Sternstunden der bemannten US-Raumfahrt

Nachdem ich so gerne auf die bemannte Raumfahrt und die NASA schimpfe, will ich heute die (meiner Ansicht nach) drei wichtigsten Sternstunden der NASA nennen:

17.3.1968: Am 16.3.1968 startete zuerst der Zielkörper GATV 8 und 90 Minuten später die Gemini 8 Mission. Ziel war es an den GATV 8 anzukoppeln, dort sollte der Astronaut David Scott einen Mikrometeoritendetektor anbringen, dann waren drei An- und Abkopplungsmanöver und eine Orbitanhebung von 300 auf 410 km Höhe geplant.

Es sah auch zuerst so aus, als würde alles reibungslos klappen. Das Ankoppeln an die modifizierte Agena Oberstufe, ein vor Gemini unbekanntes und als aufwendig eingeschätztes Manöver, klappte auf Anhieb. So war alles bis dahin reibungslos verlaufen, als die Kombination den Empfangsbereich der Bodenstation verließ. Die Missionskontrolle misstraute der Agena, die zwar eine glänzende Karriere in der Air Force hinter sich hatte (es war der 192-ste Einsatz dieser Stufe), aber die NASA hatte keine guten Erfahrungen gemacht. Bei den Starts der Raumsonden Ranger und Mariner waren einige Exemplare verloren gegangen. So bekam Armstrong vor dem Verlust des Funkkontaktes noch Instruktionen was er zu tun hätte, wenn es Probleme gäbe.

Diese waren auch nötig, denn 27 Minuten nach dem Ankoppeln begann die Kombination zu rotieren. Armstrong sandte zuerst die Codes zum An- und Abschalten des Agena Bordcomputers zu dieser und als dies nichts half, koppelte er ab, in der Überzeugung die Agena wäre an dem Rotieren schuld. Doch das verschlimmerte die Situation nur. Denn es war nicht die Agena die schuld war sondern Gemini 8. Die Rotation beschleunigte sich und erreichte einen Wert von einer Umdrehung pro Sekunde, die Grenze bei der die Bewusstlosigkeit eintritt. Die beiden Astronauten begannen einen Tunnelblick zu empfinden, ein Symptom, dass die Beschleunigung die Grenze erreichte, die sie aushalten konnten. Nachdem alle Versuche zur Korrektur von Armstrong scheiterten, deaktivierte er das komplette Lagekontrollsystem der Gemini Kapsel und nahm das der Rückkehreinheit in Betrieb. Damit konnte er in der sechsten Erdumkreisung die Rotation stoppen, hatte nun aber 75% des Treibstoffs dieses Systems verbraucht.

Nun kam er auch wieder in den Bereich von Bodenstationen, die er nur aber vom Status unterrichten konnte. Was nun folgen musste war klar: Der RCS Treibstoff war für die Rückkehr vorgesehen, war er zu Ende so konnte die Kapsel nicht mehr korrekt für die Landung ausgerichtet werden. Die Missionskontrolle befahl eine Notlandung nahe Japan. Bis ein Zerstörer die Kapsel erreicht hatte, mussten Armstrong und David noch in meterholen Wellen ausharren. Beide wurden seekrank. Nach 11 Stunden war die Mission beendet.

17.4.1970: Nach drei Tagen auf dem Weg zum Mond explodierte beim Durchmischen der Sauerstofftanks der Tank Nummer 2 von Apollo 13. Die Abdeckung des Servicemoduls wurde abgesprengt, der Sauerstoff verdampfte und die Brennstoffzellen, die Strom lieferten, fielen aus. Zuerst glaubte die Missionskontrolle an ein Instrumentenversagen, doch der ausgasende Sauerstoff der von der Besatzung bemerkt wurde, belehrte sie eines besseren. Alle Versuche die Situation unter Kontrolle zu bringen, z.B. indem man die Leitungen zu den Brennstoffzellen schloss, scheiterten. So schickte man die Mannschaft in die Mondfähre als Rettungsboot und arbeitete an Notfallplänen.

Sehr bald war klar, dass die Ressourcen nicht reichen würden, wenn die Besatzung auf ihrer Freiflugbahn bleiben würde. Sie mussten mit einer Zündung schneller werden. Die erste Idee, das Haupttriebwerk einzusetzen, wurde verworfen. Es war nicht klar ob es auch beschädigt war, wenn dies der Fall war hätte dies in einer Katastrophe enden können. So blieb nur das Abstiegstriebwerk der Mondfähre, das jedoch viel weniger Schub und Treibstoff hatte. Es wurde von der Besatzung beim Umrunden des Mondes gezündet. Später mussten die nochmals den Kurs korrigieren, weil durch verdampfendes Helium aus der Mondfähre es eine Kursabweichung gab. Doch nach dieser ersten Kurskorrektur mussten alle Systeme abgeschaltet werden um Strom und Wasser (als Kühlmittel) zu sparen. Es wurde nun eisigkalt an Bord mit Temperaturen knapp über Null grad. Einer der Astronauten bekam dadurch eine Blasenentzündung. Auf der Erde erarbeitete man einen Notfallplan wie man die schon angezapften Batterien der Kommandokapsel möglichst schonen konnte, denn diese musste vor der Landung erneut aktiviert werden. Später bastelte man auch noch einen Notfilter, weil die Kohlendioxidfilter der Mondfähre überfordert waren. Erst kurz vor dem Wiedereintritt hatte man nach etlichen Simulationen die richtige Reihenfolge für das Einschalten aller Systeme zusammen, welche die Batterien nicht überlstete.

Am 17.4.1970 landete Apollo 13 heil auf der Erde, in Sichtweite des Flugzeugträgers Iwo Jimi.

7.6.1973: Am 15.5.1973 startete die Raumstation Skylab. Beim Start entfaltete sich der Mikrometeoritenschutzschild und als die zweite Stufe ihre Retroraketen  zündete, durchtrennten die Flammen die Verbindungen und der Schutzschild und ein Solarpanel gingen verloren. Das zweite war durch eine verbogene Metalllasche fixiert. So fehlte es an Strom und ohne den Schutzschild stiegen die Temperaturen auf inakzeptable Werte an.

Der Start der ersten Besatzung wurde verschoben und man erarbeitete Notfallpläne. Die Zeit drängte, denn um die Temperaturen zu stabilisieren drehte die Missionskontrolle Skylab in eine Position in der möglichst wenig der Fläche der Sonne ausgesetzt war. Gravitationskräfte drehten die Station aber zurück – ursprünglich als Designmerkmal konzipiert um Treibstoff zu sparen, verbrauchte es nun erhebliche Mengen. So war die Station nur wenige Tage lang betreibbar.

Es wurden drei Konzepte erarbeitet, von den auch zwei in Rekordzeit realisiert wurden. Beide wurden von der ersten Besatzung zu Skylab gebracht. Sie sollte zuerst die Station von außen inspizieren und sah nun erstmals was passiert war. Ein Versuch eine Lasche, welche noch das zweite Solarpanel fixierte, von der Apollokapsel aus durchzutrennen (mit einem Schneider an einer Stange) scheiterte. Danach koppelte die Besatzung an, musste aber die Kabel des Adapters kurzschließen, als diese auch beim sechsten Anlauf nicht das Signal zum Hard-Dock, dem endgültigen Ankoppeln gaben. Am nächsten Tag entfalteten sie durch eine wissenschaftliche Luftschleuse einen ersten Sonnenschutz, vergleichbar einem Schirm. Er deckte nur einen Teil der Oberfläche ab. Aber nun sanken die Temperaturen von 43 auf 27 Grad Celsius – Skylab war nun bewohnbar. Allerdings hatte die Station immer noch zu wenig Strom. Beim ersten Erdbeobachtungspass – bei dem Skylab aus der normalen Ausrichtung auf die Sonne gedreht wurde, schrillten so die Alarmglocken – die Batterien hatten zu wenig Leistung. Inzwischen hatte die Bodenmannschaften mit der Ersatzmannschaft auch die Prozedur der Reparatur der Solarzellenfläche in einem Unterwasssertank mit der Reservebesatzung erprobt und am 7.6.1973 stiegen Conrad und Kerwin aus. Zuerst klappte es ohne Befestigungsmöglichkeiten nicht, den Draht durchzusägen, der noch das Panel hielt. Als Conrad sich an der Stange, an der die Säge befestigt war, zum Panel hinüber schwang riss der Draht und das Panel öffnete sich – allerdings nur um 20 Grad, es war nach 10 Tagen festgefroren. So befestigten sie ein Seil an dem Scharnier und zogen – das nützte auch nicht. Schließlich stand Conrad auf das Seil, zog es über seine Schulter und Kerwin zog hinter ihm. Das brachte genügend Zugkraft auf, das Scharnier gab nach- der Flügel entfaltete sich und beide Astronauten schwebten durch den Schwung ins All, wo sie sich an den Verbindungsleinen zurück in die Station ziehen mussten.

Die erste Besatzung hatte so den normalen Betrieb von Skylab ermöglicht, als die Station nach dem Start schon fast vor der Aufgabe stand. Die zweite Besatzung sollte den endgültigen Schutzschirm montieren, der die Temperatur weiter auf 22 Grad absenkte.

Was haben alle drei Sternstunden gemeinsam? Es gelang das Leben der Besatzungen zu retten oder eine verloren geglaubte Station in betrieb zu nehmen. Die NASA hatte nicht nur gezeigt, dass die Bilderbuchmissionen durchführen kann, sondern auch Probleme bewältigen und lösen kann. Seitdem endeten alle gefährlichen Situationen mit dem Tod der Besatzung. Zu retten einer Station gab es auch nichts mehr. Mehr als in einem kurzsichtigen Teleskop Korrekturlinsen einzubauen konnte die NASA nicht mehr, und für deren Kosten hätte sie auch ein nachgebautes Teleskop mit einer Trägerrakete starten können. Wer sich genauer mit zweien dieser Sternstunden beschäftigen will, dem sind diese beiden Bücher über Gemini und Skylab empfohlen.

4 thoughts on “Sternstunden der bemannten US-Raumfahrt

  1. Ist zwar nicht so spektakulär wie die drei von Dir genannten Beispiele, aber mir gefällt auch die „Switch SCE to Aux“ Geschichte von Apollo 12.

  2. Na ja aber das war ja keine echte Katastrophe. Die Saturn V war ja nicht betroffen und flog weiter auf Kurs. Man hat im ersten Orbit übrigens dann heftig debattiert ob es nun zum Mond gehen könnte oder man es wegen der durchgebrannten Sicherungen sein lassen sollte.

  3. Nein, aber mit einer falschen Entscheidung oder etwas weniger technischer Redundanz (wie hätte sowas im Space Shuttle ausgesehen?) wäre die Mission verloren gewesen. Danach Apollo 13, und vielleicht wäre das Programm dann sogar direkt eingestellt worden.

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