Stöchiometrie bei Raketen

Fangen wir mal an zuerst mal das böse Fremdwort zu erklären: Stöchiometrie. Gemeint ist damit die Berechnung der Verhältnisse der bei einer Reaktion beteiligten Substanzen, damit diese vollständig umgesetzt werden. Nehmen wir mal die Verbrennung von Wasserstoff und Sauerstoff als ganz einfaches Beispiel. Die Reaktionsgleichung lautet:

2 H2 + O2 ? 2 H2O.

Ein Mol Wasserstoffmolekül (H2) wiegt 2 x 1 g, ein Mol Sauerstoff (O2) 2 x 16 g. Das Verhältnis für eine vollständige Umsetzung liegt also bei 4 zu 32 oder 1 zu 8. Liegt es höher, z.B. bei 10 zu 1 so wird ein Teil des Sauerstoffs nicht umgesetzt. Ist es niedriger z.B. bei 6 zu 1, so wird ein Teil des Wasserstoffs nicht umgesetzt.

In Raketen ist es immer so, dass von dem Verbrennungsträger (hier der Wasserstoff, andere Verbrennungsträger sind Kerosin, Hydrazinderivate, Aluminium) im Überschuss vorliegt und der Oxidator (hier Sauerstoff. andere Oxidatoren sind Stickstofftetroxid, Salpetersäure oder Ammoniumperchlorat) nicht ausreicht den gesamten Treibstoff zu oxidieren.

Warum?

Nun, bei den Antrieben die nach dem Nebenstromverfahren arbeiten, wird ein Teil des Treibstoffs für den Gasgenerator benötigt. Dort wird der Oxidator im extremen Unterschuss verbrennt, damit die Gastemperaturen nicht so hoch sind. Das erzeugte Gas muss nämlich dann noch eine Turbine antreiben und da sollte es vielleicht nicht 3000°C sondern nur 600°C heiß sein. Der Überschuss an Verbrennungsträger wirkt praktisch als Kühlmittel. Bei Nebenstromantrieben wird dieser Anteil nicht in die Brennkammer eingespritzt, sodass er automatisch die Gesamtmischung ärmer an Oxidator macht. Desgleichen kann es sein dass andere Ströme (je nach Treibstoffart) benutzt werden, um die Tanks zu druckbeaufschlagen oder Verniertriebwerke anzutreiben.

Es gibt aber auch andere Gründe. Zum einen gibt es Triebwerkstypen, die einen Teil des Treibstoffs zur Film- oder Schwitzkühlung benötigen. Dieser tritt durch die Brennkammerwand ein und verdampft und kühlt so die Wand. Obwohl dies zwar prinzipiell mit dem Oxidator und dem Verbrennungsträger geht, wählt man fast immer den Verbrennungsträger, da die meisten Oxidatoren bei hohen Temperaturen auch Metalle angreifen. Auch bei der Verbrennung hilft ein Überschuss an Verbrennungsträger einen lokalen Oxidatorüberschuss und damit eine Oxidation der Brennkammer zu vermeiden.

Eine stöchiometrische Verbrennung liefert die höchsten Verbrennungstemperaturen und damit meist die höchste Ausströmgeschwindigkeit, die ja auch von der Gastemperatur abhängt. Trotzdem arbeiten die meisten mit Verbrennungsträgerüberschuss. Warum? Nun eine zweite Rolle spielt auch die Molmasse der Abgase. Bei Wasserstoff/Sauerstoff verbleibt ungebrannter Wasserstoff, der mit einer Atommasse von 2 viel leichter als das Wasser mit 18 ist. Bei gleicher Temperatur weist daher das leichtere Molekül eine höherer Geschwindigkeit auf (Mit gleicher Muskelkraft kann man einen Handball viel stärker beschleunigen, als einen Basketball). Bei anderen Treibstoffen kommt noch dazu, dass es zum Teil noch Nebenreaktionsprodukte gibt die eine geringere Molekülmasse haben. Bei der Verbrennung von NTO mit UDMH entstehen bei stöchiometrischer Verbrennung als Reaktionsprodukte Wasser, Kohlendioxid, Stickstoff. Liegt UDMH im Überschuss vor, so können auch Stickoxid (NO), Lachgas (N2O), Kohlenmonoxid (CO) und andere Verbindungen entstehen.

Der Effekt ist, das die unvollständige Verbrennung energetisch günstiger sein kann, da die Molmasse des Abgases sinkt. On dies der Fall ist hängt sehr stark von dem Raketentriebwerk ab. Die erste Abbildung links ist die Simulation für ein typisches Erststufentriebwerk. Das stöchiometrische Verhältnis von NTO/UDMH beträgt 3,06 für LOX/RP-1 liegt es bei 3,4 und bei LOX/LH2 ist es 8,0.

Diagramm 1 zeigt die typischen Umstände bei einem Erststufentriebwerk (40 Bar, Expansionsverhältnis 15 und zwar für den Bodenimpuls). Deutlich ist, dass die unterstöchiometrische Verbrennung bessere spezifische Impulse liefert. Das ändert sich wenn man eine größere Expansionsdüse einsetzt (entsprechend niedrigeren Gastemperaturen am Düsenende – nun können weitere Reaktionen bei niedrigeren Temperaturen stattfinden. Sie liefern weitere Energie und bilden leichtere Endprodukte. Die zweite Abbildung zeigt den Vakuumimpuls bei einer Düse mit einem Expansionsverhältnis von 240 (alles theoretische Werte, berechnet mit FCEA). Deutlich ist, dass nun der höchste spezifische Impuls bei LOX/RP-1 und UDMH/NTO nahe des stöchiometrischen Verhältnisses vorliegt. Lediglich bei LOX/LH2 ist der Einfluss der neunmal niedrigeren Atommasse von molekularem, ungebranntem Wasserstoff so groß, dass der höchste Wert bei 5,5:1 erreicht wird, allerdings mit einem starken Plateau zwischen 4,5 und 6,5.

In den letzten Jahrzehnten ging der Trend zu höheren Mischungsverhältnissen. Die alten RL-10 arbeiteten bei 5:1. Die neuen und das Shuttle SSME bei 6:1. Beim Vulcain 2 beträgt es schon 6,8 zu für die Brennkammer. Der Grund dafür liegt in dem großen Volumen dass der Wasserstoff benötigt. Seine Dichte ist 16-mal kleiner als beim Sauerstoff. Selbst bei einem Verhältnis von 5:1 ist so der Wasserstofftank dreimal voluminöser als der Sauerstofftank. Ähnliche Tendenzen sieht man auch bei LOX/Kerosin. Die Thor verwandte noch ein Mischungsverhältnis von 2,1 zu 1 und das RD-180 liegt bei 2,7 zu 1.

So damit entlasse ich euch in eine blogarme Zeit. Ich bin bis zum 20.4 in Nesselwang um nach dem Rechten zu sehen, Großputz zu machen etc. Wer mal wissen will wie es dort aussieht, kann dies hier tun. Ich habe einen Blog zum 12.4. erstellt zum 50.sten von Gagarins Flug. Von Frank kommt ein Blog am 13/15. Vielleicht nutzen thomas und Kevin ihren Zugang zum blog um auch noch einen zu verfassen. Ansonsten sehen wir uns am 20 oder 21.sten wieder.

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