Die Zahl für heute: 20 Milliarden

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20 Milliarden, das ist es was es den Bund kostet wenn für ein halbes Jahr die Mehrwertsteuer von 19 auf 16 bzw. für Güter, die „lebensnotwendig“ sind wie Lebensmittel (aber auch Bücher) von 7 auf 5 % erniedrigen.

Ich war erstaunt, denn in beiden Fällen ist das keine echt große Absenkung. Prozentual sind es 1/6 und 2/7 und dann nur für ein halbes Jahr. Daraus kann man ableiten, dass die Mehrwertsteuer für enorme Steuereinnahmen sorgt.

Ich habe nachgeschaut und es sind tatsächlich 183,1 Milliarden Euro, die 2019 so erlöst wurden. Da ich gerade vor einigen Tagen meine Steuererklärung abgab, die seit drei Jahren um zwei weitere Formulare gewachsen ist und ich nun für die Abschreibung meiner PV-Anlage noch mal eines brauche (das ich aber nicht in Elster fand) fragte ich mich, wofür ich noch eine Einkommenssteuer abgeben muss. Die ist bekanntlicherweise umständlich und unverständlich ist mit so verständlichen Formulierungen wie „Gewinne im Sinne von §4 Abs. 5b des ….-Gesetzes“. Da frage ich mich, warum man nicht, da man ja sowieso das Geld das übrig bleibt, entweder ausgibt oder anlegt und bei Kapitalerträgen ja auch automatisch die Kapitalertragssteuer abgezogen wird, man nicht diese automatisch einbehaltenden Steuern ausweitet und die individuell erhobenen Steuern mit der Umständlichkeit ihrer Erklärung abschafft.

Immerhin kann man so errechnen, wie viel Umsatz und Anteile auf die beiden Steuersätze entfällt. Die 20 Mrd. Mindereinnahmen gelten ja nur für ein halbes Jahr. Für ein ganzes Jahr sind es 40 Mrd. Nennen wir die unbekannten Anteile für den Umsatz mit reduziertem Steuersatz a und mit normalem Steuersatz b, so gilt:

183,1 Mrd. = a * 0,07 + b * 0,19

und

40 Mrd. = a* 0,02 + b * 0,03

Löst man beide Gleichungen nach a auf, so erhält man:

2615,7 Mrd. = a + 2,71 b

2000 Mrd. = a + 1,5 b

Daraus kann man b errechnen:

615,7 Mrd. = 1,21 b

b = 509 Mrd.

Und b in eine der beiden Gleichungen eingesetzt:

40 Mrd. = 0,02 a + 509 Mrd. * 0,03 b

a = 1236,7 Mrd.

Von den 183,1 Mrd. Steuereinnahmen entfallen 86,6 Mrd. Auf den reduzierten Steuersatz, und 96,5 Mrd. auf den normalen Satz. Das meiste geben Deutsche also für Güter aus bei denen der Satz niedrig ist. Bei den Einnahmen sind durch den höheren Satz beide Teilsteuern ungefähr gleich hoch.

Was mich auch erstaunt: es geht in zwei Tagen den Satz zu senken, man tut sich aber extrem schwer, nur einen anstatt zwei Steuersätze zu haben. Denn das System ist nicht logisch. Lebensmittel entfallen im Normalfall auf den Satz A, aber nicht alle. Bestimmte Lebensmittel gelten als Luxusgut, so Kaffee und alle alkoholischen Getränke (obwohl da auch noch Steuer extra erhoben wird) und damit auf den normalen Satz. Ebenso ist das Essen in der Gastronomie mit dem normalen Satz besteuert, nicht aber zubereitetes Essen zum Mitnehmen. Das ist insofern verrückt, als das McDonalds und andere Schnellimbisse beides anbieten, und zwar zum selben Preis. Wer bei McDonalds also sein Essen mitnimmt und dafür die Allgemeinheit mit Müll belastet, da viele die Verpackungen in der Umwelt entsorgen, sorgt dafür das McDonalds noch 12 Prozent mehr verdient. Die mussten den Verkauf zum Mitnehmen übrigens auch nicht in der Corona-Krise einstellen.

Analoges gilt für Bücher. Lange Zeit galt: gedruckte Bücher. Reduzierter Satz, E-Books: normaler Satz und das bei selbem Inhalt. Seit einigen Monaten hat man das Gottseidank geändert. Ich vermute für uns nicht sichtbar haben Unternehmen genau die gleichen Probleme mit dem Abrechnen nach reduziertem und normalem Satz. Dabei wäre es so einfach: beide Umsätze, a+b zusammen sind 1745,7 Mrd. Euro, das wären also die Konsumausgaben der Deutschen (mithin 21.300 Euro/Person). Würde man 11 Prozent als einheitlichen Satz festlegen, der Bund würde 192 Mrd. Euro einnehmen, sogar etwas mehr als vorher und man würde viel Bürokratie abbauen. Nebenbei würde sich auch die Automobilindustrie freuen, denn so werden ihre Autos um 8 Prozent billiger.

Aber so was geht in Deutschland wohl nicht. Meine Ansicht nach müssen Steuergesetze oder allgemein Vorschriften in Deutschland nur immer komplizierter werden.

Hier noch ein kleine Übersicht über die Mehrwersteuerentwocklung in Deutschland. Sie wurde erstmals 1968 eingeführt und ist seitdem – wenn man von der halbjährigen Pause während der Coronapandemie absieht – nur erhöht worden:

Umsatzsteuersätze in Deutschland seit ihrer Einführung

von/bis Regelsatz Ermäßigter Steuersatz
01.01.1968 – 30.06.1968 10 Prozent 5 Prozent
01.07.1968 – 31.12.1977 11 Prozent 5,5 Prozent
01.01.1978 – 30.06.1979 12 Prozent 6 Prozent
01.07.1979 – 30.06.1983 13 Prozent 6,5 Prozent
01.07.1983 – 31.12.1992 14 Prozent 7 Prozent
01.01.1993 – 31.03.1998 15 Prozent 7 Prozent
01.04.1998 – 31.12.2006 16 Prozent 7 Prozent
01.01.2007 – 30.06.2020 19 Prozent 7 Prozent
01.07.2020 – 31.12.2020 16 Prozent 5 Prozent
01.01.2021 – 19 Prozent 7 Prozent

Ich selbst kann mich noch an den Wahlkampf 2002 ging, als die SPD die Mehrwehrsteuer nicht erhöhen wollte und die CDU um zwei Prozent. Nach den Koalitionsverhandlungen stieg sie dann an aber nicht um zwei Prozent, sondern gleich drei Prozent!

Wofür der ermäßigte Satz erhoben wird ist auch nicht systematisch. Auf dem Kassenbon kann man dies heute ja erkennen, da steht dann meist der Buchstabe „A“ für den niedrigeren Satz und „B“ für den höheren. Ich schaue mir das immer wieder mal an und stelle fest, das wenn ich Getränke kaufe ich „B“ also den höheren Satz bezahle, dagegen wenn ich Katzenfutter kaufe den niedrigeren Satz „A“. Das ist für mich als Laien nicht verständlich. Es gibt enorm viele Ausnahmeregelungen.- Die FDP setzte als sie von 2005 bis 2009 die Regierung stellte, durch das Hotels den niedrigeren Satz für Bewirtung erhalten. Das ging als „Möwenpick Skandal“ in die Geschichte ein und sorgte dafür das die FDP bei der nächsten Bundeswahl aus dem Parlament flog.

Was in den regulären Umsatzsteuersatz und den reduzieren Satz gelangen sollte, darüber gibt es immer wieder Debatten. Vielen ist die Einordnung eine Möglichkeit Umweltschutz, Klima oder Tierwohlziele zu verwirklichen. So gibt es den Vorschlag Fleisch und andere als „ungesund“ gebrandmarkte Lebensmittel mit dem höheren Satz zu belegen, ebenso wie Zucker, Süßigkeiten und anderes „ungesundes“ Zeug. Noch weiter geht die Forderung für „gesunde“ Lebensmittel gar keine Mehrwertsteuer zu erheben wie Obst und Gemüse.

Genauso sollen ökologische Verkehrsmittel wie Tickets für Bahn und Buss oder Fahrräder nur mit dem reduzieren Satz belegt werden.

Immer wieder kommt auch die Forderung nach einem weiteren Satz, einer Luxussteuer für Dinge die – ja nach politischer Provenienz als „Luxus“ angesehen werden. Während das wohl bei Privatjets, Yachten oder Sportwagen relativ unumstritten ist wird es woanders schon problematisch. So kann man argumentieren das ein Auto kein Luxus ist, aber was wenn jemand mehrere Autos hat? Wie will man hier eine Luxussteuer umsetzen?

Vergessen wird auch das es zusätzlich zur Mehrwertsteuer noch weitere steuern gibt die auf Produkte und Leistungen erhoben werden. Das gilt für Energie (Heizöl- und Mineralöl-steuer, Stromsteuer) einzelne Lebensmittel (Kaffeesteuer, Brandweinsteuer, Sektsteuer, Zigarettensteuer …). Auch das ist nicht systematisch. Bei Alkohol und Tabak ist noch der Gesundheitsgedanke zu verstehen, aber bei Kaffee schon nicht mehr. Während man bei Steuern auf Diesel und Benzin noch eine staatliche Lenkungsabsicht unterstellen kann, das das Auto als Verkehrsmittel teuer gemacht werden soll, so ist das bei den Steuern auf andere Energieformen nicht zu verstehen, denn mit irgend etwas muss man ja heizen und selbst wenn man eine Wärmepumpe hat die den Energieverbrauch drastisch absinkt und heute die ökologische Heizung ist, zahlt man Steuern für den benötigten Strom.

[Edit 28.4.2022]

Eine Steuer für alle?

Die hohe Summe von über 183 Milliarden Euro brachte mich auf eine Idee. Das ist ein ansehnlicher Anteil an dem Gesamtsteueraufkommen, das 2021 bei 833 Milliarden Euro – Bund, Länder und Kommunen zusammengerechnet – erlöst wurden. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) also die Summe aller erbrachten Leistungen und produzierten Produkte lag im selben Jahr 2021 bei 4276,2 Milliarden Euro. 833 Milliarden sind 19,4 Prozent dieser Summe. Würde man bei jedem Geldtransfer von einer Person zu einer anderen oder einem Unternehmen der ja immer eine Bezahlung einer Leistung oder eines Produkts ist 20 Prozent einziehen, automatisch durch die Banken, wir bräuchten gar kein Steuersystem mehr, keine Einkommensteuererklärung, keine Grunderwerbsteuer, keine Lohnsteuer, keine Erbschaftsteuer, keine Kapitalertragsteuer, kein Solidaritätszuschlag und natürlich auch keine Umsatzsteuer sowie die obigen spezifischen Verbrauchsteuern.

Der Staat würde enorm viel einsparen, denn der ganze Apparat des Finanzministeriums der die Steuererklärungen bearbeitetet fiele weg. Unternehmen würden Bürokratie abbauen weil auch sei keinerlei Steuererklärungen mehr machen müssten.

Das ganze hätte auch eine Lenkungsfunktion, denn so würden Dinge automatisch teurer wenn sie eine lange Produktkette haben. Nehmen wir Lebensmittel. Obst und Gemüse und Futtermittel ständen bis zur Ernte gleich da, doch Dinge die der Mensch direkt essen kann wie Obst und Gemüse hat dann noch eine stufe, den Handel. Futtermittel landen aber zuerst im Schwein, das dann eine weitere stufe beim verkauf hat, eine dritte kommt durch die Schlachtung zu und wenn daraus Wurst gemacht wird eine vierte. So wird Fleisch automatisch teurer und Wurst noch teurer.

Umgekehrt würde Energie billiger werden, denn die muss nur gewonnen und ausgeliefert werden. Vor allem Arbeitskraft – die ja nur eine Stufe hat würde billiger werden, was dann auch die flucht in die Schwarzarbeit und Barzahlung eindämmen würde. Damit die Wirtschaft konkurrenzfähig wäre müsste die Steuer natürlich auch für jedes importierte Produkt erhoben werden, während man sie für exportierte Produkte erlassen kann.

Innerhalb einer Person wären Geldtransfers steuerfrei, also wenn man zum Beispiel Wertpapier kauft, aber wie bisher auch würden von Zinsen und Gewinnen dann Steuern eingezogen werden.

Wahrscheinlich wird es dazu niemals kommen, denn wie erwähnt muss bei uns ja das Steuersystem kompliziert sein. Aber eine Chance sehe ich wenn wie von der EU gewünscht Bargeld (zur Bekämpfung der Schwarzarbeit) verschwindet, denn dann gibt es eigentlich kein Schlupfloch für eine solche Steuer mehr.

5 thoughts on “Die Zahl für heute: 20 Milliarden

  1. Da die Leute vermutlich mehr Lebensmittel als Autos kaufen, würde das für die meisten faktisch bei den Gegenständen des täglichen Bedarfs eine Preiserhöhung bedeuten. Und die auch noch eher zu Lasten der ärmeren, für die Lebensmittel einen größeren Anteil des Konsums ausmachen.
    Ist mir vollkommen klar, warum man das nicht macht; die Partei, die das durchsetzt, könnte die nächste Wahl vergessen.

    1. Das ist halt irgendwie typisch Deutland.
      Warum einfach machen wen es auch kompliziert geht?
      Genau so verstehe ich nicht warum manche Produkte mehrfach besteuert werden anstatt das man für sie eine einzige Steuer erhebt.
      Auf Benzin Z.B. zahle ich Mineralölsteuer + Mehrwertsteuer + Dan noch den CO2 Preis.
      Mehrere verschiedene Abgaben auf ein Produkt wird doch auch die Bürokratie nach oben Treiben und hierdurch wieder die Kosten für den Staat erhöhen.

    2. Ich würde ja eher noch einen erhöhten Steuersatz für Luxusgüter und/oder umweltversauende Technik einführen. Etwa für überdimensionierte Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor im Verhältnis zu ihrem Nutzen (kurz SUV) …
      Im Übrigen gibt es nicht nur zwei Umsatzsteuersätze, hier ein Beispiel zum Thema Weihnachtsbäume – dürfte ja in wenigen Monaten (d.h. sechs) wieder aktuell werden:
      https://www.steuertipps.de/selbststaendig-freiberufler/umsatzsteuer/kleine-umsatzsteuerkunde-zum-thema-weihnachtsbaum

  2. Wieso sollten zwei oder noch mehr verschiedene Sätze Umsatzsteuer für Firmen zu Problemen sorgen. Es gibt dafür eine Steuerautomatik und die bucht die entsprechenden Anteil Umsatzsteuer und Vorsteuer auf die dafür eingerichteten Buchungskonten. Automatisch bei jeder Buchung. Und dann werden diese Konten automatisch in die Steuererklärungen übernommen. Total easy. Problematisch ist viel mehr, dass das Umsatzsteuerinkasso beim Letztkunden vom Staat auf die einzelnen Unternehmer übertragen wird. Und wenn so einfache Systeme durch Politikerwillkür kompliziert werden. Lebensmittel 7 % aber Luxuslebensmittel 19 %, Lebende Tiere 7 % aber Wildpferde 19 %, Katzen und Hunde 19% aber Blindenhunde 7%, Hühner oder Enten 7 % aber Wachtel oder Strauß 19 %, Zuckerrüben 7% und Zuckerrohr 19 %. Leerer USB-Stick 19%, USB-Stick mit Hörbuch 7%, ausser es ist ein jugendgefährdendes Hörbuch 19%, Wasser und Wasserdampf 7% aber abgepacktes Trinkwasser 19 %. Und ich frage mich seit Jahren, was man mit „Ungenießbaren Eiern ohne Schale“ macht…

  3. Warum noch Einkommensteuer ist eigentlich klar, oder wie soll eine Steuerprogression bei der USt. hergestellt werden. Es geht darum, dass jemand der 1 Million pro Jahr verdient wesentlich weniger davon für Konsum braucht als jemand mit 8000. Wenn also von der Million nur 50% im Inland verkonsumiert wird zahlt so jemand nur 50% der vorgesehenen Steuern, und der mit den 8000 zahlt 100%.

    Dabei müste die Steuer gar nicht so kompliziert sein. Mit Freibeträgen könnte man schon viel vereinfachen, und auch die Vormulargestaltung ließe sich verständlicher gestalten (statt alleine paragraphen zu nennen, könnte man den Feldern ja auch Klarnamen geben. Bei vielen Programmen wird das ja auch schon gemacht (im Hilfetext zu jedem Feld den entsprechenden Pragraphen). Bei einem gespreizten Bereich zwischen Einstiegssteuersatz und Spitzensteuersatz würde sich für viele das Sammeln von Belegen zugunsten von Pauschalen erübrigen. Tja man sollte ausrechnen auf welchen Stundenlohn man durch eine arbeitsaufwendige ausgefeilte Steuererklärung kommt.

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