmodul als tote Masse abgeworfen und die Landung eingeleitet. Diese habe ich mit einem 400-N-Satellitenantrieb simuliert. Ohne Schwebephase errechne ich bei 99,5 kg Startmasse vor der Landung (1,5 kg Treibstoff wurden schon für das erreichen der Mondumlaufbahn verbraucht) eine Masse von 53 kg bei einer Landung aus einer 30 x 100 km Transferbahn, entsprechend Verlusten von 260 m/s. 200 m/s für Schwebephase / Verluste / Reserven hinzugerechnet, und man ist bei einer Landemasse von 49,7 kg.
Von diesen knapp 50 kg Landemasse geht der Antrieb ab. Der Hauptantrieb wiegt 3,6 kg. Für das Sinken mit 1 m/s – Vernichtung von 0,7 m/s benötigt man bei 55 kg Masse am Schluss noch 39 N Schub. Vier 10 N Triebwerke (regelbar von 6 bis 12,5 N Schub = -1,2 bis -0,75 m/s) leisten das. Sie wiegen weitere 1,4 kg. Dazu braucht man zwei Tanks. Die kleinsten Tanks, die ich bei EADS fand, haben bei 39 l Volumen schon 8,5 kg Gewicht. Herunterskaliert auf 25 l pro Tank (man benötigt zwei für Oxidator und Treibstoff) sind das dann 5,7 kg. Das Druckgas (vor dem Start eingefüllt) wiegt weitere 0,2 kg. Nehmen wir noch 2 kg für Leitungen hinzu, so ist man bei einer Trockenmasse des Antruebs von 18,6 kg. Die gehen von den 49,7 kg Landemasse ab. Das lässt noch 31,1 kg übrig.
Eine Alternative ist es, einen Feststoffantrieb mit definiertem Impuls zu nutzen. Das kann auf zwei Wegen erfolgen: Wie bei Surveyor, wo nach Ausbrennen der Abstieg mit eigenen Triebwerken fortgesetzt wird – dann ist der Massegewinn relativ klein, denn man spart nur wenig der Tankmasse ein, und fast nichts bei den Triebwerken. Luna setzte eine zweite Option ein, die ich bevorzugen würde, nämlich das man nach Ausbrennen des Antriebs die Restgeschwindigkeit mit Airbags auffängt. Um weiter Gewicht zu sparen, könnte man auf ein Radargerät verzichten, dass die Distanz ermittelt und diese über die Geschwindigkeit ermitteln und dann die Zündung durch Kommando auslösen, allerdings mit einem deutlich höheren Risiko, das man aufschlägt mit hoher Geschwindigkeit. Trotzdem ist der Lander vom Gewicht her eng. Denn es gehen von den 31 kg Bruttomasse ja noch das Gestell ab, Strukturen, Bordcomputer, Stromversorgung, Antennen und das Radargerät.
Wenig aber daraus kann man was sinnvolles machen. Ein 5-Watt-Sender kann mit einer Runstrahlantenne Daten mit 233 kbit/s zu einer 12 m durchmessenden Parabolantenne senden. Wenn man nicht davon ausgeht, dass die Sonde die Mondnacht überlebt, wird man sie maximal 13 Tage lang betreiben können. Als Langzeitexperiment ist es sinnvoll, sie oben mit Laserreflektoren zu bestücken. Für die kurze Betriebszeit könnte man in die Füße Sensoren für Temperatur, Leitfähigkeit oder andere Parameter einbauen und einige Kameras fix montieren, deren Blickfeld sich überlappt. Eine Spiegelreflexkamera oder Systemkamera mit einem Fixfokus-Weitwinkelobjektiv wiegt 0,7 kg. Sechs Stück davon decken die ganze Umgebung ab. Bei einem 50 Mpixel Sensor, State of Art bei hochwertigen Kameras, wären selbst bei unkomprimierten Bildern die Umgebung in 3 Stunden zur Erde übertragen. Ein Zoomobjektiv wäre nicht sinnvoll. Zum einen wegen der Mechanik die im Vakuum funktionieren muss (Problem der Schmierstoffe) zum anderen könnte man nur auf den zentralen Bereich zoomen, für einen Motor, der jede Kamera noch individuell dreht, würde ich verzichten. Trotzdem: ein 360 x 94 Grad Panorama hätte dann 8.600 x 32.700 Pixel, und wäre schärfer aufgelöst, als das menschliche Auge sehen kann (1 Bogenminute zu 0,66 Bogenminuten).
Wenn man Zoomobjektive oder längere Brennweiten einsetzt, dann würde man mit zwei Kameras (eine für jede Seite auskommen), die man dann mit einem Motor um 180 Grad in der Waagerechten und möglichst weit in der Senkrechten drehen kann. Die maximale Auflösung wird dann von der verfügbaren Zeit diktiert. 12 Tage mit je 8 Stunden Übertragungszeit und 1/3 Overhead erlauben eine Datenmenge on 60 GBit. Das sind bei 50,6 MPixel wie in einer Canon Vollformatprofikamera, 112 Aufnahmen, die dann bei 100 x 360 Grad für das Panorama und 10 % Überlappung jeweils 31,6 Grad in der Diagonalen abdecken, was einer Brennweite von 80 mm entspricht. Das entspricht einem leichten Teleobjektiv. Mit Komprimierung wie JPEG (Annahme Faktor 8) wären es dann rund 1000 Bilder für die man für ein Vollpanorama eine Brennweite von 220 mm benötigt. Der Nachteil der höheren Brennweite ist, das der Schärfebereich kleiner ist. Eine Weitwinkelkamera wird den Boden kurz nach dem Aufsetzpunkt bis zum Horizont scharf abbilden, eine Telekamera erst ab einigen Metern Entfernung,
Wenn man eine halbwegs ausrichtbare Antenne nimmt – es würde z. B. schon eine mit einem Öffnungswinkel von 90 Grad, also Ausrichtung auf eine Himmelsrichtung ausreichen – steigt die Datenrate an. Dann könnte man auch von jeder Kamera Videos vom Abstieg in hoher Qualität machen und senden.
Mondorbiter
Deutlich attraktiver wäre ein Mondorbiter, denn in diesen kommen dann 95 kg+ an. Das ist mehr als die Hälfte der Masse im Erdorbit. Das ist dreimal mehr als netto gelandet wird und man kann das Ionenantriebsmodul noch weiter nutzen. In der Berechnung habe ich noch eine Reserve von 700 bis 800 m/s Geschwindigkeitsänderung. Das reicht selbst bei einem nicht stabilen Orbit für einige Jahre aus.
Als Experimente wären eines oder mehrere der Experimente denkbar die jetzt schon auf Mondorbitern eingesetzt werden:
- Radar – zur Erkundung der Bodeneigenschaften
- IR-Spektrometer – zur Bestimmung der mineralogischen Eigenschaften der Mondoberfläche
- Röntgenspektrometer – zur Bestimmung der chemischen Zusammensetzung der Mondoberfläche
Kamera – Kartierung
Fazit
Es wäre theoretisch möglich eine kleine Nutzlast auf dem Mond zu landen, aber wirklich nur eine minimale. Sie würde ansteigen, wenn die Startmasse höher ist: anstatt 180 250 oder 300 kg. Da dann immer noch das 400-N-Triebwerk ausreicht und so die Nettomasse ansteigt. Dasselbe gilt für andere Systeme wie Stromversorgung, Antennen, Computer, Radargerät. Beresheet, der vor zwei Monaten verloren ging wog beim Start 585 kg, davon 435 kg Treibstoff, also 150 kg Landemasse, mehr als das dreifache dieser Mission.