Commerzieller Crewtransport – klappts?

Nach dem nun eingefrorenen NASA Budget wird der kommerzielle Crewtransport in den nächsten 5 Jahren jeweils 850 Millionen Dollar enthalten. Wird das reichen? Nun in dieser Zeit werden zwei Dinge damit finanziert werden müssen: Die Entwicklung und vielleicht im letzten oder eventuell vorletztem Jahr auch der Betrieb. Zum Zeithorizont: 5 Jahre sind realistisch wenn man auf schon entwickelte Hardware zurückgreifen kann. Diese Frist wird z.b. beim ATV genannt wenn daraus ein Crewtransporter werden soll. In den USA gäbe es die Entwicklungen der Orion, Cygnus und Dragon auf die man zurückgreifen könnte.

Dann kommen wir zu den Kosten. Das wird schwierig. Das Grundproblem ist, dass seit 40 Jahren keine neue Kapsel entwickelt wurde. Es gibt keine Erfahrungswerte auf die man zurückgreifen könnte. Also mal ein Vergleich. Beim ATV hat man die Überlegungen schon abgestellt und es gibt da ein 2-3 Milliarden Euro Preisschild für den bemannten Transporter – zum Vergleich die Entwicklung des ATV kostete 1.350 Millionen Euro. Auch bei SpaceX wurden bisher 600 Millionen Dollar für Falcon 9 und Dragon ausgegeben und in den Unterlagen die sie der NASA zuschickte schätzt sie dass sie weitere 1 Milliarde für eine Umrüstung für bemannte Einsätze braucht.

Wir können also davon ausgehen dass die Entwicklungskosten etwa doppelt so hoch sind wie bei einem unbemannten Transporter. Selbst wenn man nun die Kosten für einen bemannten ATV (der wegen seiner autonomen Navigation und seiner Größe sicher die teuerste Möglichkeit darstellt) dann reichen die Mittel. In 5 Jahren würde die NASA so rund 4250 Millionen Dollar zur Verfügung haben. Allerdings wird das nur für ein System reichen. Die NASA wird zwar das Interesse haben, dass es mehrere Systeme gibt, schon alleine um zu verhindern, das ein Anbieter den Preis diktiert oder wenn es Probleme mit einem System gibt man ein zweites hat. Genau dieselben Überlegungen gibt es ja auch bei der Versorgung der ISS.

Die Frage ist ob man mit diesen 850 Millionen auch den Betrieb finanzieren kann. Und da habe ich meine Zweifel. Wenn man nur zwei Starts pro Jahr durchführt (immerhin eine Creq-Wechselzeit von 180 Tagen), so hat man nur 425 Millionen Euro pro Start. Ziehen wir eine Atlas V oder Delta IV ab, so bleiben noch etwa 250 Millionen Dollar für Missionsdurchführung und die Hardware. Dafür bekommt man heute ein HTV, für einen ATV reicht es nicht, eventuell für eine Cygnus. Natürlich würde es für eine Dragon reichen.

Nimmt man an, dass die Entwicklungskosten mit den Produktionskosten korrelieren – und dieser Ansatz denke ich ist wegen der viel höheren Sicherheitsanforderungen mithin viel mehr Kontrollen, Qualitätssicherungen, redundante Systeme etc. vernünftig, dann würde das nicht reichen. Realistischerweise würde ich schätzen das ein Start sicher so um die 600 Millionen Euro kosten kann. Bei der Orion war mal als die dauernd teurer wurde 2 Milliarden in der Diskussion. (allerdings war die Orion auch nie als ISS Versorger konzipiert und damit unnötig teuer für diesen Zweck.

Passend zu dem Thema ist ja in der Nacht zum Freitag das zweite ATV erfolgreich gestartet. Mit der 200-sten Ariane 5 – ein besonderes Jubiläum. Er wird vor allem die ISS anheben. Mit 7,1 t Fracht wird einiges mehr als beim ersten Transporter zur ISS gebracht. Ich bin vor allem gespannt auf die Ergebnisse des Picosatelliten, der den Wiedereintritt überwachen soll.

12 thoughts on “Commerzieller Crewtransport – klappts?

  1. In diesem Licht ist eine Shuttle-Mission mit 500 Mio USD auch vollkommen ok.

    Wieso ist eigentlich der Unterschied zwischen ATV und HTV so groß im Finanziellen?

  2. Die Anforderungen sind viel kleiner. Das HTV soll nur eine Woche lang autonom arbeiten können, das ATV bis zu 6 Monate. Es wird weder Treibstoff transferiert, noch Gase, die Station kann nicht angehoben werden und vor allem kann es nicht autonom andocken sondern wird im Nahbereich der Station eingefangen und von Hand angedockt. Daher ist es erheblich einfacher aufgebaut und auch billiger in Produktion und Entwicklung.

    Das ATV kostet bei diesem Flug 420 Millionen Euro (gesamte Mission). Das HTV kostete 14-15 Milliarden Yen, dazu kommt noch die Trägerrakete mit 15 Milliarden Yen und die Misssionskosten in unbekannter Höhe.

    Für 500 Millionen Dollar wird wohl eine bemannte Mission nicht zu haben sein, wenn man mal SpaceX außen vor lässt. 200 Millionen kostet schon eine Trägerrakete das lässt noch 300 übrig für die Nutzlast und Missionsdurchführung (die ja auch beim Shuttle nicht gerade preiswert war). Dafür gibt es gerade mal einen kleineren Forschungssatelliten – nur ist der wesentlich kleiner als ein bemanntes Raumfahrzeug, noch muss er Menschen transportieren.

  3. @Keiner
    >Wieso ist eigentlich der Unterschied zwischen ATV und HTV so groß im Finanziellen?
    Das ist Information Politik JAXA, geben nur Vage Kosten Info zu Presse
    Es kann durchaus sein dass die HTV komplett kosten bei 400 Million Euro liegt !

    bei COTS gibt jetzt eine neue mögliche Teilnehmer
    Space Operations, Inc (SOI) gegründet Januar 2011
    Sie mochten die Gemini Raumraumschiff nachbauen
    mit vierte Modul und Gleitschirm für Landlandung der Kapsel
    SOI plant erste Test Start in Februar 2012 mit erste kommerzielle Flüge 2012/2013
    auf bestehen Trägerraketen: Delta IV, Atlas V oder Falcon 9
    http://www.spaceoperationsinc.com/index.html
    für meine Geschmack Ein zu Utopisch Zeitplan für Gemini Nachbau…

  4. Wie soll die Eclipse an die ISS andocken? Die Gemini hatte Ausstiegsluken und auf der Abbildung sieht man auch keinen Adapter.

    Vielleicht versieht man die alten Gemini Kapseln die ja noch in Museen stecken einfach mit einem neuen Hitzeschutzschild und startet sie mit einer Dnepr, günstiger gehts dann wohl nicht mehr…

  5. Michael:

    Also im Prinzip ist der Zeitplan keineswegs utopisch. Die Original Gemini hat von der ersten Idee bis zum bemannten Einsatz nur etwas mehr als 3 Jahre gebraucht.

    Einen Nachbau innerhalb von etwas mehr als 2 Jahren nach einem halben Jahrhundert technischer Fortschritte als utopisch zu bezeichnen, ist dagegen fast schon eine Dystopie. Aber in einer solchen scheinen wir in Sachen Raumfahrt seit den 70er Jahren tatsächlich zu leben.

  6. Heutzutage braucht man die zwei Jahre schon, um die nötigen Genehmigungen einzuholen damit man die Dinger überhaupt bauen darf.
    Das mag übertrieben klingen, trifft aber den Kern: Der ganze Papierkrieg rings um ein Projekt wird immer gigantischer. Es gibt genug Projekte die abgebrochen wurden, weil die geplanten Gelder alle waren bevor man mit der eigentlichen Realisierung überhaupt anfangen konnte.

  7. Von dem Zeitrahmen mal abgesehen waren damals die Anforderungen an die Crewsicherheit auch geringer. Gemini hatte ein LOC Risiko von 1:200, das Raumschiff selbst sollte seine Aufgaben mit einer Zuverlässigkeit von 0,95 ausführen – heute hat selbst ein unbemannter Transporter wie das ATV höhere Werte und bei den Trägerraketen lehnte die NASA bei Constellation Konzepte ab die nur ein LOC von 1:1000 aufwiesen….

    Ich glaube nicht das Gemini heute noch von der NASA als sicher genug angesehen wird.

  8. Tja, dann muss man fragen, in welcher Welt die NASA eigentlich lebt.

    Das Shuttle hatte ein reales LOC-Risiko von bestensfalls 1:70, verteilt über die gesamte Lebenszeit. Mit Besserung wäre selbst bei Fortsetzung des Programms mit neu gebauten Shuttles kaum zu rechnen, da ohne Rettungssysteme fast jede stärkere Beschädigung oder Fehlfunktion der fragilen aktiven Steuerung der Raumfähre zum Tot der Crew führt, vom Start ganz abgesehen.

    Bei der Sojus gab es zwar auch zwei Verluste, aber die Verluste beschränkten sich auf Flüge 1 und 11 – es waren die Kinderkrankheiten eines neuen Raumschiffs.

    Es gab bisher – über den Daumen gepeilt – etwa 300 bemannte Weltraumflüge. Davon endeten 4 mit dem Tod der Crew (einer davon völlig unnötiger Weise, weil alle Testflüge vor der bemannten Sojus-1 gescheitert waren).

    Niemand kann realistischer Weise behaupten ein System mit einem LOC von 1:1000 bauen zu können. Und das ist es auch nicht, was die Öffentlichkeit will. Die will vor allem nicht mit unrealistischen Angaben betrogen werden.

    Die NASA sprach zunächst von einem LOC von 1:10.000, nach der Challenger war man bei 1:200 oder 1:120, real erreicht hat man 1:70 und wenn ich mein pessimistisches der-nächste-Flug-scheitert Kriterium anwende, dann sind es nichtmal mehr 1:50. (Ohne letzteres überschätzt man die Sicherheit systematisch, wenn man von einer Gleichverteilung der Unfälle ausgeht. Was wegen der vielen Fehlerquellen im Shuttle realistischer ist als etwa bei der simplen Sojus.)

    Wenn es von Anfang an heißt, ja, wir können nicht ausschließen, dass einer der ersten hundert Flüge scheitern wird, aber wir tun unser bestes, dass das nicht passieren wird – dann wird die Öffentlichkeit auch Unfälle akzeptieren. Zumal der Öffentlichkeit klar ist, dass sich die Besatzung des Risikos jederzeit bewusst war und sie sich selbst jederzeit diesem Risiko entziehen können indem sie nicht Astronaut werden.

    (Ähnlich wie auch z.B. in der Formel 1, wo auch der Tod von Ronald Ratzenberger und Ayrton Senna an einem einzigen Rennwochenende letztlich als Unfälle in einer gefährlichen Sportart akzeptiert wurden.)

    Von daher bleibe ich bei meiner Einschätzung, dass es um die Raumfahrt schlecht bestellt sein muss, wenn ein Nachbau eines erprobten Raumschiffs innerhalb von knapp 3 Jahren nach einem halben Jahrhundert als utopisch ansehen werden muss.

    Obwohl nicht mehr mit Logarithmen-Tabelle und Rechenschieber, sondern massiver digitaler Technik gearbeitet werden kann. Obwohl ein halbes Jahrhundert Raumfahrterfahrung, hunderte Flüge und riesige Fortschritte in der Materialtechnik, Aerodynamik, etc. pp. dazwischen liegen.

  9. Das Grundproblem des LOC ist ja das eine Vorhersage aufgrund der Daten über die Konstruktion, Simulationen und bekannten Risiken ist. Prinzipiell gilt das bei fast allen Raumfahrtunternehmungen aufgrund der geringen Anzahl der Flüge dieser Wert nicht dem realistischen Risiko entspricht, einfach weil es keine genügende Datenbasis dafür gibt.

    Die Frage ist natürlich ob man sich dann mit 1:200 zufrieden geben sollte? Meine Antwort ist: das LOC-Risiko sollte gesenkt werden, wenn dies finanziell vertretbar ist. Wenn es heute möglich ist 1:1000 mit einer Standard Trägerrakete zu erreichen, dann ist 1:200 nicht mehr akzeptabel. Wenn ich aber zig Milliarden für eine Ares I ausgeben muss um auf 1:2000 zu kommen, dann ist das nicht mehr gerechtfertigt

  10. @Bernt meint
    >Wie soll die Eclipse an die ISS andocken?
    >Die Gemini hatte Ausstiegsluken und auf der Abbildung sieht man auch keinen Adapter.

    die Grafik bei SOI sind Primitiv, Photoshop von alte Gemini Kunst.
    ich denke die wollen ehr MOL als Raumtransporter nachbauen
    eine Idee die Mc Donnell-Douglas schon 1968 an NASA anbot
    http://www.up-ship.com/drawndoc/sdoc61ani.jpg
    hier hat Gemini B ein Öffnung mit Deckel im Hitzeschild wo Astronauten
    Durch eine Tunnel zur Nutzlast krabbeln und am dessen ende das Andocksystem liegt.
    Mc Donnell hatte schon die Idee in 1962
    http://3.bp.blogspot.com/_VRIPUQofXu8/TKFhH5vwoqI/AAAAAAAAIZM/-qp8J9NwXd8/s1600/gemmod11.jpg
    mehr hier
    http://beyondapollo.blogspot.com/2010/10/modular-space-station-evolving-from.html

  11. Vor allem sollte man aufhören von einem theoretischen, quantitativen LOC zu sprechen. Die Fragestellung die man damit beantworten möchte ist zu komplex um die Antwort in der Angabe einer Zahl, die auf diese Art und Weise zustande gekommen ist, geben zu können. Eine qualitative Analyse der Art und Komplexität der Fehler die auftreten können – und was bei ihrem Auftreten passieren kann – bringt hier sehr viel sinnvollere Aussagen.

    Das einzige das man quantitativ sinnvoll angeben kann, ist das empirische LOC-Risiko. Und das beträgt heute 1:50 bis 1:70. Wobei selbst das keine Angabe ist, die die Realität beschreiben kann. Denn es ist ein Unterschied ob die Sojus 120 Flüge ohne LOC hinbekommen hat, oder das Shuttle etwa alle 50 Flüge einen LOC erlebt. Zumal sich auch die Qualität der Ursachen des LOC stark unterscheiden.

    Das Shuttle ist augenscheinlich das risikoreichere Gerät. Die meisten Risikofaktoren sind schlicht unbekannt, sind erst spät in der Startgeschichte aufgetreten und lassen sich auch nur bei bemannten Flügen finden. Es gibt eine Unzahl denkbarer und noch unerwarteter Ursachen, die ein Shuttle zerstören können. Und wenn ein Fehler auftritt, selbst wenn er einem bereits bekannten Risiko zu zu ordnen ist, dann hilft das der zum Tode verurteilten Crew herzlich wenig.

    Ein abtrennbares Cockpit in Form einer Rettungskapsel hätte da Wunder bewirkt. Man hätte heute zwar dennoch zwei Shuttles weniger, aber die Crews wären mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit noch am Leben.

    Die Sojus dagegen ist objektiv sehr viel robuster und sicherer – auch ohne jede quantitative Analyse. Sie fliegt mit einer Trägerrakete die über 10 mal so viele Flüge wie das Shuttle hinter sich hat, deren Fehlerquellen weitgehend bekannt sind. Sollte eine neue auftreten, dann hat man gute Chancen das bei einem unbemannten Flug heraus zu finden. Sie fliegt auch zusammen mit einer unbemannten, vergleichbaren Version – Progress. Das bedeutet einen riesigen Erfahrungsvorsprung. Nicht nur wegen der Zahl der Flüge, sondern auch weil man sich bei den unbemannten Flügen größere Risiken erlauben und näher an Grenzbereichen fliegen kann, die mögliche Fehler provozieren und Fehlerquellen eher aufdecken kann.

    Vor allem aber ist der Rückflug der Sojus von Anfang an als weitgehend passive Kapsel ausgelegt, die dank Rettungsturm und Flüssigtriebwerken auch vorhersehbaren Fehlern der Rakete entkommen kann. Sie ist ein weitaus weniger komplexes System. Die wichtigsten Fehlerquellen lassen sich relativ leicht identifizieren und durch peinliche Qualitätskontrolle in relativ wenigen Bereichen in den Griff bekommen.

    Es geht natürlich noch besser. Ein Raumschiff in Form eines Auftriebskörpers hat den großen Vorteil keinen Fallschirm zu brauchen, deren Versagen eine der großen Gefahren bei den Kapseln darstellt. (Andererseits hat man auch da wieder sehr sehr viel Erfahrung aus Millionen von Fallschirm Flügen.)

    Bei so wenig konkreter Flugerfahrung, wie sie heute vorliegt, sollte man denen die quantitative LOC-Angaben als Prognose abgeben schlicht den Mund verbieten und statt dessen auf der Analyse von objektiven, qualitativen Risikofaktoren bestehen.

    Wenn ein konkretes System einige tausend Flüge hinter sich hat, sollten die den Mund natürlich wieder aufmachen, denn dann ist eine ausreichende Datenbasis für quantitative Angaben vorhanden.

    Vielleicht ist es schon in weniger als einem weiteren halben Jahrhundert so weit. Vielleicht auch nicht.

  12. Das bei der Sojus das Risiko geringer als beim Shuttle ist, dazu braucht man keine Berechnung, das konnte man schon vor dem Jungfernflug aufgrund der Konstruktion und der von Dir angeführten Tatsachen vorhersagen.

    Nur hilft das nichts bei der Konzeption eines neues Raumschiffs bei dem man keine Erfahrungswerte hat und dass die Amis die Sojus starten werden dürfte weitgehend ausgeschlossen sein. Sie werden sich hier auf Berechnungen und Simulationen verlassen müssen und hoffen, dass diese richtig sind und alle Risiken beinhalten.

    Das der wert nur theoretisch ist dürfte allen klar sein. Der Kritikpunkt an der Auswahl der Ares I war auch dass man die LOC Risiken von Atlas und Delta aufgrund der theoretischen Werte berechnet hat und nicht aufgrund der damals schon vorliegenden Erfahrungen.

Schreibe einen Kommentar zu Michel Van Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.