Die glorreichen 10 – die Pechvögel unter den Raumsonden
Ich habe zwar jetzt nicht die Rückmeldung in den Kommentaren erhalten, ob euch dieses Format gefällt, aber mir gefällt es und rein zufällig bin ich der Blogautor und bestimme was hier erscheint. Also heute eine weitere Folge dieser Reihe. Diesmal geht es um die „Pechvögel“ unter den Raumsonden. Ich war mir nicht sicher, wie ich den Titel formulieren sollte. Raumsonden können ausfallen, aus unterschiedlichen Gründen. Fehlstarts habe ich ausgenommen. Es muss sich um Probleme handeln, die während der Mission auftreten. Ich dachte zuerst an ein Anknüpfen an meine Rubrik „Schlamperei in der Raumfahrt„, also vermeidbare Fehler. Aber manchmal hat man auch einfach Pech, beim Mars Observer konnte die Verlustursache nie geklärt werden, vermutet wurde der Ausfall eines einzelnen Transistors. Der Unterschied zu Schlamperei liegt im Vergleich bei Mars express vor: der arbeitet seit dem Start mit nur mit 70 % der Leistung, weil man einige Paneele nicht verkabelt hat. Süffisantes Detail – dieselbe Firma baute schon mehr als eine Dekade früher TV SAT A+B und vergaß beim ersten Exemplar Klammern für die Fixierung der Paneele beim Transport vor dem Start zu lösen, sodass der Satellit nur den halben Strom hatte. So was ist vermeidbar und ein Fall von Schlamperei. Aber in diesem Blog finden sich auch Raumsonden, die einfach Pech hatten, auch wenn man bei den meisten durch mehr Sorgfalt bei der Herstellung den Ausfall hätte verhindern können.
Platz 10: Galileo
Galileo startete mit mehrjähriger Verzögerung 1989 zum Jupiter. Da die Centaur Oberstufe nicht eingesetzt werden dürfte, musste er über drei Vorbeiflüge an Venus und Erde Schwung holen. Neu war bei der Sonde die entfaltbare Antenne, wobei neu war die Antenne nur im planetaren Programm, die USA hatten schon zwei TDRS-Satelliten mit derselben Antenne gestartet. entfalten konnte man sie erst nach dem ersten Venusvorbeiflug, weil sonst die thermische Beanspruchung zu hoch war. Als die Antenne am 11.4.1991 entfaltet wurde, stoppte der Motor vorzeitig. Eine Analyse ergab, das drei bis fünf Rippen das Entfalten blockierten und sich die Antenne nur teilweise geöffnet hatte. So konnte die Antenne die Signale des Senders nicht bündeln. Als wahrscheinlichste Ursache wurde auslaufendes Schmiermittel angenommen. Die Antenne wurde viermal per Lastkraftwagen transportiert. Zunächst vom Hersteller Harris in Florida zum JPL in Kalifornien, dann zum Start nach Florida, 1986 zurück zum JPL und 1989 erneut zum Start nach Florida. Das hatte Galileo so durchgerüttelt, dass bei einigen Rippen das Schmiermittel ausgelaufen war. Ohne Schmiermittel gehen die Metalle im Vakuum eine Kaltschweißverbindung ein.
Die vier Jahre bis zum Jupiter wurden genutzt, um die für Notfälle vorgesehene omnidirektionale Antenne optimal zu nutzen. Zumindest während der Primärmission wurden zusätzliche Antennen des DSN zu einem Verbund zusammengeschaltet, an Bord wurde für Bilder die JPEG-Kompression als Software implementiert. Trotz der Optimierungen betrug die Datenrate in der Regel aber nur ein Tausendstel der Solldatenrate. Das Messprogramm wurden zusammengestrichen, am meisten musste auf Bilder von Jupiter und Messungen der Radioumgebung verzichtet werden. Die Mission wurde zwar zweimal verlängert, am Schluss hatte Galileo während der Primärmission 1.645 Bilder übermittelt – geplant waren mindestens 50.000. Mit mehrmaliger Missionsverlängerung hatte der Orbiter am Schluss 40 bis 60 % seines Messprogramms erfüllt.
Platz 9: Ranger
Ranger war das erste Mondprogramm der NASA, nach einigen „Schnellschüssen“ um vor der UdSSR den Mond zu erreichen. Genehmigt wurde es schon 1969, also vor dem Apolloprogramm, aber seine Bedeutung nahm durch die bemannte Mondlandung zu. Für das JPL waren Ranger und die aus ihr abgeleitete Mariner 1+2 Sonden das erste komplexe Raumsondenprogramm. Sie wurden als Pathfinder fpr zukünftige Raumsonden konzipiert. So waren sie für die Aufgabe – Aufschlag auf dem Mond nach etwa drei Tagen Flugzeit – unnötig komplex aufgebaut. Das JPL plante zwei Generationen: Die Ranger Block I sollte das Konzept in einem elliptischen Erdorbit erproben. Neben der Erprobung der Atlas Agena B ging es um die Erprobung der Sonde, aber auch Messungen des Magnetfelds der Erde und Partikelumgebung der Sonne. Das war eine gute Überlegung, denn die späteren Block II Sonden würden nach drei Tagen auf dem Mond aufschlagen. Da hatte man keine Zeit nach Fehlern zu suchen, wie dies in einer stabilen Erdumlaufbahn möglich ist.
Leider erreichten beide Block I Sonden – Ranger 1+2 aufgrund des Versagens der Agena B Oberstufe nur einen niedrigen Parkorbit und verglühten innerhalb weniger Tage nach dem Start. Ohne Test der Block I Geräte ging das JPL nun an die Block II Generation. Das war ein Fehler. Block II hatte eine Kamera an Bord und sollte eine Meßkapsel vor dem Aufschlag absetzen, die durch einen integrierten Antrieb abgebremst werden sollte, allerdings würde sie selbst dann mit 120 biss 160 km/h aufschlagen. Man hoffte, eine Kapsel aus Balseholz mit einer Flüssigkeitsfüllung würde die Energie aufnehmen.
Bei Ranger 3 gelangte die Sonde auf einen Mondkurs, aber würde am Mond vorbeifliegen. Eine Kurskorrektur erfolgte in die falsche Richtung und vergrößerte die Distanz noch. Vor Erreichen des Mondes fiel der Sequenzer aus, der die Abläufe steuert, so war die Kamera ebenfalls nicht aktiv.
Ranger 4 gelangte auf einen Mondkurs, taumelte aber um die eigene Achse, sodass die Solarpaneele nicht beschienen wurden. Die Batterie reicht nicht aus, um die Sonde bis zum Aufschlag mit Strom zu versorgen, sodass sie vor dem Aufschlag ausfiel.
Bei Ranger 5 gab es nach dem Start einen Kurzschluss, als die Solarpaneele ausgefahren wurden. Eine Kurskorrektur konnte so nicht erfolgen und die Sonde passierte den Mond in 720 km Distanz. Nur der schwache Sender der Landekapsel konnte verfolgt werden.
Nun war guter Rat teuer, denn mehr als diese fünf Sonden waren nie geplant. Man setzte eine Untersuchungskommission ein, die Mängel in der Organisation, vor allem beim JPL, aber auch beim Sondendesign fand. Die Raumsonden waren nicht „robust“ genug, hatten zu wenig redundante Systeme und waren unnötig komplex. Auch die auf Ranger basierte Mariner 2 Sonde hatte zahlreiche Probleme auf dem Weg zur Venus, fiel kurz nach der Passage aus und funktionierte wie ein Wunder bei der Venus, wodurch JPL nun als Abkürzung für „Just Plenty Luck“ stand. Das JPL bekam die Mittel für eine dritte Baureihe, Block III. Die Landekapsel wurde demontiert, das Sondendesign umgekrempelt und anstatt einer Kamera gab es nun eine ganze Kamerasuite aus 6 Kameras mit einem Blickwinkel von 2,1 bis 25 Grad. Sie sollten in der letzten halben Stunde vor dem Aufschlag Aufnahmen zur Erde senden – jeweils mehrere Tausend Aufnahmen.
Ranger 6 startete problemlos, beim Aufstieg der Atlas fiel der Kontakt zur Sonde kurzzeitig aus, was man aber nicht weiter verfolgte. Als dann aber die Kameras aktiviert wurden, gab es kein Bild. Später wurde festgestellt, dass die bei der Stufentrennung sich bildende ionisierte Plasmawolke wohl einen Kurzschluss im elektrischen System verursacht hatte. Es wurde überarbeitet. Mitschuld wurde auch eine Sterilisierung der Sonden bei 125 Grad um den Mond vor irdischen Bakterien zu schützen gemacht, diese Temperaturen hatten das elektrische System offensichtlich vorgeschädigt.
Die drei letzten Sonden, Ranger 7 bis 9 erfüllten dann ihre Mission und übertrugen mehrere Tausend Aufnahmen, ab Ranger 8 war die NASA so sicher, dass es klappen würde, dass sie die Aufnahmen life ins US-Fernsehen einspeiste.
Platz 8: Nozomi
Nozomi war Japans erste und bisher einzige Marssonde. Sie startete im Juli 1998 und sollte im Oktober 1999 in eine Marsumlaufbahn einschwenken. Die My V Trägerrakete war aber nicht leistungsfähig genug die Sonde direkt zum Mars zu schicken. Japan beließ sie zuerst im Erdorbit und hob die Bahn durch zwei Vorbeiflüge am Mond an. Dann sollte der eigene Antrieb sie auf einen Marskurs bringen, doch der schaltete vorzeitig ab und so hatte die Sonde zu wenig Geschwindigkeit. Eine nachträgliche Kurskorrektur kostete weiteren Treibstoff. Für die geplante Mission hatte Nozomi nun zu wenig Treibstoff. Die JAXA arbeitete einen Alternativplan aus, nun sollten zwei Erdvorbeiflüge in Dezember 2002 und Juni 2003 die benötigte Geschwindigkeit und Richtungsänderung bringen und die Sonde erst im Dezember 2003, also mit vier Jahren Verspätung den Mars erreichen. Doch schon vorher, am 21.4.2002 geriet Nozomi in einen Sonnensturm, der zu einem Kurzschluss in der Batterie führte und die Bordcomputer beschädigte. Als Folge davon fror das Hydrazin in den Tanks aus. Später fiel der Bordcomputer komplett aus und am 8.7.2003 schwieg die Sonde für immer. Nozomi flog am 14.12.2003 defekt am Mars vorbei. Wenn ich auf die Titelzeile des Blogs zurückkehren kann – wenn es einen echten Pechvogel gibt, bei dem äußere Umstände eine Rolle spielen, dann ist es Nozomi. Das Problem, das der Antrieb sich vorzeitig abschaltet wiederholte sich übrigens bei der Venussonde Akatsuki, auch diese konnte so nicht in die Venusumlaufbahn einbremsen, musste eine Extrarunde drehen, welche die Mission um fünf Jahre verlängerte. Seit 2015 umrundet sie die Venus, allerdings auf einer ungewollten, sehr weit von der Venus entfernten Bahn, da auch hier die Extrarunde zusätzlichen Treibstoff kostete. Sie arbeitete aber immerhin bis zum April 2024.
Platz 7: Genesis
Genesis ist die erste Sonde des Discoveryprogramms – ich will jetzt schon vertraten, das ich in dieser Rubrik noch weitere Kandidaten aus diesem Programm bespreche. Genesis war eine Sonde mit einem sehr beschränkten Aufgabengebiet und damit eigentlich ein Vorzeigeprojekt für dieses Programm das unter der Schlagzeile „Faster – better – cheaper“ Sonden schneller entwickeln sollte, die sollten billiger sein und so mehr Wissenschaft für ihr Geld liefern. Vor allem war es nun aber auch möglich Sonden zu bauen, die sonst nie genehmigt worden wären, weil sie nicht ein Dutzend Instrumente trugen, sondern nur wenige und deren Mission relativ einfach war. Genesis war im Wesentlichen ein Satellitenbus mit einer Kapsel. Diese Kapsel wird im Orbit geöffnet und sie enthält im Inneren 55 kleine Platten aus verschiedenen Materialien. Auf ihnen sollen sich geladene Teilchen des Sonnenwindes sammeln. Es gab dann noch zwei Messinstrumente für den Sonnenwind und einen Konzentrator der mit einem elektrischen Feld die Teilchen auf einem Punkt bündelt. Zwei Jahre lang sollen die Flächen dem Sonnenwind ausgesetzt werden und so 10 bis 20 Mikrogramm Sonnenmaterie aufsammeln. Nach zwei Jahren im sonnenzugewandten Librationspunkt L1 tritt die Sonde die Rückreise an, verschließt die Kapsel und trennt sie ab. In der Wüste Nevadas geht sie an einem Fallschirm nieder und wird noch während des Flugs von einem Helikopter eingefangen, damit den Scheiben auf jeden Fall nichts passiert. Die Scheiben würde man dann auf de Erde in Reinräumen ausbauen und die gesammelten Ionen mit einem Ionenstrahl ablösen und mit Massenspektrometern untersuchen.
Soweit der Plan, der auch voll funktionierte, bis zum Tag der Landung. Bei der Landung am 8.9.2004 entfaltete die Kapsel ihren Fallschirm nicht und schlug mit 311 km/h auf dem Boden auf. Dabei wurde die äußere Hülle über 50 cm Breite aufgerissen und es klaffte ein 7-8 cm breiter Riss. Der Sonnenwindkonzentrator war zu 3/4 unbeschädigt , die Sammelflächen aber zerbrochen und mit Staub kontaminiert. Es zeigte sich das vier Schalter, welche den Fallschirm auslösen sollten, verkehrt herum bei Lockheed Martin eingebaut worden waren. Man verzichtete auf einen Test, welcher die Funktionsfähigkeit des Systems prüfte, sondern machte nur einen einfacheren Test, der die Elektronik mit der weitgehend baugleichen Kapsel von Stardust verglich, die intensiv auf einem Beschleunigungstisch getestet wurde. Dass man bei Tests sparte war auch ein Teil des Konzepts und das sollte sich noch später rächen. Die Kapsel von Stardust, auf der die von Genesis basierte, löste ihren Fallschirm dagegen aus und brachte Kometenmaterie zurück zur Erde.
So, das waren nun die ersten vier Kandidaten, es bleiben noch sechs Ränge, die aber von mehreren Raumsonden besetzt werden – wenn Missionen völlig scheitern teilen sie sich eben einen Platz. Da der Artikel aber schon jetzt sehr lang ist und ich nicht eure Aufmerksamkeit strapazieren will mache ich hier einen Break, ihr könnte aber schon mal raten wer sich auf den ersten sechs Plätzen tummelt. Private Mondmissionen sind übrigens keine dabei, aus dem einfachen Grund, weil es über sie nur gefilterte und dürftige Informationen gibt, nicht weil diese erfolgreicher wären als staatlich durchgeführte Missionen – wer noch den Artikel zu den letzten Mondmissionen in Erinnerung hat kann sich vielleicht an deren verheerende Bilanz erinnern.