Cannabislegalisierung – Gedanken zum Gesetzentwurf

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Ich muss sagen, das ich nicht mehr damit gerechnet habe. Nämlich das es tatsächlich einen Geetzentwurf zur Cannabislegalisierung gibt. Vor einigen Monaten dachte ich noch, „das ist doch kein Ding, es ist schließlich in Holland, Portugal und etlichen US-Bundesstaaten legal“. Dann sah ich aber den Beitrag „Heute show Spezial“ über das Thema. Gut der Beitrag ist satirisch-überspitzt, aber einige Dinge fallen dann doch auf: Erstens die Verrücktheit der heutigen gesetzlichen Regelung, die den Konsum gestatte, aber nicht den Besitz, Weitergabe oder Anbau. Irgendwo her muss aber das Cannabis kommen und selbst das Reichen eines Joints ist schon eine Weitergabe. Der Jugendrichter Andreas Müller verdeutlicht das in dem Beitrag drastisch. Das zweite ist das Deutschland eine Konvention der UN unterschrieben hat nach der Drogen nicht legalisiert werden dürfen. Nach dem Schengener Abkommen darf Cannabis auch in der EU nicht angebaut werden. Deswegen hat Holland genau diesen Punkt ausgespart und die „Coffeeshops“ beziehen ihr Marihuana aus illegalen Quellen. Das ist doch auch keine Lösung. Das dritte ist das Cannabis enorm billig sein könnte. Im Interview wird Cannabis das unter Hochsicherheitsbedingungen unter künstlichem Licht angebaut wird, an den Staat für 2,30 Euro/Gramm verkauft und das ist hoch profitabel. Zum Vergleich der Straßenpreis und ähnliche Preise werden auch in den USA in den legalen Verkaufsstellen verlangt, liegt bei 8 bis 10 Euro pro Gramm. Und wenn man normale Anbaumethoden, wie in Glas-Treibhaushäusern, ohne die Kosten für die künstliche Beleuchtung, nutzt müsste der Preis nochmals deutlich sinken.

Im Beitrag wurde gesagt, das wegen der Komplexität es wohl in dieser Legislaturperiode nichts mehr wird, wenn ein Gesetzentwurf nicht 2022 noch kommt und den gibt es nun. Er ist in der laufenden Änderung so war letzte Woche noch von 20 g Besitzmenge die Rede. Die Eckpunkte während ich dies schreibe sind:

  • Besitz von 20-30 g Cannabis unabhängig vom THC Gehalt erlaubt
  • drei weibliche blühende Hanfpflanzen pro Person
  • Verkauf in lizenzierten Geschäften ab 18, zu einem Preis ähnlich dem Schwarzmarktpreis
  • Eine Cannabissteuer ist geplant

Produkte zum Rauchen und Inhalieren sind im freien Handel erlaubt, Cannabis in Nahrungsmitteln, wie Keksen, nicht (wohl um die Weitergabe an Jugendliche und Kinder einzugrenzen).

Einiges was ich zu den Angaben die es letzte Woche gab, hat sich so erledigt. So war letzte Woche noch die Rede von zwei Pflanzen pro Erwachsener, nicht aber zwei blühenden, weiblichen Pflanzen. Hand ist eine zweihäusige Pflanze. Die meisten Pflanzen sind einhäusig, das heißt eine Blüte hat weibliche und männliche Geschlechtsorgane, also bei klassischen Blütenpflanzen die Narbe und die Pollensäcke. Hanf hat zwei Geschlechter. Es gibt Pflanzen die bringen nur weibliche Blüten hervor und Pflanzen die bringen nur männliche Blüten hervor. Die männlichen Pflanzen haben nur einen geringen THC-Gehalt. Aus ihnen kann man weder Marihuana gewinnen, noch Haschisch (das ist ein Extrakt aller fettlöslichen Substanzen der weiblichen Blüten, die wiederum das Marihuana bilden). Ob eine Pflanze weiblich oder männlich ist, sieht man aber erst wenn sie blüht, dann ist sie aber schon groß. Mit der Klarstellung ist klar, das man bis dahin mehr als drei Pflanzen haben kann, aber dann eben wenn es mehr als drei weibliche Hanfpflanzen sind, welche vernichten muss. Sind beide Geschlechter gleich häufig vorhanden, so kann man die Wahrscheinlichkeit der Verteilung mit dem Binominalkoeffizienten berechnen, dessen einfachste Form jeder von der binomischen Formel noch von der Schule kennt. Es geht um die Formel (a+b)n = 1 wobei a und b jeweils für ein geschlecht stehen. Will ich mit 90 % Wahrscheinlichkeit mindestens eine weibliche Pflanze haben, so muss ich nach der Formel mindestens 4 Pflanzen anbauen. Man bekommt dann eine Verteilung: a4 +4ba3 + 6b2a2 + 4b3a + b4 = 1. Das sind insgesamt 16 Fälle, bei a=weiblich hätte man bis auf den letzten Term mindestens eine weibliche Pflanze, dieser Term macht einen von 16 Fällen aus, ist also nur zu 6,25 Prozent wahrscheinlich. Am wahrscheinlichsten, 3/8 aller Fälle, wären je zwei weibliche und zwei männliche Pflanzen.

Ich habe mich dann mal bei Bekannten erkundigt, wie das mit der eigenen Menge von 20 bis 30 g ausssieht. Ich habe leider niemanden im Bekanntenkreis, der Marihuana raucht, nur Personen die einen Vaporizer benutzen oder das Gras verbacken. Im Vaporizer (Kräuter werden durch trocken erhitzte Luft erwärmt) soll eine Füllung von 0,5 g für vier bis sechs Anwendungen je nach Stärke ausreichen, bei Keksen rechnet mein Bekannter mit 6 bis 9 g Marihuana pro 30 Kekse, also 0,2 bis 0,3 g pro Keks, der einer Portion entspricht. Die orale Aufnahme braucht also mehr Gras, doch selbst dann reden wir bei 20 bis 30 g erlaubter Menge von 70 bis 100 Dosen. Das ist also mehr als ausreichend, selbst bei extensiven Konsum. Zumal man ja dann Gras nachkaufen kann.

Meine Bekannten machten mich auf eine andere Problematik aufmerksam. Sie bauen Cannabis in Kübelpflanzen an, die im Bedarfsfall schnell bewegt werden können und rechnen mit 40 bis 60 g Ertrag pro Pflanze. Unter optimalen Bedingungen versprechen Züchter ein Vielfaches dieser Menge. Aber selbst 40 bis 60 g Ertrag sind mehr als die 20 bis 30 erlaubten Gramm, bei drei Pflanzen kommt man so sogar auf 120 bis 180 g, sicher bei der Dosierung auch bei täglichem Konsum für ein Jahr ausreichend. Aber was macht man, wenn die Polizei da ist und man dann eben mehr als 20 bis 30 g im Haus hat? Gut wer eine Großfamilie hat, in der er der einzige Konsument ist, dann geht das, weil die Menge ja pro Erwachsenen ist. Aber bei dem häufigen Fall eines Singlehaushaltes oder eines Paares (egal ob alleine oder mit Kindern unter 18) wirds problematisch. Wie Kommentare seitens der Polizei zeigen, wird dieser Passus des „Besitzes“ aber so interpretiert, das man bei einer Straßenkontrolle nicht mehr bei sich haben darf. Die Polizei, die sich im obigen Video noch sehr gegen die Legalisierung aussprach und den beiden Heute Show Reportern bei den falschen Fragen schon eine Verhaftung androhte, scheint sich um 180 Grad gewendet zu haben und ist sogar gegen diese Grenze von 20 bis 30 g, damit sie keine Feinwagen für Kontrollen brauchen.

Also ich denke da muss man noch nachbessern. Mein Vorschlag wäre, dass sich der Passus auf Kontrollen auf der Straße bezieht, also diese Menge bei sich haben kann, aber durchaus mehr zu Hause. Um dem Dealen und dem schwarzen kommerziellen Anbau vorzubeugen, sollte man da vielleicht noch eine zweite Grenze einführen die für die Gesamtmenge gilt und diese nach realistischen Erträgen oder der Menge, die man für einen Konsum benötigt, richten.

Was ich positiv finde ist diese Selbstanbauregelung. Ein Fehler den andere Maßnahmen wie in den USA machen, ist das man den Konsum legalisiert, aber nicht den Eigenanbau. Verkauft wird dann Marihuana und daraus produzierte Produkte in lizenzierten Geschäften aber zu einem hohen Preis. Das sorgt dafür das der Schwarzmarkt weiter blüht, denn die Dealer müssen nur den Preis leicht absenken und machen trotzdem noch fette Gewinne. Daneben weiß man dort nicht was man kauft. Was ja auch angebracht wird, ist das auf dem Schwarzmarkt verkauftes Marihuana zum einen gestreckt wird, das geht los von gesundheitsschädlichen Substanzen bis zum Versetzen mit Heroin um dauerhaft süchtige Konsumenten zu gewinnen. Wenns gut läuft, dann wirds so wie in diesem Video des Browser Baletts

Wenn man mal die extrem hohen Preise für Hanfsamen (die man heute schon in Holland übers Internet kaufen kann) aufgewendet hat (5 bis 20 Euro pro Samen!) dann ist der Rest, den man für die Kultivierung braucht nicht komplexer als für jede andere Kübelpflanze – Blumenerde, Töpfe, Dünger Wasser. Sicher, Rekord-THC-Werte gibt es so nicht, aber dafür ist es viel billiger. Wer ganz schlau ist opfert eine weibliche Pflanze und bestäubt diese mit dem Pollen einer männlichen Pflanze. Sie bildet dann Samen aus und man kann diese für die Zucht im nächsten Jahr verwenden. Vor allem würden zahlreiche Selbstanbauer dafür sorgen, das es eine legale Alternative zum Schwarzmarkt und lizenziertem Anbau gibt. Warum das Gras teuer kaufen wenn man es von einem Bekannten umsonst bekommen kann, der zu viel davon hat?

Es wird Zeit für eine Änderung. Eine andere Diskussion in den letzten Wochen betraf den Grenzwert ab der man zum Idiotentest inklusive Führerscheinentzug muss, wenn man bei einer Kontrolle auffällig ist. Nach der wissenschaftlichen Literatur treten physiologische Effekte von THC als Reinsubstanz bei 50 µg/kg bei Inhalation und 120 µg/kg bei oraler Aufnahme auf. Misst man mehr als 1 ng/ml Serum, so ist bei derzeitiger Rechtslage der Führerschein weg. Okay, für alle medizinischen Laien, eine kleine Aufklärung. Zuerst muss man die Gesamtmenge an aufgenommenem THC bestimmen, indem man die Dosis mit dem Körpergewicht multipliziert. Ich nehme den Wert von 50 µg/kg, der auch bei intravenöser Gabe genannt wird, denn der orale Wert ist deswegen höher, weil nur ein Teil des THC resorbiert wird. Bei jemanden der 80 kg wiegt sind das dann 80 kg * 50 µg/kg = 4.000 µg THC gesamt. Diese Menge verteilt sich dann in dem Teil des Körpers, der nicht aus Fett oder Knochen besteht. Dies macht (etwas geschlechtsabhängig) 60 bis 70 % der Masse aus. Bei 70 % (Mann, entsprechend auch den 80 kg Körpergewicht) sind so in 1 ml Blut 4.000 µg / (80.000 g / 0.7) = 0,071 µg/ml THC. 0,071 µg THC sind 71 ng, das 71-fache des Grenzwertes. Bei 1 ng pro Milliter Serum dürfte man praktisch nichts fühlen. Würde man die Grenze auf Alkohol übertragen und als Grenzwert 0,1 Promille ansetzen, dann würde ein Alkoholkonsument erst ab 7,1 Promille eine Wirkung spüren, in der Realität ist er dann aber schon tot. Die US-amerikanische Substance Abuse and Mental Health Services Administration (SAMHSA) empfiehlt daher einen Cutoff-Wert von 50 ng/ml, also den 50-fachen Grenzwert, den wir heute haben. Die Abbaugeschwindigkeit ist stark persönlich abhängig. Es kann sein, das diese Grenze schon nach 6 bis 11 Stunden erreicht wird, es gibt aber auch Untersuchungen mit realen Aufnahmemengen, bei denen der Durchschnitt der Probanden nach 7 Tagen noch über der Grenze waren, im Extremfall waren es 14 Tage! In Schweden sind nach Untersuchungen bei 5 ng/ml 77 bis 90 % aller getesteten Cannabiskonsumenten nach einem Tag immer noch über dem Grenzwert. Übrigens: es gibt ja frei verkäufliche CBD-Öle. Ich habe mal bei einem Produkt geschaut, bei dem wird als Dosis 8 Tropfen (1 Tropfen = 5 mg CBD) empfohlen werden. Frei verkäufliche CBD-Produkte darf maximal 0,2 Prozent THC bezogen auf das CBD enthalten. Enthält es nur so wenig THC (nach Untersuchungen der Untersuchungsanstalten in Baden-Württemberg überschreiten aber viele Produkte diesen Grenzwert) so sind dies aber auch schon 1,4 ng/ml Serum. Also CBD Öl genommen, in die Fahrzeugkontrolle gekommen und der Führerschein ist nach gängigen Rechtsvorschriften weg! Nach den Analysen der Untersuchungsbehörden liegen aber alle Produkte bis auf eines höher als 0,2 % THC. Ein Öl lag sogar bei 23,1 THC ng/ml Serum bei empfohlener Aufnahmemenge.

Nun wird diskutiert auch diese Vorschrift anzupassen. Ich habe das Beispiel so ausgeführt, weil es zeigt, dass die Diskussion über die Legalisierung von Cannabis längst nicht mehr nach den Erkenntnissen der Wissenschaft erfolgt, oder auch einer Gesamtbetrachtung der gesellschaftlichen Folgen. Zu dieser gehört eben nicht nur die Gefahr durch psychische Abhängigkeit und Schädigungen bei Jugendlichen. Dazu gehört auch das 1,5 Millionen Menschen bei uns kriminalisiert werden, die Verfolgung des Konsums kostete in Deutschland 2020 fast 2,1 Mrd Euro. Würde man die freiwerdenden Ressourcen bei der Polizei und Justiz für die Verfolgung anderer Delikte einsetzen, z.B. Fahren unter Alkoholeinfluss so würde man der Gesellschaft sicher viel mehr Nutzen bringen als Konsumenten einzusperren. So enorme Scheren zwischen Schaden durch ein Delikt und der Strafe gibt es ja auch in anderen Bereichen. So ist Schwarzfahren anders als andere Verstöße mit einem Schaden von wenigen Euro, keine Ordnungswidrigkeit sondern eine Straftat nach § 265 BGB. Es bleibt in de Regel bei einer Geldstrafe, aber im Wiederholungsfall oder wenn man diese nicht zahlen kann, kann das zu Gefängnis führen. Auch hier will man seit langem eine Reform anstoßen.

Immerhin sind bei uns von den im Bundestag vertretenen Parteien nun bis auf CDU und AfD alle für die Legalisierung. Bei der AfD wundert mich das nicht, wenn ich Äußerungen deren Politiker im Fernsehen sehe dann sind die das Gegenteil von entspannt und gut drauf, wie es Kiffer sein sollen. Sie sind wohl für die Legalisierung anderer Drogen wie Methamphetamin. Zu deren Wirkung passt dieses Auftreten als Wutbürger.

Bei der CDU vermute ich liegt das daran das sie meinen so Wählerstimmen bei denen abgreifen zu können die gegen die Legalisierung sind, argumentativ haben sie ja nichts beizutragen außer Sprüchen wie „Cannabis ist kein Brokoli“. Die damalige Drogenbeauftragte der Bundesregierung Daniela Ludwig ist von der CSU. Das ist die Partei bei denen man bei Parteitagen die Abgeordneten vor vollen Maßkrügen sieht, bei denen immer wieder Politiker im Vollrausch Unfälle bauen, die für längere Öffnungszeiten von Biergärten und ein Oktoberfest ohne Maskenzwang 2022 sind (danach stieg die Inzidenz in München und dann Bayern um das dreifache). Viel verlogener geht es wohl nicht. Die eine Droge wird verboten, die andere hofiert.

Mein Song zum Thema:

Hans Söllner- Mei Voda hod an Marihuanabam

2 thoughts on “Cannabislegalisierung – Gedanken zum Gesetzentwurf

  1. Wie soll das eigentlich mit dem Konsum geregelt werden?
    Cannabis hat genau wie Tabak gegenüber anderen Rauschmitteln wie Alkohol, Kokain, Heroin (ich nehme absichtlich legale und illegale Substanzen als Vergleich) einen großen Nachteil.
    Es wird (zumindest in der Regel) geraucht. Dabei verbreitet es sich in der Luft und Menschen die es nicht konsumieren wollen tuen Passivrauchen.
    Wie werden die geschützt?
    Gerade aus diesem Grund bin ich gegen eine Legalisierung und für ein Verbot von Tabak (das einzig positive daran sind die Steuereinnahmen für den Statt wo ich als nicht Drogenkonsument nicht abkassiert werde).
    Deshalb findeich den Vergleich von Kanabis und Alkohol auch vollkommen unangebracht.
    Rauchen vs Trinken.

    1. Du verkennst total das Konsumverhalten und die Auswirkung der Droge. Um es überspitzt zu formulieren: Nicotin putscht auf und THC beruhigt eher. Cannabiskonsumenten werden nie auf die Idee kommen das so nebenbei wie das Rauchen zu machen, zumal die Wirkung viel stärker ist. Ein Zug genommen und man spürt sofort die Wirkung im Gehirn, das kann man nicht neber der Arbeit erledigen oder ein Joint in der Pause. Vielmehr, wenn man nicht alleine kifft sondern in einer runde zieht man sich zurück. In der Hinsicht ähnelt Marihuana auch im konsumverhalten eher Alkohol, wo man ja auch wenn man das in der Öffentlichkeit tut das eher in einer abgeschlossenen Runde tut und nicht mal einen Schnaps nebenher auf der straße reinzieht.

      Im Übrigen denke ich wird es sicher auch Regelungen geben das man schon wegen des Jugendschutzes nicht in der Öffentlichkeit kiffen darf.

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