Die ISS und Ionenantriebe – Fortsetzung folgt

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Ich habe ja schon vor ewigen Zeiten mal skizziert, das eigentlich die ISS ein ideales Testzentrum für Ionenantriebe wäre. Ich will heute mal einen neuen Anlauf machen, weil die ISS gerade neue Solarpaneele bekommt. Sie ersetzen die alten nicht, sondern ergänzen sie, liefern also mehr Strom. Dies ermöglicht ein einfacheres Erweitern der ISS um kommerzielle Module. Damit steht aber auch mehr Strom für Ionentriebwerke.

Die Ausgangslage

Die ISS benötigt wegen ihrer Masse und relativ niedrigen Bahnhöhe viel Treibstoff, um die Bahn aufrechtzuerhalten. Die NASA hat sich als Kompromiss da in einer höheren Umlaufbahn auch die Raumfahrzeuge die sie anfliegen mehr Treibstoff benötigen um sie anzufliegen und zu verlassen für eine Umlaufbahn in 407 km Höhe im Mittel entschieden. In 400 km Höhe benötigt sie 3.600 kg Treibstoff um die Höhe zu halten pro Jahr. Das ist ein Wert der für die meisten Jahre gilt. Bei einer hohen Sonnenaktivität, die liegt ein bis zwei Jahre pro Zyklus (11 Jahre vor) kann der Treibstoffbedarf durch Ausdehnung der Atmosphäre deutlich höher sein.

Das ist eine Menge Treibstoff, die ja auch zur ISS befördert werden muss. Leisten kann dies derzeit nur die Progress, da sie zum einen in der Längsachse andocken kann, die durch den Schwerpunkt führt. Zudem gibt es nur von ihr eine spezielle „Tanker-Version“, die viel Treibstoff transportieren kann.

Die neuen ausrollbaren ROSA-Arrays werden die Leistung der Solargeneratoren von 120 auf 215 kW erhöhen. Die 95 kW könnten nicht nur für neue kommerzielle Module sondern eben auch für Ionentriebwerke genutzt werden,

Berechnung

Da der Treibstoffbedarf gemessen an der Gesamtmasse der ISS von etwa 420 t klein ist, braucht man keine Berechnung über die Ziolkowskiformel sondern kann einfach über den Gesamtimpuls gehen.

Der Gesamtimpuls dem die 3.600 kg Treibstoff entsprochen ergibt sich aus Multiplikation mit dem spezifischen Impuls, das sind bei chemischem Treibstoff rund 3.000 m/s. So erhält man einen Gesamtimpuls von 10,8 MN. Ionentriebwerke haben spezifischen Impuls von 30.000 bis 40.000 m/s. Das würde also den Treibstoffbedarf mindestens auf ein Zehntel erniedrigen.

Die erste Frage ist: benötigen wir neue Antriebe, die besonders schubkräftig sind?

Nun bei 420 t Gewicht entsprechen die 10,8 MN nur einer Geschwindigkeitsänderung von 25,7 m/s (10.800.000 / 420.000=25,7…). Das ist wenig. Dawn wog 1,1 t, das ist in etwa ein 1/400-stel der Masse der ISS, aber sie konnte ihre Geschwindigkeit um 11 km/s ändern, das ist etwas mehr als das 400-fache von 26 m/s. So gesehen braucht man nicht mehr oder schubkräftigere Triebwerke als bei Dawn. Nun ja etwas schubkräftiger müssen sie sein, weil die von Dawn länger als ein Jahr arbeiteten und wir reden ja vom jährlichen Treibstoffbedarf.

Betriebt man die Triebwerke in 50 % der Zeit, nämlich nur dann, wenn auf der Tagseite die Solarzellen genügend Strom liefern, so sind dies im Jahr 12 Stunden x 3600 Sekunden/Stunde * 365 Tage = 15.798.000 Sekunden. Teilt man den Gesamtimpuls von 10,8 MN durch die 15,8 Millionen Sekunden, so braucht man nur einen Schub von 0,684 N pro Sekunde. Gängige Ionentriebwerke am Markt für Satellitenbahnänderungen erreichen 0,1 bis 0,2 N Schub, man benötigt also nur etwa 4 bis 7 Triebwerke und keine neuen Triebwerke.

Von Bedeutung ist auch die Lebensdauer eines Triebwerks, denn die liegt bei heutigen Antrieben bei 10.000 bis 20.000 Stunden. Diese Lebensdauer wird bei 12 Stunden pro Tag in 2,3 bis 4,6 Jahren erreicht. Ich habe hier mal eine Vergleichstabelle angelegt, die die Daten gängiger Triebwerke enthält:

Triebwerk Benötigte Zahl Strombedarf Schub Treibstoffbedarf/Jahr Masse (nur Triebwerke) Gesamtimpuls
Qinetig T6 5 25 kW 0,725 277 kg 43 kg 11,4 MN
Qinetig T7 3 17,1 kW 0,717 N 355 kg 39 kg 11,3 MN
RIT-2X 5 23,5 kW 0,75 N 292 kg 44 kg 11,8 MN
XIPS 25 4 17,2 kW 0,66 N 299 kg 54,8 kg 10,4 MN
NSTAR 7 18 kW 0,6489 N 334 kg 60,3 kg 10,2 MN

Die Triebwerke liegen alle in einem sehr engen Bereich, was Treibstoffverbrauch und Masse angeht. Den geringsten Stromverbrauch hat das neueste, das T7. In der Praxis wird man mehr Triebwerke einsetzen, um Reserven für einen Ausfall zu haben. Weiterhin braucht man Reserven für Schwankungen der Abbremsung durch die Atmosphäre, sonst würde man anfangen zu sinken und dabei in tiefere Schichten gelangen, die das Sinken weiter beschleunigen. Alle Triebwerke brauchen nur einen Bruchteil der 95 kW Leistung, die zusätzlich zur Verfügung steht und der jährliche Treibstoffverbrauch sinkt auf weniger als ein Zehntel des vorherigen von 3600 kg.

Nicht enthalten in der Tabelle ist die Lebensdauer. Sie beträgt bei allen Triebwerken mindestens 10.000 Stunden, was 2,28 Jahre Betriebszeit entspricht. Bei einigen ist die durch Tests verifizierte Lebensdauer höher, so beim XIPS 25 über 16.000 Stunden und beim RIT-2X 20.000 Stunden. Entsprechend seltener benötigt man einen Austausch des Transporters wenn man die Triebwerke über ihre ganze Lebensdauer betreiben will.

Die Progress haben im Adapter Stromleitungen für die Stromversorgung durch die ISS, doch denke ich sind die nicht für die Leistung, die hier benötigt wird, rund 18 bis 25 kW ausgelegt. Dafür müsste man in einer EVA dann noch Leitungen nachziehen. Dann kann man in den neuen Adapter auch die Steuerleitungen verlegen, die für die Kommandos an die Ionentriebwerke nötig sind. Kann die ISS die benötigte Strommenge an die Progress durch den Adapter liefern, so kann man die Steuersignale auch drahtlos übermitteln, indem man die Elektronik über ein Wlan einbindet – andere störende Wlan Netze gibt es im Umkreis von 400 km ja keine.

Vorgehen bei solarem Maximum

Während des solaren Maximums ist die Strahlungsaktivität viel höher. Die dadurch in die Atmosphäre eindringenden Teilchen heizen diese auf, sodass sie sich ausdehnt und die Abbremsung erhöht. Dem zu begegnen gibt es zwei Möglichkeiten:

Das eine ist es die maximale Abbremsung bei der Auslegung zugrunde zu legen, das bedeutet aber auch das man dann rund drei bis viermal mehr Triebwerke und Strom während des Maximums benötigt. Immerhin kann man die zusätzlichen Triebwerke auch während des Minimums betrieben und so die Lebensdauer aller Triebwerke vergrößern. Verglichen mit einer SFU von 120 als „Normalwert“ benötigt man bei einer SFU von 200 wie sie selten aber durchaus vorkommt den 2-fachen Schub, vergleichen mit dem Minimalwert von 70 der im Minimum benötigt wird, sogar den 4,1-fachen Schub.

Die zweite Möglichkeit ist es, während des Minimums die Station anzuheben und dann während des Maximums ein Absinken durch die höhere Reibung zu tolerieren. Da schon das Anheben um 50 km den Treibstoffverbrauch um mehr als die Hälfte reduzierte, würde ein Anheben der Station auf 460 km Orbithöhe ausreichen, um einen Anstieg des SFU von 120 auf 200 zu kompensieren. Während des solaren Maximums würde dann die Station absinken, Versorger benötigen mehr Treibstoff um sie zu erreichen und wieder zu verlassen. Doch dies sind nur rund 50 m/s. Bei Frachtern entspricht dies einer Nutzlasteinbuße von rund 4 % (bei einem Frachtanteil von einem Drittel der Gesamtmasse). Bei den bemannten Transportern ist dies unkritisch, da die Crewed Dragon noch unter der Maximalnutzlast liegt und man bei Sojus und Starliner auf stärkere Versionen der Träger ausweichen kann. Dies halte ich für den besseren Weg. Die derzeitige Bahnhöhe wurde ja deswegen gewählt, weil beim Space Shuttle, das für die Aufbauphase benötigt wurde, die Nutzlastabnahme mit der Höhe besonders hoch war.

Im Diagramm links sieht man das von 19 Jahren während der letzten Zyklen 13 Jahre unterhalb einer SFU von 130 liegen. Diese würde ich als Basis für die Berechnung der benötigten Triebwerke ansetzen.

Praktische Auslegung

Es bietet sich an, einen Progress-Tanker umzurüsten. Die können normalerweise bis zu 2,5 bis 2,7 t Fracht befördern. Zieht man die Ionentriebwerke und Tankmassen ab, so bleiben rund 2 bis 2,5 t für den Treibstoff, was einen Betrieb über 7 bis 8 Jahre erlaubt. Für eine so lange Zeit benötigt man dann aber überzählige Triebwerke, da keines so lange abreiten kann. Zudem sind die Progress nur für 180 Tage im All qualifiziert.

Die bessere Lösung für mich ist es, wie bisher einen Progress nur 180 Tage lang zu betreiben. Dann benötigt man nur den Treibstoff für diese Zeit, zusammen mit dem Tank und Triebwerken ist man bei einer Masse von 300 kg, bei zwei Progress also 600 kg, was immerhin eine Reduktion der Masse, die zur ISS befördert wird, muss um 5/6 entspricht. Die Progress kann dann noch etwa 2,2 bis 2,4 t pro Transporter andere Fracht befördern, auch normalen Treibstoff, den man nach wie vor für schnelle Bahnänderungen, z.B. bei Kollissionsvermeidungsmanöver benötigt, die werden angesichts vieler neuer Satelliten häufiger vorkommen.

In der Summe könnte Russland so mit zwei Progress pro Jahr, anstatt drei bis vier auskommen und die NASA Geld sparen, denn sie bezahlt ja Russland für den Treibstoff. Wäre es dieselbe Summe die US-Anbieter für ihre Frachtdienste bekommen, so entspricht dies rund 240 Millionen Dollar pro Jahr – dafür bekommt man schon einen komplexen Satelliten oder könnte sich alle zwei bis drei Jahre eine Raumsonde des Discoveryprogramms zusätzlich leisten. Dem müsste man die Kosten für Ionentriebwerke und Xenon gegenrechnen.

ISS verschieben

Derzeit ist geplant, die ISS am Ende ihrer Betriebsdauer zu deorbitieren. Zumindest Russland hat jedoch angekündigt, das sie ihre Module dann entfernen und in einer neuen Station verwenden will. Als Alternative gäbe es das hochheben der Station in eine neue Bahn, die eine längere Lebensdauer hat. Von dort könnte man Module abtrennen und in einer neuen Station verwenden, oder die ISS kommerziell nutzen – für Flüge von Weltraumtouristen oder Filmdrehs wird man keine ständig bemannte Station benötigen und auch weniger Aufwand für die Aufrechterhaltung der Höhe treiben wollen. Nicht zuletzt gibt es in größerer Höhe für Weltraumtouristen und Filmkulissen mehr Ausblick. Ich halte das Szenario für unwahrscheinlich, aber man kann es ja mal durchrechnen. Würde man 150 der maximal verfügbaren 215 kW Leistung für den Antrieb einsetzen, so könnte man 32 Rit-2X betreiben, die 1800 kg Xenon-Arbeitsgas in 350 Tagen verbrauchen würden. Damit kann man eine 420 t schwere Station innerhalb eines Jahres um 172 m/s anheben, das entspricht, wenn man von 407 km Starthöhe ausgeht, einer Kreisbahn in 720 km Höhe, in dieser Höhe spielt die Abbremsung durch die Atmosphäre praktisch keine Rolle mehr. Die Bahn wäre über mindestens ein Jahrhundert stabil, ich errechne in einer einfachen Simulation bei einem SFU im Mittel von 140 das die Station 187 Jahre im Orbit bei dieser Höhe ist. Bei weniger Triebwerken würde es entsprechend länger dauern, wobei man aber deutlich mehr als die nur zur Kompensation der Abbremsung nötigen Triebwerke einsetzen müsste, also mindestens die doppelte Anzahl.

6 thoughts on “Die ISS und Ionenantriebe – Fortsetzung folgt

  1. Hallo Bernd,
    eine technische Frage dazu:
    Müsste sich die ISS dann nicht ständig mit der Orbit rotation mitdrehen? Oder tut sie das sowieso?
    Also die Ionentriebwerke müssten ja immer Rechtläufig (Prograde) ausgerichtet werden, damit die ISS Beschleunigen kann.
    Grüße

    1. Hinsichtlich Schubvektor gibt es keinen Unterschied zu höherem Schub, wobei die ATV ja auch schon lange arbeiteten über einen halben Umlauf weg.
      Wie der Mond rotiert die ISS mit der Erde, sodass die Cupola immer zur Erde zeigt und die Andockstellen für HTV, Dragon und Cygnus auch.
      Die Position ist entscheidend. Nur an der hinteren Andockstelle verkäuft der Schub direkt duirch den Schwerpunkt und beschleunigt so in Bahnrichtung, jede andere Position würde eine unerwünschte Drehung mit Einschließen bzw, man müsste die Triebwerke so schwanken dass diese ausbleibt.

  2. Kein VASIMR-Triebwerk für die ISS ?

    Schon vor Jahren wollte die NASA elektrische Triebwerke auf der ISS einsetzen, auch Roskosmos plante elektrische Antriebsmotoren, die Jod als Arbeitsmedium verwenden. Im Sommer 2018 hat die russische Anlage Bodentests bestanden. Fakten haben aber die Chinesen mit ihrer neuen Raumstation und Ionentriebwerken geschafft.

    Wie schon kurz berichtet, die von China im Bau befindliche Orbitalstation Tiangong wird dank vier Hall-Effekt-Ionentriebwerken – das sind LHT-100-Triebwerke mit einem Schub von 80 mN – in einer bestimmten Umlaufbahn gehalten. Für die Wartung der Tiangong-Station werden beispielsweise weniger als 400 kg Treibstoff, während die ISS etwa 4 Tonnen Treibstoff benötigt, um sie pro Jahr im Orbit zu halten.

    Ein geschlossenes Institut in Shanghai beschäftigt sich mit der Entwicklung vielversprechender Ionentriebwerke in China. Für Flüge in den Weltraum und zum Aufbau von Transportverbindungen zu Mond und Mars werden vielversprechende Hall-Effekt-Ionentriebwerke mit einer Leistung von 5 MW bis 500 MW entwickelt. Ein Testlauf des HET-3000-Triebwerks über 8.240 Stunden zeigte, dass die neuen Triebwerke in der Lage sind, das für Langstreckenflüge notwendige Antriebssystem mindestens 15 Jahre lang zu betreiben.

    Ionentriebwerke haben jedoch auch einen irreparablen Schwachpunkt – die Strahlruderelektroden befinden sich innerhalb des Hochtemperatur-Plasmastroms, was dessen Ressourcen begrenzt. Das bisher fortschrittlichste Ionentriebwerk der NASA, NEXT, hat einen spezifischen Impuls von 41,9 km / s. Doch für solche Rekordparameter müssen Ionentriebwerke mit geringem Schub zahlen – NEXT liefert nur 327 mN (32,7 Gramm Schub) bei einer Leistungsaufnahme von 7,7 kW.

    Für Marsflüge muss der Schub der Plasmatriebwerke natürlich in Hunderten Kilogramm gemessen werden, nicht in Hunderten Gramm. Beeindruckend sollte auch die Stromquelle an Bord eines solchen hypothetischen Mars-Raumschiffs sein – sie sollte eine Leistung von etwa 200-400 MW haben.

    Für die ISS war schon lange ein kleines VX-200SS-Plasmatriebwerk zum Testen vorgesehen. Auf einer Station installiert, ist es möglich, die Kosten für die kontinuierlichen Bemühungen zur Aufrechterhaltung der ISS-Umlaufbahn drastisch zu reduzieren. Immerhin benötigt ein Plasmatriebwerk nur 1-2% der Arbeitsflüssigkeit im Vergleich zu einem Flüssigtreibstoff-Raketentriebwerk, das heute zum Anheben der ISS-Umlaufbahn verwendet wird.

    Ad Astra Rocket hat im Jahr 2015 Verträge mit der NASA abgeschlossen, damit das Unternehmen umfangreiche Tests seines VASIMR-Triebwerks durchführen konnte. Ziel war es, 2018 den Dauerbetrieb eines 100-Kilowatt-VASIMR-Plasmamotors zu testen. In seiner aktuellen Ausführung ist der Motor mit 200 Kilowatt auf optimale Leistung ausgelegt. Das in Entwicklung befindliche Gerät basiert auf dem Gesamtkonzept des VX-200, besteht aber aus zwei nahezu parallelen Motoren mit je 100 Kilowatt und einen spezifische Impuls von 5.000s.

    Aber die Installation von VASIMR auf der ISS erwies sich als alles andere als einfach. Die gesamte verfügbare elektrische Leistung auf der ISS beträgt weniger als 200 kW, obwohl die Station heute die beeindruckendste Fläche von Sonnenkollektoren hat und das energetisch stärkste Objekt der Menschheit im Weltraum ist. Daher umfasste das ISS-VASIMR-Projekt auch ein ganzes zusätzliches System von Solarbatterien, die stundenlang Energie für 15-minütige Zyklen des Einschaltens des Plasmamotors akkumulieren.

    Die NASA hat aber beschlossen, die Tests des VASIMR abzubrechen, da die Wissenschaftler noch nicht in der Lage waren, die Stromquelle zu finden, mit der dieses Triebwerk funktionieren würde. Die vielversprechendste Energiequelle könnte eine Nukleare Anlage sein, aber ihre Verwendung auf der ISS könnte unsicher sein.

    Der nächste, naheliegende Schritt nach den Tests auf der ISS, wäre der Einsatz von VASIMR für einen Orbitalschlepper. Um dieselbe Aufgabe wie die dritte Stufe von Saturn-5 zu erfüllen, die auf ihrem Weg zum Mond 60 Tonnen Sauerstoff und Wasserstoff verbrannte, hätte ein solcher Schlepper nur 8 Tonnen Argon verbraucht. 1,5 MW Strom aus Sonnenkollektoren zu gewinnen, ist jedoch immer noch eine sehr schwierige Aufgabe. Um 1,5 MW Strom zu bekommen, benötigt der Schlepper etwa 5.000 m² Sonnenkollektoren, ein Quadrat mit einer Seitenlänge von 71 Metern.

    VASIMR hat gegenüber seinen Konkurrenten aus der gesamten Elektroantriebsmühle noch einen weiteren Vorteil: Bei ihm kommt das Plasma an keiner Stelle mit den Apparateteilen, sondern nur mit den Feldern in Berührung. Das bedeutet, dass das Gerät von Ad Astra viele Monate und sogar Jahre ohne Zerstörung der Struktur arbeiten kann – was benötigt wird, um Raumschiffe auf ihrem Weg in die Tiefen des Sonnensystems zu beschleunigen oder die Umlaufbahn von Satelliten zu korrigieren.

    Fakt: Klassische Ionenraketentriebwerke haben einen wunden Punkt – die Erosion der Gitterelektroden. VASIMR hat solche einfach nicht.

    Australische Wissenschaftler wollten 2017 einen Neumann Drive-Motor auf der ISS testen. Dieses Triebwerk ist wie seine engsten Gegenstücke hocheffizient, aber sein Hauptunterschied besteht darin, dass es verschiedene Metalle als Treibstoff verwenden kann. Auf der Liste der Kraftstoffe ganz oben steht Molybdän, ein Schwermetall mit hohem Schmelzpunkt.

    Wahrscheinlich werden aber die ISS Triebwerke, das sind die DKS, DPS und DTS, die Anfang der 70er Jahre entwickelt wurden und für heutige Zeiten wenig effektiv sind, weiter ihren Dienst tun.

    Technische Probleme auf der ISS

    Laut einer RKK Energia Mitteilung, hat die Einstellung der Produktion der Elementbasis den Austausch von Komponenten im russischen Segment der ISS erschwert hat. Einige Unternehmen existieren nicht mehr und viele Komponenten wurden bereits aus der Produktion genommen, aber das Hauptproblem ist die Einstellung der Produktion der Elementbasis, die während der Entwicklung der ersten Module des russischen Segments der ISS bestand.

    Zum 31. Dezember 2020 haben von 1.727 Elementen des russischen Segments der ISS 641 Elemente ihre Lebensdauer erschöpft, das sind 37%.

    Die Module des amerikanischen Segments der Internationalen Raumstation (ISS) haben etwa 250 ernsthafte technische Unzulänglichkeiten, sagte Wladimir Solowiew, Generaldesigner des Raketen- und Raumfahrtunternehmens Energia.

    „Wir beobachten den technischen Zustand des amerikanischen Segments genau, weil wir uns einig sind … Vor kurzem habe ich mich mit meinem Freund Joel Montalbano getroffen, der bei der NASA für das amerikanische Segment der ISS verantwortlich ist. Dort haben sie etwa 250 Kommentare im Journal of Open Comments zu ziemlich ernsten Systemen – zum Design, zu Sonnenkollektoren „, sagte W. Solowiew auf der Konferenz „Wissenschaftlicher Raum des XXI. Jahrhunderts: Herausforderungen, Lösungen, Durchbrüche“, die am Weltraumforschungsinstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Solowiew erwähnte auch Probleme im russischen Segment der Station, dessen Geräte zu 80 % bereits ausgedient haben. Darunter sind Undichtigkeiten in der Zwischenkammer des Zvezda-Moduls, die den Docking-Port vorübergehend nicht verfügbar machten.

    Russland kürzt sein Raumfahrtbudget

    Russland plant, die Finanzierung für Weltraumaktivitäten in den kommenden drei Jahren von 2022 bis 2024 drastisch zu kürzen. Die Reduzierung wird laut mehreren russischen Veröffentlichungen etwa 16 Prozent pro Jahr betragen.

    Für 2022 wird der Staatshaushalt für Raumfahrtaktivitäten auf 210 Milliarden Rubel (2,9 Milliarden US-Dollar) festgelegt, das sind 40,3 Milliarden Rubel (557 Millionen US-Dollar) weniger als im Vorjahr. Ähnliche Kürzungen werden in den Folgejahren folgen. Die stärksten Kürzungen werden in Bereichen wie Produktion und technologische Aktivitäten und Weltraumhafenentwicklung erfolgen. Die Fördermittel für Forschung und Entwicklung wurden komplett gestrichen.

    Diese Budgetkürzungen werden Roskosmos-Chef Dmitri Rogozin weiter einschränken. Er steht bereits unter Haushaltsdruck durch entgangene Einnahmen aus NASA-Astronautenflügen zur Internationalen Raumstation, einem Projekt im Wert von etwa 400 Millionen US-Dollar oder mehr pro Jahr, und der United Launch Alliance, die keine RD-180-Raketentriebwerke mehr kauft.

    Die Kürzungen werfen auch Fragen nach der Zukunft von Roskosmos auf, das in den letzten zehn Jahren wiederholt umstrukturiert wurde. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre agierte Roskosmos ähnlich wie die NASA. Im Jahr 2013 renationalisierte Russland seine Raumfahrtindustrie und wandelte Auftragnehmerunternehmen in staatseigene und betriebene Unternehmen um. Drei Jahre später wurde die Russische Nationale Raumfahrtbehörde dann aufgelöst und in die staatliche Korporation Roskosmos verschmolzen, die zur Muttergesellschaft der staatlichen Raumfahrtunternehmen wurde. Rogozin wurde 2018 Chef von Roskosmos und im vergangenen Jahr hat er die Tochtergesellschaften zusätzlich in Geschäftsblöcke umorganisiert.

    Keine Schwerlastträgerrakete in Russland

    Die Entwicklung einer superschweren Rakete in Russland sei vor allem aus finanziellen Gründen ausgesetzt worden, sagte Wladimir Solowiew, Leiter des russischen ISS-Segments, Generalkonstrukteur der RKK Energia. „Das ist wahnsinnig teuer. Sie haben angefangen zu zählen, herausgefunden – Hunderte von Milliarden Billionen sind notwendig. Der Finanzminister versteht das nicht“, sagte er bei einer wissenschaftlichen Sitzung am Institut für Weltraumforschung (IKI) der Russischen Akademie der Wissenschaften.

    Nach dem langen hin und her mit einer Schwerlastträgerrakete, wollte Roskosmos eine Methanträgerrakete entwickeln, was auch effizienter gegenüber Kerosin in der ersten Stufe wäre. Laut der Schätzung wären mehr als 1,5 Billionen Rubel für so ein Träger notwendig. Auch die SLS-Trägerrakete ist durch lange und sehr teure Entwicklung gegenzeichnet. Die noch stärkere Ares-V wurde aus Kostengründen gestrichen und die Energia, die bis 210 t Nutzlast ausgelegt war, hatte viele Gegner (aus Kostengründen) in der Sowjetunion.

    Deshalb ist die Wiederverwendung, das was Musk anstrebt und macht, der einzige und richtige Weg für eine effiziente Zukunft der Raumfahrt.

  3. Einerseits könnte die Energieversorgung für den Betrieb auf der Nachtseite in einem kurzfristigen Stromspeicher erfolgen.
    Andererseits ist mir unbekant wie groß der Anteil der Bahnänderungen für das Ausweiichen ist. Eventuell bleibt da dann nicht mehr viel für ein Ionenantrieb übrig.

    1. Ein PDAM-Manöver (Predetermined Debris Avoidance Maneuver), sofortiges ausweichen der Station, erfordert ein Delta V von etwa 0,5 m / s, so die NASA Regeln. Sollte aber das Manöver nicht möglich sein, dafür gibt es mehrere Gründe, dann sitzt die Besatzung der Station in den angedockten Raumschiffen und wartet auf eine Kollision, in voller Bereitschaft für Evakuierung, wenn nötig. Dieser Vorgang passierte schon mehrere male auf der ISS.

      Für eine Bahnänderung kommen auch die DKS Triebwerke der ISS zum Einsatz, liefern einen Schub von 417kg. Bei einer Brenndauer von rund 45 Sekunden heben sie die ISS um rund 1,5 km ( mehr als 0,65m/s). Die Umlaufbahn der ISS selbst nimmt aufgrund des Luftwiderstands etwa 2 Kilometer pro Jahr ab. Ein VASIMR könnte so ein Manöver in 20-15 Minuten durchführen, so meine Schätzung. Bin aber der Meinung, das Stabilisierungstriebwerke (DPS) und Präzisionsstabilisierungstriebwerke (DTS) bei einer großer Raumstation durch Ionentriebwerke zu ersetzen, nicht sinnvoll wäre.

      Letztes Jahr wurde ein Ausweichmanöver mit dem Progress-MS-14 Raumschiff durchgeführt. Die Triebwerke arbeiteten etwa 100 Sekunden und gaben der Station eine Geschwindigkeitszunahme von 0,5 m/s. Dadurch hat sich die Höhe der ISS-Umlaufbahn um 900 Meter erhöht.

      Die ISS ist mit vier Control Momentum Gyros (CMG) ausgestattet, die es ermöglichen, die Ausrichtung im Raum zu ändern. Die Kreisel werden von einer Person namens ADCO (Attitude Determination and Control Officer) betrieben, die TOPO ( Trajectory Operations Officer) bei der Entscheidung hilft, wie Kollisionen mit Müll am besten vermieden werden. Für ein typisches Ausweichmanöver der Station ist normalerweise ein Delta-V-Wert in der Größenordnung von 1 m/s erforderlich, was die tägliche Arbeit der Raumfahrer nicht beeinflusst. Das alles wird komplett vom Boden aus gesteuert.

      Anmerkung: Die ISS hat eine Sicherheits-Zone, wird von NASA-Leuten als Pizza-Box bezeichnet, die ist vier Kilometer hoch (2 Kilometer rauf und runter von der Station), 25 Kilometer lang und 25 Kilometer breit. Die Pizza wird immer beobachtet (drei mal am Tag) und wenn jemand dort eindringt, wird zunächst eine Kollisionswahrscheinlichkeit durch USSTRATCOM berechnet und die NASA benachrichtigt. Die Gefahr wird in gelbe und rote Kriterien eingestuft. Nach so einen Alarm haben die NASA und Roskosmos genau 28,5 Stunden Zeit, für eine genaue Planung eines Ausweichmanövers. Ein ganz wichtiges Kriterium ist die Stationsmasse selbst, da die genaue Schubmenge, die zum Erreichen des gewünschten Delta-V erforderlich ist, von der bewegten Masse abhängt, die sich aber ständig ändert. Wenn aber die Zeit zu kurz ist, so greift hier die oben beschriebene PDAM-Regel.

      Das PDAM-Manöver wurde nach dem Vorfall von 2011 entwickelt. Dann erhielt die NASA zu spät eine Warnung vor einer möglichen Kollision, und die Besatzung der Station musste in die Sojus flüchten. Es endete damit, dass die Trümmer die ISS in einer Entfernung von etwa 725 Metern verfehlten. Die NASA hofft, dass sich solche Situationen mit der Entwicklung von PDAM nicht wiederholen.

      Noch zu Gefahrenstufen: Jedem Objekt in der Pizza-Box wird basierend auf der Wahrscheinlichkeit einer Kollision eine Gefahrenklasse zugewiesen. Objekten mit einer Kollisionswahrscheinlichkeit zwischen 1/10000 und 1/100000 wird eine „gelbe“ Stufe zugewiesen. Die gelbe Stufe besagt, die Bahn der ISS zu verschieben, es sei denn, dieses Manöver beeinflusst die laufenden Programme. Für jedes Objekt mit einer Kollisionswahrscheinlichkeit von 1 (100 %) bis 1/10000 wird eine rote Gefahrenstufe deklariert. Für solche Fälle sind die Regeln strenger – die Station muss verschoben werden, es sei denn, die Bewegung ist gefährlicher als das Trümmerstück selbst.

      Interessante Analysen wurden in der Fachzeitschrift Space Engineering and Technologies veröffentlicht, die ergaben, dass die relative Wahrscheinlichkeit einer katastrophalen Panne, begleitet von dem Tod der Besatzung und/oder dem Verlust der Station, bei 13,3 Prozent liegt. Gleichzeitig beinhalten die 13,3 Prozent auch die Wahrscheinlichkeit von 3,8 Prozent des Verlustes der Besatzung und der Station als Folge einer Hypoxie durch Sauerstoffaustritt ins All, die Verletzungswahrscheinlichkeit eines Besatzungsmitglieds wird auf 4,2 Prozent geschätzt, die Wahrscheinlichkeit der Evakuierung der Besatzung mit dem Verlust der Station beträgt 3, 7 Prozent. Zu den katastrophalen Folgen gehören auch die Trennung von Sonnenkollektoren durch Kollision mit Trümmern, Explosion von Kraftstofftanks als auch Rissbrüche der Station.

      In 86,7 Prozent der Fälle führt ein Durchbrechen der Ummantelung der Station nicht zu katastrophalen Folgen, so die Spezialisten von RKK Energia. Die Wandstärke der versiegelten Hülle der ISS-Module beträgt drei Millimeter. Oben auf den Fächern ist auch ein Anti-Meteoroid-Schutz installiert. Die Wände von Raumschiffen sind noch dünner – nur zwei Millimeter.

      Auch die Umlaufbahn der ISS ist schon sehr optimal, da ab 500km Beginnt der inneren Protonenstrahlungsgürtel und das Ende sicherer Umlaufbahnen für langfristige Flüge der Raumfahrer.

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