Die Novembernachlese zu SpaceX

… fällt diesmal kurz aus. Es gab ja kaum was Neues. Einen Start, den Ersten seit August und eine Bodenverpuffung mit zerstörter Rakete, das war es im Wesentlichen. Doch der Reihe nach.

Der Starlink-2 Start war dahin gehend interessant, weil er meiner Meinung nach die Performance der Falcon 9 für LEO Bahnen liefert. Die Satelliten waren diesmal etwas schwerer (227 zu 200 kg), aber auch die Orbithöhe ist niedriger (341 zu 445 km). Da es sinnvoll ist, sie möglichst nahe an der Zielorbithöhe auszusetzem gehe ich davon aus, dass die 13.620 kg (+ Dispenser) die maximale Nutzlast der Falcon 9 bei LEO-Bahnen und Bergung ist. Schon die 13.270 kg beim letzten Start wurden ja nicht in der Zielbahnhöhe ausgesetzt. Angeblich um den Ionenantrieb zu testen – wer‘s glaubt. Den braucht man sowieso um die Satelliten in der Bahnebene gleichmäßig zu verteilen, sonst würden sie ja immer wie am Anfang in kleinem Abstand auf einem Bogen die Erde umkreisen. Das meine Vermutung die richtige ist zeigt auch das die Falcon 9 für einen nur 341 km hohen Orbit ein Zweiimpulsmanöver benötigte – den erreicht man eigentlich auch im direkten Aufstieg, doch das kostet mehr Treibstoff sprich weniger Nutzlast. Die Satelliten sind zwar schwerer und sollen verbessert sein, sind aber immer noch so hell und haben jetzt schon etliche prodessionelle Himmelsaufnahmen ruiniert. Hobby- und Profiastronomen sind nicht erfreut. Immerhin SpaceX hat etwas geschafft was weder massive Straßenbeleuchtung noch Disco-Scheinwerfer hinbekommen haben, nämlich die völlige Lichtverschmutzung des Himmels, auch in Gebieten, die vorher noch frei von menschlichen Einflüssen waren.

Immerhin, für Dezember sind gleich vier Starts (nach dem US-Freundlichen Portal SpaceFlight Now vier Starts geplant:

  • Am 4.12. ein Versorgungsflug zur ISS, der vorletzte der CRS-1 Runde. Orbital hat ihre Flüge übrigens schon abgeschlossen, obwohl kein Raumschiff und keine Rakete wieder verwendet wurden.
  • Am 15.12. folgt JCSAT 18. Dieser Start eines Kommunikationssatelliten ist dahin gehend interessant, da er 6.800 kg wiegt und damit mehr als die Falcon 9 in einen GTO transportieren kann. Der Orbit wird daher subsynchron sein und daraus kann man wieder die genaue Performance abschätzen.
  • Ende Dezember soll noch ein Starlink Start stattfinden.
  • Als weiteren Start zählt Spaceflight now einen Launch-Abort Test der Crewed Dragon, ohne aktive Oberstufe, bei der diese nach zwei Minuten im Flug abgetrennt wird. Ich sehe das nicht als Start an, es ist ja nicht mal eine vollständige Rakete, geschweige denn das ein Orbit erreicht wird. Die Tests der Litte Joe I und II tauchen bei den Mercury- und Apollostarts ja auch nicht auf.

Aber nächstes Jahr wird alles besser. Dann gibt es alleine 24 Starlink Satellitenstarts, genauso wie es dieses Jahr sieben Starlinkstarts gibt (so viele wurden zumindest zu Jahresanfang angekündigt) und Zeit für andere Kunden hat man dann eh nicht mehr. Das Konzept, das man sich selbst aus dem Sumpf zieht, hat ja schon vor 200 Jahren ein Deutscher erfunden: Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von M. Die Geschichten um ihn haben auch sonst einige Ähnlichkeiten zur Pressearbeit von SpaceX. Auch er wurde von seinen Zeitgenossen vollkommen missverstanden und sie machten sich über ihn lustig, dabei erfand er die Genkanone und Überschallreisen. So macht es auch nichts aus, wenn man SpaceX keine neuen Kunden gewinnt. In 200 Jahren wird Musk dann wohl genauso wie Hieronymus M. gefeiert werden…

Dann hat man die erste „Super Heavy“, so heißt die erste Stufe des kommenden Gefährts, bei einer Probebefüllung in die Luft gejagt – die Story erschien bei SpaceFlight Now übrigens nie als Headline, was neben der US-freundlichen Berichterstattung einen weiteren Hinweis auf die Neutralität dieses Portals gibt, ebenso wie es einen Bericht übner die Explosion gibt, aber zwei über die Probezündung einer Falcon 9. (Hier und Hier)

Es handelt sich bei dem explodierten Teil um das Gefährt das Ende September vorgestellt wurde. Ich hatte es immer als Mockup angesehen, aber es ist das erste operationelle Gefährt, „Mark I“. Den Orbit will man mit Mark 4 erreichen – oder Mark 3, so genauso weis er das selbst nicht „that the orbital flight would be done with the Mark 3 prototype, he said a few minutes later that first orbital flight would be done with a Mark 4 or Mark 5 prototype“. Ich nahm immer an das wäre ein zusammengeschustertes Modell, ein Mockup. Ähnliche kennt man ja auch von anderen Raketen in Ausstellungen oder Flugschauen. Weil man auf den Aufnahmen Beulen sieht, erkennbar an der ungleichmäßigen Reflexion der Sonne und Nieten – Nieten werden in der Luftfahrt schon lange nicht mehr eingesetzt (ich glaube seit den Dreißiger Jahren) und im Raketenbau wurden sie noch nie bei den Tanks genutzt, nicht mal bei der A-4. Entsprechend muss man sich nicht wundern, wenn das Ding in die Luft fliegt. Aber wir wissen ja, mit Mark 2 bis 5 wird alles besser und die Dinger sind nicht nur besser, sondern haben oh Wunder auch eine von 200 auf 120 t absinkende Masse. Musk sollte das mal bei der Tesla-Produktion umsetzen, dann käme das bei größerer Reichweite mit einer kleineren Batterie aus und wäre wohl auch billiger. Tesla baut ja jetzt in Brandenburg eine Fabrik, wichtig scheint wohl gewesen zu sein, dass der BER der einzige Flughafen auf der Welt ist, auf der ein Starship landen darf – zumindest solange bis dort auch Flugzeuge landen …

Immerhin gibt es einen neuen Rekord den SpaceX aufgestellt hat: sie sind die erste Firma/Raumfahrtagentur, die mehr Raketen auf dem Boden verloren haben als im Flug. Vorher hielt Brasiliens VLS den Rekord mit einer Bodenexplosion und einem missglückten Start.

Mittlerweile habe ich ja den Eindruck, dass meine Glosse von 2011 über SpaceX und die Benutzung von A-4 Technologie gar nicht mal so falsch war. Super-Heavy/Starship sehen der A-9/A-10 Transatlantikrakete von Wernher von Braun sehr ähnlich. Wie dort wird Stahl als Werkstoff eingesetzt und wichtiger als der Energiegehalt des Treibstoffs ist, dass er billig ist.

Was SpaceX nicht geschafft hat – eine immer weiter steigende Startfolge haben die Chinesen geschafft. Seit Jahren steigt die Startanzahl laufend an. 29 Starts waren es bisher dieses Jahr. Die USA haben mit SpaceX gerade mal 16 geschafft, Russland 20. Dabei wird keine einzige Rakete wiederverwendet.

Derzeit überlege ich – das neue Jahr nähert sich ja – was meine SpaceX Wette 2019 werden soll, also meine wette gegen eine offizielle Ankündigung von SpaceX, Shotwell oder Musk. Derzeit schwanke ich zwischen einer Wette, dass es nächstes Jahr 24 Starlink Starts geben soll (Ankündigung von Shotwell am 10.9) oder das 2021 das Starship nicht in den Orbit startet („in the next six Months“ allerdings mit einer Unsicherheit „a schedule he estimates to be “accurate to within a few months.”“. Also wenn „a few“ nicht mehr als neun Monate sind, müsste es 2021 noch klappen. Oder habt ihr Vorschläge für eine Wette?

10 thoughts on “Die Novembernachlese zu SpaceX

  1. „Dann hat man die erste „Super Heavy“, so heißt die erste Stufe des kommenden Gefährts, bei einer Probebefüllung in die Luft gejagt –“

    Das war nicht der Mockupprototyp für die Erststufe, sondern die Zweitstufe (das eigentliche Starship).

    Zum Nieten, in der Luftfahrt wird noch sehr viel genietet, z.B. hier: https://www.produktion.de/technik/kleben-versus-nieten-klebe-ist-standard-wie-lange-noch-105.html

    Dass Tanks geschweißt werden ist klar, aber wird bei Interstages oder Tankverbindungen nicht vielleicht immer noch genietet.

    Wie sind deine aktuellen Nutzlastschätzungen für F9 B5 mit/ohne Wiederverwendung?
    (das hier?: https://www.bernd-leitenberger.de/blog/2019/02/15/die-nutzlast-der-falcon-9-mit-wiederverwendung-oder-die-maer-das-wiederverwendung-immer-etwas-bringt/ )

    Und wie die Startkostenschätzungen?

    Zu den Wetten: Einfach nur gegen SpaceX-Aussagen mit Musktime zu wetten ist öde, da sind die Siegchancen zu gut. Vorschläge:
    i) SLS fliegt eine erfolgreiche Mission, bevor das Starship einen Orbit erreicht und wieder landet. Oder beide werden gecancelt (damit die Wette auf jeden Fall aufgelöst wird)
    ii) Starlinkstarts mit Abschlägen, z.B. 16.
    iii) Wette auf Explosion an einem SpaceX-Vehikel oder Prototypen während Flug oder Bodentest
    iv) Ariane 6 fliegt erste mindestens teilerfolgreiche Mission, bevor das erste Starship (Oberstufenteil)-Testvehikel mit mindestens 4 installierten Triebwerken abhebt.
    v) Zum Ziehen von SpaceX-Bodenfahrzeugen wird 2020 mindestens einmal der Cybertruck verwendet.

    1. Hallo Niels,

      Ich errechne mit meinen Daten (Stufenmassen geschätzt, bei der ersten Stufe die Brennschlussmasse solange erhöht bis die Nutzlast den SpaceX Angaben für See- / Landbergung entspricht = Treibstoff für die Landung) für die 341 km Bahn eine Nutzlast von etwa 15,9 t. Die obigen sind ja nur die Satelliten ohne Dispenser.

      Hinsichtlich der Kosten gibt es mit der Bilanz ja einen Anhaltspunkt: Wenn SpaceX bei 19 Starts letztes Jahr und 70 % NASA-Finanzierung (die meisten Einnahmen kommen ja aus CCDev / CRS Flügen) und 2 Mrd Dollar Umsatz gerade mal 10 % Gewinn vor Steuern macht, dann dürften auch die Startkosten um nicht mehr als 10 % niedriger sein. Eher dürfte die staatliche Finanzierung (Starts für NASA und DoD kosten zwischen 84 und 96 Mill. $) die anderen Starts noch quersubventionieren.

      1. Mir ist noch immer nicht ganz klar welche Zahlen du für welche F9-Version für welches Wiederverwendungsszenario schätzt. Siehe dazu die Frage unter dem oben verlinkten Blogpost.

        Zu dem Gewinn, ich finde den Link auf die schnelle nicht, aber der Gewinn war sogar noch ohne einen Teil der Entwicklungskosten und evtl. auch ohne Abschreibungen.

  2. Nun, 2020 soll ja eine bemenschte Crew Dragon fliegen … oder vielleicht auch nicht? Beim In-Flight-Abort-Test könnte ja etwas schief gehen oder irgendwelche „bürokratische“ Hürden der NASA kommen dazwischen? Das wäre schon eine Wette mit einem gewissen Risiko, wenn man dagegen wettet, dass 2020 eine Crew Dragon Astronauten zur ISS bringt. Optional kann man auch wetten, dass Boeing schneller ist.
    Btw. Bürokratie: Da kann man auch noch wetten, dass der Bau des Tesla-Werks in Brandenburg nicht schon Anfang 2020 begonnen wird. Es fehlt z.B. wohl noch ein Gutachten zur Umweltverträglichkeit – also, das kann dauern!

    1. Boeing wird nach offiziellen NASA-Schedule vor SpaceX die erste bemannte Mission durchführen. Während der für Mitte 2020 vorgesehen ist steht bei SpaceX nur „TBD“.

      Tesla ist eine eigene Sache, greife ich gerne auf weil es Parallelen gibt (wird von jedem gehypt, fällt aber gegen alle eigene Prognosen zurück und war noch nie im Plus), hat aber nichts mit Raumfahrt zu tun, sodass ich da nicht wette. Wenn dann würde ich eher drauf setzen, das der BER vor der Fabrik eröffnet wird …

    2. Beim ersten bemannten Start würde ich auch klar auf Boeing setzen. Boeing hat erst vor kurzem den Start bruch erfolgreich getestet (auch wen sich nur 2 der 3 Hauptfallschirme geöffnet haben) und im Gegensatz zu Spacex sieht es so aus als könnte Boeing seine Landetechnischen Versprechungen (Landung an Land) einhalten.

      1. Mich hat selbst als SpaceX Kritiker verwundert, wie die Firma da hinterherhinkt. Wenn ich mal die Verzögerung durch fehlende Finanzierung ausblendet, die ja auch Boeing traf war es doch so, dass Boeing ein Raumschiff entwickeln musste, SpaceX ein Raumschiff das schon unbemannt im Routineeinsatz war nur noch für bemannte Einsätze qualifizieren musste. Trotzdem hinken sie Boeing hinterher. Selbst die NASA besteht auf mehr Tests, so einem unbemannten Testflug zur ISS zusätzlich und der Flight-Abort Test mit der Falcon 9, alles Tests die Boeing nicht machen musste. Und das war vor den Pannen die es in den letzten Monaten gab.

        Was mich aber bei beiden Firmen wundert ist das sie Probleme mit Systemen haben die eigentlich nicht so neu sind wie Fallschirmen – die werden bei Kapseln seit Jahrzehnten eingesetzt und die Technologie ist im Prinzip die gleiche wie beim Militär die Ausrüstung mit Fallschirmen abwerfen. Trotzdem versagten bei beiden Firmen die Fallschirme bei Tests.

  3. Wie ist der aktuelle Stand bei den Raptortests?
    Wie viele Sekunden wurden bereits bei vollem Brennkammerdruck geschafft?
    (mindestens 2s)

    Das Raptor soll hohes Schub/Gewichts-Verhältnis mit Wiederzündfähigkeit, wahnsinnigem Brennkammerdruck und wartungsamer Wiederverwendung (sehr hohe Gesamtbrenndauer) verbinden-bevor ich das alle glaube, würde ich schon gerne ein paar Ausdauertests sehen.

    1. So fleissig wie das Musk Imperium bei allen Zukunftsnachrichten twittert und in den Medien präsent ist (bemannte Mondumrundung in 2018, vollautonome Durchquerung der USA, Mad Max style „pickup“, bemannter Marsflug 2024, schöne Bilder eines Starships auf dem Mond inklusive Aufzug etc etc), so sparsam ist Space-X mit harten Fakten (siehe auch das F9 User Manual). Honi soit qui mal y pense.
      Das Einzige was ich mal gesehen habe, war eine Druckkurve eines der letzten Raptortests, da sind sie tatsächlich für den Bruchteil einer Sekunde über (ich glaube) 300 bar oder so BK Druck gekommen. Für die Muskisten ein feuchter Traum eines neuen „world records“, für mich sah das aus wie eine klassische Instabilität der Verbrennung.
      Immerhin haben sie einen Raptor ja schon mal für einige Sekunden im Betrieb gehabt (der fliegende „Wasserturm“)

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