Luftschiffe oder Satelliten

Kürzlich stolperte ich über das Projekt Stratobus. Das ist vereinfacht gesagt, ein Ballon der stationär in 20 km Höhe schwebt. Er kann eine Nutzlast von 250 kg aufnehmen und hat in der Höhe eine Funkreichweite, die einem Kreis von 500 km Durchmesser entspricht.

Das ist im Prinzip eine Konkurrenztechnologie zu den Konstellationen, die gerade entstehen. Nur gibt es Unterschiede:

  • Der Ballon wird wahrscheinlich nicht ewig am Himmel bleiben. Ich vermute schon alleine deswegen weil er langsam Gas verliert wird man ihn regelmäßig herunterholen. Darin liegt aber auch eine Chance, denn so kann die Ausrüstung, die er trägt, gewartet werden oder ausgetauscht werden.
  • Er ist stationär. Er hat zwar ein Antriebssystem, aber das wird wohl nur den Drift kompensieren. Das ist ein enormer Vorteil, denn ein Satellit bewegt sich in rund 90 Minuten einmal um den Globus und passiert dabei auch in denen er nutzlos ist – entweder, weil dort niemand ist (Arktis/Antarktis, Wüsten, Ozeane) oder weil es keine Kunden gibt (schon durch Telekommunikation gut erschlossene Gebiete, China, Russland). Eine Satellitenkonstellation muss daher für eine dauerhafte Versorgung sehr viele Satelliten umfassen. Bei Starlink sind es bei der ersten Ausbauphase 1.584 Satelliten, bei Oneweb in höheren Umlaufbahnen 648 Stück.
  • Die feste Position lässt viel einfachere Antennen bei den Kunden zu. Das macht sie günstiger. Zudem ist der Ballon näher – minimal 20 km, maximal 250 km. Das lässt bei gleicher Sendestärke und Antennengüte höhere Datenraten zu. Durch die stationäre Ausrichtung kann man auch gut fest ausgerichtet, bündelnde Antennen wie sie für Satellitenfernsehen genutzt werden einsetzen – sie erzielen durch die Bündelung eine hohe Datenrate und die Empfangsgeräte werden für Satelliten.TV schon in Großserie gebaut und sind billig.

Thales scheint diesen Einsatzzweck nicht primär vorzuhaben. Sie schreiben von:

Because it is stationary, the Stratobus TM can offer the permanent regional coverage that moving drones and observation satellites cannot. In addition to surveillance of borders or high-value sites such as offshore platforms, the Stratobus TM can carry out other missions on land or at sea, including security (the fight against terrorism, drug trafficking), environmental monitoring (forest fires, soil erosion, pollution), telecommunications (Internet, 4G/5G) and navigation (GPS local reinforcement).

Nur im letzten Bereich wird Kommunikation angesprochen. Eher habe ich das Gefühl bei dieser Aufzählung, das man an eine militärische Nutzung für Aufklärung denkt.

Das Projekt wurde 2016 gestartet und seitdem sind die Fortschritte auf der Webseite doch überschaubar. Das verwundert etwas, denn zumindest ich sehe es für viele potenzielle Kunden der Betreiber von Satellitenkonstellationen für eine gute Alternative. Der Kundenstamm dieser Betreiber werden vor allem in Industrieländern zu suchen sein, die an und für sich eine gut ausgebaute Kommunikationsinfrastruktur haben, aber eben noch Lücken. Bei uns gibt es sie trotz dichter Besiedelung, ich denke aber die Firmen haben vor allem den US-Markt im Sinn, denn das Land ist schon im Durchschnitt weniger dicht besiedelt als Deutschland. Noch bedeutender: die meisten Menschen wohnen an den beiden Küsten. In der Mitte ist die Bevölkerungsdichte niedrig und auch dort wohnen die meisten in größeren Städten.

Das Heißt, es gibt dort genügend potenzielle Kunden. Auf der anderen Seite haben die USA rund 10 Millionen Quadratkilometer Fläche, ein Ballon kann rund 200.000 km² abdecken, das heißt selbst dieser große Staat käme mit 50 Ballonen aus, in Deutschland würde man etwa 2-3 Ballone benötigen – einen über Süddeutschland, einen über dem Westen und einen über den neuen Bundesländern. Verzichtet man auf den dicht besiedelten Westen (Nordrhein-Westfalen), dann reichen zwei.

Aber auch für Staaten mit niedrigem Einkommen wären die Ballone interessant. Die Einwohner dort werden sich kaum die bisher bekannt gewordenen Preise für Nutzung der Satelliten leisten können. Aber der Staat wird ein vitales Interesse an einer guten Kommunikationsinfrastruktur auch in abgelegenen Gegenden haben. Zum einen um eine Stadtflucht zu verringern und damit das unkontrollierte Wachsen von Großstädten mit den negativen Begleiterscheinungen. Zum anderen ist die Kommunikation ein Standortfaktor. IT Firmen benötigen vielleicht keine Autobahn in der Nähe aber schnelles Internet. Ein Staat in Afrika könnte so einige Ballone für die Versorgung ländlicher Gebiete erwerben und den Zugang der dortigen Bevölkerung dann zu moderaten Preisen ermöglichen.

In der Tendenz denke ich, müsste ein solcher Ballon langfristig billiger sein als eine Satellitenflotte. In der Produktion teurer – im Prinzip ist der Satellit ja dann die Nutzlast des Ballons. Dessen Herstellungskosten kommen noch hinzu. Daneben wird die Stückzahl kleiner sein als bei Satellitenkonstellationen. Dafür fällt aber der teure Start weg. Insgesamt benötigt man weniger Ballone und kann bei Problemen reparieren. Mit zwei Ballonen pro Standort kann man einen Service aufrechterhalten, auch wenn ein Ballon heruntergeholt werden muss.

Tja warum klappt es dann nicht mit dem Stratobus? Die Antwort wird wohl nur Thales wissen…

One thought on “Luftschiffe oder Satelliten

  1. Es liegt vermutlich am Wetter, um genau zu sein an den Winden. Ich bin nicht sicher wie schnell die Winde in der Stratosphäre sind, allerdings so ein Jetstream kann laut Wikipedia bis zu 540 km/h schnell sein, wenn auch selten. Falls in 20 km Höhe auch nur 2 bis 5 % davon möglich sein sollte, dürften damit alle Ballons überfordert sein. Zeppeline die ausreichend schnell sind, verbrauchen Kraftstoff und können nicht so hoch fliegen. Unzuverlässiges, von Wetter abhängiges Internet ist nicht sehr viel wert, wenn überhaupt dann nur als Zusatz, nicht als Hauptlieferant.

    Deswegen schätze ich, dass der Markt der Internetverbindungen in den „abgelegenen Gebieten“ langfristig mit einer hohen Wahrscheinlichkeit überwiegend von Starlink bedient wird.

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