Die schwere Suche nach NEOs

Derzeit läuft immer noch die Studie für NeoCam. Sie ist die aktuelle weltraumbasierte Mission der NASA zur Suche nach Near Earth Objects (NEOs). Der Kongress hatte 2005 der NASA 15 Jahre Frist gegeben, 95 % der NEOs über 140 m Größe innerhalb der nächsten 15 Jahre zu finden. Die Frist läuft nächstes Jahr ab. Bisher hat man 30 % gefunden. Also so richtig ernst scheint man das Thema nicht zu nehmen. Selbst wenn NeoCAM startet übrigens nicht vor 2025 und braucht 10 Jahre um das Kongress-Ziel zu erreichen. Das heißt anstatt 15 Jahren wird die NASA 30 Jahre zur Umsetzung brauchen. Nicht das man es nicht versucht hätte: Seit 2006 gab es nicht weniger als sechs Vorschläge die Mission umzusetzen (die letzten fünf im Discoveryprogramm), doch selektiert wurde sie nie.

NEOs sind Planetoiden, die die Erdbahn kreuzen. Damit können sie potenziell auf der Erde einschlagen und wie man an über 100 großen Einschlagskratern sieht, tun sie das auch. Dabei sind dies nur die prominentesten und unumstrittensten Krater. Es gibt drei Datenbanken die noch mehr Krater erfassen und 190, 375 bzw. 1140 Einträge haben. Dabei sind dies nur die Krater, die nicht durch Plattentektonik, Wind und Wetter eingeebnet sind und die, die auf dem Meer einschlugen sind durch die laufende Erneuerung des Meeresbodens nur relativ kurzlebig.

Die Auswirkungen eines Einschlags

Kleine Körper, in etwa 10 bis 20 m Durchmesser, je nach Zusammensetzung, zerfallen mit Sicherheit beim Durchqueren der Atmosphäre. Die anderen erzeugen einen Kater, typisch von 10 bis 20-fachem Durchmesser des Körpers (ebenfalls von der Dichte und Geschwindigkeit abhängig). Mit der Untergrenze von 140 m würde man so alle Körper erfassen, die einen Krater von etwa 2 km Durchmesser erzeugen. Dort ist mit Sicherheit alles Leben zerstört. Das gilt auch noch für den Umkreis, wo es eine Druckwelle, ausgeworfenes Material und Hitze gibt. Je weiter man sich vom Einschlagszentrum entfernt, desto geringer werden die Auswirkungen. Die Temperatur klingt am schnellsten ab, dann folgt die Druckwelle und zuletzt die seismischen Wellen, die einem Erdbeben gleichen. Allerdings steckt die meiste Zerstörungskraft in der Druckwelle und dem Auswurfmaterial. Mit einem Programm errechne ich für einen typischen Steinmeteoriten von 140 m Durchmesser und Dichte 2,2 bei einer Geschwindigkeit von 17 km/s in einem Winkel von 45 Grad km/s folgende Effekte: (nach Earth Impact Programm

  • Kraterdurchmesser 1,91 km
  • Verursacht ein Erdbeben der Stärke 5,6 auf der Richter-Skala
  • In 10 km Distanz kommen noch 5 m große Brocken herunter. Mehrstöckige Gebäude und Holzgebäude brechen durch die Druckwelle zusammen
  • In 15 km Distanz sinkt der mittlere Durchmesser von Ejekta auf 1,8 m. Hofgebäude kollabieren noch, 30 % der Bäume werden druch die Druckwelle entwurzelt.
  • In 20 km Distanz sinkt der mittlere Durchmesser der Steinbrocken auf 0,8 m. Gebäude halten stand, Glasscheiben nicht.

Das heißt, ein 140 m großer Gesteinsbrocken hat eine Zone, in der die Wirkung mit einem starken Erdbeben oder einem Hurrican vergleichbar ist, von etwa 30 km Durchmesser. Das hängt natürlich stark von den genauen Parametern des Körpers wie Dichte, Winkel, Geschwindigkeit aber auch dem Einschlagsort ab.

Obwohl dieser Körper in der Atmosphäre zerfällt, und so 4/5 seiner Energie verliert, ist er also nicht harmlos. Je nachdem, wo er runterkommt ist eine Zone mit einem Durchmesser von 30 km verwüstet und das können bei einer Großstadt Millionen Tote sein. „Harmlos“ sind nur deutlich kleinere Körper. Beim Meteor von Tscheljabinsk handelte es sich um einen nur 19 m großen Körper, also viel kleiner und er trat sehr flach in die Atmosphäre ein, was das Auseinanderbrechen noch forcierte. Trotzdem gab es an Tausenden von Gebäuden Beschädigungen.

Nun gibt es seit Jahren Suchprogramme für NEOs. Früher nutzte man dazu ausgemusterte Teleskope, die zu klein für viele anspruchsvollere Forschungsprojekte waren. Inzwischen hat man spezialisierte Teleskope dafür gebaut wie Pan-STARRS. Bodengestützte Teleskope sind immer billiger als eine Raumsondenmission. Pan STARRS hat vier Teleskope mit je 1,8 m Durchmesser und kostet 100 Millionen Dollar. Neocam wird mit einem 50-cm-Teleskop auf Suche gehen und die Kosten werden auf 500 bis 600 Millionen Dollar geschätzt.

Warum eine Raumsondenmission

Es gibt zwei wesentliche Gründe warum man eine Raumsondenmission anstrebt. Der erste sind die Bahnen von NEOs. Ein NEO kann die Erdbahn kreuzen, er kann sie aber auch nur touchieren. Wenn er z.B. einen sonnenfernsten Bahnpunkt von 161 Millionen km hat und die Erdbahn an der Stelle 150 Millionen km von der Sonne entfernt ist, dann ist er auf der Nachtseite der Erde nur sichtbar, wenn er diesen Punkt erreicht. Sonst – die meiste Zeit seiner Umlaufbahn – befindet er sich von der Erde aus gesehen innerhalb der Erdbahn und damit nahe der Sonne. Dann kann aber kein erdgebundenes Teleskop ihn aufnehmen, da er dann nur am Taghimmel sichtbar ist.

Eine Raumsonde kann sich der Sonne mehr nähern und diesen Nachteil ausgleichen. Daneben überstrahlt ohne Atmosphäre die Sonne nicht die Umgebung. Man kann einen Asteroiden dann auch aufnehmen, wenn er nahe der Sonne, aber nicht vor ihr ist. Das Blickfeld in dem Neocam Aufnahmen machen kann. verdeutlicht dies. Man hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Körper entdeckt, nachdem sie die Erde nahe passierten – aber erst danach. Wären sie nicht an der Erde vorbeigeflogen, sondern aufgeschlagen, man hätte sie nicht bemerkt, bevor es einen Aufschlag gab. So war es auch beim Meteor von Tscheljabinsk.

Das zweite ist, dass viele dieser Körper recht dunkel sind. Sei reflektieren wenig Licht. Das ist eine typische Eigenschaft von Felsen, auch unser Mond reflektiert nur 14 % des Lichts. Zusammen mit der kleinen Größe – die größeren Körper mit 1 km Durchmesser und größer – sind wahrscheinlich zu 90 % bekannt, macht das die Entdeckung schwierig.

Die Lösung von Neocam ist, dass die Kamera im Infraroten arbeitet. Da die Körper die sie suchen soll sich alle innerhalb der Erdbahn befinden sind sie relativ warm und ihr Absorptionsmaximum liegt im Infraroten.Das zeigt die untere Abbildung. Die Detektoren arbeiten bei 4 bis 5,2 und 6 bis 10 Mikrometern Wellenlänge. Das entspricht einer Temperatur von 17 bis 450 K (10/4 mm Wellenlänge). Es gibt auch Infrarotkameras an irdischen Teleskopen, doch arbeiten die im nahen Infrarot. Das Problem: Natürlich strahlt die ganze Umgebung des Teleskops Wärmestrahlung aus. Mann kann zwar das Instrument aktiv Kühlen, z. B. mit flüssigem Stickstoff, doch bei den großen Spiegeln und dem Teleskopgebäude ist das nicht möglich. VISTA und SPHERE die neuesten IR-Instrumente des VLT arbeiten im nahen Infrarot bei 1 bis 2,5 Mikrometern Wellenlänge. Durch das Ausweichen in den infraroten Strahlungsbereich erhofft man sich eine bessere Detektion von NEOs.

Die Orbitwahl

Da es um die NEOs geht, die den größten Teil ihres Aufenthalts innerhalb der Erdbahn verbringen, ist ein Orbit um so günstiger je sonnennäher er ist. Die Kamera kann zwei Zonen nicht beobachten: die Erde selbst und die Sonne. Um beide herum gibt es eine Sicherheitszone, weil die Körper selbst IR-Strajhlung aussenden, die intensive Strahlung der Sonne kann sogar das Instrument beschädigen. Der erste Vorschlag war daher auch eine Sonde in einer Umlaufbahn zwischen Erde und Venus. Das ist sonnenahe genug, um mit Ausnahme einer kleinen Zone um die Erde 180 Grad des Himmels auf der sonnenabgewandten Seite zu beobachten, dazu käme dann noch die sonnenzugewandte Seite mit Ausnahme der Region um die Sonne. Wenn man um diese einen 90 Grad Bogen zieht – in Anlehnung an die Grafik oben – sind 270 Grad von 360 Grad zugänglich.

Neocam wird im L1-Librationspunkt stationiert. Das ist ein Punkt 1,5 Millionen km von der Erde entfernt, in der Verbindungslinie Erde-Sonde-Sonne. Genauer gesagt, sie macht einen komplexen Bogen um diesen Punkt. Wie die Grafik zeigt, muss man hier die Erde aussparen, sodass man auf weniger als 180 Grad Beobachtungsfeld kommt. Der Orbit hat andere Vorteile. So ist er mit weniger Energie zu erreichen – die Geschwindigkeit für einen Orbit zwischen Erde und Venus ist zwar nicht viel höher, doch damit die Sonde nicht wieder zur Erde zurückkehrt, muss dieser später zirkularisiert werden, was ebenfalls Energie und damit Treibstoff benötigt. Der Hauptgrund für diesen erdnahen Orbit ist aber, dass man in der Fertigung von IR-Sensoren große Fortschritte gemacht hat. Vor 20 Jahren hatten die 256 x 192 Pixel, vor zehn Jahren erreichten Sie 1 MPixel und NeoCam wird 4 MPixel Sensoren, davon 4 pro Kanal (acht insgesamt) einsetzen. Das sind 32 MPixel pro Bild. In einem Orbit zwischen Erde und Venus – sagen wir mal in 125 Millionen km Distanz, schwankt die Distanz zur Erde stark zwischen 25 und 275 Millionen km. Entsprechend sinkt die Datenrate ab und eine Sonde benötigt ein sehr leistungsfähiges Sendesystem. Im L1-Punkt ist die Sonde ständig etwa 1,5 bis 2 Millionen km von der Erde entfernt, also 10 bis 20-mal näher und die Datenrate entsprechend höher. Die Sonde kann daher viel kleiner und kostengünstiger sein.

Mein Senf

Ich weiß nicht, ob das Geld in eine Raumsonde gut investiert ist oder man vielleicht besser in erdgebundene Teleskope investiert hätte. Die haben 30 % der Neos ab 140 Meter Größe detektiert (die Gesamtzahl beruht auf Abschätzungen basierend auf der Größen- und Orbitverteilung der bekannten Körper). Pan-STARRS, das in den letzten Jahren die meisten Entdeckungen machte, kostet nur ein Fünftel der Sonde, und wenn man dann fünf weitere baut, müsste es auch gehen, sogar schneller und die Teleskope kann man auch für andere Zwecke nutzen. Klar entdecken diese nur Körper, wenn sie die Erde, schon passiert haben. Doch da man keinerlei Möglichkeiten oder auch nur Konzepte hat, einen Einschlag zu verhindern spielt das eigentlich keine Rolle.

Die NASA hat wohl auch lange Zeit darauf gesetzt, dass sie die Mission nicht benötigt. So wurde spekuliert ob der schon eingesetzte IR-Satellit WISE die Kröper findet. Er wird seit dem September als NEOWise dafür eingesetzt und entsprechend umbenannt. Die Detektoren von WISE sind ähnlich empfindlich wie die von NeoCam, aber sein Teleskop bildet eine viel kleinere Fläche ab, sodass man NEOCam wohl doch noch braucht. Ihr Teleskop hat ein 20-fach höheres Gesichtsfeld.

Das Konzept von NEOcam ist für mich stimmig, doch frage ich mich, warum es nur ein Teleskop ist. Die Größe von 50 cm Durchmesser hat man sicherlich genau gewählt – ein größeres Instrument würde zwar schwächere Objekte entdecken, bildet aber auch ein kleineres Feld ab, sodass man in der vorgegebenen Beobachtungszeit eine kleinere Himmelsregion absuchen kann und entsprechend weniger NEOs entdeckt oder für das 90%-Ziel länger braucht. Aber Neocam ist leicht: Die Sonde wiegt 1,3 t. Sie wird mit einer Atlas V oder Falcon 9 gestartet. Selbst die kleinste Version der Atlas V kann aber 3.300 kg auf einen Fluchtkurs bringen. Für eine Falcon 9 errechne ich bei einer Seebergung auch 3 t. Die Sonde könnte also mindestens doppelt so schwer sein. Das würde es erlauben:

  • Entweder mehrere dieser 50-cm-Teleskope einzusetzen – man erkennt so zwar keine kleineren Brocken, aber braucht keine 10 Jahre, sondern entsprechend kürzer um alle zu entdecken.
  • Oder man setzt mehrere größere Teleskope ein. Zwei von 70 cm Durchmesser haben das gleiche Gesichtsfeld wie ein 50-cm-Teleskop, bauchen also gleich lange, finden aber halb so lichtschwache Körper.

Noch ist NeoCam aber immer noch nicht in trockenen Tüchern. 2017 gab es nur 3 Millionen Dollar für weitere Konzeptarbeiten. Die Mission ist aber selbst noch nicht genehmigt.

2 thoughts on “Die schwere Suche nach NEOs

  1. Mal ne Frage dazu. Was würde/könnte die NASA/die Menschheit unternehmen wen jetzt festgestellt werden würde das ein großes Objekt Kurs auf die Erde nimmt und ein Einschlag bevorsteht?
    Im Internet findet man dazu lauter wilde Sachen bis hin zu dem Einsatz von Atomwaffen von „Armageddon“ mal ganz zu schweigen. Aber was hätte die Menschheit konkret für abwehrmöglichkeiten wen man jetztvFeststellen würde in wenigen Wochen/Monaten Trifft ein Objekt von bedrohlichen Ausmaß auf die Erde?

    1. Das hängt von der Größe und der Zeit ab. Realistischerweise haben wir selbst wenn man Atomwaffen einsetzt (die meisten halten das für keine gute Idee) Jahre zur Vorbereitung einer solchen Mission.

      Die meisten Szenarien gehen aber davon aus das man ein solches Objekt Jahrzehnte vor einem Einschlag entdeckt und dann langsam vom Kurs abbringt. Das kann geschehen indem man ein Raumschiff mit Ionentriebwerken ankoppelt und so langsam den Kurs ändert oder indem man Farbe auf die Oberfl#che oder Teile aufbringt – Das Licht hat einen wenn auch kleinen Schub, denn man bei Sonnensegeln ausnutzt.

      Der wichtigste Faktor ist Zeit – wenn man z.B. die Geschwindigkeit nur um 1 m/s ändert so sind dies in einem Jahr eine Strecke von etwa 31.000 km, also mehr als der Erddurchmesser. Allerdings wiegt schon ein (kugelförmiger) 140 m Brocken bei einer Dichte von 2,2 etwa 3,16 Millionen Tonnen und bei chemischem Treibstoff brüchte man um die 1000 t um ihn nur um diese 1 m/s beschleunigen. Hat man 10 Jahre Zeit so sind das nur noch 100 t und bei 100 Jahren dann 10 t.

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