Gute Aprilscherze, Quiz Shows und die Ewigkeit in Deutschland

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Da ich in den Medien dauernd höre, wie schlimm die Maßnahmen zur Eindämmung des Covid-19 Virus doch sind und jeden Tag Sondersendungen kommen, will ich euch nicht auch noch mit einem Blog zu dem Thema nerven. Stattdessen ein kleiner Mischmasch-Blog mit drei Dingen, die für sich alleine zu kurz für einen Blog wären.

Ich habe ja dieses Jahr keinen Aprilscherz gemacht, auch weil mir kein guter Scherz eingefallen ist, doch mir kam einige Tage später die Erinnerung an einen wirklich guten wieder ins Gedächtnis. Es ist schon lange her, über 30 Jahre, aber weil mich das damals beeindruckte, habe ich ihn noch gut in Erinnerung. Es war nicht der Aprilscherz selbst, sondern ein Zeitungsausschnitt über den Scherz, denn ich damals an der Chemikalienausgabe las. Ich glaube sogar ich habe ihn wiedergefunden. Eine Zeitschrift veröffentlichte zum 1. April die Meldung man habe in Bier Ethanol gefunden. Dann wurde ein Fachmann zitiert der beschrieb das Ethanol eine entzündliche Flüssigkeit sei, die unter anderem als Lösungs- und Desinfektionsmittel und Raketentreibstoff genutzt wird. Die gefundene Menge an Ethanol im Bier wäre nach dem Experten durchaus so hoch, dass es giftig sein könnte. Der Scherz lief aber aus dem Ruder, er wurde für ernst genommen. Gaststätten und Getränkeläden verzeichneten Umsatzeinbußen, Brauereien versicherten, ihr Bier enthalte kein Ethanol (und das vor Erfindung des alkoholfreien Biers). Das war denn auch der „Zeit“ dann die obige Meldung wert.

Das ist ein echt gelungener Aprilscherz. Denn dort erfindet man meistens etwas. Habe auch schon getan und verkauft das relativ ernst als Tatsache. Was die Zeitung aber tat, war nichts anderes als Tatsachen zu bringen. Klar, aufgebauscht durch das Urteil des Fachmanns. Er gelang, weil die wenigsten Leute in Chemie aufgepasst haben oder das Fach mögen. Ethanol ist ja jetzt nicht gerade ein unbekannter chemischer Name, anders als die chemischen Bezeichnungen für Kohlenhydrate oder andere komplexe Moleküle. Trotzdem gelang er und die Reaktion von Brauereien zeigen, dass man dort wohl auch nicht viel über die Chemie der eigenen Produkte weiß.

Ich habe das übrigens damals selbst ausprobiert und damit es fair ist, bei einer Berufsgruppe die von Berufs wegen eigentlich ein bisschen Ahnung von Chemie haben müssten: als ich mal ein Lösungsmittel für das Entfernen von Flecken brauchte, fragte ich in der Apotheke nach Propanon. Die Apothekenhelferin wusste nichts davon und holte den Chef, der immerhin einen Doktor im Namen hatte. Der meinte, sie verfügen nicht über Propanon. Ob ich nicht Isopropylalkohol meine? (Immerhin erkennt er das Kohlenstoffgrundgerüst). Selbst als ich insistierte, das Propanon eine Allerweltschemikalie ist die jede Apotheke hat, ging ihm kein Licht auf. Erst als ich nach Aceton fragte. Scheint er begriffen zu haben, das dasselbe ist, nur ist eben Aceton der Trivialname. Das Beschämende ist, das es sich um einen Apotheker mit Doktortitel handelt, da sollte man zumindest Grundkenntnisse in der chemischen Nomenklatur (hier eigentlich nur, das die Endsilbe „-on“ für ein Keton steht) erwarten.

In Deutschland ist es am 1. April üblich, Aprilscherze zu machen. Es gibt jedes Jahr viele gelungene Scherze, die für Aufmerksamkeit sorgen und oft auch für Schmunzeln oder Gelächter sorgen. Im Folgenden sind einige Beispiele für erfolgreiche Aprilscherze aus Deutschland aufgelistet:

  1. Der „Eisdealer“: Im Jahr 2018 verkündete das Startup „Eisdealer“ in einer Pressemitteilung, dass es in Zusammenarbeit mit der Stadt Köln künftig Eis mit THC-Gehalt verkaufen werde. Das Unternehmen versprach, dass das Eis eine „entspannende Wirkung“ habe und für Erwachsene zugelassen sei. Viele Menschen fielen auf den Scherz herein und die Pressemitteilung verbreitete sich schnell in den sozialen Medien.
  2. Der „Hauptstadtgarten“: 2017 gab das Online-Magazin „Mit Vergnügen“ bekannt, dass auf dem Tempelhofer Feld in Berlin ein neuer „Hauptstadtgarten“ eröffnet werde. Der Garten sollte angeblich über eine 20 Meter hohe Rutsche, eine Outdoor-Küche und einen Beachclub verfügen. Tausende Menschen teilten die Meldung in den sozialen Medien und freuten sich auf den neuen Garten, bevor sie bemerkten, dass es sich um einen Aprilscherz handelte.
  3. Die „Katzensteuer“: Im Jahr 2019 verkündete das Satiremagazin „Der Postillon“, dass es künftig in Deutschland eine „Katzensteuer“ geben werde. Katzenbesitzer sollten angeblich 50 Euro pro Jahr für ihre Vierbeiner zahlen. Die Meldung wurde von vielen Menschen geteilt und sorgte für Empörung bei Katzenliebhabern, bevor sie bemerkten, dass es sich um einen Aprilscherz handelte.
  4. Der „Schwarzfahrer-Blitz“: Im Jahr 2016 präsentierte die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) einen neuen „Schwarzfahrer-Blitz“, der angeblich Fahrgäste erfasst, die ohne gültigen Fahrschein unterwegs sind. Die BVG veröffentlichte sogar ein Video, in dem der „Blitz“ vorgestellt wurde. Viele Menschen fielen auf den Scherz herein und diskutierten über die angebliche Neuerung im öffentlichen Nahverkehr.
  5. Der „Pfandschrank“: 2014 kündigte die Supermarktkette Edeka an, dass sie künftig „Pfandschränke“ in ihren Filialen aufstellen werde. Kunden sollten ihre Pfandflaschen in den Schrank legen und dafür einen Code erhalten, mit dem sie sich an der Kasse einen Rabatt auf ihren Einkauf holen könnten. Viele Kunden waren begeistert von der Idee, bevor sie bemerkten, dass es sich um einen Aprilscherz handelte.

Das erinnert mich auch an eine Quizshow, die nur kurz im ZDF lief. Es trat damals ein Team aus vier Leuten an und die Fragen waren, welche die man mit Schulwissen beantworten konnte. Eine war welches von vier Antwortmöglichkeiten nicht zur Gruppe der Halogene gehört. Die Frage war schon relativ hoch dotiert. Trotzdem scheiterten alle vier, wobei es nur einer hätte wissen müssen. Ich bin nicht ganz sicher, wie die Anforderungen in der Schule sind, aber ich glaube das man die der bekanntesten Perioden (Alkalilelemente, Halogene, Edelgase) noch in der Realschule vermittelt bekommt, ein Abiturient sollte sie auf jeden Fall kennen. Die Show wurde bald abgesetzt, ich glaube aber eher, weil die Regeln etwas zu kompliziert waren.

Heute gibt es Quiz Shows en masse. Anders als früher, denken wir an den großen Preis, gehört dazu aber nicht Expertenwissen zu einem Hobby, verbunden mit Allgemeinwissen, um erfolgreich zu sein. Vielmehr geht es um überflüssiges Wissen. Also Fragen nach Details, die man nicht unbedingt wissen muss. Wenn ich mal beim Zappen da hängen bleibe und es ist eine Frage aus meinem Fachgebiet, dann habe selbst ich nur eine 50 % Chance, oft müsste selbst ich nachschlagen. Ich wurde auch schon mal von Redakteuren die solche Fragen suchen, nach Rat gefragt, z.B. Warum bestimmte Paprika angeblich süßer schmecken und ich habe davon selbst noch nie gehört. Es ist für mich offensichtlich, warum man so was fragt: Bei Fragen, die man mit Allgemeinbildung beantworten könnte, gibt es einige Nachteile:

Wenn der Quizteilnehmer, heute ja meist ein Prominenter, sie nicht beantworten, kann blamiert er sich

  • Die vier Antwortmöglichkeiten, die immer vorgegeben werden, machen keinen Sinn – entweder man weiß es oder man weiß es nicht. Damit entfällt ein wichtiger Teil, das Diskutieren, welche Lösung wohl die Richtige wäre und was man aus weichem Grund ausschließt.
  • Auch der Zuschauer weiß die Antwort nicht und das erhöht die Spannung. Zudem kommt er sich nicht blöd vor, wenn er auch die Antwort nicht weiß.

Auf das letzte Blogthema wurde ich durch unser Gemeindeblatt hingewiesen. Am 10.4.1945 wurde jemand bei uns erschossen, weil er angeblich Feindsender gehört hatte, 11 Tage vor Einmarsch der Franzosen. Die Gemeinde regte zum Gedenken an, und das Stadtarchiv erinnerte an anderer Stelle im selben Heft daran, dass dieselbe Person auch die war, die im Mai 1932 als erster Wirt der NSDAP Räume für ihre Kundgebungen zur Verfügung stellte, also nicht so unbelastet ist.

Ich habe heute Morgen nicht nur einen Strauß auf dem Grab meiner Eltern abgelegt (mein Vater hat zufälligerweise auch am 10.4 Geburtstag), sondern auch mal den Teil mit den Gräbern und Gedenktafeln für die Toten aus den beiden Weltkriegen besucht. Das Besuchen von Soldatenfriedhöfen gehört ja auch sonst zu festen Ritualen der Politik wie vor einigen Monaten im Gedenken an die Invasion in der Normandie, ich denke im Mai zum Jubiläum von 75 Jahren Kriegsende wird es das auch geben. Das hat mich daran erinnert, das in Deutschland das Verhältnis des Gesetzgebers zum Tod schon etwas komisch ist. Zum einen gibt es dafür noch relativ restriktive Vorschriften. So gibt es für Vandalismus auf dem Friedhof den eigenen Straftatbestand „Störung der Totenruhe“, ich meine, die normale Sachbeschädigung hätte auch gereicht. Es gibt auch die Friedhofspflicht, selbst für Urnen. Während es bei normalen Leichen logisch ist, dass man die nicht einfach irgendwo verbuddeln darf, ist das bei Urnen in vielen Ländern nicht so. Schließlich ist vom Toten (und dem Sarg) nur noch Asche übrig. Dort dürfen Angehörige die Urne mit nach Hause nehmen. Ist vielleicht etwas makaber, aber ich, bin mir sicher, dort wird mehr dem Toten gedacht, wenn man die Urne täglich sieht, als wenn die Urne in einem „Friedwald“ unter einem Baum bestattet wird und niemand weiß, wo er liegt.

Dieser hohe gesetzliche Schutz der Toten hat aber eine Einschränkung. Nach Ende der „Laufzeit“ eines Grabes, meist 20 oder 25 Jahre, je nach kommunaler Friedhofsordnung, endet dieser. Also 19 Jahre 364 Tage lang ist das Grab geschützt und wer was dran verändert begeht Störung der Totenruhe, wer auf die Idee käme den Leichnam auszugraben sogar „Leichenschändung“ und einen Tag später darf alles dem Erdboden gleichgemacht werden, und wenn beim Neuanlegen eines Grabs noch Knochen auftauchen, dürfen sie in den Müll geworfen werden. Ist doch unlogisch. Die einzigen Ausnahmen sind Kriegsopfer oder jüdische Gräber. Ihre Gräber haben tatsächlich einen „Ewigkeitsstatus“.

Diese paradoxe Einstellung findet man auch bei Mumien wieder. Die meisten Mumien entstanden ja nicht natürlich, sondern weil die Leute so beerdigt wurden, dass sie möglichst wenig zerfallen. Sei es in den Anden oder in Ägypten und das, weil die Leute glaubten, das sie „erhalten“ bleiben müssten im Jenseits. Nach einer Dokumentation wurden im Alten Ägypten Hochverräter verbrannt, damit man als zusätzliche Strafe die Möglichkeit des Weiterlebens in deren Vorstellungen eines Lebens nach dem Tod auf jeden Fall verwehrt. Wenn man diese Mumien dann heute in Museen ausstellt, dann respektiert man die Einstellung dieser Menschen nicht. Mehr noch, auch in unserer heutigen Vorstellung ist das Ausstellen von Menschen, die man so erkennen kann, besonders, wenn sie noch Gesichtszüge zeigen, eine Mischung aus Voyeurismus, Gruseln und Neugier, aber es ist kein respektvoller Umgang mit den Toten.

One thought on “Gute Aprilscherze, Quiz Shows und die Ewigkeit in Deutschland

  1. Also das waren wirklich gelungene Aprilscherze.

    Aber du hast recht, wirklich gute gibt es selten und ich kenne einige Leute, die bewußt solche Scherze ablehnen, die bewußt nur wen erschrecken sollen.

    Bei Quizshows muss ich immer noch mit Schrecken an eine Folge denken wo eine Kandidatin die Venus behauptete die Vensus wäre kein Planet, sondern ein Stern.

    Was soziale Konventionen betrifft, hat mich dieser Artikel letztens zum Grübeln gebracht…….

    https://thehill.com/homenews/administration/491917-fauci-i-dont-think-we-should-shake-hands-ever-again

    Hat der Sci Fi Film Demolition Man schon wieder eine Sache richtig vorhergesehen…?

    (Und wenn jetzt wegen der ganzen Klopapiersache jemand tatsächlich die „Drei Muscheln“ erfindet, kriege ich einen Lachkrampf…)

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