Zeit für ein letztes Selfie

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Vor einigen Wochen lief eine Dokumentation über Voyager auf Arte. Meiner Ansicht nach hat man dort zu viel Wert auf die Goldene Schallplatte gelegt, aber sei es drum. Die Sendung hat mich aber inspiriert. Denn erwähnt wurde, dass Voyager 1, als die Mission schon vorbei war, am 14.2.1990 ein letztes Foto Mosaik aufnahm. Voyager 1 Kameras waren schon seit 1981 nicht mehr aktiv gewesen, nun waren auch die letzten Daten von Voyager 2 übertragen und die beiden Sonden begannen ihre Heliosphärenmission. Das bedeutete, das man alle Instrumente endgültig abschalten würde, die nicht für diese Mission gebraucht wurden und, da nun nur noch Teilchen und Felder gemessen würden, waren dies auch die Kameras an beiden Raumsonden. Das diente zum einen zum Einsparen von Strom – selbst wenn die Instrumente nicht aktiv waren so waren aber Heizelemente aktiv und zum Zweiten wurden die wissenschaftlichen Teams der Instrumente aufgelöst, um Kosten zu sparen.

Voyager 1 war immer die weiter entfernteste der beiden Sonden und sie entfernt sich auch schneller von der Sonne als Voyager 2. Das liegt daran, dass sie sich näher an Jupiter und Saturn näherte und so „mehr Schwung“ bekommen hat. Das konnten die beiden Vorbeiflüge von Voyager 2 an den kleineren Planeten Uranus und Neptun nicht aufholen, zudem bremste einer der beiden Vorbeiflüge die Sonde sogar leicht ab. Da zudem Voyager durch den Saturnvorbeiflug die Ekliptik verlassen hat, gab es so einen einmaligen Blick von schräg oben auf das Sonnensystem. Voyager machte 60 Aufnahmen, da die Kamera während des Schwenks von einem Planeten zum anderen aktiv war. Von den damals noch neun Planeten lichtete die Sonde sechs ab. Merkur war zu sonnennah, Mars stand in einer ungünstigen Beleuchtungsstellung und Pluto war zu lichtschwach, um aufgenommen werden zu können.

Das „Familienportrait“ war wissenschaftlich nutzlos, aber wie die Apollo 8 Aufnahmen der aufgehenden Erde über dem Mondrand zeigten sie etwas Bekanntes aus einer anderen Perspektive, die vielleicht bei dem einen oder anderen einen Denkprozess auslöst. Die Erde ist auf dem Bild (theoretisch) 0,12 Pixel groß, dabei ist die Kamera an sich nicht schlecht, würde man sie von der Erde auf den Mond richten, so füllt der mehr als das ganze Blickfeld aus.

Lange Zeit war das Familienporträt geplant, alle Vorschläge wurden von 1981 bis 1988 abgeschlagen, 1989 gelang es, Ed Stone zu überzeugen. Er war der Voyager Project Scientist, der Chef aller wissenschaftlichen Teams. Er hatte vorher nie gegen die Beobachtungsvorschläge gestimmt, war aber auch nie bei dem Beschluss anwesend. Das machte eine Ablehnung einfach. Gleichzeitig betrieb Carl Sagen Lobbyismus beim NASA-Headquarter, damit die dort Verantwortlichen sich über die Planer von Voyager hinwegsetzten. Das war erfolgreich, doch dann tauchte ein Stolperstein auf. Kalkulationen gingen davon aus, dass die Gesamtkosten dieses letzten Fotomosaiks 2,2 Millionen Dollar betragen würden. Aber die gab es nicht im Haushalt. Sagan konnte Len Fisk (NASA Science Mission Directorate Associate Administrator) überzeugen, dass dieses Porträt mehr wert wäre als 2,2 Millionen Dollar. Letztlich wurde die Ausgabe genehmigt. Es gab dann noch den letzten Vorstoß, nicht nur mit Voyager 1, sondern auch mit Voyager 2, die noch nicht weit von Neptun entfernt war, ein solches Porträt zu machen. Doch das wurde leider abgelehnt. Diese Aufnahmen hätten eine zweite Perspektive geboten und es wären sogar Stereoaufnahmen möglich gewesen.

Es begann die Planung für das Familienporträt. Zuerst wollte Kohlhase neben den Aufnahmen der Planeten mit der NAC auch den gesamten Sternenhimmel um sie herum mit der WAC abbilden. Das wären 10 × 30 Bilder gewesen. Doch das war zu viel für den Bandrekorder, der 96 Bilder speichern kann. In Realzeit kann Voyager 1 sie aus dieser Entfernung nicht übertragen. Schließlich wurden folgende Aufnahmen angefertigt: sieben NAC Aufnahmen in drei Farbfiltern für die Planeten, 37 WAC Aufnahmen mit dem Klarfilter für den Hintergrund und zwei WAC Aufnahmen der Sonne – die letzten beiden Aufnahmen, falls die Kamera beschädigt wird. Zusammen sind das 60 Aufnahmen.

Der geeignete Zeitpunkt musste bestimmt werden. Es gab zwei Fenster, die sich aus dem Workflow beim JPL und dem Stand der Planeten ergaben. Januar bis März und Juli bis September 1990. Den besten Winkel (die maximale Entfernung der Erde von der Sonne) gab es im Februar 1990. Also wurde der 14. Februar als Aufnahmezeitpunkt festgelegt. Die Belichtungszeiten waren unterschiedlich und lagen zwischen 0,24 Sekunden bei Venus und 15,36 Sekunden bei Uranus und Neptun. Für Neptun wäre eine längere Belichtungszeit wünschenswert gewesen. Doch die Tabelle für die Belichtungszeiten, Shutter-Modi und Filter war schon 49 Worte lang. Maximal 50 Worte durften es sein – anders als bei den Mosaiken, die von den Monden und Gasriesen bisher gemacht wurden, wechselten die Modi für jeden Planeten und benötigten daher mehr Platz.

Am 14.2.1990 nahm Voyager 1 ein letztes Bildermosaik auf. Die Kameras wurden zuerst drei Stunden aufgewärmt. Dann begann die Aufnahme der Bilderserie mit Neptun und wurde auf den DTR aufgezeichnet. Das dauerte insgesamt elfeinhalb Stunden. Nun mussten sie noch zur Erde übertragen werden. Für die nötige hohe Datenrate wurde eine 70 m Antenne mit einer 34 m Antenne kombiniert. Vier DSN-Passes von je vier Stunden Dauer waren nötig. Doch das DSN war gerade voll mit Galileo beschäftigt. Ein Brief von Kosmann an das Galileo-Projekt war erfolgreich. Sie traten ihre DSN-Zeit für das Übertragen der Bilderserie an Voyager ab. Dann wurde nochmal spannend, denn die zweite Übertragungssession wurde von schlechtem Wetter gestört. Dasselbe passierte bei der Wiederholung. Erst am 1. Mai 1990, mehr als einen Monat nach Plan, waren die letzten Bilder auf der Erde angekommen.

Planet

Distanz Mrd. km

Phasenwinkel

Durchmesser

Helligkeit [mag]

Neptun:

4,61

83

0,5 Pixel

8,9

Uranus:

4,51

103

0,5 Pixel

8,3

Saturn:

5,26

117

1,1 Pixel

4,7

Jupiter:

6,57

43

3,5 Pixel

2,8

Mars:

5,84

145

0,03 Pixel

9,7

Erde:

6,06

73

0,12 Pixel

5,2

Venus:

6,03

83

0,11 Pixel

4,3

Der Phasenwinkel gibt den Winkel zwischen der Sonne und dem Beobachter an und damit, wie viel er vom Körper sieht. Bei einem Phasenwinkel von Null ist die Scheibe voll beleuchtet (analog dem Vollmond) und bei 180 Grad nur die Nachtseite (Neumond).

Die Aufnahmen sahen zuerst nicht besonders spektakulär aus. Strahlen durchzogen viele Aufnahmen, sie kamen von Reflexionen an den Kalibrierlampen der WAC. Die Aufnahmen waren verrauscht. Aufgrund der langen Belichtungszeit und der Bewegung der Sonde waren Uranus und Neptun keine Punkte, sondern kurze Linien. Merkur war zu nahe an der Sonne, sie überstrahlte ihn, Mars hatte einen ungünstigen Phasenwinkel und war zu lichtschwach für die Aufnahme. Dabei wurde seine Aufnahme deutlich länger belichtet als die der anderen inneren Planeten. Jupiter und Saturn waren als einzige Planeten groß genug, um mehr als ein Pixel zu füllen. Pluto stand weit abseits der anderen Planeten und war zu lichtschwach, um detektiert zu werden.

Dieses Mosaik hatte keinen wissenschaftlichen Wert. Aber aufgenommen aus 5,95 Milliarden km Entfernung waren selbst die großen Planeten Jupiter und Saturn nur kleine Lichtpunkte. Vielleicht hat dieses Bild ein paar Menschen dazu angeregt, wie einzigartig und klein unser Planet ist und wie dringend er erhalten werden muss. Ähnlich wie es das Bild der über dem Mond aufgehenden Erde von Apollo 8 tat.

Carl Sagan sagte bei der Vorstellung des Bildes zur Erde (die er erst finden musste, weil sie in einem Reflexionsstrahl lag und daher noch weniger auffiel):

„Und dort leben wir, auf einem blauen Fleck. Ein blauer Fleck und jeder Mensch, den sie kennen, jeder von dem sie gehört haben, jeder Mensch, der je existierte, hat hier sein Leben gelebt. Ich denke, diese Perspektive unterstreicht unsere Verantwortung, diesen blauen Fleck zu bewahren und zu behüten. Es ist das einzige Zuhause, das wir haben … Es wird niemand kommen, um uns vor uns selbst zu retten, es liegt an uns“.

Das war 1990. Das der Mensch die Erde global verändert, war 1990 schon bekannt. Es gab das Ozonloch über der Antarktis. Der Anstieg des Kohlendioxids wurde seit Jahrzehnten gemessen. Satellitenaufnahmen zeigten die Abholzung des Amazonas und die Ausbreitung von Wüsten. Im selben Jahr fand die erste Weltklimakonferenz in Genf statt. Das ist über 30 Jahre her, eine ganze Generation, und doch hat sich seitdem wenig getan. Aus unserer Perspektive erscheint die Erde so groß, fast unendlich. Ressourcen erscheinen unerschöpflich, zumindest solange bis sie knapp werden. Vor allem aber scheinen wir Menschen nicht fähig langfristig zu handeln, wenn es uns kurzfristige Nachteile bringt.

Zwanzig Jahre später nahm Messenger ein zweites Porträt auf, diesmal aus dem Merkurorbit. Das ist eine weitere Perspektive, denn von innerhalb der Erdumlaufbahn hat noch nie jemand die Erde gesehen. Inzwischen ist New Horizons weiter von der Sonne entfernt, als es Voyager 1 damals war. Voyager 1 machte die Aufnahme aus rund 6 Mrd. km Distanz, New Horizons ist mittlerweile 7 Mrd. km entfernt. Die NASA feierte schon Aufnahmen der Sonde als die aus der bisher größten Distanz. Sie zeigen allerdings nicht das Sonnensystem, sondern andere KBO, auch wenn man die nicht auflösen kann, so kann man über die Aufnahme aus einem anderen Blickwinkel mehr über sie und ihren Orbit erfahren.

Es wäre also Zeit das New Horizons, bevor auch diese Sonde abgeschaltet wird, ein letztes Porträt aufnimmt. Eine höhere Auflösung darf man sich nicht erhoffen. Zwar ist die Kamera LORRI von New Horizons rund 45 % höher auflösend, aber die Sonde ist auch weiter entfernt und bis auf Jupiter und Saturn dürften die meisten Planeten nur etwa 1 Pixel oder kleiner sein. Die Kamera ist aber lichtempfindlicher. So dürften die Verschmierungseffekte, die man auf den Voyager Bildern sieht, deutlich kleiner sein.

Kann die Sonne die Kamera blenden oder gar zerstören? Nun, wenn es die letzten Aufnahmen sind., spielt das keine Rolle, dann würde man von Außen bei Neptun (oder Pluto – ist ja kein Planet mehr) beginnen und die Sonne mit den innersten Planeten (aus der Distanz bildet 1 Bild rund 35 Millionen km ab) zuletzt aufnehmen. Ich glaube aber nicht das es Probleme gibt. Die Sonde ist mittlerweile 47 AE von der Sonne entfernt. Die Helligkeit der Sonne nimmt im Quadrat zur Entfernung ab, sie ist also 47² = 2.209 mal dunkler als bei uns. Das entspricht wenn die Sonne bei uns maximal 160.000 Lux erreicht rund 80 Lux und damit ist sie nur etwa so hell wie ein schlecht beleuchtetes Zimmer. Selbst wenn man die Kamera direkt in die Sonne richtet, reicht das nicht aus sie zu schädigen. Astrofotografen, welche die Sonne durch ein Teleskop aufnehmen, verwenden üblicherweise dafür Filter mit einer Abschwächung um den Faktor 1.000 bis 10.000, dass liegt in derselben Größenordnung. Man wird die Belichtungszeit anpassen müssen, aber das war es auch schon.

Ich meine das wäre ein würdiger Abschluss der Mission. Was meint ihr?

2 thoughts on “Zeit für ein letztes Selfie

  1. Ja, das wäre es!
    Das erste Mal von der New Horizon Mission erfuhr ich Ende der 80er oder Anfang der 90 Jahre in einem Vortrag am Stuttgarter Planetarium. Dann in einem „Kosmos, das Himmelsjahr“ kamen weitere Details.
    Und jetzt ist die Mission am Ende. So schnell vergeht die Zeit!

    Science-Fiction Modus an:
    Jetzt dienen unsere Raumsonden nur noch als Zielobjekte entweder für die Klingonen oder für die Orion als „kleine taube Nuß“ die Frequenzen stören“
    Science-Fiction Modus aus.

    Damals als die Mir-Station aufgegeben wurde, hatten die Russen gesagt: Laßt sie uns mit einer großen
    Aktion verabschieden.
    Wenn ich mich richtig erinnere wurde ein Aufschlag auf dem Mond, oder einem Übergang in eine Sonnenumlaufbahn, oder sogar eine Fluchtbahn aus dem Sonnensystem diskutiert.

    Leider ist dann nur ein „schnödes“ Verglühen in der Atmosphäre daraus geworden.

    1. Du irrst dich was MIR angeht. Man versuchte lange die Finanzierung zu sichern, aber nicht mal das klappte. Technisch gesehen hätte man rund 300 t Treibstoff gebraucht um die rund 100 t schwere Station auch nur auf Fluchtgeschwindigkeit zu bringen (von einer Fluchtbahn aus dem Sonnensystem mal ganz zu schweigen). Russland hatte nicht mal die Ressourcen die 14 t Versorgungsgüter die die Mir pro Jahr brauchte aufzubringen. Wie sollte das klappen? Mit der Transportkapazität hätte man die MIR 20 weitere Jahre betrieben können.

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