Der Wald

Kürzlich kam die Deutschland Saga, wo bei Terra X ein australischer Professor über Deutschland referierte. (vielleicht klingt e seriöser, wenn der Fachmann aus dem Ausland kommt) Es gab einiges neues für mich, die wohl überraschendste Neuigkeit: Nach einer BBC-Umfrage mit 26.000 Teilnehmern in 16 Ländern ist Deutschland, das beliebteste Land (in der Welt)! Die USA die ja bei manchen (wenn auch deutlich weniger als noch vor 20 oder 230 Jahren) als Vorbild hoch gehalten werden kamen auf Platz 8, zwei Plätze hinter der EU die auch wählbar war.

Die Serie inspirierte mich zum heutigen Thema dem Wald. Schon Tacitus berichtet vom Wald mit dem Deutschland damals überzogen war und der muss zumindest Tacitus beeindruckt haben. Vielleicht war er aber, wie das Wetter nur eine gute Entschuldigung für die Niederlage der Römer 9.n. Chr. Ich schreibe bewusst nicht im Teutoburger Wald, weil die Schlacht dort nicht stattfand, sondern bei Kalkriese, wo die Schlacht in einem Engpass zwischen einem Moor und einem Berg stattfand, aber nicht im Wald. Trotzdem scheint Deutschland damals noch bewaldeter gewesen sein als Frankreich. Wir können davon ausgehen, dass ganz Mitteleuropa nach der Eiszeit voll bewaldet war, wie dies heute noch zum Teil in Skandinavien oder Russland der Fall war. In Frankreich muss damals schon mehr Wald gerodet worden sein um Ackerfläche zu gewinnen, vielleicht weil die Bevölkerung größer war.

Was uns von den keltischen Nachbarn unterscheidet, ist das Germanen den Wald verehrten und bei bestimmten Bäumen Zeremonien abhielten. Doch das wurde mit dem Christentum abgeschafft, damit kann man die enge Beziehung der Deutschen zum Wald nicht begründen. Der Wald wurde auch schon lange wirtschaftlich genutzt. Zuerst wurde der Primärwald abgeholzt, dann nutzte man den nachwachsenden Sekundärwald zur Brennholzgewinnung. Dazu wurden die Bäume regelmäßig gestutzt, sie wuchsen nicht voll aus sondern sobald sie eine bestimmte Höhe hatten wurden die unteren Äste und Stämme abgehackt, aber nicht direkt am Boden. Als Folge bildeten diese viele Triebe die man so regelmäßig erntete. (Stockausschläge) Das ging natürlich nicht allen Bäumen aber bestimmten schnellwachsenden Hölzer wie Weiden und Pappeln. Dann nutzte man den Wald um darin die Schweine zu treiben, die bis zur Neuzeit nicht gefüttert wurden, sondern wie Wildschweine sich von Pilzen, Eicheln oder anderem essbaren ernährten (und auch in Status und Verhalten mehr Wildschweinen als Hausschweinen ähnelten). Echten natürlichen Wald gab es schon im Mittelalter nicht mehr.

Bis zu Beginn des 18-ten Jahrhunderts hatte man den Wald weitgehend abgeholzt, weil immer mehr Menschen immer mehr Brennholz brauchten und so viel gar nicht nachwuchs. Dazu kam noch Holz als Baumaterial. Stämme aus dem Schwarzwald wurden über den Rhein bis zu den Niederlanden für den Schiffbau transportiert – woanders waren alte, große Bäume die man vor allem für Masten brauchte fast nicht mehr zu finden. Wer mal Landschaftsbilder aus der Romantik ansieht sollte mal drauf achten. Einzelne Bäume sieht man auf vielen, aber selten einen  echten Wald.

Die Rettung des Waldes war der Übergang auf Braun- und Steinkohle als Brennstoff. Wälder wurden nun landwirtschaftlich angelegt und es entstand unser heutiger Wirtschaftswald. Dort dominiert meist eine Baumsorte, meistens schnellwachsende Buchen, Kiefern oder Fichten. Erst durch die Sturmschäden und vor allem bei Nadelhölzern die epidemisch sich ausbreitenden Schäden durch Borkenkäfern denkt man in den letzten Jahrzehnten um – zumindest teilweise. Es muss immer noch ordentlich sein. Unsere Familie hat ein kleines Waldstück, nach dem letzten Sturm bekamen wir einen Brief von der Gemeinde, wir müssten das Holz entfernen, das dort als Schaden entstand. Ne wir kann man nur Holz im Wald lassen…. Kein Wunder dass Baden-Württembergs erster Nationalpark es so schwer hat.

Erstaunlicherweise wurde gerade zu der gleichen Zeit als der Waldbestand sein Minimum erreichte, (vor rund 300 Jahren wurde in Deutschland die nachhaltige Forstwirtschaft „erfunden“) Grimms Märchen gesammelt und veröffentlicht. In vielen Märchen kommt der Wald vor und selten kommt er gut weg. In dem Wald werden Hänsel und Gretel ausgesetzt, Rotkäppchen begegnet dort dem Wolf, in den Wald flüchten Brüderchen und Schwesterchen und ein Märchen heißt sogar „Die drei Männlein im Walde„. Mit der damaligen Wirklichkeit hatte das nichts zu tun. Wölfe standen schon vor der Ausrottung und Wälder gab es damals weniger als heute.

Deutschland hat Glück: wir befinden uns in einer Region, wo der Wald wenn man nichts tut in kurzer Zeit nachwächst. Wir haben gemäßigte Temperaturen und nicht zu viel und nicht zu wenig Neiderschlag. Im Amazonas und den Tropen wird der Boden von viel Niederschlag weggespült. Rund ums Mittelmeer sind die Temperaturen so hoch, dass der Boden austrocknet und verweht wird wenn ihn nicht wurzeln festhalten. Zudem sinkt ohne Wald der Grundwasserspiegel ab. Wald ist normalerweise der natürliche Bewuchs überall, wo die Bedingungen vorliegen, das ist auf der Erde fast überall nur nicht nahe der Pole und in der subtropischen Zone wo sich eher Wüsten (Sahara, Australien) ausbreiten. In der Bibel kann man von den berühmten Zedern Libanons lesen. Die waren ein Exportgut bis nach Ägypten und Assyrien. Heute kann man die Zedern dort abzählen. Die Osterinsel war auch mal komplett bewaldet und dort kam der Kollaps der Kultur als die letzten Bäume gefällt waren. Selbst in der Savanne gäbe es Wald – wenn auch nur einen Trockenwald. Hier gibt es aber das neben dem Menschen wohl einzige Säugetier das den Wald rodet: Elefanten.

Erklären kann man die Verbindung der Deutschen mit dem Wald nicht, aber sie hat Folgen. Das Anfang der Achtziger auftretende Waldstreben zog nicht nur in die Sprachen anderer Länder ein, sondern führte auch dazu das in unser Parlament als erstes in der Welt eine ökologische Partei einziehen konnte.

Der Wald durchmacht übrigens eine Evolution: Wenn Wald erstmalig entsteht (z. B. nach einer Eiszeit) oder nach der Rodung des alten Waldes treten zuerst neben Stauden, Gräsern und niedrigen Sträuchern Pionierbäume auf. Bei uns meist Weiden, Pappeln, Birken und Rotbuchen. Diese Bäume wachsen schnell, werden aber nicht sehr hoch und das Kronendach ist nicht geschlossen. Die Beschattung reicht aber aus um Gräser am Boden am Wachsen zu hindern, womit auch langsam wachsende Bäume wie Eichen hochkommen können. Diese wachsen langsamer, werden aber viel größer, wenn sie größer als der Primärwald werden, beschatten sie diese Bäume und diese sterben ab. Schließlich sterben auch diese Bäume ab bzw. durch den dichten Bestand ist der Wald sehr empfindlich gegen Waldbrände – dann beginnt ein neuer Zyklus. Im Mittel sollte bei uns aber ein Wald aber ohne menschliche Eingriffe sehr dicht sein, unwegsam (viel Totholz am Boden) und auch wenn das vielen widerstrebt – es ist auch kein echter Mischwald, denn oft setzt sich eine Baumart durch. Nicht umsonst gibt es bei uns viele Orte die „Eichen oder „Aich“ im Namen haben. Eichen werden nicht nur alt, sie werden auch sehr groß und sind sehr effektiv im beschatten des bodens, sodass andere bäume schwer groß werden (dazu werden ihre Samen durch Eichhörnchen, Eichelhäher und anderer Tiere schnell verbietet).

Heute kann man die Aufforstung in anderen Ländern bezahlen, wenn man sein gewissen beruhigen will. Das Prinzip: die eigenen Klimasünden werden bei einer „Co2-Kompensation“ dadurch kompensiert dass man woanders Projekte finanziert, die Kohlendioxid binden, wie eben die Aufforstung. Besser wäre es wenn man bei uns die überschüssige landwirtschaftliche Fläche wieder in Wald umwandeln würde, und zwar sinnvoll, z.B. so, dass wir wieder verbundene Waldstücke haben anstatt einzelner Inseln in mitteln von landwirtschaftlicher Fläche. Das brauchen auch die Arten um zu wandern. Auch wären wenige größere Flächen besser als viele kleine verstreute Miniwaldstücke. Und naturbelassener Wald, zumindest aber Mischwald wäre auch nicht schlecht.

Nicht vergessen, besonders nicht um diese Zeit ist das die Deutschen den Christbaum erfunden haben. Er ist heute weltweit bekannt und gehört in vielen Ländern zu Weihnachten dazu, doch seinen Ursprung hat er in Deutschland. Erst im ersten Weltkrieg, nachdem die Alliierten Soldaten erstmals einen Weihnachtsbaum bei den Deutschen sahen (beim ersten Kriegswinter gab es ja spontane Waffenstillstände und teilweise sogar gemeinsames Feiern) wurde er auch in englischsprachigen Ländern eingeführt.

4 thoughts on “Der Wald

  1. Mal wieder im großen und ganzen deiner Meinung.
    Vieleicht das die Erklärungen des Cambridge-Professors zum besonderen Verhältniss der Deutschen zum Wald nicht schlechter als andere Versuche sind und das zwischen Oberforstmeister von Carlowitz und den Gebrüdern Grimm gute 100 Jahre liegen.

    Aber, bitte, was sind „überschüssige landwirtschaftliche Flächen“?
    Und bitte keine Argumente im Sinne von „agyptische Kartoffeln sind billiger“ und „wenn ich Städter aufs Land komme, hat der Landbewohner die Natur so einzurichten wie ich das will“.

    Bernd

  2. also in meinen Augen sind überschüssige landwirtschaftliche Flächen Flächen in denen man nicht Nahrung für die Menschen und Tiere anbaut sondern nur Biomasse für Biogasanlagen.

    Ich vergaß noch zu erwähnen, das auch bei Tolkien der wald immer etwas bedrohendes ist. Also mit dem Thema spielen zahlreiche Leute.

  3. Tja, da sieht man, wozu 60 Jahre EU- und WTO- Agrarpolitik geführt haben….

    Da werden Millionen Tonnen Lebensmittel durch die Welt geschippert, ohne das wir das Welternährungsproblem gelöst haben.
    Da werden in manchen Teilen der Welt völlig kulturfremde Pflanzen angebaut, weil die sich in anderen Teilen besser verkaufen lassen, besser als für den eigenen Bedarf zu kultivieren….
    Da wird in den fruchtbarsten Gegenden der Welt Biomasse angebaut, weil es bessere Deckungsbeiträge bringt als Lebensmittel für den Discounter anzubauen….
    (Und seit die Politik das bemerkt hat und, wie üblich, das Ruder viel zu weit rumgerissen hat, sind die Betroffenen gleich dreifach gekniffen)

    Aber wenn es mal Holz zu Kohle kommen würde muss man feststellen, daß in der Bilanz (Produktion/Verbrauch/Einfuhr/Ausfuhr) es eigentlich relativ wenig im Plus steht.
    Bei weniger Fleischkonsum viel mehr im Plus, bei Aufgabe der hocheffizienten Landwirtschaft weit,weit im Minus.

    Bei solchen strategischen Entscheidungen sollte man sehr gut nachdenken…

    Ich wünsche trotzdem frohe Festtage

    Bernd

  4. a) In Deutschland wurden im Niederwald zur Brennholzgewinnung auch Eichen eingesetzt. Bei denen funktioniert das Wachsen aus Stockausschlägen auch, und die 2-5cm dicken Äste taugten für die Gewinnung von Holzkohle. (Holzkohle wurde für die Eisengewinnung und Verarbeitung benötigt.)

    b) Wo Wald, wo Ackerland und wo Grünland steht, hängt ab von:
    – Entfernung vom nächsten Dorf oder Hof
    – Steilheit des Geländes
    – Bodenbeschaffenheit
    – Zugänglichkeit
    – wie nass oder trocken ist der Boden (Moor, Sumpf, Heide)

    c) In Frankreich wurde schon vor 2000 Jahren viel Holz für den Schiffbau geschlagen.

    d) In Südengland gibt es seit mindestens 3000 Jahren Zinnbergbau, mit dem entsprechenden Bedarf an Holz. (Ausbau der Bergwerke Holzkohle)

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